Eine persische Tragödie - Teil 2 - Mossadeghs Kampf um Souveränität - Von Muriel Mirak-Weißbach

Der erste Teil handelte von der britischen Kolonialpolitik und imperialen Kontrolle der Ölförderung im Iran, vom Beginn einer neuen Herscherdynastie unter Schah Reza Pahlewi und dem Aufstieg Mohammad Mossadeghs zum Premierminister. Der zweite Teil beschreibt seinen Sturz - das Modell eines anglo-amerikanisch gesteuerten "Regimewechsels".

Im Mai 1951 wurde Dr. Mohammed Mossadegh iranischer Regierungschef und hatte sein Ziel, die Ölindustrie zu verstaatlichen, erreicht. Das britische Empire war gedemütigt. Was konnten die Briten tun? Sie hatten im wesentlichen vier Möglichkeiten: mit dem Iran verhandeln; die Völkergemeinschaft auf ihre Seite bringen; das Land besetzen; oder Mossadegh stürzen und eine Marionettenregierung einsetzen.
Verhandlungen waren niemals eine Option für London. Die Briten weigerten sich, selbst als Washington sie unter Druck setzte.
Zweimal versuchten sie, ihren Fall vor die internationale Gemeinschaft zu bringen: im Mai 1951 beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag und noch einmal im Oktober beim Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Beide Male triumphierte Mossadegh. In Den Haag brachte er gegen den Vorwurf der Briten, der Iran habe einen völkerrechtlich bindenden Vertrag gebrochen, das Argument vor, daß der Vertrag nicht zwischen zwei Staaten geschlossen wurde, sondern zwischen einem Unternehmen und dem Iran, und daß deshalb der Haager Gerichtshof nicht zuständig sei. Als sich das Gericht im Juni 1952 noch einmal mit dem Fall befaßte, entschied es zugunsten des Iran.
In seiner Rede vor dem UN-Sicherheitsrat im Oktober 1951 belegte Mossadegh, daß der Vertrag von 1933 unrechtmäßig war, weil das Parlament, das ihn verabschiedet hatte, aus lauter Handlangern der Briten bestand, denen man drohte, wenn sie nicht für den Vertrag stimmten, werde man sie ins Gefängnis werfen. Mossadegh lehnte auch eine von den Briten vorgeschlagene Resolution ab, die den "guten Willen" auf beiden Seiten ausdrücken sollte, weil der Sicherheitsrat keine Befugnis habe, einen solchen Antrag zu verabschieden. Am 19. Oktober entschied der Rat, die Verhandlung der Frage "auf einen bestimmten Tag oder unbegrenzte Zeit zu verschieben". Es war ein überwältigender Erfolg für Mossadegh.
Die Debatten in Den Haag und New York waren alles andere als rein technischer Natur. Es war eine grundsätzliche Auseinandersetzung zwischen den Briten, die imperiale Besitzansprüche auf "ihr" Öl stellten, und dem Iran, der auf nationaler Souveränität beharrte.
Der britische Delegierte Gladwyn Jebb, der vor der UNO sprach, sagte ausdrücklich, das iranische Öl sei "eindeutig Eigentum der Anglo-Iranischen Ölgesellschaft" AIOC. Er erklärte:
"Tatsache ist schlicht und einfach, daß die iranische Regierung durch eine Reihe unsinniger Maßnahmen ein großes Unternehmen [die AIOC], dessen ungestörtes Funktionieren von immensem Nutzen nicht nur für das Vereinigte Königreich und den Iran, sondern für die ganze freie Welt ist, zur Einstellung seiner Arbeit gezwungen hat. Wenn dem nicht umgehend Einhalt geboten wird, wird die ganze freie Welt viel ärmer und schwächer sein, das irregeführte iranische Volk eingeschlossen...
Die iranische Regierung hat aus Gründen, die für sich selbst sprechen, die AIOC immer als eine Bande skrupelloser Blutsauger bezeichnet, deren einziges Ziel es sei, der iranischen Nation allen Reichtum, den sie zu besitzen vermeint, zu stehlen... Diese abwegigen Vorwürfe sind einfach unwahr... Ganz abgesehen von den finanziellen Beiträgen zur iranischen Wirtschaft ist der Erfolg des Unternehmens im Iran etwas, was in sozialer Hinsicht die größte Bewunderung hervorrufen müßte und als Modell für eine Form von Entwicklung gelten sollte, die den wirtschaftlich weniger entwickelten Gebieten der Welt Nutzen brächte. Weit davon entfernt, das iranische Volk unterdrücken zu wollen, wie behauptet wurde, hat das Unternehmen jede Anstrengung unternommen, den Lebensstandard und die Ausbildung seiner Angestellten zu verbessern, damit sie zu dem großen Werk, das im Iran noch zu tun ist, einen nützlichen Beitrag leisten können... Diese Aktivitäten gänzlich zu ignorieren und das Unternehmen als verantwortlich für Unterdrückung, Bestechung und Betrug hinzustellen, könnte man als äußerst undankbar bezeichnen, wenn es nicht einfach nur lächerlich wäre."
Mossadegh stellte dem eine eindrucksvolle Verteidigung der nationalen Souveränität und des Gemeinwohls entgegen. Er sagte:
"Meinen Landsleuten fehlt das Notwendigste zur Existenz. Ihr Lebensstandard ist wahrscheinlich einer der niedrigsten der Welt. Unser wichtigster Bodenschatz ist das Öl. Es sollte der Bevölkerung des Iran Arbeit und Brot geben. Seine Ausbeutung sollte von Rechts wegen unsere nationale Industrie sein, und der Gewinn sollte in die Verbesserung unserer Lebensbedingungen fließen. Aber so wie sie jetzt organisiert ist, hat die Ölindustrie praktisch nichts zum Wohlergehen der Menschen, zum technischen Fortschritt oder zur industriellen Entwicklung meines Landes beigetragen. Der Beweis für diese Aussage ist, daß wir nach 50 Jahren Ölförderung durch eine ausländische Gesellschaft immer noch nicht genug iranische Techniker haben und ausländische Experten hereinholen müssen.
Obwohl der Iran eine beträchtliche Rolle bei der Ölversorgung der Welt spielt und in den letzen 50 Jahren 315 Millionen Tonnen gefördert hat, betrug sein gesamtes Einkommen daraus laut den Bilanzen des ehemaligen Unternehmens nur 110 Millionen Pfund Sterling. Um Ihnen eine Vorstellung von Irans Erlös aus dieser riesigen Industrie zu geben, kann ich sagen, daß im Jahr 1948 laut Bilanz der ehemaligen AIOC ihr Nettoerlös 61 Millionen Pfund betrug - aber davon erhielt der Iran nur 9 Millionen, obwohl allein 28 Millionen an das Schatzministerium des Vereinigten Königreiches als Einkommensteuer flossen...
Ich muß hier hinzufügen, daß die Bevölkerung in der Ölregion im Süden des Iran und um Abadan, wo sich die größte Ölraffinerie der Welt befindet, bittere Armut leidet, ja ihr selbst das Notwendigste zum Leben fehlt. Wenn die Ausbeutung unserer Industrie in der Zukunft weiterliefe wie in der Vergangenheit, wenn wir weiter den Zustand hinnehmen, daß der Iraner nur der einfache Arbeiter auf den Ölfeldern von Masjid I Suleiman, Agha Jari und Kermanschah sein darf, und wenn ausländische Nutznießer weiterhin praktisch die gesamten Einnahmen an sich reißen, dann wird unser Volk ewig in einem Zustand der Armut und Not verharren. Das sind die Gründe, die das iranische Parlament - den Majlis und den Senat - dazu bewogen haben, einmütig für die Verstaatlichung der Ölindustrie zu stimmen."
Während seines Aufenthaltes in den Vereinigten Staaten nach der UN-Sitzung verglich Mossadegh seinen Einsatz für das Recht des Iran auf das Öl immer wieder mit den Absichten der Amerikanischen Revolution. Seine Auftritte im Fernsehen und seine Reise nach Philadelphia, wo er die Freiheitsglocke besichtigte, trugen ihm die Bewunderung und Unterstützung der Amerikaner ein. Time Magazine wählte ihn 1951 zum "Mann des Jahres".
Die militärische Option zu seinem Sturz zogen die Briten ernsthaft in Erwägung. Sofort nach der Verstaatlichung im April entsandten sie sieben zusätzliche Kriegsschiffe und 4000 Fallschirmjäger ins Mittelmeer, und im Mai entwarfen sie Pläne für eine Invasion und Besetzung. Sie wurden jedoch nicht verwirklicht.
Worauf man sich in London letztlich einigte, war der Plan, Mossadegh zu stürzen. Eine Schwierigkeit lag dabei allerdings darin, daß Mossadegh sämtliche Vertreter Großbritanniens des Landes verwiesen hatte und damit kein landesweites Agentennetz mehr bestand, das diesen Plan hätte umsetzen können. Aus diesen und anderen politischen Gründen wandten sie sich hilfesuchend an die Amerikaner. Die Briten waren als ausbeuterische, rassistische Kolonialmacht verhaßt, doch in den Vereinigten Staaten sahen die Iraner die Republik, die erfolgreich die Briten besiegt hatte. Das Verhältnis der USA zum Iran war gut, und wie der Fall Roosevelt zeigte, wollten führende Kräfte in Amerika die Bemühungen des Iran, eine moderne Industrienation zu werden, unterstützen. Die Briten mußten also die Unterstützung der USA erlangen, weil diese der einzige Partner waren, dem der Iran trauen würde. Die Schurkerei der Brüder Dulles
In den meisten Geschichtsbüchern wird erzählt, die Briten hätten vergeblich versucht, US-Präsident Harry Truman von ihren Putschplänen zu überzeugen, und hätten die USA erst an Bord holen können, nachdem Dwight D. Eisenhower im November 1952 zum Präsidenten gewählt wurde und im Januar 1953 sein Amt antrat. Das ist völlig falsch. Die Regierungsunterlagen beweisen, daß die Entscheidung der US-Regierung für einen "Regimewechsel" im Iran von Truman im November 1952 getroffen wurde, noch bevor Eisenhower an die Regierung kam. Und es waren zwei britische Agenten, die Brüder Allen und John Foster Dulles, die diese Operation mit ihren britischen Partnern durchführten, während Eisenhower über die ganze Sache ziemlich im Dunkeln gelassen wurde.
Im Juni 1951 berichtete Präsident Truman dem Nationalen Sicherheitsrat über die britisch-iranische Krise und warnte, falls die Briten im Iran einmarschierten, bestünde die Gefahr, daß der Iran Rußland um Hilfe bitten würde. Im Juli sandte er Averell Harriman nach Teheran, um Mossadegh zu überreden, sich mit den Briten zu einigen. Aber Mossadegh antwortete: "Sie wissen nicht, wie ausgekocht die sind. Sie wissen nicht, wie bösartig sie sind. Sie wissen nicht, wie sie alles beschmutzen, was sie anfassen." Ajatollah Kaschanis Reaktion war ähnlich.
Mossadegh hatte recht: Im Sommer verhängten die Briten Sanktionen gegen den Iran, beschlagnahmten iranischen Besitz, betrieben Sabotage an der Raffinerie Abadan und blockierten den iranischen Handel mit den europäischen Ländern. Im Oktober beauftragte Truman seinen Außenminister Dean Acheson und den Außenstaatssekretär für den Nahen Osten, Südasien und Afrika George McGhee, Mossadegh während dessen USA-Aufenthalt zu treffen und ihm einen neuen Kompromiß vorzuschlagen, nämlich, daß eine "neutrale" britische Gesellschaft das Erdöl fördern und vermarkten solle. Mossadegh lehnte erwartungsgemäß ab.
Die Wende kam 1951, als Winston Churchill wieder britischer Premierminister wurde. Er hatte keine Skrupel hinsichtlich eines Regimewechsels. Churchill schickte Anthony Eden in die USA, um Dean Acheson über Englands Vorhaben, Mossadegh zu stürzen, in Kenntnis zu setzen. Im November entschied Truman, sich der britischen Verschwörung anzuschließen. Nach ausgiebigen Debatten der vorangegangenen Monate wurde in zwei Dokumenten des Nationalen Sicherheitsrats vom November, NSC 136 und 136/1, die Doktrin ausgearbeitet, daß Truman eine direkte Intervention in Iran mit verdeckten Operationen und sogar mit Streitkräften befürwortete. Es heißt dort, zur Stabilisierung der Lage im Iran seien "besondere politische Maßnahmen", sprich Geheimoperationen notwendig. Am 8. Januar 1953 stimmte der Rat für psychologische Strategie (Psychological Strategy Board) einem ausführlichen Plan für solche verdeckte Operationen zu - das war zwölf Tage vor Eisenhowers Amtseinführung. Mossadegh rechnet mit dem Vorstoß der Briten
Mossadegh machte sich keine Illusionen, daß die Briten zurückstecken würden. Er mußte sich auf einen möglichen Putsch vorbereiten, und das bedeutete, seine eigene Position im Land zu festigen. Im Juli 1952 unterbreitete er dem Schah einen Plan zur Regierungsumbildung. Er wollte neben dem Amt als Ministerpräsident zusätzlich das Verteidigungsministerium übernehmen. Der Schah lehnte ab, weil er fürchtete, dies könne die Treue der Streitkräfte zum Thron untergraben.
Nun ließ Mossadegh es auf eine Kraftprobe ankommen: Er trat am 17. Juli zurück. Der Mann, der als Nachfolger ausgewählt wurde, war Ahmed Kavam, ein Favorit der Briten. Er betrieb eine ungeschickte Konfrontationspolitik gegen Mossadeghs Nationalisten, was die sozialen und politischen Spannungen verschärfte. Aktivisten der Nationalen Front gingen auf die Straße und riefen "Mossadegh oder Tod!" Es folgten Streiks, und - was sich als entscheidend herausstellen sollte - die geistliche Führung stellte sich hinter Mossadegh. Ajatollah Kaschani verfaßte eine neue Fatwa, welche die Soldaten verpflichtete, sich dem "heiligen Krieg gegen den Imperialismus" anzuschließen, was diese auch taten. Auch die von der Sowjetunion gestützte Tudeh-Partei schlug sich auf die Seite der Nationalisten.
Als der Schah (oder London) und Kavan so weit gingen, Soldaten auf streikende Demonstranten schießen zu lassen, kostete das nicht nur vielen Menschen das Leben, sondern auch dem Marionettenregime die Macht. Kavan mußte zurücktreten. Der Schah ernannte Mossadegh zum Ministerpräsidenten und Verteidigungsminister.
Mossadegh hatte seinen Etappensieg, gab sich damit aber nicht zufrieden. Er wollte den Schah voll und ganz für die Sache der Nation gewinnen. In einem historischen Augenblick appellierte er bei einem Treffen an das Geschichtsverständnis des Schahs: "Ihr Vater hat, obwohl er dem Land viele Dienste erwies, 1925 den Gang der konstitutionellen Entwicklung unterbrochen. Sie könnten als ein ungemein beliebter Herrscher in die Geschichte eingehen, wenn Sie ganz mit den demokratischen und nationalistischen Kräften im Iran zusammenarbeiten, um unser Land so nahe wie möglich an dieses Ideal heranzuführen."
Aber der Schah war der Herausforderung nicht gewachsen, ähnlich wie König Philipp in Schillers Don Carlos, als Marquis Posa ihn herausfordert: "Werden Sie von Millionen Königen ein König!" Er war zu sehr fixiert auf seine persönliche Sicherheit und andere Dinge, um diese Gelegenheit wahrzunehmen. Das Ergebnis war, daß er in die Geschichte als alles mögliche einging, nur nicht als "ungemein beliebter Herrscher".
Nachdem Mossadegh nun die Regierungsführung und das Verteidigungsministerium unter sich hatte, bereitete er sich auf den Angriff der Briten vor. Als Putschgerüchte umliefen und sich die Berichte über heimliche Treffen der Briten mit hohen Offizieren mehrten, brach Mossadegh die diplomatischen Beziehungen zum Vereinigten Königreich ab. Das war am 16. Oktober 1952. Die gedemütigten Briten mußten mitsamt ihren Agenten das Land verlassen.
Das war auch der Punkt, an dem Churchill der US-Regierung mitteilte, daß England einen Staatsstreich vorbereite, und Truman kurz darauf sein Einverständnis gab. Eisenhower war in bezug auf den Putschplan, den er beim Amtsantritt im Januar 1953 mit übernommen hatte, äußerst zögerlich. Noch im Februar wollte er dem Iran finanzielle Unterstützung geben, damit das Land trotz des von den Briten angestifteten Embargos weiter exportieren könnte.
Mossadegh sah im amerikanischen Präsidenten keinen Feind und fragte bei ihm sogar um einen Kredit über 25 Mio. Dollar nach, damit die Wirtschaft das Embargo überstehen könnte. Eisenhower berief sich in der Antwort auf den "Rat" von Allen Dulles, der Iran solle sich mit London gütlich einigen. Praktisch konnten die Brüder Dulles durchsetzen, daß der Kredit nicht zustandekam.
Auch Ajatollah Kaschani ersuchte Eisenhower um einen Kredit von 100 Mio. Dollar und schlug vor, daß die USA beim Vermarkten des Erdöls hülfen. Die Dulles-Brüder logen Eisenhower wieder etwas vor, welche "großzügigen Angebote" sie Mossadegh gemacht hätten, die dieser rüde abgelehnt hätte. So zogen sie den Präsidenten schließlich auf ihre Seite. Bei einer Besprechung der Umsturzpläne am 3. Juni war Eisenhower auffälligerweise nicht anwesend. Schließlich gab, nachdem alle anderen sich dem Vorhaben angeschlossen hatten, auch er am 11. Juli sein Einverständnis. Der Umsturz wird geplant
Die eigentliche Planung des Umsturzes begann im November 1952 und erstreckte sich bis Juni 1953. Die Ereignisse sind genau festgehalten in dem Buch Overthrow of Premier Mossadeq of Iran (Der Sturz des iranischen Premiers Mossadegh), das einer der Hauptbeteiligten, Donald Wilber, im März 1954 geschrieben hat (es erschien 1969). Wilber arbeitete in der Nahost- und Afrikaabteilung (NEA) der CIA. Er beschreibt die Ereignisse auch in seinen 1986 veröffentlichten Memoiren. Ein Teil der amtlichen Dokumente der CIA gelangte am 16. April 2000 durch die New York Times an die Öffentlichkeit.
Es gab zunächst ein vorbereitendes Treffen in Washington mit Vertretern der NEA und des britischen Geheimdienstes. Die Schlüsselfiguren waren der Büroleiter des britischen Geheimdienstes in Teheran, Christopher Montague Woodhouse, und auf US-Seite der NEA-Abteilungsleiter Kermit Roosevelt. Bei dem Treffen waren es nach den CIA-Unterlagen die Briten, die ein "gemeinsames politisches Vorgehen zum Sturz von Ministerpräsident Mossadegh" vorschlugen. Wie erwähnt, hatte Präsident Truman im November 1952 zugestimmt.
Im März 1953 erklärte der Staatssekretär im Außenministerium, Gen. Walter Bedell Smith, "daß die US-Regierung die Regierung Mossadegh nicht länger gutheißen könne und eine Nachfolgeregierung vorzöge, in der niemand von der Nationalen Front ist". NEA und CIA wurden unterrichtet, und das CIA-Büro in Teheran erhielt eine Million Dollar, die der Büroleiter sowie der US-Botschafter Loy Henderson für den Umsturz verwenden sollten. Am 20. Mai erhielt das CIA-Büro die Vollmacht, mit einer Million Rial in der Woche (ein Dollar entsprach 90 Rial) iranische Parlamentarier zu kaufen.
Im April erschien eine erste CIA-Studie Faktoren, die beim Sturz Mossadeghs eine Rolle spielen, worin es hieß, gemeinsam könnten der Schah und General Fazlollah Zahedi, unterstützt von einem Mob auf der Straße, Mossadegh stürzen. Der CIA nahm zunächst Kontakt mit Zahedi auf, erst mit dessen Sohn Ardeschir, dann mit ihm selbst.
Zahedi war eine biegsame Figur und anfällig für Erpressung. Im Zweiten Weltkrieg stand er auf Seiten der Nazis. Der britische Geheimagent Fitzroy MacLean hatte ihn nach Palästina in ein Gefangenenlager gebracht. Eine Durchsuchung seines Wohnsitzes hatte reiche Beute ergeben: deutsche Waffen, Opium sowie Briefe von deutschen Agenten, die in Isfahan, wo er Militärgouverneur war, gelandet waren. Nach dem Krieg wurde Zahedi entlassen und übernahm einen Gouverneursposten, ehe er Innenminister unter Mossadegh wurde. Die beiden waren politische Gegner, und Mossadegh hatte mehrmals versucht, ihn ins Gefängnis werfen zu lassen. Kurz, Zahedi war der geeignete Mann.
Das erste gemeinsame britisch-amerikanische Planungstreffen fand Ende April 1953 in Nikosia auf Zypern statt. Wilber traf sich als geheimer NEA-Berater mit dem britischen Agenten Norman Matthew Darbyshire vom Special Intelligence Service (SIS). Sie richteten einen Drei-Wege-Kommunikationskanal zwischen Washington, Nikosia und Teheran ein und gaben sich gegenseitig die Namen ihrer Gewährsmänner im Iran. Die wichtigsten Helfer der Briten (deren Netz Mossadegh größtenteils ausgewiesen hatte) sammelten sich um die drei Brüder Raschidian (Sejfollah, Asadollah und Kodratollah). Diese hatten ein Netzwerk "in den Streitkräften, dem Majlis, unter führenden Geistlichen, in der Presse, in Straßenbanden, unter Politikern und anderen einflußreichen Figuren". Das NEA gab dem SIS zwei Namen, hielt aber die der eigentlichen Kontaktmänner, Djalili und Keyyan, geheim.
Bis zum 1. Juni 1953 war ein Plan ausgearbeitet. Die Grundeinschätzung, in der sie sich einig waren, war die, "daß von allen denkbaren Kandidaten allein Zahedi genug Kraft und Mut hatte, um Unterstützung wert zu sein; daß der Schah in die Operation einbezogen werden muß; daß der Schah sehr widerstrebend mitmachen würde, man ihn aber zwingen könne; daß bei klaren Verhältnissen das Militär eher dem Schah folgen würde als Mossadegh; daß die Operation möglichst einen legalen oder quasi-legalen Eindruck machen solle und nicht den eines offenen Staatsstreichs; daß die öffentliche Meinung in der Zeit kurz vor der Ausführung der Umsturzoperation in höchstem Maße gegen Mossadegh aufgebracht werden muß; daß der militärische Teil nur erfolgreich wäre, wenn das CIA-Büro den Plan mit den Iranern, die Zahedi dafür auswählt, durchgehen kann; daß die neue Regierung umgehend Vorsichtsmaßnahmen ergreifen muß, um eine heftige Reaktion der Tudeh-Partei abzufangen".
Bei diesen Grundannahmen blieb man auch bei den folgenden Planungstreffen. Das nächste fand am 9. Juni in Beirut statt; Teilnehmer waren Kermit Roosevelt als Leiter des Projekts, George Carroll von der CIA, der CIA-Bürochef in Teheran Roger Goiran sowie Wilber. Nachdem sie sich vom 10.-14. Juni besprochen hatten, flogen Roosevelt und Wilber mit einer Kopie des Plans von Beirut nach London. Dort trafen sie sich mit Darbyshire und Kommandeur Maurice M. Firth vom SIS. Am 18. Juni reisten sie wieder ab. Ein offizieller Bericht, der sog. Anhang B, wurde getippt.
Der endgültige Plan mit dem Codenamen TPAJAX, den Kermit Roosevelt für die CIA und der britische Geheimdienst abzeichneten, wurde CIA-Direktor Allen W. Dulles, dem US-Außenministerium und Botschafter Henderson vorgelegt. Der SIS legte ihn dem britischen Außenministerium vor. Die Zustimmung der verschiedenen Stellen erfolgte am 1. bzw. 11. Juli 1953.
Der Plan setzte die Grundannahmen in konkrete Handlungsvorgaben um: Man brauchte Propaganda gegen Mossadegh, die ihm Korruption, islamfeindliche Haltung und Sympathie mit den Kommunisten der Tudeh-Partei vorwarf. Dazu mußte man Journalisten, Redakteure und Verleger kaufen. Zwischenfälle auf der Straße mußten organisiert werden, wo Schläger, die man mit Mossadegh in Verbindung bringen sollte, islamische Geistliche verprügelten. Die Taktik zielte darauf ab, zwischen Mossadegh und der Nationalen Front einerseits und den mit ihm verbündeten Geistlichen, insbesondere Kaschani, andererseits einen Keil zu treiben. Auch Parlamentarier mußten gekauft werden, die sich gegen Kaschani und gegen Mossadegh stellten.
Demonstrationen gegen Mossadegh sollten diesen Parlamentariern den Vorwand liefern, ein Mißtrauensvotum gegen ihn zu veranstalten. Sollte er sich weigern zurückzutreten, sah der Plan vor, ihn zu verhaften und strategische Plätze der Stadt zu besetzen. Um Zahedi mit den nötigen Leuten auszustatten, mußten Offiziere gekauft werden. Die Verschwörung wird ausgeführt
Der CIA-Agent Carroll fuhr Mitte Juli in den Iran, mit der Aufgabe betraut, die militärische Seite des Plans zu prüfen. Wilber war verantwortlich für die psychologische Kriegsführung. Die war bereits angelaufen mit der Veröffentlichung von Artikeln gegen Mossadegh in der gekauften Presse und Karikaturen gegen ihn, die von CIA-Zeichnern kamen. Der Kernpunkt dieser Propaganda war, daß Mossadegh ein Kommunistenfreund war, daß die Tudeh-Partei an Einfluß gewann und der Iran in die sowjetische Einflußsphäre geraten könnte.
Das diente aber hauptsächlich der Stimmungsmache im Ausland. Im Inland galt es, Mossadegh und seine Unterstützer zu entzweien. Das bedeutete, die religiöse Führung, insbesondere Ajatollah Kaschani, von ihm zu entfremden, den Majlis gegen ihn aufzuhetzen und Gewalt auf der Straße zu schüren.
Wie in den Planungstreffen und Dokumenten festgehalten wurde, war es ganz entscheidend, sich einer Mitwirkung des Schahs zu versichern, um dem Umsturz den Anschein von Legitimität zu geben. Der Sonderplan sah vor, daß der Schah mehrere Firmans (königliche Dekrete) unterzeichnen solle, einen über Mossadeghs Entlassung und Zahedis Ernennung sowie einen Aufruf an die Armee, dem Schah ergeben zu bleiben.
Aus allen bekannten Unterlagen geht klar hervor, daß der Schah in der Hinsicht ein ernsthaftes Hindernis darstellte. Er war völlig verängstigt, schwankend und schwach. Er traute den Briten nicht, aus gutem Grund, und war deshalb fixiert darauf, eine Garantie zu bekommen, daß Amerika hinter dem Putsch steckte. Die Briten, die ihn genau kannten, wußten, daß die Mitarbeit der USA nötig war.
Um zu versuchen, ihn weichzuklopfen, kam man darauf, seine in Paris lebende Zwillingsschwester, Prinzessin Ashraf Pahlewi, einzuspannen. Sie sollte ihn überreden, das Spiel mitzuspielen. General Norman Schwarzkopf (der Vater des "Helden" der Operation Wüstensturm) sollte den Schah bewegen, die Firmans zu unterschreiben, und ein hoher britischer Agent sollte dem Schah glaubhaft versichern, daß das ganze Unternehmen ein Gemeinschaftsvorhaben der USA und Englands sei. Sollte dies fehlschlagen, würde Kermit Roosevelt als offizieller Vertreter des amerikanischen Präsidenten zum Schah gehen und ihn bewegen, seine Unterschrift unter das Papier zu setzen. Die unterzeichneten Firmans würde man dann Zahedi bringen, der daraufhin die Macht ergreifen kann.
Den Schah zur Mitarbeit zu bewegen, war kein leichtes Unterfangen. Asodollah Raschidian, einer der berüchtigten drei Brüder, traf sich Mitte Juli mit Prinzessin Ashraf an der Riviera und überwand zusammen mit zwei "Regierungsvertretern" ihren anfänglichen Mangel an Begeisterung. Auch Allen Dulles reiste in die Schweiz, um auf die Prinzessin einzuwirken. Es wird berichtet, ein Nerzmantel und 5000 Dollar hätten ihr die Entscheidung erleichtert.
Weder der Schah noch Mossadegh waren besonders glücklich über die Ankunft der Prinzessin, da sie als Gegnerin Mossadeghs bekannt und eigentlich ausgewiesen war. Der Schah weigerte sich anfänglich, sie zu empfangen, aber als man ihn unterrichtete, der amerikanische General Schwarzkopf käme in einer ähnlichen Mission, gab er nach. Am 29. Juli fand das Treffen der Zwillinge statt, endete jedoch ohne Ergebnis.
Schwarzkopf genoß das Vertrauen des Schahs dank guter Beziehungen aus der Zeit, als er von 1942-48 Chef der US-Militärmission bei der iranischen Gendarmerie gewesen war. Die Mission war dem Iran als Gegengewicht zur russischen und britischen Besatzung sehr willkommen gewesen. Schwarzkopfs Aufgabe, so erzählt Wilber, "bestand darin, vom Schah die drei Papiere zu erhalten... 1. einen Firman, der Zahedi als Stabschef benennt, 2. einen Brief, der Zahedi das Vertrauen ausspricht, den dieser benutzen konnte, um im Namen des Schahs Armeeangehörige für den Plan anzuwerben, und 3. ein Firman mit einem Aufruf an alle Ränge des Militärs, den rechtmäßigen Stabschef zu unterstützen. Man ging davon aus, daß es leichter wäre, den Schah zu bewegen, solche Aussagen zu unterzeichen, als einen Firman über Mossadeghs Entlassung zu erwirken."
Das Treffen zwischen dem Schah und General Schwarzkopf fand am 1. August nach Ashrafs Abreise statt. Der Schah war dermaßen in Panik, daß er darauf bestand, sich mit dem General an einen Tisch in der Mitte eines großen Ballsaales zu setzen, weil er glaubte, dort außer Reichweite versteckter Mikrophone zu sein. Er weigerte sich, die Firmans zu unterzeichnen, mit der Begründung, er sei sich der Ergebenheit der Armee nicht sicher und er wolle über die Zusammensetzung eines neuen Kabinetts nachdenken.
Die große Sorge des Schahs war, sich ganz sicher sein zu können, daß die Sache die Unterstützung der USA hatte. Er verlangte, daß Präsident Eisenhower in irgendeiner Weise den Beweis liefere, daß er Mossadeghs Absetzung befürworte. Wilber berichtet: "Es war ein Zufall und großes Glück, daß der Präsident bei einer Rede anläßlich der Gouverneursversammlung in Seattle am 4. August überraschend vom Redetext abwich und sagte, die USA würden nicht tatenlos zusehen, wie der Iran hinter den Eisernen Vorhang fiele." Kermit Roosevelt nutzte diese Aussage, um auf den immer noch schwankenden Schah Druck auszuüben.
Da Schwarzkopf den Palast mit leeren Händen verließ, mußte ein anderer Amerikaner beauftragt werden, diesmal ein offizieller Vertreter Eisenhowers. Die Geschichte von Kermit Roosevelts allabendlichen Besuchen beim Schah wäre Stoff für billige Romane. Kermit, ein Enkel Teddy Roosevelts und auch politisch in dessen Tradition, kam wie Dulles aus dem OSS (Office of Strategic Services, der Vorläufer der CIA im Zweiten Weltkrieg). Er arbeitete im November 1952 in der Iran-Abteilung der CIA und wurde als Projektleiter für den Putsch ausgewählt. Um unentdeckt in den Palast zu gelangen, versteckte Roosevelt sich in einem Wagen hinter dem Fahrersitz unter einem Teppich und ließ sich so in den Palast fahren, um dann zur privaten Soirée beim Schah zu erscheinen. Endlich willigte der Schah nach vielen Besuchen ein und unterschrieb zwei Dokumente (nicht das dritte): eines zum Sturz Mossadeghs und das andere zur Ernennung Zahedis zum Ministerpräsidenten. Das war am 12. August.
Die Propagandakampagne der gutbezahlten Redakteure und Journalisten gegen Mossadegh erreichte ihren Höhepunkt. Mit schwarzer Propaganda sollte die religiöse Führung gegen Mossadegh und die Kommunistische Partei aufgebracht werden. Wilber schreibt: "CIA-Agenten gaben sich große Mühe, die führenden Geistlichen in Teheran zu erschrecken, indem sie unter dem Namen der Tudeh-Partei schwarze Propaganda herausgaben, wo den Geistlichen schwere Strafen angedroht wurden, falls sie sich gegen Mossadegh stellten. Bei einigen machte man Drohanrufe im Namen der Tudeh, und einer von mehreren vorgetäuschten Bombenanschlägen auf ihre Häuser wurde ausgeführt."
Inzwischen wurde der Militärapparat der "Verschwörung der Oberste" aufgestellt. Zahedi ernannte einen Oberst Aban Farzanega zum Stabsplaner und Verbindungsmann zu den USA in der Person des CIA-Beamten Carroll. Am 13. August überbrachte Oberst Sarhang Nematollah Nasiri, ein dem Schah ergebener Offizier und Chef der Leibgarde, Zahedi die vom Schah unterzeichneten Firmans. Das CIA-Büro schickte ein Telegramm, in dem stand, die neue Regierung Zahedi brauche fünf Millionen Dollar. Der Tag X
Der 16. August war als Tag des Staatsstreichs ausgewählt. Inzwischen war die Lage im Parlament chaotisch geworden. Bezahlte Agenten unter den Parlamentariern hatten ihre Hetzkampagne gegen Kaschani immer weiter gesteigert, und diese fand ihren Höhepunkt in Aufrufen zu seiner Entlassung als Sprecher des Majlis. Da sich unter Kaschanis Gegnern auch einige Unterstützer Mossadeghs befanden, griff der Ministerpräsident ein und löste das Parlament durch ein Referendum auf.
Auf den Straßen wüteten Demonstrationen in der klassischen Manier von "Bande und Gegenbande": Die Hintermänner des Putsches organisierten Proteste gegen Mossadegh, und die andere Seite wurde ermuntert, für Mossadegh auf die Straße zu gehen. Mitglieder der Tudeh-Partei, die das taten, lieferten ungewollt den Vorwand, Mossadegh als Kommunistenfreund zu verleumden. Das benutzten bezahlte Journalisten, um Aufrufe mit der Forderung nach seinem Rücktritt zu schreiben.
An dem Tag, der für den Coup vorgesehen war, leitete der amerikanische Militärattaché Robert McClure höchstpersönlich die Demonstrationen. In die Demonstrationen für Mossadegh und für Tudeh waren haufenweise Schläger und Kriminelle eingeschleust, die gewaltsam gegen die andere Seite vorgingen, um Mossadegh in Verruf zu bringen. Die Gewalt war sorgfältig geplant und wurde von bezahlten Gangstern ausgeführt, die meist aus Sportvereinen kamen und von einem Mann mit dem Spitznamen "Schaban der Hirnlose" angeführt wurden.
Gleichzeitig fanden Demonstrationen für den Schah und gegen Tudeh statt, die als Kundgebungen patriotischer Kräfte dargestellt wurden. Es war nur natürlich, daß nun auch ahnungslose Bürger sich aufmachten und je nach dem politischen Standpunkt in den einen oder anderen Marsch einreihten. Hatte die CIA etwa, wie in manchen Fällen belegt ist, 6000 Demonstranten bezahlt, so schlossen sich spontan Tausende an.
Mossadegh reagierte darauf mit einem Verbot sämtlicher Demonstrationen. Als die Tudeh-Partei eine Abordnung zu ihm sandte und um Waffen für die Nationalisten und Kommunisten bat, lehnte er mit der Begründung ab, er würde lieber ein Opfer des Lynchmobs werden, als einen Bürgerkrieg zu entfesseln.
Ein Offizier, der Stabschef Gen. Taki Riahi, war von dem Putschplan unterrichtet worden und konnte Mossadegh rechtzeitig warnen. So kam es, daß Nasiri, als er am Abend des 15. August zu Mossadeghs Haus kam, um ihn festzunehmen, selbst von Mossadegh treuen Soldaten gefangengenommen wurde. Zahedi konnte fliehen.
Der Putsch war fehlgeschlagen, und die Nachricht verbreitete sich schnell. An dem Abend füllten sich die Straßen mit Demonstranten, die spontan Mossadegh unterstützten und den Schah verurteilten. Angesichts dieser kompromittierenden Lage ergriff der Schah die Flucht, erst nach Bagdad, dann weiter mit seiner Frau nach Rom.
Als die CIA von dem Fiasko erfuhr, alarmierte sie ihren Topagenten Kermit Roosevelt, er solle aus Sicherheitsgründen das Land verlassen. Aber er entschied sich anders. Er war immer noch überzeugt davon, daß der Putsch klappen könnte, und beschloß einfach, es in ein paar Tagen noch einmal zu versuchen. Am 19. August gingen denn auch Tausende von Demonstranten brav auf die Straße, riefen "Tod Mossadegh!" und führten Symbole der Treue zum Schah mit sich. Die Demonstrationen waren tatsächlich beeindruckend, weil jetzt noch viel mehr Geld im Spiel war. Tausende von Dollars wurden an einzelne Demonstranten und an größere Gruppen aus dem Umfeld der Sportvereine und Schlägerbanden ausgeteilt. Für einen Assistenten von Ajatollah Kaschani, Ahmad Aramasch, wurden 10 000 Dollar bereitgestellt, aber es ist umstritten, ob das Geld ankam. Nicht nur, daß Demonstranten die Straßen füllten, die Gewalt griff immer mehr um sich, und organisierte Banden stürmten acht Regierungsgebäude.
Als entscheidend erwies sich nun die Veröffentlichung der Firmans. Die vom Schah unterschriebenen Dekrete erschienen an diesem Tag in der Presse, und die Radionachrichten verkündeten, Zahedi sei Ministerpräsident, Mossadegh sei entlassen, und der Schah komme bald zurück. Kurz darauf sprach General Zahedi selbst im Radio und verlas den Text der beiden Firmans.
Militäreinheiten wurden zu Mossadeghs Haus beordert, und zwei Stunden lang tobten dort erbitterte Kämpfe. Bei der Belagerung des Wohnsitzes starben 50 Menschen. Mossadegh beharrte auf Widerstand. Als ein Oberst der Opposition versucht hatte, ihn zur Aufgabe zu bewegen, mußte er berichten: "Der alte Mann war felsenfest in seinem Widerstand, er sagte, er sei immer noch der rechtmäßige Regierungschef und werde sich von einer handvoll wildgewordener Rabauken nicht beeindrucken lassen." Während sein Haus durch Gewehrfeuer und Panzer zerstört wurde, gelang Mossadegh die Flucht.
Zahedi ordnete ein Demonstrationsverbot an, schloß die Grenzen und ließ mossadeghtreue Offiziere verhaften. Mossadegh stellte sich später den Behörden, als gemeldet wurde, daß der Schah aus Rom zurückgekehrt war.
Der Putsch war erfolgreich beendet. Zahedi bekam seine fünf Millionen Dollar für die erfolgreiche Operation und dazu noch eine Million Dollar als Taschengeld.
Jetzt mußte der überaus populäre Mossadegh noch politisch entmachtet werden. Nach zehn Wochen in einem Militärgefängnis klagte man ihn wegen Verrats an, weil er einen Aufstand organisiert und dem Schah widersprochen hätte. Er wurde umgehend für schuldig befunden und zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde aber später in drei Jahre Gefängnis mit darauffolgendem Hausarrest umgewandelt. Mossadeghs Verteidigung war eine simple Feststellung: "Mein einziges Verbrechen ist, daß ich die Ölindustrie verstaatlicht habe und daß ich das Netzwerk des Kolonialismus sowie den politischen und wirtschaftlichen Einfluß des größten Imperiums der Welt aus diesem Land entfernt habe."
Mitglieder seiner Regierung sowie Offiziere, die loyal zu ihm blieben, wurden ebenfalls gefangengenommen. 600 von insgesamt 6000 wurden hingerichtet.
Trotz Niederlage, Krankheit und Gefängnisstrafe blieb Mossadegh eine bezwingende Figur. Selbst nach seinem Tod endete sein Einfluß nicht. Er starb am 5. März 1967. Aus Angst, daß sein Grab ein Ort für politische Manifestationen werden könnte, wurde kein Begräbnis gestattet, sondern man begrub ihn unter dem Fußboden in einem Zimmer seines Hauses. Die "Einigung"
Und was wurde aus dem Öl? Die Briten waren bedacht, einen Anschein von Recht zu erhalten, und nahmen nicht alles, sondern gründeten ein internationales "Konsortium", das Vertragshändler der NIOC wurde. An dem Konsortium beteiligten sich British Petroleum mit 40%, fünf US-amerikanische Ölfirmen mit ebenfalls 40%, und der Rest ging an die Compagnie Française des Petroles und Royal Dutch/Shell. Die Verhandlungen führten die Amerikaner, weil die Briten so diskreditiert waren, ihr Verhandlungsleiter war Herbert Hoover, der damals Sonderbeauftragter im Außenministerium war.
Das Abkommen, das im August 1954 erreicht, anschließend vom Majlis ratifiziert und vom Schah abgesegnet wurde, erlaubte dem Konsortium die Leitung der Operationen und Exporte über Handelsfirmen, welche die Mitglieder gründeten. Theoretisch gehörten die Werte dem Iran, aber das stand nur auf dem Papier.
Zwei Iraner durften Direktoren zweier beteiligter Unternehmen werden. Die NIOC, die dem Namen nach noch als iranische Gesellschaft bestand, erhielt Zugang zu finanziellen und technischen Unterlagen, und es sollten iranische Fachkräfte ausgebildet werden.
Der Iran sollte viel mehr Einkünfte bekommen als früher: Der Gewinn wurde 50:50 aufgeteilt, wie es damals im Ölgeschäft üblich war. Die Briten machten den besten Schnitt, obwohl sie vom Monopol auf 40% zurechtgestutzt waren. BP wurde vom Iran und den anderen Mitgliedern des Konsortiums für den Verlust entschädigt und erhielt von der britischen Regierung Steuernachlaß.
Mit der Zeit forderte der Schah einen größeren Anteil der Reichtümer seines Landes. Das Iranische Ölgesetz von 1957 setzte fest, daß neue Verträge mit ausländischen Firmen geschlossen werden konnten, u.a. über Joint Ventures und Verträge zur Suche nach Ölvorkommen durch ausländische Firmen. Später folgten Verträge zwischen Staaten - oft verwickelte Tauschgeschäfte - , durch die der Iran immer größere Unabhängigkeit von den Ölgesellschaften erreichte. Aus diesem Grunde unterstützten dann maßgebliche finanzielle und politische Interessen im Westen, insbesondere unter der amerikanischen Regierung Carter, die Kräfte, die den Schah stürzen wollten.
Als 1979 im Iran erneut die Revolution ausbrach, schien es, als seien die Erynnien losgelassen. Massen von Iranern gingen auf die Straße und demonstrierten gegen die Dynastie Pahlewi mit Plakaten mit Mossadeghs Bild - ihrem Symbol für nationale Eigenständigkeit und Unabhängigkeit von fremden Kolonialmächten. Die erste Regierung der Ära nach dem Schah unter Ministerpräsident Mehdi Barzagan, Außenminister Ibrahim Yazdi und Präsident Abolhassan Bani-Sadr besaß noch Mossadeghs Geist und politische Ausrichtung. An Mossadeghs 12. Todestag im Jahr 1979 besuchten schätzungsweise eine Million politische Pilger seine Heimat Ahmad Abad, um ihn zu ehren.
Diese erste Schicht revolutionärer Führer kämpfte für ein Programm im Sinne Mossadeghs. Sie scheiterten, sie wurden politisch geschlagen und gingen ins Exil. Nichtsdestoweniger wurde nach Einführung der Islamischen Republik die NIOC wieder verstaatlicht. Kann eine Tragödie abgewendet werden?
Im gegenwärtigen Streit um das Recht des Iran auf zivile Kerntechnik spielt der "Mossadegh-Reflex" eine wichtige Rolle. Auch wenn man sich nicht ausdrücklich auf seinen Namen und seine Person bezieht, lebt heute der geistige Kampf um nationale Souveränität und Unabhängigkeit, den er verkörperte, in vielen Bevölkerungsschichten und in allen politischen Parteien und ihren Vertretern weiter.
Deshalb muß man die Frage stellen: Könnten die anglo-amerikanischen Erben dieser Churchill-Dulles-Fraktion heute mit einer Neuauflage des Putsches von 1953 Erfolg haben? Zweifellos bestehen sowohl die Absicht als auch die Grundelemente für einen versuchten Regierungswechsel. Die Propagandakampagne gegen den Iran läuft auf Hochtouren. Der junge Schah, noch außer Landes, hat seine Bereitschaft zum Regieren angezeigt. Und der gewaltbereite Mob hat schon seine Führung in der Terrororganisation Mudschahedin E Qalq (MKO/MEK). Kürzlich verkündete die MKO in Washington bei einem Forum des "Komitees für Iranpolitik" unter dem Ex-General Paul Vallely öffentlich die Bereitschaft, die iranische Regierung zu stürzen, und schlug vor, die US-Regierung solle Sondereinheiten ins Land schicken, um die Kernkraftanlagen zu zerstören.
Iranische Gesprächspartner weisen darauf hin, daß die Lage im Land heute ganz anders ist als 1953. Das mag zutreffen, aber die Regierung ist verwundbar. Auch wenn das Nuklearprogramm massive öffentliche Unterstützung im Namen der nationalen Souveränität hat, herrscht weithin Unzufriedenheit, die durch die Wirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit, insbesondere unter Jugendlichen, geschürt wird.
In den acht Jahren seiner Reform-Regierung war der frühere Präsident Mohammad Chatami nicht in der Lage, die Forderung der Bevölkerung nach wirksamer Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu erfüllen - hauptsächlich wegen der innenpolitischen Beschränkungen des islamischen Systems, das 1979 eingeführt wurde. Ohne spürbaren Fortschritt bei der wirtschaftlichen und sozialen Gerechtigkeit wird das Land auch unter der neuen Regierung von Präsident Mahmoud Ahmadinedschad entsprechend anfällig bleiben.
Mossadeghs Sturz hatte alle Zutaten einer klassischen Tragödie. Da waren die üblen Schwindler und Verschwörer - die Jagos und Edmunds - und die Figuren mit typischen Familienbanden wie die Brüder Dulles oder Raschidian, und da waren die Anführer der Verschwörung: Truman, Churchill usw. Da gab es die tragische Figur des Schah, der um die Intrigen wußte, die um ihn gesponnen wurden, aber unfähig war, sich wie von Mossadegh gefordert auf die Seite der Sache der Nation zu stellen. Und da ist die erhabene Figur Mossadeghs, der den Kampf für Freiheit und das Recht seines Landes auf technischen Fortschritt anführt. Obwohl Mossadegh den größten Teil seines Lebens ernsthaft krank war, gab er nie auf und war bereit, für seine Sache zu sterben. Er hätte außer Landes fliehen können, um der Verfolgung zu entgehen, blieb aber bewußt in seiner geliebten Heimat.
Aber nicht nur solche führenden Persönlichkeiten machen die Tragödie aus. Wie Lyndon LaRouche verschiedentlich herausgearbeitet hat, entfaltet sich eine Tragödie nicht nur auf der Ebene der politischen Führung, sondern vor allem auf der Ebene des Volkes. Die Ereignisse von 1953 wären undenkbar gewesen, wenn die Massen und wichtige gesellschaftliche Stellen sich nicht hätten verführen und bestechen lassen. Nicht nur General Zahedi, auch reihenweise Offiziere waren vom Ausland gekauft; der Majlis war gespalten, nachdem Geld die Parlamentarier ihre politischen Mitstreiter verrieten ließ; Journalisten, Redakteure und Verleger verbreiteten Lügen und Verleumdungen und peitschten täglich beim Mob die niedrigsten Gefühle auf. Und schließlich der Mob selbst: Nicht viel anders als die Plebejer in Shakespeares altem Rom schwankten die Massen, blind der Demagogie und dem Geld folgend, von einer Seite auf die andere.
Ob heute eine ähnliche Tragödie abgewendet werden kann - ein wahnwitziger Krieg gegen den Iran, wie Vizepräsident Cheney ihn plant, oder ein Umsturz wie 1953 - , das hängt von der moralischen Stärke der politischen Führung und des Volkes ab. Nicht nur im Iran, sondern auch in den Vereinigten Staaten und anderswo.