Wann fällt dieses »Zensurgesetz«? - Rassismus-Strafnorm im Fokus 27.01.2019 19:16
Von vielen Medien totgeschwiegen, wurde vor ein paar Tagen die
Unterschriftensammlung gegen die
Erweiterung der Rassismus-Strafnorm gestartet. Während das Referendum mit der
Kampagne »Nein zu diesem
Zensurgesetz!« lanciert wurde, rief
die quasi gleichzeitige Verurteilung zweier Exponenten der Jungen SVP
beispielhaft in Erinnerung, wie absurd diese Gesinnungs-Strafnorm als solche
ist. Nur ein erfolgreiches Referendum kann bewirken, dass über die
Meinungsfreiheit als Voraussetzung jeglicher weiterer Freiheiten endlich in der
breiten Öffentlichkeit diskutiert wird.
In der Wintersession 2018 entschieden
National- und Ständerat gegen die Stimmen der SVP und einiger FDP-Abweichler,
die seit 1995 bestehende Rassismus-Strafnorm um den Begriff der ›sexuellen Orientierung‹ zu erweitern. Es gehe darum, gleichgeschlechtlich
empfindende Menschen vor überall lauernder Diskriminierung und vor
Hassverbrechen zu schützen; so die LGBT-Verbände, die mit Genugtuung
feststellten, dass sich ihr jahrelanges Lobbying ausgezahlt hat. Ihr
feinsäuberlich ausgearbeitetes ›Wording‹, d.h. die Sprachregelung, ist
dabei so genial wie perfid: Wer kann denn schon gegen dieses Gesetz sein? Wer ›Nein‹
stimmt, der stünde ja dann quasi für Hass und Diskriminierung und sähe sich
öffentlich als ewiggestriger Unmensch gebrandmarkt, der gesellschaftlich
zu ächten wäre.
Des gesamten öffentlichen Drucks zum Trotz
blieb zumindest die SVP-Fraktion standhaft und behielt ihre grundsätzlich
kritische Haltung bis zum Schluss bei. Eine an zwei Händen abzuzählende Schar
an FDP-Parlamentariern blieb ebenso konsequent und stimmte mit ›Nein‹.
Nachdem es zuerst so aussah, als würde diese Erweiterung oppositionslos
geschluckt, die Parteien haben im Wahljahr nicht wenige andere Baustellen,
fasste sich eine bürgerlich-christliche Allianz ein Herz und entschied sich, in
den Ring zu steigen. Anfang Januar dieses Jahres konstituierte sich
schliesslich das überparteiliche Referendumskomitee »Nein zu diesem Zensurgesetz!«, das von der EDU, der Jungen SVP, Zukunft
CH und weiteren Organisationen getragen wird.
Keine Sprach- und Denkverbote Um die Diskussionen auf den Kern zu lenken
und den mit Kalkül bewirtschafteten Befindlichkeiten der LGBT-Verbände keine
unnötige Plattform zu bieten, bildet die Verteidigung der Meinungsäusserungsfreiheit
die Hauptargumentationslinie des Komitees. Hass und Diskriminierung sind in der
Schweiz schon heute verpönt. So bestraft das Strafgesetzbuch bereits Ehrverletzung,
Verleumdung und Beleidigung. Es braucht keine Sprach- und Denkverbote, die
legitime Meinungen kriminalisieren. Es ist doch logisch: Wenn Atheisten die
Existenz Gottes anzweifeln dürfen, soll auch kein gläubiger Christ dafür
verurteilt werden dürfen, wenn er Homosexualität mit Bezug auf die Bibel nicht
für völlig normal hält - ohne
gleichzeitig den einzelnen Menschen anzugreifen.
Dass sich die Befürworter dieses »Zensurgesetzes« auf dem falschen Fuss erwischt sehen, ist
offensichtlich. Dieser sachlichen, durch und durch kohärenten Argumentation
haben sie wenig entgegenzusetzen. Gerade wenn die als ›Fundis‹
verunglimpften Gegner dann auch noch klipp und klar betonen, dass gleichgeschlechtlich empfindende Menschen für
sie gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft seien, die es keinesfalls
nötig haben, sich selbst zur ›schwachen,
schützenswerten Minderheit‹
zu degradieren. Da wirken die eingeübten Schlagworte von Verbänden wie ›Pink Cross‹ »Rechte wollen ungestraft gegen Schwule
hetzen« regelrecht überholt;
letzterer Verband hatte die Referendumsführer frontal angegriffen.
Strafrecht als Ultima Ratio Die Bekämpfung von derart hochproblematischen
Einschränkungen der Meinungsäusserungsfreiheit ist ein urliberales Anliegen.
Von daher erstaunt es, dass sich nicht mehr Mitglieder der liberalen FDP
erheben. Das Missbehagen bei FDP und Jungfreisinn ist zwar mit Händen zu
greifen. Nur: Exponieren wollen sich die Wenigsten.
Dafür bringt ein Kommentator der liberalen
Traditionszeitung NZZ das Dilemma der Rassismus-Strafnorm auf den Punkt: »Das Strafrecht muss die Ultima Ratio
bleiben. Sonst droht es zu einer Art unbestimmtem Verhaltenskodex mit
angehängtem Sanktionenkatalog zu verkommen, der in der breiten Öffentlichkeit
die erhoffte Autorität nur noch bedingt geniesst. Stattdessen hat das Parlament
kürzlich eine Ausweitung der Rassismusstrafnorm beschlossen, wonach künftig
auch Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung unter Strafe
gestellt werden sollen. Was unter moralischen Gesichtspunkten verständlich und
richtig erscheint, ist unter rechtlichem Gesichtspunkt nicht unproblematisch.
Es stellt sich die Frage, weshalb Behinderte, Transgender, Mittellose oder
Asylbewerber nicht in analoger Weise geschützt werden sollen«. Indem sie die Rassismus-Strafnorm
generell analysiert, legt die NZZ dar, dass sich das »Strafrecht schlecht als
gesellschaftspolitisches Lenkungsinstrument eignet«.
Unter Bezugnahme auf die jüngste
Rassismus-Verurteilung der Co-Präsidenten der Jungen SVP des Kantons Bern wegen
eines ›Zigeuner-Plakats‹, gab die Zeitung zu bedenken,
dass für den Laien letztlich nicht klar sei, anhand welcher rechtlicher Kriterien eine Verurteilung
erfolge: »Ohne detaillierte
rechtliche Kenntnisse ist es nämlich schwer nachzuvollziehen, worin sich das
Posting der SVP-Politiker von ähnlich unappetitlichen, aber straflosen
Geschmacklosigkeiten unterscheidet«.
Oder - konkreter formuliert: Die Handhabung der Strafnorm hängt immer zu einem
beträchtlichen Teil von einzelnen Richtern ab; sprich: sie ist letzten Endes
stets willkürlich.
Damokles-Schwert über Migrationsthemen Man kann natürlich geteilter Meinung sein,
ob es die beste Art ist, den bekannten Missstand verunreinigter
Fahrenden-Transitplätze mit einer Karikatur und der Bezeichnung ›ausländische Zigeuner‹ zu bekämpfen. Zweifellos aber
haben wir in politischen Auseinandersetzungen hierzulande schon weit Extremeres
gesehen – gerade von linker Seite. Nur steht von den politischen
Zielscheiben der Linken wohl niemand unter sogenanntem Minderheitenschutz,
während die Rassismus-Strafnorm als Kampfinstrument wie ein Damokles-Schwert
über jeglichen Debatten zu migrationspolitischen Themen schwebt.
Dass Adrian Spahr als einer der beiden
JSVP-Co-Präsidenten der Jobverlust als Polizist droht, sollte er rechtskräftig
verurteilt werden, lässt die Jungsozialisten jubeln, die bei dessen
Vorgesetzten schon entsprechenden Druck aufgesetzt haben. Womit gleich geklärt
wäre, worum es vielen Anhängern der Rassismus-Strafnorm in erster Linie eben
auch geht: Weniger um Mitgefühl mit den ›Opfern‹, sondern um die Ausgrenzung und
Schädigung der politischen Gegner.
Immerhin ist das letzte Wort in der ›Zigeuner-Sache‹ noch nicht gesprochen. Die beiden JSVP-Politiker ziehen das Urteil
weiter. Dies wird nicht nur die unangenehme Ungewissheit aufrechterhalten,
sondern die jungen Männer auch finanziell belasten.
Daher werden sie sich wohl auf jede
Solidaritätsspende auf das PC 30-39589-1 freuen.
Referendum «Nein zu diesem
Zensurgesetz» unterstützen: www.zensurgesetz-nein.ch/unterschreiben
Unterschriftenbogen herunterladen (PDF)
Quelle: https://schweizerzeit.ch/cms/index.php?page=/news/wann_faellt_dieses_zensurgesetz-3515 26. 1. 19
Kommentar in der ›Schweizerzeit‹ vom
18. Januar 2019 von Anian Liebrand, Redaktion
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