Bilderberger contra Populist: Warum ein Schweizer Minister seinen Kollegen Blocher unter Faschismus-Verdacht stellt - von Gerard Menuhin 23.09.2007 10:52
Am 21. Oktober 2007 wird in der Schweiz der Nationalrat gewählt und am 12. Dezember finden die Bundesratswahlen statt. Dann wählt das Parlament die Regierung, nämlich die sieben Mitglieder des Bundesrats und den Bundeskanzler. Seit 2004 ist Christoph Blocher Justizminister im Schweizerischen Bundesrat. Und seit Blochers Amtsantritt bekämpft ihn sein Ministerkollege Pascal Couchepin, der für sich die zweifelhafte Ehre in Anspruch nehmen kann, einer der wenigen Schweizer zu sein, die an der Bilderberger-Konferenz teilnehmen *.
Innenminister Couchepin kritisierte jetzt erneut scharf die Schweizerische Volkspartei (SVP), deren führender Kopf Blocher ist. Das politische Klima in der Schweiz sei beunruhigend und lasse an die 30er Jahre denken. Aussagen, wonach es eine Katastrophe sei, falls Blocher nicht wiedergewählt werde, erinnern ihn angeblich an den Faschismus: »Niemand, auch nicht der ,Duce', ist unverzichtbar für das Wohlergehen unseres Landes.«
Griff
in die Mottenkiste
Da Herr Couchepin 1942 geboren wurde, kann
er sich unmöglich an den Faschismus erinnern, höchstens an seine wahrscheinlich
von Vorurteilen geprägte Schulzeit. Trotzdem ist dies nicht der erste Griff
Couchepins in die ideologiegeschichtliche Mottenkiste. Im Kern geht es immer um
dasselbe: Couchepin verübelt es dem »Populisten« Blocher, dass dieser dem Volk
zuviel Macht einräumt. Schon im Oktober 2004 sagte Couchepin, die SVP betrachte
das Volk als Masse, die man verführen könne. Er lese »derzeit ein Buch, das den
Nationalsozialismus und den Kommunismus vergleicht. Es zeigt, dass die beiden
totalitären Parteien nicht unpopulär waren.«
Couchepin damals weiter:
- »Blocher sagt immer, das Volk sei der
Souverän. Das ist falsch: Das Volk ist der Ursprung, die Quelle der Macht.«
- »Manchmal habe ich den Eindruck, gewisse
SVP-Leute glauben, die Regierung müsse mit dem Volk paktieren.«
- »Wir sind überzeugt davon, dass das Volk
kein Diktator sein darf.«
- »Wir müssen die Leute wieder für diese
Limitierung der Macht des Volkes gewinnen.«
Der
Schweizer Weg
Als Schweizer sehe ich nicht nur die
Zustände in der Bundesrepublik, wo die Regierung sich über den Volkswillen
rücksichtslos hinwegsetzt, mit Befremden. Ich bin angesichts von Tendenzen wie
der von Herrn Couchepin auch in Sorge um die Schweiz. Einige Funktionsträger in
dieser einzig wahrhaften Demokratie erinnern sich anscheinend nicht
mehr daran, wie es zu dem überwältigenden Erfolg der Eidgenossenschaft kam und
warum es den meisten Schweizern noch so gut geht: Das Schweizer Volk hat seine
Vertreter immer wieder zur Vernunft gebracht, wenn sie irgendeinen unklugen
Entscheid getroffen hatten. Schweizer Tugend, Schweizer Pragmatismus,
Schweizer Neutralität, Schweizer Umweltbewusstsein basieren auf den noch
unzerrütteten Traditionen des Landes - und auf Schweizer Vernunft. Aber
diese Vernunft verringert sich in dem Maße, in dem das Land mit ausländischen
Ideen und von ausländischen »Consultants« unterwandert wird. Je mehr der
Schweizer Weg verwässert wird, je unsicherer der Schweizer, desto leichter und
öfter wird er zum Opfer interessierter Gruppierungen. Schweizer Politiker und
Geschäftsleute bewundern die vermeintlich glatten Methoden, die in anderen
Staaten angewendet werden, und fürchten, von irgendwelchen ausländischen,
meistens angelsächsischen Modepolitiken/Geschäftslisten, überholt zu werden.
Obwohl die Schweiz in puncto Lebensqualität (noch) das führende Land überhaupt
ist. Also was fehlt ihr? Es fehlt ihr die Fähigkeit zu erkennen, warum es der
Schweiz noch gut geht. Dabei ist die Antwort einfach: Weil es den Schweizer Weg
gibt, an den man nicht rühren sollte. Aber ausgerechnet in diesem Punkt
ignorieren Schweizer Politiker eine amerikanische Erkenntnis: »If it ain’t
broke, don’t fix it«. Also: Wenn es nicht kaputt ist, reparier’ es nicht. Tatsächlich
gibt es keinen Grund etwas zu ändern. Höchstens müssten einige Fehler der
letzten Jahre rückgängig gemacht werden.
Der Zusammenhalt der Schweiz beruht unter
anderem auf der regionalen Verwaltung durch die Kantone. Diese fordert und
gewährleistet, dass die Viersprachigkeit des Landes (Deutsch, Französisch,
Italienisch und Rätoromanisch) und damit auch die unterschiedlichen Kulturen
und Traditionen bewahrt werden. Doch jetzt wird daran gerüttelt. Einige Kantone
haben begonnen, in den Schulen nicht mehr eine Landessprache als erste
Fremdsprache zu unterrichten, sondern das Englische.
Die
Regierung, die mit dem Volk paktiert
Mangelhafte Bildung (die Schweiz schloss
schlecht in der Pisa-Studie ab) und die bildschirmgespeiste gegenwärtige Kultur
und Unterhaltung verunsichern besonders junge Schweizer. Sie werden zunehmend
von amerikanischem Gedankengut und der kriechenden Entnationalisierungstendenz
der Globalisierung beeinflusst. Die Schweiz hat keine Kolonien gehabt und muss
sich also wegen Unrechts an fremden Völkern keine Vorwürfe machen. Sie muss
auch kein schlechtes Gewissen haben, weil sie stabile Verhältnisse aufweist.
Warum also sollte man beispielsweise Ausländer aus allzu fremden Kulturen ins
Land lassen? Weil die linken Parteien es so wollten. Sie sind in der
Schweiz, wie in vielen anderen Staaten, von geschichtlicher Ignoranz und von
Neid auf Menschen durchdrungen, die es durch Disziplin und Bildung weit
gebracht haben. Und dann sind da noch die im Hintergrund agierenden
Gruppierungen, die dieses widerstandsfähige Land zerstören möchten.
Die Argumentation von Innenminister
Couchepin zeigt, dass er nicht seinen Landsleuten Vorrang gibt, sondern seinen
Machtambitionen. Im Gegensatz zu seinen Behauptungen ist die Volkssouveränität
das Merkmal einer Demokratie. In diesem Sinne ist in einer funktionierenden
Demokratie das Volk durchaus eine Art »Diktator«, dessen Wünsche die gewählte
Regierung durchzuführen hat. Und das Ziel kann es heutzutage auch nicht
sein, die Macht des Volkes zu limitieren, sondern sie zur Geltung zu bringen.
Was kann einem Land Besseres passieren als eine Regierung, die mit dem Volk
paktiert? Die Bundesrepublik Deutschland erlebt gerade den Albtraum des
Gegenteils einer solchen Regierung.
Sämtliche Hervorhebungen durch politonline
Quelle: http://www.gerard-menuhin.de/Kolumne/Bilderberger_contra_Populist.html
* BR Pascal Couchepin ist auf
dem Teilnehmerverzeichnis folgender Bilderberger-Konferenzen aufgeführt:
2002 in Chantilly, Virginia, U.S.A. vom 30
Mai bis 2 Juni 2002;
2004 in Stresa, Italien, vom 3. bis 6. Juni
2004;
2005 in Rottach-Egern, BRD, vom 5. bis 8. Mai
2005;
Die website: http://www.bilderberg.org/2005.htm#part ermöglicht es, die Teilnehmerlisten zurückliegender Konferenzen
einzusehen, was ausserordentlich aufschlussreich ist. Dort sind auch einzelne
Themen abgehandelt, die auf den Konferenzen zur Sprache kamen. Unter dem
Stichwort »Bilderberger« finden sich mehrere diesbezügliche Artikel auf politonline
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