Kein Lockdown für Militärs - Die US-Streitkräfte geben neue Details zum US-Großmanöver Defender Europe 21 bekannt 21.03.2021 21:38
Washington/Berlin (Eigener Bericht) - Die Verlegung von US-Truppen nach Europa im Rahmen des Großmanövers Defender Europe 21 ist eingeleitet worden.
Das geht aus US-Berichten hervor. Demnach werden Tausende von US-Soldaten im April in Europa eintreffen, um dort weiter in Richtung russische Grenze zu marschieren. Schwerpunktgebiet ist dieses Jahr nicht, wie 2020, das Baltikum, sondern Südosteuropa sowie insbesondere die Schwarzmeerregion. Deutschland fungiert erneut als Drehscheibe für die Truppenverlegung; im Rahmen von Defender Europe 21 werden deutsche Häfen, Flughäfen und Truppenübungsplätze
genutzt, während die Bundeswehr mit 430 Soldaten beteiligt ist. Für Mai sind
mehrere Teilmanöver angekündigt - darunter Luftlandeübungen und Operationen zur
Luft- und Raketenabwehr sowie eine Simulationsübung, bei der die Führung von
Truppen in über 100 Ländern auf zwei Kontinenten geprobt werden soll. Beteiligt
sind neben 21 NATO-Mitgliedern auch fünf Länder, die dem Kriegsbündnis nicht
angehören, darunter mit Georgien und der Ukraine zwei Frontstaaten aus dem
Machtkampf gegen Russland.
An
Russlands Südwestflanke
Die
US-Streitkräfte haben in der vergangenen Woche neue Details zum diesjährigen
Großmanöver Defender Europe 21 bekanntgegeben. Demnach nehmen mehr als 30.000
Soldaten aus 26 Ländern an der Kriegsübung teil, darunter neben 21 NATO-Staaten
auch Bosnien-Herzegowina und das Kosovo, die Ukraine und Moldawien sowie
Georgien. Die zunächst verbreitete Behauptung, auch Armenien sei eingebunden,
trifft nicht zu: Wie das armenische Verteidigungsministerium bestätigt,
beteiligt sich das Land nur dann an multinationalen Manövern,
wenn diese der ›Aufrechterhatung
des internationalen Friedens und der Stabilität‹ dienen. [1] Dies aber ist bei
Defender Europe 21 erkennbar nicht der Fall. Die Bundeswehr stellt dieses Jahr
430 Soldaten. Im Kern geht es bei dem Manöver - wie bei Defender Europe 20 -
darum, die Überführung einer großen Anzahl US-Soldaten nach Europa und dann
weiter in Richtung russische Grenze zu proben, wobei der Schwerpunkt - im
Unterschied zu 2020 - nicht auf Russlands nordwestlicher, sondern auf seiner
südwestlichen Flanke liegt: In Südosteuropa und am Schwarzen Meer. Dies ist der
Grund, weshalb die Beteiligung der Frontstaaten Ukraine und Georgien dieses
Jahr ganz besondere Bedeutung hat.
Die
Truppenverlegung
Aktuell
ist laut US-Berichten [2] die Verlegung von US-Verbänden über den Atlantik nach
Europa eingeleitet worden. Zu den fünf Ländern, in deren Häfen US-Truppen
anlanden oder aus denen sie später wieder ablegen sollen, gehört Deutschland;
die vier anderen liegen diesmal am Mittelmeer (Slowenien, Kroatien, Albanien,
Griechenland). Auch deutsche Flughäfen werden von den US-Streitkräften für
Defender Europe 21 genutzt. Auf dem Kontinent angekommen, wird ein Teil der
Einheiten Kriegsgerät aufnehmen, das in großen US-Waffenlagern (Army
Prepositioned Stock, APS) gehortet wird; Zweck des APS ist es, im Ernstfall die
benötigten Rüstungsgüter bereits in Europa zur Verfügung zu haben und nur noch
die Truppen einfliegen zu müssen. In diesem Jahr ist die Verwendung von APS aus
Eygelshoven (Niederlande), aus Italien (Livorno) sowie aus Deutschland geplant;
in der Bundesrepublik kommen Bestände aus Dülmen oder aus Mannheim in Betracht.
Anschließend ist die Weiterverlegung in Richtung Osten bzw. Südosten
vorgesehen; die Routen sind im Detail noch nicht bekannt. Allerdings ist
Deutschland den US-Streitkräften zufolge eines der Länder, deren
Truppenübungsplätze bei Defender Europe 21 für Teilübungen genutzt werden.
Mit
scharfem Schuss
Nach
der Truppenverlegung, die vorwiegend im April stattfinden wird, sind im Mai
Teilmanöver auf über 30 Trainingsarealen in zwölf Ländern geplant. Acht Länder
liegen in Südosteuropa und erstrecken sich von Kroatien über weitere Nachfolgestaaten
Jugoslawiens sowie Albanien bis Rumänien, Bulgarien und Griechenland. Wie
bereits im vergangenen Jahr sehen die Pläne vor, größere Manöver, die schon
seit längerer Zeit jährlich abgehalten werden, in Defender Europe 21
einzubinden; dabei handelt es sich zum Beispiel um ›Swift Response‹, eine
Luftlandeübung, die dieses Jahr mit mehr als 7.000 Soldaten aus 11 Ländern in
Rumänien und Bulgarien sowie in Estland stattfinden soll, und um ›Saber Guardian‹, ein Teilmanöver, bei dem mehr als 13.000 Soldaten aus 19 Ländern mit scharfem Schuss trainieren und
Operationen zur Luft- und Raketenabwehr sowie eine medizinische Evakuierung im
großen Stil proben. Nicht formell ein-, aber doch angegliedert ist das seit
knapp zwei Jahrzehnten abgehaltene Manöver ›African
Lion‹, das auf eine Kooperation der
Streitkräfte der USA und Marokkos zurückgeht; an der Übung sind knapp 5.000
Soldaten beteiligt. Im Juni soll eine Simulationsübung die Führung von Truppen
in über 100 Ländern auf zwei Kontinenten proben, bevor die US-Militärs
zurückverlegt werden. [3]
Die
NATO im Schwarzen Meer
In
der Schwarzmeerregion, die - zusammen
mit Südosteuropa - den Schwerpunkt des
diesjährigen Defender Europe-Manövers bildet, baut die NATO ihre Präsenz seit
geraumer Zeit ähnlich wie im Baltikum aus. So ist im rumänischen Craiova eine
multinationale NATO-Brigade stationiert. Von der bei Constanta gelegenen Air
Base Mihail Kogalniceanu aus führen NATO-Flugzeuge regelmäßige Patrouillenflüge
(›Air Policing‹) durch. Darüber hinaus intensiviert das westliche Militärbündnis
seine Marinepräsenz. Diese muss den Vertrag von Montreux aus dem Jahr 1936
berücksichtigen, der den Zugang zum Schwarzen Meer durch die Dardanellen, das
Marmarameer sowie den Bosporus regelt: Demnach dürfen sich Kriegsschiffe aus
Nicht-Anrainerstaaten maximal 21 Tage lang im Schwarzen Meer aufhalten; Überwasserkriegsschiffe
mit einer Verdrängung von über 10.000 Tonnen, Flugzeugträger und U-Boote von
Nicht-Anrainerstaaten sind prinzipiell nicht zur Einfahrt in das Gewässer
zugelassen. Dennoch operieren, wie die NATO berichtet, die Marinen ihrer
Mitgliedstaaten insgesamt über zwei Drittel des Jahres im Schwarzen Meer [4]; auch die NATO selbst weitet aktuell die Präsenz ihrer
Marineverbände aus [5]. Dem Bündnis gehören drei Anrainerstaaten (Rumänien,
Bulgarien, Türkei) an; zwei weitere sind enge Verbündete (Ukraine, Georgien).
An
beiden Fronten zugleich
Defender
Europe 21 wird ungeachtet der sowohl in den Vereinigten Staaten wie auch in
Europa unvermindert wütenden Covid-19-Pandemie abgehalten.
Während
die Freizügigkeit in der EU für Zivilpersonen empfindlich eingeschränkt ist, haben
involvierte Militärs freie Fahrt; während Impfdosen in der EU selbst für
Risikogruppen weiterhin Mangelware sind, wurden US-Einheiten, die an dem
Manöver beteiligt sind, bereits zum zweiten Mal geimpft. [6] Und während es der
Bundesregierung bis heute nicht gelingt, eine auch nur halbwegs genügende Menge
an Impfdosen zu beschaffen, finanziert sie Defender Europe 21 mit 2,9 Millionen
Euro sowie weitere Manöver ebenfalls mit Millionensummen; insgesamt
veranschlagt das Verteidigungsministerium die Mittel, die dieses Jahr für
Kriegsübungen ausgegeben werden, auf rund 164,5 Millionen Euro. [7] Dazu zählt
erstmals auch die Entsendung eines deutschen Kriegsschiffs in das
Südchinesische Meer: Während sich die NATO und ihre Mitgliedstaaten -
Deutschland inklusive - dort gegen China in Stellung bringen, proben sie in den
nächsten Wochen und Monaten den Aufmarsch gegen Russland; sie operieren
inzwischen gegen beide Mächte, an beiden Fronten zugleich.
Anmerkung:
Wir
verweisen in diesem Zusammenhang erneut auf die grundlegende Analyse von
Wolfgang Eggenberger:
Schwarzbuch EU & NATO – Warum die Welt keinen
Frieden findet
https://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=3077 24. 1. 21
Quelle:
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8559/ 22. 3. 21
[1] Armenia doesn't plan to participate
in NATO Defender Europe 21 exercises, says Defense Ministry. armenpress.am
18.03.2021
[2] Todd South: Massive, Army-led NATO
exercise Defender Europe kicks off. armytimes.com 16.03.2021
[3] DEFENDER-Europe 21 Fact Sheet.
europeafrica.army.mil
[4] NATO
Allied ships, aircraft patrol the Black Sea. nato.int 28.01.2021
[5] Gerd Portugall: Wiederholte
NATO-Präsenz im Schwarzen Meer. behoerden-spiegel.de 12.02.2021
[6] DEFENDER-Europe Videos: Second COVID
vaccine dose prepares Cougar Battalion for Defender Europe 21.
europeafrica.army.mil 11.03.2021
[7] Antwort der Bundesregierung auf die
Schriftliche Frage 2/360 der Abgeordneten Sevim Dagdelen vom 19. Februar 2021.
Berlin, 01.03.2021
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