Wer macht die US-Außenpolitik? Politische Eliten und der Council on Foreign Relations - eine Verschwörungstheorie?

Von Hans B. von Sothen/ politonline: Dem nachfolgenden Aufsatz seien die von David Rockefeller auf der Bilderberger-Konferenz vom 6. - 9. Juni 1991 in Baden-Baden ausgesprochenen Worte vorangestellt: »Wir sind der Washington Post, der New York Times, dem Time Magazine und anderen grossen Publikationen dankbar, deren Direktoren seit fast vierzig Jahren unseren Treffen beigewohnt und ihre Versprechen der Verschwiegenheit gehalten haben. Es wäre für uns unmöglich gewesen, unseren Plan für die Welt zu entwickeln, wenn wir während dieser Jahre dem Licht der Öffentlichkeit ausgesetzt worden wären. Inzwischen aber ist die Welt höher entwickelt (sic!) und darauf vorbereitet, einer Weltregierung entgegenzugehen. Die supranationale Souveränität einer intellektuellen Elite und der Weltbanker ist mit Sicherheit der nationalen Selbstbestimmung, so, wie sie in vergangenen Jahrhunderten praktiziert wurde, vorzuziehen.« Zitiert aus »Die geheime Weltmacht - Die schleichende Revolution gegen die Völker« von Conrad C. Stein.

Als George Washington im Jahr 1796 als erster Präsident der Vereinigten Staaten zurücktrat, richtete er eine Abschiedserklärung (Farewell Address) an sein Volk 1. Es wurde sein politisches Testament und von all seinen Nachfolgern als für die amerikanische Politik selbstverständlich und verbindlich angesehen. Für die US-Außenpolitik hieß das: Unter keinen Umständen feste Bündnisse, schon gar nicht mit europäischen Mächten, keine Kriege, es sei denn Amerika wäre unmittelbar bedroht, Fernhalten von allen europäischen Konflikten. Über ein Jahrhundert lang hat die USA diese Politik weitgehend befolgt. Die Monroe-Doktrin, die die südamerikanischen Länder im Laufe der Zeit immer weiter in die Interessensphäre der USA einbezog und die diese in der Folge immer öfter zum Gegenstand US-amerikanischer Interventionen machte, wurde dazu nicht im Widerspruch gesehen.

So konnten die außenpolitischen Grundsätze George Washingtons unbedingte Gültigkeit beanspruchen, bis Präsident Woodrow Wilson sein Land in den Ersten Weltkrieg führte. Angeblich, um die Welt für die Demokratie sicherzumachen. Tatsächlich stellte es sich später in den 1930er Jahren vor mehreren parlamentarischen Untersuchungsausschüssen (vor allem dem Nye-Ausschuß) heraus, daß sich Banken (insbesondere das eng mit dem englischen Establishment kollaborierende Investment-Bankhaus J. P. Morgan) und Rüstungskonzerne soweit auf Seiten Englands engagiert hatten, daß ein Sieg der Mittelmächte ihren finanziellen Ruin bedeutet hätte. Sie hatten Wilson, der seinen Wahlkampf gerade unter dem Motto »He kept us out of war - er hat uns aus dem Krieg herausgehalten« gewonnen hatte, in skandalöser Weise in den Krieg getrieben 2. Freilich wurde dafür niemand je zur Rechenschaft gezogen.

Merchants of Death
Diese unglaublichen Vorgänge erregten das amerikanische Volk nach dem Ersten Weltkrieg tief. Nie wieder, so schwor man sich damals, werde man sich wieder von den »Händlern des Krieges«, den merchants of death, in eine militärische Auseinandersetzung hineinziehen lassen 3. Man glaubte, aus der Geschichte gelernt zu haben und im Kongreß sahen sich die »Isolationisten«, die sich mit einigem Recht in der Tradition George Washingtons fühlten, in der überwältigenden Mehrheit. Schon 1919 war das internationalistische Engagement so unpopulär gewesen, daß der Kongreß sich weigerte, dem von Wilson entworfenen internationalen Friedensinstrument, dem Völkerbund, überhaupt beizutreten. Damals, noch während der Pariser Friedensverhandlungen, die in die unglückseligen Verträge von Versailles, Saint Germain und Trianon mündeten, fand sich eine kleine Gruppe amerikanischer und britischer Verhandlungsteilnehmer zusammen, um der ihrer Meinung nach drohenden Gefahr des Isolationismus, insbesondere der USA, zu begegnen. Sie gründeten den amerikanischen Council on Foreign Relations (CFR) 4 und britischerseits das Royal Institute of International Affairs (RIIA) 5, nach seinem Londoner Sitz kurz Chatham House genannt. Insbesondere der CFR sollte im Laufe der Zeit einen entscheidenden Einfluß auf die gesamte Außenpolitik der Vereinigten Staaten finden. Diese Tatsache hat oft zu den wildesten Theorien Anlaß gegeben 6. Ihr Selbstverständnis zogen die jungen Gründer des CFR zunächst aus der Tatsache, daß sie »mehr wußten und mehr lernten als die alten Männer, die den Vertrag tatsächlich unterzeichneten« 7. In der Tat war der CFR zunächst ein loser Debattierklub einiger in New York ansässiger Bankiers und Geschäftsleute gewesen, die sich bereits im Juni 1918 erstmals auf Einladung des ehemaligen Außenminister von Theodore Roosevelts, Elihu Root, getroffen hatten 8. Parallel und im Einvernehmen dazu gründete sich das Royal Institute of International Affairs (RIIA). Dieses wiederum ging aus dem 1911 gegründeten Round Table des Chatham House hervor. Der Round Table war von Lord Milner in der Tradition des großen Imperialisten Cecil Rhodes ins Leben gerufen worden, um eine neue liberale Form des Imperialismus zu propagieren. Der amerikanische CFR stand anfangs unter starkem Einfluß des anglophilen Bankhauses J. P. Morgan, damals noch mit Abstand das mächtigste Bankhaus der Welt. Dies führte zunächst zur Kritik einiger Mitglieder, die einer reinen »Association of Bankers« kritisch gegenüberstanden, zumal die Idee des Völkerbunds und des  Internationalismus, welche der CFR besonders vertrat, vom isolationistisch gesonnenen Zeitungsmagnaten William Randolph Hearst als »in der Hauptsache von internationalen Bankern unterstützt« betrachtet wurde 9. So wurden einige Akademiker, Journalisten, Wall-Street-Rechtsanwälte und Verleger kooptiert und der CFR in dieser Zusammensetzung am 29. Juli 1921 offiziell gegründet. Dennoch blieb das Übergewicht der Interessen der Wall Street spürbar. Denn das Haus Morgan, das am Pariser Konferenztisch prominent vertreten gewesen war, gedachte nicht nur den Krieg, sondern auch den Frieden in seinem Sinne zu organisieren. Der Einfluß dieser Bank auf den Council in seiner ersten Zeit war nie ein Geheimnis, denn eine Liste der »officers« und des »board of directors« des CFR wurde in jeder Ausgabe des CFR-Organs Foreign Affairs abgedruckt 10 und diese war dauernd mit Partnern, Associates und Angestellten des Hauses Morgan angefüllt. Unter den 20 ersten Direktoren des CFR von 1921 bis 1927 finden wir sechs in direkter oder indirekter Beziehung zum Bankhaus J. P. Morgan 11, drei zum Bankhaus Kuhn, Loeb & Co. 12 und zur Stiftung des Stahlmagnaten Carnegie 13. Fast die Hälfte der frühen CFR-Direktoren sind also allein zwei Wall-Street-Bankhäusern zuzuordnen, wobei das Haus Rockefeller sich in der ersten Zeit nur durch einfache Mitglieder vertreten ließ, wie etwa den Direktor von Standard Oil of New Jersey, Harold Pratt, dessen Frau dem CFR später sein herrschaftliches New Yorker Haus an der Park Avenue als Hauptquartier vermachen sollte 14. Dies entsprach der Politik des Hauses Rockefeller, das in den 1920er und 1930er Jahren in der Öffentlichkeit ausgesprochen zurückhaltend auftrat, und umgekehrt auch der Tatsache, daß eine offizielle Verbindung zur Rockefeller-Firma bisweilen sogar als karriereschädigend angesehen wurde, was sogar den ersten Direktor der Rockefeller-Foundation, Mackenzie King, dazu bewog, seinen Posten nur zögerlich anzunehmen 15. Das Massaker von Ludlow, bei dem die Polizei einen Streik in einer Rockefeller-Firma kurzerhand zusammenschießen ließ und viele Tote zu beklagen waren, war vielen Amerikanern noch in zu frischer Erinnerung. Personelle Verbindungen des »board of directors« des CFR zu Rockefeller waren aus den genannten Gründen damals noch nicht ersichtlich, wiewohl die Rockefeller-Stiftung bereits als Förderin auftrat.

Die Politik aller CFR-Mitglieder, so unterschiedlich diese sonst auch sein mochten, traf sich bereits unmittelbar nach dem Ende des Ersten Weltkriegs in der Überzeugung, daß ein amerikanischer Isolationismus unter allen Umständen abgelehnt werden müsse. Eine für eine außenpolitische Gesellschaft - zumal in der USA, in der diese Einstellung in der Bevölkerung damals alles andere als Konsens war - bedeutsame Feststellung. Die ersten Mitglieder waren allesamt Vertreter der Völkerbundsidee, wenn auch sonst nicht notwendigerweise der zugrunde liegenden politischen Logik Woodrow Wilsons folgend 16. Eine kleine, aber bezeichnende Episode aus der Gründungszeit des CFR illustriert dessen Konsens: Als 1923 ein für seine isolationistischen Tendenzen bekannter, aber sonst wenig bedeutender Senator aus Iowa namens Smith Brookhart vor dem CFR reden sollte, liefen fast alle Wall-Street-Mitglieder des Councils dagegen Sturm. Der Direktor von J. P. Morgan, Leffingwell, weigerte sich, überhaupt mit Brookhart zu diskutieren. Paul Warburg, ein Partner von Kuhn, Loeb & Co., ließ mitteilen, daß er und seine Freunde wütend darüber seien, daß ein »ungebildeter Demagoge« wie Brookhart die »Gastfreundschaft des CFR genießen« sollte 17. Die akademischen Mitglieder des CFR-Direktoriums, die gewiß keine Sympathien für die politischen Vorstellungen des Senators hegten, konnten ihre Kollegen von der Wall Street dann doch noch dazu überreden, die Sache stattfinden zu lassen. Diese Anekdote gibt einen schlaglichtartigen Einblick in die politische Denkrichtung des Wall-Street-Establishments der damaligen Jahre, in die Vehemenz ihrer Einstellung und die erstaunliche Gleichgerichtetheit ihrer Vorstellungen.

Einfluß der Rockefeller Foundation
Bereits während der 1920er Jahre waren es neben J. P. Morgan und Kuhn, Loeb & Co. vor allem die die Voraussetzungen des Weltfriedens erforschende Carnegie-Stiftung sowie die Rockefeller-Stiftung, die das Bankkonto des CFR immer wieder auffüllten. Der Zufluß der Rockefeller Foundation an den CFR verdünnte sich jedoch Anfang der 1930er Jahre, verglichen mit deren Zuwendungen an andere Institutionen 18. Er wurde erst wieder stärker, ja dominant, in den Jahren des Zweiten Weltkriegs. Die große Zeit des CFR kam mit dem Zweiten Weltkrieg, als die Nachkriegsordnung der Welt unter ganz maßgeblicher Beteiligung führender CFR-Mitglieder wie Dean Acheson, William Averell Harriman, George F. Kennan, John Jay McCloy und anderen formuliert wurde 19. Insbesondere mittels seiner zwischen 1940 und Mitte 1945 erstellten »War and Peace Studies«, an denen zeitweilig bis zu hundert Mitarbeiter - unter ihnen auch der junge David Rockefeller - in fünf Arbeitsgruppen beschäftigt waren und für die die Rockefeller Foundation mehr als 300.000 Dollar zur Verfügung stellte, übte der CFR einen kaum zu unterschätzenden Einfluß auf die Nachkriegsordnung aus 20. Die Arbeitsgruppe Wirtschaft und Finanzen hatte Anfang Oktober 1940, also vor dem Eintritt der USA in den Krieg, noch an einem Konzept der Teilung der Welt gearbeitet: Falls Großbritannien von den Deutschen eingenommen würde, würde Churchill vermutlich nach Kanada fliehen. Von dort aus würde man sich in einem
»Kondominium« sowohl um das britische als auch das französische Kolonialreich kümmern. Bis zum Ende des Krieges aber müßten die Märkte der Kolonien für den amerikanischen Handel umgehend geöffnet werden. Die USA würde weiterhin Weltmacht bleiben. Ihr sollten im Falle der Niederlage Großbritanniens das Empire und die Reste der französischen Kolonien als Einflußgebiet zufallen. Sie sollte versuchen, die »militärische und wirtschaftliche Vormacht in der nicht-deutschen Welt« zu erhalten 21.  Eine wirtschaftliche Blockade Japans war in den CFR-Plänen zunächst nicht vorgesehen. Als schon vor Pearl Harbor klar wurde, daß das politische Establishment in Washington um Präsident Roosevelt ganz andere Pläne hatte und man sich so um jeden politischen Einfluß gebracht hätte, schwenkte der CFR auf eine Politik um, die auf eine vollständige Niederwerfung Deutschlands hinauslief.

Nicht die Teilung der Welt, sondern amerikanische Hegemonie war schließlich das Ziel der CFR- Nachkriegsplanung. Denn nicht ein Gleichgewicht der Kräfte versprach in Zukunft die Stabilität, die die Wirtschaft benötigte: eine solche konnte nur eine hegemoniale Weltordnung leisten. Dies fand seine Entsprechung in den wirtschaftlichen Vorstellungen vieler führender Männer aus dem amerikanischen Wirtschafts- und Finanzbereich, daß nämlich ein Zustand ständigen Wettbewerbs und Konkurrenz alle Beteiligten schwäche. »Wettbewerb ist Sünde«, hatte bereits der alte Rockefeller gesagt. Und auch der Haß des alten John Pierpont Morgan gegenüber dem Wettbewerb war legendär 22. Schon 1939, in der ersten Planungsphase der »War and Peace Studies« hatte das CFR-Mitglied Isaiah Bowman (er wird später der geistige Vater der Institution des UN-Sicherheitsrats werden) angemerkt: »Die Regierung der Vereinigten Staaten ist an jeder Lösung irgendwo auf der Welt interessiert, die den amerikanischen Handel betrifft. Im weitesten Sinne ist der Handel die Mutter aller Kriege. Handelsrivalitäten von anderer Seite führen unvermeidlich zu Schwierigkeiten auf der Seite der amerikanischen Händler. « 23 Die Welt solle, so schon in den CFR-Memoranden der frühen 1940er Jahre, »als ein interdependentes System von miteinander Handel treibenden Nationen gesehen« werden 24. Der Begriff Interdependenz sollte schließlich zu einem Schlüsselwort der seit 1954 abgehaltenen Bilderberger-Konferenzen 25 und seit den 70er Jahren der von dem »Bilderberger« David Rockefeller 1973 gegründeten Trilateralen Kommission 26 werden. Es würde zu weit führen, die Bedeutung des Netzwerkes der Bilderberger-Konferenzen für die atlantische Außenpolitik der Länder Westeuropas und Kanadas zu umreißen; ihre Bedeutung mag man daran ermessen, daß sie als eine der frühesten Ausgangspunkte dessen gelten können, was man im gegenwärtigen Sinn als Diskussion um die Themen der Globalisierung kennt. So war es einer der Grauen Eminenzen der US-Außenpolitik, George W. Ball (»Bilderberger« seit der Gründung 1954 bis kurz vor seinem Tod 1993), der 1968 auf der Bilderberger- Konferenz im kanadischen Mont Tremblant eines der ersten Grundsatzreferate über die internationale Ausgestaltung der Globalisierung gehalten hat.

Der CFR sichert die außenpolitische Kontinuität
Das Ziel, das sich der CFR bei seiner Gründung 1919 gesetzt hatte, war das der Führung der öffentlichen Meinung in der USA bzw. deren »Stimulierung«, wie es der Außenminister Theodore Roosevelts und spätere (einzige) CFR-Ehrenvorsitzende Elihu Root 1922 nannte 27. In den 1970er Jahren hatte man diese Meinungsführerschaft in einer derart umfassenden Weise erreicht, daß man dazu übergehen konnte, das Ziel etwas euphemistischer zu fassen: man sprach nur noch von dem Zweck, die Öffentlichkeit zu informieren 28. Doch nicht die Information ist der Zweck dieser Organisation, sondern die Formierung einer politischen, insbesondere einer außenpolitisch gebildeten Elite innerhalb der USA. Dies erscheint in einem Land, in dem die Bevölkerung bis in die Eliten hinein einerseits ungewöhnlich wenig über auswärtige Probleme weiß und das sich andererseits anschickt, die Welt zu beherrschen, besonders notwendig. Der eigentliche Zweck des CFR ist daher ebenso unspektakulär wie wirkungsvoll: Er formuliert für die Regierung der Vereinigten Staaten parteiübergreifend eine kontinuierlich gültige Außenpolitik, stellt innerhalb dieser Elite einen Konsens darüber her, integriert nachwachsende Politiker und Publizisten in diesen Konsens und liefert diese Elite aus seinen eigenen Reihe der jeweiligen Administration. Zusätzlich hierzu sortiert der CFR dissidente Persönlichkeiten aus der von ihm geformten potentiellen Entscheidungselite stillschweigend aus und isoliert sie notfalls öffentlich. Der CFR hat öffentlich stets sehr klargestellt: Die Isolationisten hatten nicht nur politisch unrecht, sie waren auch moralisch keine anständigen Menschen. Der öffentliche Diskurs nahm seit Anfang der 1950er Jahre derartige Formen an, daß schließlich nicht einmal mehr ein Hund von einem Isolationisten ein Stück Brot angenommen hätte. In dieser permanenten politischen Ausgrenzung sah der CFR eine seiner vornehmsten Aufgaben. Die Personalpolitik des CFR ist dabei so umfassend, daß kaum eine für die internationale Politik der USA relevante Person nicht wenigstens einfaches Mitglied dieser Organisation ist. Er umgibt führende Mitglieder der Administration, soweit er sie nicht selbst stellt, mit seinen Beratern, bis hinauf zum Präsidenten. Daß seit Nixon von Henry Kissinger bis zu Condoleezza Rice beispielsweise alle Sicherheitsberater der US-Präsidenten Mitglieder, meist sogar Officers des CFR gewesen sind, versteht sich dabei fast von selbst. Die Tatsache, daß der CFR vor allem auch die Kontinuität einer internationalistischen und interventionistischen Außenpolitik garantiert, ist besonders deshalb wichtig, weil es aus der Sicht des CFR nie wieder von einem Regierungswechsel in der USA abhängen darf, daß sich möglicherweise auch die internationalistische Außenpolitik ändert.

Konsens kontinuierliche Intervention
Der antiisolationistische Konsens, den der CFR von seiner Gründung an so vehement vertreten hat, darf heute nicht nur in der USA, sondern auch bei deren Verbündeten als vollkommen unbestritten gelten. Die Isolationisten, noch bis Franklin Roosevelt eine starke innenpolitische Macht, sind heute auf den Status einer Sekte zurückgedrängt. Aus dem negativ formulierten antiisolationistischen Konsens ist inzwischen ein Konsens der kontinuierlichen Intervention geworden. Er ist langsam zur unbestrittenen Doktrin der amerikanischen Außenpolitik geworden. Und dies dürfte nicht zuletzt eines der wichtigsten Ergebnisse der jahrzehntelangen unermüdlichen Arbeit des CFR sein. Verschiedenste außenpolitische Netzwerke - in Deutschland gehören beispielsweise die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und die Atlantik-Brücke dazu - vervollständigen die Einwirkungsmöglichkeiten des CFR auf die außenpolitischen Eliten eines jeden wichtigen, westlich orientierten Landes.

Die Bilderberger
Die Netzwerke, die die CFR-Eliten der Vereinigten Staaten im Ausland geknüpft haben, sind vielfältig. Zu dem inzwischen wohl bekanntesten gehören zweifellos die bereits genannten Bilderberger-Konferenzen. Natürlich sind diese keine »Weltregierung«, wie immer wieder behauptet wird. So funktionieren Netzwerke nicht. Sie sind eine von vielen Schnittstellen der westlichen Elite, von denen es international viele gibt. Freilich eine sehr einflußreiche. Jede dieser Schnittstellen hat sich andere Aufgaben gestellt und ist demzufolge auch im einzelnen anders zusammengesetzt. Manche bilden sich nur auf nationalem Gebiet, manche international, manche nur zwischen zwei Ländern (was insbesondere zwischen der USA und Großbritannien Tradition hat). Sehr oft haben sie die Aufgabe, verschiedene Entscheidungseliten in westlichen Ländern im politischen Vorfeld zu koordinieren und im Vorfeld einen möglichst hohen Konsens dieser Eliten über die zentralen Themen herzustellen. Daß solche Konsensbildungen nicht immer mit einem demokratisch kontrollierten Prozeß parallel laufen müssen, versteht sich von selbst. Das CFR hat primär außenpolitische Themenstellungen; seine Mitglieder sind ausschließlich US-Bürger, deren Machtstellung äußerst unterschiedlich sein kann, deren Mitgliedschaft jedoch in der Regel Voraussetzung  ist, um von den entscheidenden Stellen überhaupt um eine Meinung gebeten zu werden. Die Bilderberger haben im Gegensatz zum CFR keine Mitgliedschaft. Sie sind, was die Teilnehmer an den Konferenzen betrifft, auf Nordamerika und Westeuropa - von Anfang an mit einem gewichtigen Beitrag der Türkei - beschränkt; erst in den letzten Jahren finden wir mit der Ostausdehnung von NATO und EU auch vereinzelt ostmitteleuropäische Teilnehmer. Daß die personelle Überschneidungsquote der Mitgliedschaft beim CFR bei den US-amerikanischen Teilnehmern der Bilderberger-Konferenzen außerordentlich hoch ist, versteht sich bei den stark außenpolitisch geprägten Themen dieser Konferenzen von selbst. Die Bilderberger-Themen waren von Anfang an Außenpolitik, Wirtschaft und NATO-Politik. Zweck der Konferenzen war von Anfang an die maßgebliche Einflußnahme der außenpolitischen US-Eliten auf die Entscheidungsfindung der westeuropäischen Eliten. Das hängt eng mit der Geschichte der Bilderberger-Konferenzen zusammen. Diese finden traditionell unter vollkommenem Ausschluß der Presse statt. Was nicht bedeutet, daß diese nicht anwesend ist. Im Gegenteil: wichtige Entscheidungsträger innerhalb der westlichen Presse sind immer geladen. So gehören seit den 70er Jahren stets Redaktionsmitglieder der deutschen Wochenzeitung Die Zeit dazu, was mit der damaligen zentralen Stellung der Gräfin Dönhoff in der außenpolitischen Elite (Deutsche Gesellschaft für auswärtige Politik und Atlantik Brücke) zusammenhängt, aber auch Vertreter beispielsweise des Standards und anderer Zeitungen waren später zu finden. Nur berichten sollen sie nicht, denn schließlich sind sie selbst als Multiplikatoren einer Idee vorgesehen. Der Ausschluß der Öffentlichkeit hat, glaubt man den Bilderbergern selbst, zunächst den Sinn, daß viele der anwesenden Politiker, Wirtschaftsleute, Gewerkschafter und Journalisten auch einmal frei von der Leber weg diskutieren wollen, ohne gleich befürchten zu müssen, zitiert zu werden. Das erscheint zunächst ganz begreiflich. Doch der Hintergrund ist natürlich auch ein anderer. Denn hier läuft die faktische Konsensbildung eben oft genug am Wählerwillen vorbei. Und seit Jean Monnet - der, im Gegensatz zu manchen seiner Mitarbeiter wie etwa Max Kohnstamm, selbst kein Bilderberger war - haben sowohl die Bilderberger als auch die europäische Elite eine ganz eigene Auffassung von demokratischer Konsensbildung. Ein Teil davon war und ist die Intransparenz. »Schritt für Schritt«, so Monnet, müsse eine Verzahnung von Entscheidungen und Institutionen geschaffen werden, aus der es kein Zurück mehr gebe. Dann bekämen die Institutionen, »wenn sie erst einmal bestehen, ihr Eigenleben, das den Willen der Menschen überschreitet« 29. Eine Formulierung, die man sich auf der Zunge zergehen lassen muß. Oder, wie es der Bilderberger und vormalige EU-Kommissar Jean Claude Juncker etwas salopper formuliert: »Wir beschließen etwas, stellen es in den Raum und warten dann einige Zeit ab, ob etwas passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter - Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.« 30 Die Dinge, die auf diese Weise »beschlossen« werden, haben in der Regel vorher einen oder mehrere Konsensdurchläufe in Konferenzen wie z.B. den Bilderberger-Konferenzen - ohne Öffentlichkeit - erlebt. Diese Intransparenz bei der Konsensfindung bis zur Entscheidung hat also einen Sinn. Daß, wie bereits erwähnt, Themen, bei denen ein öffentlicher Konsens der Völker nicht zu erwarten ist, unter Ausschluß der Öffentlichkeit diskutiert werden müssen, kann nicht verwundern. Themen wie die konkrete rechtliche Ausgestaltung einer zu schaffenden Globalisierung, wie sie bei den Bilderbergern Ende der 1960er Jahre erstmals besprochen wurde, desgleichen später der rechtliche Abbau nationaler Souveränität auf allen Gebieten, der vom US-Establishment stark erwünschte Eintritt der Türkei in die EU, usw., erfordern geradezu Konferenzen wie die der Bilderberger. Und wenn der Bankier Julius Meinl V. sagt: »Ich glaube, daß die europäischen Politiker in Wahrheit längst den Beitritt der Türkei beschlossen haben, nur können sie es den Bevölkerungen noch nicht verkaufen« 31, dann meint er genau diese transatlantische Mischform zwischen Konsensfindung und Beschlüssen im Vorfeld der demokratischen Entscheidungen, für die die Bilderberger exemplarisch stehen.

Die Trilaterale Kommission - The Trilateral Commission
Ein weiterer Ableger der Bilderberger-Konferenz ist David Rockefellers Trilaterale Kommission. Auch sie zeigt, daß eine immer weitergehende Verzweigung nicht notwendigerweise in Zersplitterung münden muß, sondern sich in eine immer weiter verstärkte Netzwerkbildung auswachsen kann. Die bereits erwähnte Trilaterale Kommission (TK) wurde 1973 durch David Rockefeller gegründet, der weiterhin ein maßgeblicher Bilderberger blieb. Er setzte den Bilderberger Zbigniew Brzezinski zur Leitung seiner Neugründung ein, der sich nunmehr ganz dieser Aufgabe zuzuwenden hatte und aus dem engeren Bilderberger-Netzwerk ausschied. Maßgebliches Ziel war die Einbindung der japanischen Eliten in ein internationales Netzwerk; etwas, was die NATO-zentrierte Bilderberger-Konferenz nicht leisten konnte oder wollte. Brzezinski war der Sicherheitsberater von Präsident Jimmy Carter. Zusammen mit Samuel P. Huntington war Brzezinski jung an prominenter Stelle des Council on Foreign Relations gelandet. Während sich Huntington um die Konkurrenzzeitschrift Foreign Policy kümmerte, brachte Brzezinski - inzwischen als Herausgeber - das in den vergangenen Jahrzehnten leicht angestaubte CFR-Organ Foreign Affairs wieder auf Vordermann und wurde von 1972 bis 1977 gar Direktor des CFR sowie Gründer und Direktor der Trilateralen Kommission Rockefellers. Beide Institutionen setzten sich vehement für die One-World-Ideologie ein. Brzezinski betätigte sich in dieser Eigenschaft auch als Kundschafter für politische Talente: »Eigentlich hat er [Brzezinski] [den späteren Präsidenten und Friedensnobelpreisträger] Jimmy Carter entdeckt: vor Jahren, als er 1973 die inzwischen zu Weltruf gelangte Trilateral Commission ins Leben rief, die sich seitdem dem Studium der von den Industrienationen Amerikas, Europas und Japan gemeinsam zu lösenden Fragen verschrieben hat«, berichtete seinerzeit Theo Sommer, langjähriger Chefredakteur der Wochenzeitung Die Zeit und ebenfalls langjähriges Mitglied der Trilateralen Kommission 32 und Teilnehmer an Bilderberger-Konferenzen (Carter bezeichnete sich gar als Brzezinskis »gelehrigen Schüler«) 33. Und an gleicher Stelle berichtete Sommer Erstaunliches: »[Der vormalige Außenminister Henry] Kissinger wurde von Nelson Rockefeller, dem Politiker 34 gefördert, Brzezinski von David Rockefeller, dem Bankier (mit dem zusammen er die Trilateral Commission 35 aus der Taufe hob).«

Den bereits 1960 von Nelson Rockefeller geforderten Aufbau einer Weltstaatselite nahm sein Bruder David mit seinem privaten, allerdings dem CFR zugeordneten Projekt der Trilateralen Kommission 1973 in Angriff. Dies konnte der CFR, dessen Aufgabe die Elitebildung innerhalb der USA ist, nicht leisten. Die Global Governance, wie sie die Trilaterale Kommission vertritt und wie sie im Anschluß in viele Dokumente der Vereinten Nationen eingegangen ist, ist keine Idee der Linken. Sie ist auch keine Erfindung der Europäer. Sie ist als Antwort auf die »Krise der Regierbarkeit« der westlichen Demokratien entstanden, wie sie unter anderen Samuel Huntington bereits 1975 in einer Schrift der Trilateralen Kommission feststellen zu können glaubte 36. Hier haben wir es also weder mit genuin linken Gedankengängen zu tun, noch mit neokonservativen, sondern die Idee entstammt einem der einflußreichsten und radikalsten neoliberalen amerikanischen Think tanks. Die Karriere des Begriffs Global Governance ist in der Tat bemerkenswert. Zeigt sie doch, wie derselbe, der die Demokratie global wirtschaftskompatibel machen sollte und soll, von den westlichen Linken nicht nur fast kritiklos übernommen, sondern geradezu in sie hineinimplantiert wurde. Governability, also die »Regierbarkeit«, steht im Zentrum der ursprünglichen Überlegungen der Global Governance. Mit allen Defekten, die das notwendigerweise für die demokratische Mitbestimmung der Völker bedeutet.

Bleibt zu bemerken, daß es noch eine Menge anderer »Spin-offs« von CFR und Bilderbergern gibt. Wenig bekannt ist, daß auch der Club of Rome - die Mutter aller politischer Umweltorganisationen - der 1968 von Aurelio Peccei gegründet wurde, dazu zählt; nur daß er eben mit einer vordergründig anderen Thematik aufwartet, aber vor allem die Globalisierung thematisiert und dazu die Problemszenarien selbst schafft, die angeblich allein durch globale Lösungsansätze bewältigt werden können. Peccei, den wir 1963 als Teilnehmer an der Bilderberger-Konferenz in Cannes und 1964 bei der von Rockefeller ausgerichteten Konferenz in Williamsburg, Virginia, finden, scheidet nach der Gründung des Club of Rome offiziell aus dem Bilderberger-Zusammenhang aus. Die im Laufe der Jahrzehnte entstandenen amerikanischen und europäischen transnationalen Eliten 37 setzen historisch und auf den ersten Blick soziologisch wieder dort an, wo sie am Vorabend des Ersten Weltkriegs aufgehört zu haben schienen, bevor sie sich unter den schrecklichen Schlägen dieser »Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts« wieder für viele Jahrzehnte auf nationalen Gleisen eher getrennt entwickelt hatten. Walther Rathenaus berühmtes Wort von 1909: »Dreihundert Männer, von denen jeder jeden kennt, leiten die wirtschaftlichen Geschicke des Kontinents« 38, war schon damals durchaus wörtlich zu nehmen und bezog die amerikanische Elite mit ein, die damals freilich noch nicht die weltbeherrschende Elite war, die sie heute ist.

Als Abschluss fügen wir die Worte Daniel Estulins ein, der in seinem Buch »Die wahre Geschichte der Bilderberger« folgendes schreibt: »Die Bilderberger sind zusammen mit dem Council on Foreign Relations und der Trilateralen Kommission zu einer Schattenregierung geworden, deren vorrangiges Ziel es ist, die Souveränität aller Nationalstaaten abzuschaffen und deren durch einen »elektronischen globalen Polizeistaat« überwachte Wirtschaft unter eine umfassende Kontrolle der Konzerne zu stellen.«

Quelle: http://www.swg-hamburg.de/Politik/Wer_macht_die_US-Aussenpolitik/wer_macht_die_us-aussenpolitik.html - Aus: Neue Ordnung Nr. 3/07 (www.neue-ordnung.at); Hervorhebungen durch politonline. Unter dem Stichwort Bilderberger, Trilaterale Kommission, Brzezinski, Huntington, etc., finden sich diverse Beiträge auf politonline

Anmerkungen der Redaktion der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft e. V. Hamburg: Aus Platzgründen konnte der umfangreiche Anmerkungsapparat dieses Beitrags hier nicht wiedergegeben werden. Interessierte Leser finden ihn auf unserer Internetseite www.neue-ordnung.at, Abonnenten ohne Internetzugang senden wir den kompletten Beitrag mit Anmerkungsteil als kostenloses Service jederzeit auch postalisch zu.

1 J. D. Richardson (Hrsg.), Compilation of Messages and Papers of the Presidents, Bd. 1, Washington D. C.: 1907, S. 213, http://usinfo.state.gov/usa/infousa/facts/democrac/49.htm.
2 Vgl. dazu: John Edward Wiltz, In Search of Peace: The Senate Munitions Inquiry, 1934–36, Baton Rouge: Louisiana UP, 1963 sowie Matthew Ware Coulter, The Senate Munitions Inquiry of the 1930s: Beyond Merchants of Death, Westport, CT, 1997, der frühere Ergebnisse relativiert.
3 Der Begriff entstammt dem kritischen Werk von Helmut C. Englebrecht/Frank C. Hanighen, Merchants of Death (New York 1934); weitere zeitgenössische kritische Literatur: George Seldes, Iron, Blood and Profits: An Exposure of the World-Wide Munitions Racket, New York: Harper & Br., 1934.
4 Zum CFR vgl.: Whitney H. Shepardson, Early History of the Council on Foreign Relations, Stamford, Conn.: [n. p.], 1960 (Shepardson war 1921 einer der Gründungsdirektoren des CFR); Bernard C. Cohen, The Influence of Non-Governmental Groups on Foreign Policy Making, Boston 1959; Richard J. Barnet, Roots of War: Men and Institutions Behind U.S. Foreign Policy, New York: Athenaeum, 1972; kritisch: Laurence H. Shoup, and William Minter, Imperial Brain Trust: The Council on Foreign Relations and U.S. Foreign Policy, New York: Monthly Review Press, 1977; eine bisweilen kritische und lesenswerte Analyse bei Robert D. Schulzinger, The Wise Men of Foreign Affairs: The History of the Council on Foreign Relations, New York: Columbia University Press, 1984; CFR-freundlicher: Michael Wala, Winning the Peace. Amerikanische Außenpolitik und der Council on Foreign Relations, 1945–1950, Stuttgart 1990; Carlo Maria Santoro, Diffidence and Ambition: The Intellectual Sources of U.S. Foreign Policy, Boulder CO: Westview Press, 1992; William P. Bundy, The Council on Foreign Relations and Foreign Affairs: Notes for a History, New York: Council on Foreign Relations, 1994; Inderjeet Parmar, The Issue of State Power: The Council on Foreign Relations as a Case Study. In: The Journal of American Studies 29/1995. Vom CFR selbst gibt es einen kurzen Abriß seiner eigenen Geschichte bei: Peter Grose, Continuing the Inquiry: The Council on Foreign Relations From 1921 To 1996, New York: Council on Foreign Relations, 1996. Dort auch die offizielle Liste aller Direktoren, Officers und Präsidenten des CFR (ebd., S. 69 ff.). Die Werke von Schulzinger und Wala werden von Grose (S. 74) als „fair“ bezeichnet – auf das Buch von Shoup scheint das offenbar weniger zuzutreffen.
5 Zur Geschichte des RIIA vgl.: Andrea Bosco/Cornelia Navari (Hrsg), Chatham House and British Foreign Policy 1919–1945, London: Lothian Foundation Press, 1994; Inderjeet Parmar, Special Interests, the State and the Anglo-American Alliance, 1939–1945, London: Frank Cass, 1995 sowie ders., Think Tanks and Power in Foreign Policy, a.?a.?O. (2004). Untersuchungen über die Nachkriegszeit des RIIA fehlen weitgehend. Zu der internen Geschichte des RIIA und deren Ideen des Empire wird immer wieder Carroll Quigleys Werk Tragedy and Hope: A History of the World in Our Time, New York: Macmillan 1966, zitiert. Zu Recht wird von Kritikern beanstandet, daß das dort über das hier interessierende erschienene Kapitel zwar äußerst aufschlußreiche Details über die Interna der angloamerikanischen außenpolitischen Elite enthalte, jedoch über keinerlei Fußnotenapparat verfüge. Dies ist zwar richtig, jedoch hat Quigley diesem Manko in einem leider sehr viel weniger bekannten und zitierten Werk abgeholfen: Carroll Quigley, The Anglo-American Establishment: From Rhodes To Cliveden, New York: Books in Focus, 1981. Der Titel ist insoweit irreführend, als die Geschichte des CFR dort nur gestreift wird. Quigley war Professor an der School of Foreign Service an der Georgetown University und einer der wichtigsten akademischen Mentoren des späteren Präsidenten Clinton. Man kann seine Werke also wohl kaum, wie es bisweilen geschieht, dem Spektrum der verschwörungstheoretischen Literatur zuordnen. Vielmehr, und das erwähnt Quigley, hat er manche Fußnoten aus Gründen des Quellenschutzes nicht spezifizieren können. Dies ist bei der Verwendung von Quellen der Oral History ein durchaus nicht unübliches Procedere. Kritisch zu Quigleys Arbeitsweise: Norman Rose, The Cliveden Set: Portrait of an Exclusive Fraternity, London: Jonathan Cape, 2000, S. 211 f., 243. Lord Brand, eines der führenden RIIA-Mitglieder, bezeichnete Quigleys Anmerkungen zur geistigen Genese des RIIA und des Round Table aus einer geheimen Gesellschaft um Cecil Rhodes als „absolute moonshine“, als dummes Zeug. Angesichts der Einsicht Quigleys in die Quellen ist das möglicherweise eine Schutzbehauptung.
6 Frühe, eher verschwörungstheoretische Literatur über den CFR (die freilich trotzdem oft interessante Details bringt) stammt von der John Birch Society: Phoebe Courtney/Kent Courtney, America’s Unelected Rulers: The Council on Foreign Relations, New Orleans: Conservative Society of America, 1962; dies., The CFR, New Orleans: Free Men Speak, 1968; sodann eine Arbeit von einem Ex-FBI-Mann: Dan Smoot, The Invisible Government, Dallas: Dan Smoot Report, 1962; die heute bekanntesten Arbeiten sind: Gary Allen, None Dare Call It Conspiracy, Rossmoor, CA: Concord Press 1972; deutsch: Die Insider. Wohltäter oder Diktatoren? und ders., Die Rockefeller-Papiere. Schritte zur „Neuen Weltordnung“, Wiesbaden 1976 (NA: 1998). Die Werke Allens vermischen leider oft Wahres mit Halbwahrem und Unbelegtem. Die Literatur entspricht, wie bei solchen Veröffentlichungen üblich, nicht wissenschaftlichem Standard. Vieles scheint abgeschrieben zu sein, ohne geistig durchdrungen worden zu sein. Die einseitige Projektion der amerikanischen Außenpolitik etwa allein auf die Familie Rockefeller ist absurd und verschleiert den Blick auf größere Zusammenhänge und Strukturen. (Die entsprechende Literatur ging zwischenzeitlich so weit, auch hinter den Büchern von Allen wiederum eine Verschwörung zu suchen: vgl. Holger Stein, Gezielte „Insider“-Informationen?“ In: Nation und Europa, 26. Jg., H. 4, April 1976, S. 41 f.; Stein legt die Fährte zu „Uralttrotzkisten“, die ihre Liebe zum Konservatismus entdeckt hätten und bezieht sich dabei offenbar auf William S. Schlamm in der Bundesrepublik und die Neokonservativen in den USA). Ähnliches wie für Allen gilt, wenn auch bei anderer Schwerpunktsetzung, auch für das Werk von James Perloff, der wiederum für die John Birch Society spricht: „The Shadows of Power: The Council on Foreign Relations and the American Decline”, Appleton, WI: Western Islands Publishers, 1988.
7 Schulzinger, Wise Men, S. 4.
8 Wala, Winning the Peace, S. 24.
9 Wala, Winning the Peace, S. 26 f.
10 Eine vollständige Liste aller Direktoren, Officers und Präsidenten in der offiziellen CFR-Geschichte: Peter Grose, Continuing the Inquiry. The Council on Foreign Relations From 1921 to 1996, New York: Council on Foreign Relations Press, 1996, S. 69-72.
11 Paul D. Cravath, John W. Davis, Edwin F. Gay, Frank L. Polk, Russell Leffingwell (Morgan-Partner), Owen D. Young (Chef von General Electric).
12 Otto H. Kahn, Paul M. Warburg, Norman H. Davis.
13 Stephen B. Duggan als Chef des Carnegie Endowment.
14 Grose, Council, S. 28.
15 Ron Chernow, Titan: The Life of John D. Rockefeller, New York: Random House, 1998, S. 581 ff.
16 Grose, Council, S. 7 f.
17 Schulzinger, Wise Men, S. 18 f.; Grose, Council, S. 15.
18 Schulzinger, Wise Men, S. 31 f.
19 Walter Isaacson/Evan Thomas, The Wise Men: Six Friends and the World They Made – Acheson, Bohlen, Harriman, Kennan, Lovett, McCloy, New York: Simon and Schuster, 1986; Wala, Winning the Peace, a. a. O.
20 Dazu: Council on Foreign Relations, ed., The War and Peace Studies of the Council on Foreign Relations, New York 1946; Harley Notter, ed., Postwar Policy Preparations, 1939–1945, Washington D.C. 1949; Shoup/Minter, Imperial Brain Trust, S. 117–187; Schulzinger, Wise Men, S. 59–112; Wala, Winning the Peace, S. 48–66.
21 Wala, Winning the Peace, S. 57 f.
22 Ron Chernow, The House of Morgan: An American Banking Dynasty and the Rise of Modern Finance, New York: Simon and Schuster, 1990, S.111.
23 Wala, Winning the Peace, S. 58, Anm. 60.
24 Wala, Winning the Peace, S.58.
25 Über den Gründer der Bilderberg-Konferenzen, Joseph Retinger vgl.: J. Retinger, Memoirs of an Eminence Grise, Sussex University Press, 1972; über die Bilderberg-Konferenzen liefert einen seriösen ersten Überblick: Gill, American Hegemony, S. 129 ff.; ausführlich und kritisch: Peter Thompson, Bilderberg and the West, in: Sklar, Trilateralism, S. 157–189; brauchbar: Robert Eringer, The Global Manipulators, Bristol, Pentacle, 1980; weitere Literatur: Heinz Scholl, Bilderberg, Euskirchen 1976; Pierre de Villemarest, Facts and Chronicles Denied to the Public, Bd. 2, London: Aquilion, 2004; Daniel Estuin, La verdadera historia del Club Bilderberg, Barcelona 2005; A. von Rétyi, Bilderberger, Rottenburg 2006; neuerdings: Gerard Aalders, De Bilderberg Conferenties: Organisatie en werkwijze van een geheim trans-atlantisch netwerk, Amsterdam 2007.
26 Zur Trilateralen Kommission Rockefellers vgl.: Holly Sklar (Hrsg.), Trilateralism: The Trilateral Commission and Elite Planning for World Management, Boston: Shankman, 1980; Stephen Gill, American Hegemony and the Trilateral Commission, Cambridge: Cambridge University Press, 1990.
27 Über Root vgl. Philip Jessup, Elihu Root, New York: Dodd Mead, 1938.
28 Grose, Council, S. 55.
29 Jean Monnet, Erinnerungen eines Europäers, München 1978, S. 594.
30 Der Spiegel Nr. 52/1999, S. 136.
31 Format (Wien) Nr. 27 vom 7. Juli 2006, S. 37.
32 Theo Sommer, Neues Team im Weißen Haus. Zbigniew Brzezinski, der Chefdenker des nächsten Präsidenten, in: Die Zeit vom 7. 1. 1977.
33 Victor Zorza, A Man to Out-Kissinger Kissinger. In: International Herald Tribune vom 22. 1. 1977.
34 Eine frühe Kritik von Rechts zur Rolle der Rockefellers in der internationalen Politik ist: Emanuel Josephson, Rockefeller Internationalist: The Man Who Misrules the World, New York: Chedney Press, 1952. Wenig aussagekräftig: William Rodgers, Rockefeller’s Follies: An Unauthorized View of Nelson A. Rockefeller, New York: Stein and Day, 1966. Die große kritische Studie kommt von dem New Yorker Soziologen Ferdinand Lundberg, The Rockefeller Syndrome, New York: Lyle Stuart, 1975 (deutsch: Die Mächtigen und die Supermächtigen, München 1976); Joseph E. Persico, The Imperial Rockefeller: A Biography of Nelson A. Rockefeller, New York: Simon and Schuster, 1982; neuerdings: Cary Reich, The Life of Nelson A. Rockefeller: Worlds to Conquer, 1908–1958, New York: Doubleday, 1996.
35 Dazu: Holly Sklar, ed., Trilateralism: The Trilateral Commission and Elite Planning for World Management, Boston: Shankman, 1980; Stephen Gill, American Hegemony and the Trilateral Commission, Cambridge: Cambridge University Press, 1990.
36 Michael J. Crozier, Samuel Huntington, Joji Watanuki, The Crisis of Democracy: Report on the Governability of Democracies to the Trilateral Commission (= Triangle Paper 8), New York: New York University Press, 1975. Vgl. dazu auch die Ausführungen von Holly Sklar, Trilateralism, S. 35 ff.
37 Der linke niederländische Soziologe Kees van der Pijl (The Making of an Atlantic Ruling Class, London: Verso, 1984) nennt das Phänomen „herrschende atlantische Klasse“. Inzwischen wird in der Literatur eher von „transnationaler Klasse“ gesprochen (vgl. ders., Transnational Classes and International Relations, London: Routledge, 1998 sowie Leslie Sklair, The Transnational Capitalist Class, Oxford: Blackwell, 2001). Eine kritische historische Untersuchung, insbesondere über die entsprechende europäisch-atlantische politische Elite und deren Netzwerke, fehlt leider bis heute.
38 Walther Rathenau in einem Aufsatz in der liberalen „Neuen Freien Presse“ (Wien) vom 25. 12. 1909; abgedruckt in: Walther Rathenau, Kritik der Zeit, Berlin 1912.