Offener Brief an den Hauptvorstand der Gewerkschaft Erziehung und WissenschaftGewerkschaftsbundes VerDi sowie an die Vorstände von 26 führenden deutschen Wissenschaftsorganisationen vom 18. 6. 06 30.09.2006 22:09
Sehr geehrte Frau Eschenbach, sehr geehrte Frau Kleinwächter, sehr geehrte Damen und Herren, in Deutschland kann es niemandem unbekannt geblieben sein, welche Folgen die andauernde Besatzung und Erniedrigung des palästinensischen Volkes durch die israelische Besatzung bei den Menschen in Palästina verursacht. Die Bundesrepublik Deutschland, die Gewerkschaften des DGB und alle verantwortungsbewussten Körperschaften der Gesellschaft haben in vielen Jahren alles getan, um Israel in seinem Existenzrecht zu schützen und zu sichern - aus Kenntnis der Vergangenheit und Verantwortung für die Zukunft. Dies hat Israel nicht daran gehindert, sich den Forderungen der Weltgemeinschaft zur Zeit seiner staatlichen Konstitution und in den Jahren danach zu widersetzen. Alle Israel/Palästina betreffenden Beschlüsse des Weltsicherheitsrates wurden missachtet. Die Besatzung und völkerrechtswidrige Besiedlung, Vertreibungen, Landaneignungen und Bau der Trennungsmauer auf dem besetzten Gebiet wurden ununterbrochen fortgesetzt, auch während des Hoffnung machenden sogenannten Friedensprozess von Oslo. Selbst mehr als einjährige Unterbrechungen von gewaltsamen Widerstandsaktionen der unter der Besatzung Leidenden haben niemals zu Einlenken Israels geführt. Die Bevölkerung in den besetzten Gebieten leidet unter dem Besatzungsregime wie nie zuvor. Willkürliche tägliche militärische Aktionen machen jedes zivile Leben in den besetzten Gebieten unmöglich. Die Wirtschaftstätigkeit ist infolge ständiger Ausgangssperren und unzähliger Checkpoints nahezu zum Erliegen gekommen. Im Gaza-Streifen ist der Ausbruch eines Hungeraufstandes nicht mehr unwahrscheinlich. Selbst unschuldig mit ihren Eltern am Strand badende Familien sind Ziel von bewussten Beschießungen. Dies ist der Augenblick, in dem Wissenschaftler und Friedensgruppen in Israel zum Boykott der wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit jenen Wissenschaftlern und Universitäten im eigenen Land aufrufen, die die andauernde völkerrechtswidrige Besatzung palästinensischer Gebiete, sowie die Gebietserweiterungen über Landaneignung, durch Stillschweigen unterstützen. Die Wissenschaftler und Gruppen der Zivilgesellschaft in Israel tun dies im schmerzlichen Bewusstsein, dass nur Aktionen "von außen" die eigene Regierung zum Umdenken veranlassen wird. Kein israelischer Wissenschaftler hat sich diesen Aufruf, der ja per se nicht gegen die Interessen des eigenen Staates gerichtet ist, leicht gemacht. Die Entwicklung in Südafrika zur Zeit der Apartheid hat gezeigt, dass solche friedliche Mittel des Protestes Wirkung zeigen. Die größte britische Partner-Gewerkschaft der GEW, NATFHE, sowie zahlreiche britische Akademiker, Juden und Nichtjuden an führenden britischen Universitäten haben sich nun dem Aufruf ihrer israelischen Kollegen angeschlossen, um der israelischen Regierung ein Zeichen zu setzen. Sie verbinden dies mit einem Aufruf an die Regierung des befreundeten Landes, Menschenrechte und das Völkerrecht anzuwenden, sowie die Empfehlungen des IGH im Haag zum Baustopp der Trennungsmauer umgehend umzusetzen. Führende Studentenvertretungen sind dabei, sich diesem Boykottbeschluss anzuschließen. Deutsche Gewerkschaften, auch die GEW, haben durch langandauernde Vertrauensarbeit beste Beziehungen zu israelischen Partnergewerkschaften. Es gibt einen fruchtbaren Austausch zwischen Wissenschaftlern unserer Länder. Das muss auch so bleiben. Schließlich wendet sich keiner der Boykott-Aufrufe gegen den Staat, geschweige denn gegen die Wissenschaftler in Israel. Allein die Verantwortung für Menschenrechte und eine notwendige friedliche Entwicklung ist der Motor für diesen Boykott. Sehr geehrte Damen und Herrn von der GEW und der anderen Wissenschaftsgesellschaften, Vereinigungen von Gebietskörperschaften und Wirtschaftsverbänden, bitte beachten Sie, in welch erschreckendem Maße in den Jahren seit der ersten Intifada das Bildungswesen im besetzten Palästina gelitten hat. Schulen können nicht oder nur sehr schwer erreicht werden, Universitäten werden am Regelbetrieb derart behindert, dass die Examina kaum, wenn überhaupt stattfinden können. Wer einem Volk die Bildung und Ausbildung verwehrt, fördert damit dessen Untergang. Das hat uns das Hitler- Regime ab Mitte der 30er Jahre gezeigt, indem jüdischen Schülern der Zugang zu höheren Schulen und Universitäten verwehrt wurde und jüdische Professoren von ihren Lehrämtern entfernt wurden, lange vor dem Genozid an europäischen Juden. Ihnen, gerade Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, mit gefestigten und bewährten Beziehungen zu Ihren Kolleginnen, Kollegen und Partnern in Israel, fällt darum für die Situation der Palästinenser, besonders deren ungehindertem Zugang zu Bildung, eine herausragende Rolle zu. Wir rufen Sie darum auf, schließen Sie sich Ihren britischen Kolleginnen und Kollegen an, zeigen Sie Solidarität mit jenen Kräften in Israel, denen die Zukunft dieses Landes als friedlicher Nachbar zu den Palästinensern am Herzen liegt. Zeigen Sie sich solidarisch mit Ihren Kolleginnen und Kollegen im belagerten und besetzten Palästina. Zeigen Sie sich auch solidarisch mit unseren israelischen Freunden, die Sie und uns zu diesem Boykott aufrufen. Gerade ihnen gegenüber gilt unsere, Ihre, Verantwortung. Den Juden Israels die für ihr Handeln die ganz persönliche Lehre aus der Vergangenheit gezogen haben "niemals mehr vor Ungerechtigkeit und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schweigen", sind wir alle Verantwortung schuldig. Dies sind Sie wir alle dem ganzen jüdischen Volk in Israel schuldig. Denn nur wer den Freund von dem gefährlichen, den Frieden mit dem Nachbarn gefährdenden Weg abzubringen bemüht ist, ist ein wahrer Freund. Israel wird nur in Sicherheit und Frieden leben können, wenn es Menschen- und Völkerrechte achtet. Wir, die Unterzeichnenden, bitten Sie darum, geben Sie ein deutliches Zeichen an die Verantwortlichen in Schulen, Universiäten und wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen, beim Staat und in der Armee in Israel Einfluss zur Umkehr zu nehmen. Sie, bewährte Freunde, werden dort sicher Gehör finden. Die Unterzeichnenden: Günter Schenk, Beinheim, Frankreich, "collectif judéo-arabe et citoyen pour la paix", Strasbourg, Mitglied: D-A-G, SPD, Farrah-France Claude Grégoire, Esch-Alzette, Grand-Duché de Luxembourg, CPJPO <www.paixjuste.cercle.lu > Claudia Karas, Frankfurt a.M., Deutschland, Aktionsbündnis für einen gerechten Frieden für Palästina, Mitglied: D-A-G Silvia Schueler, Heddesheim, Deutschland Ellen Rohlfs, Leer, Deutschland, Mitglied der Deutsch-palästinensischen Gesellschaft und von Gush Shalom Rosemarie zur Nieden, Hattingen, Deutschland, Freundeskreis Neve Schalom/Wahat Salam Erhard Arendt, Dortmund, Deutschland, "Das Palästina Portal" < www- palaestina.arendt-art.de > Annette Klepzig, Deutschland, Leimen bei Heidelberg, Evangelische Schularbeit in Palästina Suhail Jarrar, Dr. med., Paderborn, Deutschland, Mitglied der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft, D-P-G Rudolf Will, Kath. Geistlicher, Mannheim, Deutschland, Mitglied der christl.-jüdischen Gesellschaft Mannheim Winfried Belz, kath. Krankenhausseelsorger, Wilhelmsfeld, Deutschland, Mitglied Pax Christi Elisabeth Wöckel, Ansbach, Deutschland, Coordination de l'Appel de Strasbourg http://www.eutopic.lautre.net/coordination/ Christian Hörstel, München, Deutschland, Friedenskreis: Iran-Israel- Verantwortung Deutschlands, Beirat D-A-G Ruth Asfour, Offenbach am Main, Deutschland Ute Guckes, Dortmund, Deutschland, Frauen für den Frieden in der Ev. Kirche von Westfalen (EKvW) Sabine Mosel, Gelsenkirchen, Deutschland, Pfarrerin John Rose, University Lecturer in Sociology, London, England Harald Niedenzu, Stutensee, Deutschland, Kath. Pfarrer Dr. Armin Merckelbach, Ottersheim, Deutschland Eva Stein, Neustadt-Hambach, Deutschland Paul Otto Samuelsdorff, Dr. phil., Köln, Deutschland, Deutsch- Palästinensische Gesellschaft Rainer Fielenbach, Straubing, Deutschland Klaus von Raussendorff, Bonn, Deutschland, Vereinigung für Internationale Solidarität e.V. Krystina Schydlo, Essen, Deutschland, Mitglied VerDi, Deutsch- Palästinensische Gesellschaft (DPG) Renate Dörfel-Kellett, Berlin, Deutschland, Musikerin http:// www.musica.tre-fontane.de Frank Dörfel, Diplom-Mathematiker, Berlin, Deutschland, Unternehmensberater für Wissensmanagement Anis Hamadeh, Mainz, Deutschland, Publizist, Musiker, Maler http:// anis-online.de Gertrud Nehls, Hagen, Deutschland Annette Krings, Achern, Deutschland Helmut Krings, Achern, Deutschland, Pax Christi, IG Bergbau Chemie und Energie Anton-Guenther Janßen, Cottbus, Deutschland, Lehrer Gerlinde Scherer, Ohlsbach, Menschenrechtsaktivistin, Deutschland Ruth-Maria Schmidt, Alt-Mölln, Deutschland, Gymasiallehrerin Esther Thomsen, Ahrensburg, Deutschland Dr. Anneliese Butterweck, Bergisch Gladbach, Deutschland, Nahost- Friedenskreis Josiane Olff-Nathan, Université Louis Pasteur Strasbourg, France, Wissenschaftshistorikerin Raif Hussein, Hannover, Deutschland, Politologen, Präs. der Deutsch- Palästinensischen Gesellschaft
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