Italien schliesst sich dem Infrastrukturprojekt »Neue Seidenstrasse« an

Dem Bericht von »Strategic Alert« zufolge fand am 13. März in Mailand

eine bahnbrechende Konferenz statt, die gemeinsam von der italienischen LaRouche-Bewegung MoviSol und der Regionalregierung der Lombardei organisiert worden war. Die Redner waren die Präsidentin des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, Prof. Michele Geraci, der geistige Vater der neuen Chinapolitik der italienischen Regierung und Staatssekretär im italienischen Entwicklungsministerium, sowie Franco Persio Bocchetto, ein Spezialist für das Transaqua-Projekt in Afrika.

Die Veranstaltung erregte in Politik und Medien viel Aufmerksamkeit, denn sie fiel   zeitlich mitten in eine hitzige Debatte über den Italienbesuch des chinesischen Präsidenten XI Jinping (22. bis 23. 3.) und eine internationale Kampagne gegen das geplante Rahmenabkommen für die Zusammenarbeit beider Länder bei der Gürtel- und Straßen-Initiative BRI; der Vordenker letzteren Projekts ist Michele Geraci. Dieser wurde zu Beginn der Konferenz um eine Erläuterung gebeten, worum es bei der BRIgeht, welche Vorteile sie Italien und besonders dem wirtschaftlich unterentwickelten Mezzogiorno bietet, und was zu dem Vorstoß der chinafeindlichen Fraktion, chinesische Investitionen in Europa durch die EU zu
prüfen, sprich zu erschweren, darzulegen ist. 

Geraci widerlegte die Propagandakampagne gegen Italien: Es sei unsinnig, zu behaupten, daß Italien als G7-Mitglied mit einer entsprechend großen Volkswirtschaft eine chinesische Schuldenfalle drohen könnte. Eine Mitwirkung an der Gürtel- und Straßen-Initiative bringe Italien vielfältige Vorteile: Die Ausweitung des chinesischen Markts auf italienische Firmen, die Zusammenarbeit bei der Modernisierung der Hafen-Infrastruktur des Landes als europäischer Endpunkt der maritimen Seidenstraße sowie die Entwicklung Süditaliens als Plattform für Investitionen in Afrika. Helga Zepp-LaRouche zeigte sich amüsiert über den internationalen Aufruhr über die Entscheidung Italiens, mit China eine Rahmenvereinbarung über die BRIzu schließen. Sie verurteilte die westliche Mentalität, die sich gar nicht mehr vorstellen könne, daß ein Land für das gemeinsame Interesse der Menschheit arbeitet, und die westlichen Medien, die verfälscht über China berichten. Sie lobte die italienische Regierung als Vorbild für Europa und forderte Deutschland und Frankreich auf, ihrem Beispiel zu folgen und der BRI beizutreten. Bocchetto, technischer Direktor des Ingenieurbüros Bonifica, das den Transaqua-Plan zur Rettung des Tschadsees erarbeitet hat, beschrieb die 40jährige Geschichte dieses Projekts, das ursprünglich vom damaligen Bonifica-Auslandsdirektor Marcello Vichi entwickelt worden war und jetzt endlich ernsthaft geprüft wird. Vichi sandte der Mailänder Konferenz Grüße.

Die bürokratischen Vorbereitungen für die Machbarkeitsstudie werden hoffentlich in einem Monat abgeschlossen sein, dann kann die von der italienischen Regierung finanzierte Studie beginnen. Nach einer lebhaften Diskussion schloß die Movisol Vorsitzende Liliana Gorini die Konferenz ab und widmete sie danach dem im Februar verstorbenen Lyndon LaRouche, der in Italien wegen seiner zutreffenden Wirtschaftsprognosen bekannt und geschätzt war.

Vier landesweite Medien - Corriere della Sera, Il Foglio, Avvenire und Linkiesta - haben hervorgehoben, daß Lyndon LaRouche der erste war, der vor mehr als zwei Jahrzehnten die Neue Seidenstraße anregte. Dies wurde dadurch ausgelöst, daß der frühere Wirtschaftsminister Giulio Tremonti am Vorabend der Mailänder
Movisol-Konferenz in einem Interview mit dem Corriere della Sera erklärte: »Das Projekt der Neuen Seidenstraße reicht bis Mitte der 90er Jahre zurück, zu dem amerikanischen Visionär Lyndon LaRouche, der darin die Rettung der Menschheit sah«. Diese Aussage Tremontis konnten die Mainstream-Medien nicht ignorieren; Avvenire und Linkiesta haben diese Wahrheit im Rahmen ihrer Berichterstattung über die Mailänder Konferenz anerkannt:

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Mehr als praktisch: Es ist unvermeidlich. Wie die chinesische Seidenstraße Italien (und Europa) verändern wird bzw. Arm in Arm mit Verschwörungstheoretikern in der Ära nach der Wahrheit. Heute distanziert sich Giulio Tremonti, der sich gegen die jetzige Regierung und die Vereinbarung mit China positioniert hat, leider von der Unterstützung, die er LaRouches Politik 2007 in einer öffentlichen Veranstaltung in Rom gegeben hatte. Damals hatte er gesagt, LaRouches weitreichende Ideen zur eurasischen Integration seien zwar möglicherweise »die Ideen eines Verrückten«, aber oft seien Fortschritte in der Geschichte den Ansichten solcher Verrückter zu verdanken.  

Schuld an der Spaltung Europas, so Helga Zepp-LaRouche, ist nicht China, sondern die EU; sie selbst sei längst zu dem Schluß gekommen, daß praktisch alles, was westliche Medien über China schreiben, Fake News seien. Ein Beispiel dafür sei der Ausbruch antichinesischer Propaganda als Reaktion auf die italienische Entscheidung, ein Rahmenabkommen mit China zu unterzeichnen. Der strategische Kontext sei sehr gefährlich: »Wir sind jetzt an einem Punkt, an dem etwas passiert, was schon 16mal in der Geschichte geschehen ist, daß nämlich die bisher dominierende Macht von der bisher zweitgrößten Macht überholt wird. Und in der Geschichte hat dies 12mal zum Krieg zwischen diesen beiden konkurrierenden Mächten geführt, und viermal hat die zweite Macht die dominierende Macht einfach ohne Krieg überholt«. Indessen hat China oft betont, daß es natürlich nicht den zwölf Fällen folgen wolle, in denen der Konflikt zu einem Krieg führte. »Wir wollen aber auch nicht einfach die Vereinigten Staaten in der Rolle des Anführers einer unipolaren Welt ablösen«. China sei für ein System außenpolitischer Beziehungen auf der Grundlage von Souveränität, dem Respektieren unterschiedlicher Gesellschaftssysteme und der Nichteinmischung.

Zu dem Vorwurf, China werde Europa mit der Gürtel- und Straßen-Initiative spalten, erinnerte Frau LaRouche das Publikum daran, daß Europa auch ohne China längst gespalten ist: »Es gibt den Nord-Süd-Konflikt wegen der  Austeritätspolitik gegen Italien, Griechenland, Spanien und Portugal, und den Ost-West-Konflikt in der Frage der Migranten«. Vor diesem Hintergrund sei Italiens Handeln »wirklich ein Vorbild, denn die Zusammenarbeit zwischen italienischen und chinesischen Unternehmen bei der Entwicklung Afrikas ist tatsächlich der einzige humane Weg, die Flüchtlingsfrage zu bewältigen«.  [1]

Was nun den in den Medien in letzter Zeit wiederholt zitierten Vorwurf einer drohenden Spaltung Europas angeht, so kann man hier nur immer wieder auf die Befindlichkeit dieser unter der Regie Brüssels stehenden, jedes Detail regelnde EU hinweisen, wie sie der ehemalige tschechische Staatspräsident Vaclav Klaus wiederholt beklagt hat: »Wir leben in einer Zeit eines neuen Autoritarismus der illiberalen Eliten, der Neomarxisten der Frankfurter Schule, der sogenannten Experten, der Bürokraten internationaler Organisationen, der IT-Protagonisten und Lobbyisten, der lauten, geräuschvollen Exponenten politischer NGOs. Infolgedessen gebe es eine Machtverschiebung von gewählten Vertretern zu Dauerfunktionären, von Gemeinderäten zu zentralen Bürokratien, von Gesetzgebern zu leitenden Angestellten, von nationalen Parlamenten nach Brüssel und Strassburg, vom Bürger zum Staat. Diese Eliten sähen nicht, daß Europa ein historisch gewachsenes kulturelles und zivilisatorisches Gebilde ist  - mit mehr oder weniger weithin akzeptierten geographischen Grenzen -  die EU dagegen ein menschengemachtes Konstrukt, das seinen klar definierten Anfang hat und zweifellos ein ruhmreiches oder nicht so ruhmreiches Ende haben wird. Für sie sei der souveräne Nationalstaat ein besiegter Anachronismus.« Dagegen sieht Klaus  - was man im Hinblick auf die ständigen Angriffe auf die Nation nicht oft genug wiederholen kann -  »im Nationalstaat und in der nationalen Souveränität die Grundlage für den Schutz der politischen und wirtschaftlichen Rechte der Menschen. Die Verträge von Maastricht und Lissabon seien historische Fehler gewesen, weil sie das ursprüngliche Konzept der europäischen Integration in einen Einheitsstaat verwandelten«.   

d.a.  Bei soviel Selbständigkeit gegenüber der Brüsseler Kommission, wie sie jetzt in Italien zutage tritt, ist es gewissermassen voraussehbar, dass Unkenrufe nicht ausbleiben. So äusserte sich BRD-Aussenminister Heiko Maas kritisch über Italiens Teilnahme am chinesischen Seidenstrassen-Projekt: »Sollten einige Länder glauben, man könne mit den Chinesen clevere Geschäfte machen, werden sie sich wundern und irgendwann in Abhängigkeiten aufwachen.« Kurzfristig lukrative Angebote könnten »schneller als gedacht einen bitteren Beigeschmack« bekommen, warnte Maas.  [2]  Als ob Deutschland mit China keine Geschäfte tätigte…..  Zudem hatte es doch im Oktober 2017 geheissen, »dass Berliner Regierungsberater eine strategisch angelegte Kooperation mit China in Zentralasien in Betracht ziehen. Anstatt sich auf eigenständige Einflußoperationen zu beschränken, solle man einen intensiveren Dialog mit Beijing darüber führen, inwiefern sich Ziele gemeinsam verfolgen ließen, hieß es in einer aktuellen Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik«.  [3] 

Eigentlich sollte Maas weitaus mehr über die Abhängigkeit der EU von der USA reflektieren, aber das ist ein wesentlich heikleres Thema als so ein einfaches Italien-Bashing.  

Jedenfalls ist Italien das erste Land der G-7-Staaten, das sich jetzt diesem Infrastrukturprojekt angeschlossen hat. Die Neue Seidenstrassehat die Entwicklung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Ost und West zum Ziel und soll in Anlehnung an die historischen Routen zwischen Mittelmeerraum und Ostasien neue Handels- und Verkehrsnetze zwischen den Kontinenten aufbauen. Das umfasst Eisenbahnlinien, Strassen und Seeverbindungen von China nach Europa und Afrika. Die milliardenschwere One Belt, One Road-Initiative der Volksrepublik  - China hatte den Seidenstrassen-Entwicklungsfonds mit 40 Mrd. $ ausgestattet  -  ist für das Land ein zentrales Projekt, um Absatzmärkte enger an China zu binden. So besteht seit letztem Jahr eine Güterzugverbindung zwischen Amsterdam und Yiwu. Am 7. März 2018 hatte ein Zugverband den Hafen von Amsterdam zu einer 11.000 km langen, 17 Tage dauernden Reise ins chinesische Yiwu angetreten. Der Zug fährt durch Deutschland, Polen, Weissrussland, Russland und Kasachstan. Damit sind auch die Niederlande mit Chinas One Belt, One Road OBOR Seidenstrasse verbunden. Amsterdam ist nach Rotterdam, Antwerpen und Hamburg der grösste europäische Hafen. Mit der neuen Verbindung werden die niederländischen Geschäftsverbindungen mit China wesentlich verbessert, so der Vorstandsvorsitzende von Nenner Logistics, Erwin Cootjans.  [4]  Am 21. 4. 2016 war auch der erste Güterzug aus dem chinesischen Wuhan in Lyon, das früher Europas wichtigste Seidenstadt war, eingetroffen. Der Zug fuhr die 11.300 km durch Kasachstan, Russland, Weissrussland und Polen nach Duisburg und von dort weiter nach Lyon in 15 Tagen. Ferner besteht zwischen Chongqing/Chengdu, einer Industrieregion in Zentralchina, und Duisburg mit dem grössten Binnenhafen der Welt eine direkte Bahnverbindung. Von Duisburg aus können Güter auf dem Rhein zum grössten Hafen Europas, Rotterdam, verschifft werden.  

Wie der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban nach seiner Rückkehr von einem Beijinger Forum im Juni 2017 einmal erklärte: »Das alte Modell der Globalisierung nähert sich seinem Ende; der Osten ist inzwischen mit dem Westen gleichauf, und ein gewaltiger Teil der Welt hat genug davon, von den westlichen Industrieländern über Menschenrechte und Marktregeln belehrt zu werden«. Er erinnerte daran, dass Ungarn das erste europäische Land war, das sich 2015 der OBOR-Initiative angeschlossen hatte.  [5]  


[1]  Strategic Alert Jahrgang 32, Nr. 12 vom 20. März 2019

[2]  https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/mehr-wirtschaft/neue-seidenstrasse-maas-warnt-italien-wegen-obor-16105324.html   24. 3. 19 Maas warnt Italien : China verfolgt eigene Interessen global beinhart

[3]  http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59692  10. 10. 17
Frischer Wind auf der Seidenstrasse  (II)

[4]  Strategic Alert Jahrgang 31, Nr. 11 vom 15. März 2018  

[5] 
Strategic Alert Jahrganng 30, Nr. 23 vom 7. Juni 2017