Killt Levrat die flankierenden Massnahmen? - Schwerwiegender Fall von EU-Blindheit 21.01.2018 18:45
Christian Levrat, Ständerat des Kantons Freiburg und Präsident der SP Schweiz,
gehört zu den glühendsten Verfechtern eines raschen Abschlusses des Rahmenabkommens mit der EU. Was im Abkommen steht: Dazu ist sein Wissen bestenfalls lückenhaft. Das Rahmenabkommen, dessen Abschluss Brüssel von der Schweiz immer drängender verlangt, unterstellt die Schweiz in allen wichtigen, von der EU allein als «binnenmarktrelevant» bezeichneten Sachbereichen der Gesetzgebung Brüssels.
Der EU
unterstellt Was
Brüssel beschliesst, muss Bern automatisch übernehmen. Schweizerische
Sonderlösungen zu wichtigsten wirtschaftlichen Belangen könnte und würde
Brüssel rigoros unterbinden. Käme es zu Meinungsverschiedenheiten, hätte der
EU-Gerichtshof, also das Gericht der Gegenpartei, das letzte unanfechtbare
Wort.
Bern
versucht, diese im Vorvertrag verankerten Tatsachen derzeit zu verwedeln: Man
könne auch das Efta-Gericht als zuständig erklären; oder ein Schiedsgericht entscheiden
lassen. Brüssels Standpunkt dazu ist freilich glasklar: Das Efta-Gericht kann keinen Entscheid fällen, der nicht
auch vom EU-Gerichtshof als dem EU-Recht entsprechend gebilligt worden ist. Und
auch in einem Schiedsgericht kann und wird die EU nur mitwirken, wenn dieses
die rechtlichen Vorgaben des EU-Gerichtshofs anerkennt und verbindlich
berücksichtigt. So hat es der EU-Gerichtshof festgelegt. Die Schweiz wäre - käme der Rahmenvertrag zustande - gegenüber Brüssel definitiv nicht mehr
gleichberechtigte Partnerin auf der Grundlage bilateraler Verträge. Sie wäre
nur noch Befehlsempfängerin. Ihr Handeln würde
weitestgehend in Brüssel festgelegt – zu allem, was Brüssel als ›binnenmarktrelevant‹ einstuft.
Levrat
fordert raschen Vertragsabschluss Trotz
dieser Entrechtung fordert Christian Levrat, Präsident der SP Schweiz, im Namen
seiner Partei den raschen Abschluss des Rahmenvertrags, also umgehende Unterstellung der Schweiz unter Brüssels
Oberhoheit. Unsicher ist, ob Levrat vom Inhalt dieses Vertrags überhaupt eine
Ahnung hat. Ist ihm wirklich klar, dass die Schweiz seinerzeit dem Vertrag über
die Personenfreizügigkeit nur zugestimmt hat, nachdem intern bestimmte ›flankierende Massnahmen‹ festgelegt worden waren? Massnahmen,
deren Zweck darin besteht, schweizerische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
vor Lohndumping, das aus der Zuwanderung von Arbeitnehmern aus EU-Ländern
entstehen könnte, zu schützen. Das waren doch die unmissverständlichen, vom
Bundesrat zum Leidwesen vieler Arbeitgeber schliesslich berücksichtigten
Forderungen der Linken für ihr Ja zur Personenfreizügigkeit. Bis heute haben
echte Unternehmer daran keine Freude. Anstalten, sie zu beseitigen, fehlen
freilich – weil ›der Wirtschaft‹ am Zuzug von Billig-Arbeitskräften
aus der EU dank Personenfreizügigkeit weiterhin viel liegt.
Rudolf
Strahm kontert Es
bedurfte eines weiteren Sozialdemokraten, des früheren Nationalrats und
Preisüberwachers Rudolf Strahm, um den Genossen in Erinnerung zu rufen, was für
einen ›Gewinn‹ sie aus dem Rahmenvertrag ziehen würden. Dieser Rahmenvertrag, so
Strahm, ziele nämlich ganz direkt auf die von der SP nahezu geheiligten ›flankierenden Massnahmen‹. In einer am 9. Januar 2018 erschienenen
viel beachteten ›Tages-Anzeiger‹-Kolumne schreibt Strahm wörtlich: »Der grosse Knackpunkt [des
Rahmenvertrags] liegt jedoch bei den flankierenden Lohnschutzmassnahmen (Flam)
im Rahmen der Personenfreizügigkeit. Rund 90 Prozent aller EU-Beschwerden gegen
die Schweiz im Gemischten Ausschuss betreffen nämlich die Schutzmassnahmen für
Schweizer Arbeitnehmer und Gewerbebetriebe. Diese Tatsache wird in Bundesbern
gerne verschwiegen.«
Die ›offen Flanke‹ der Schweiz Begründet
würden diese EU-Beschwerden immer damit, dass die flankierenden
Schutzmassnahmen für Schweizer Arbeitnehmer das EU-Prinzip ›gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit am gleichen Ort‹ verletzen würden. EU-Firmen drängten
darauf, diese flankierenden Massnahmen endlich zum Verschwinden zu bringen, auf
dass sie bei Arbeitsvergaben in der Schweiz das hohe Schweizer Lohnniveau
deutlich unterbieten könnten, womit diese
EU-Betriebe künftig weit mehr attraktive Aufträge aus der Schweiz ergattern
könnten. Strahm fährt dazu wörtlich weiter: »Genau die Flam-Schutzmassnahmen
sind im Visier von Brüssel, das seinerseits von süddeutschen und
grenzfranzösischen Bauunternehmern unter Zugzwang gesetzt wird. Die EU-Formel ›kein Parallelrecht‹ ist bloss ideologischer Überbau. Dahinter stehen knallharte
ausländische Interessen, um das Lohnniveau in der Schweiz mit ungehindertem
Marktzugang und tieferen Löhnen unterbieten zu können! Exakt diese
Lohnschutzmassnahmen sind matchentscheidend im institutionellen Rahmenabkommen.
Aus sicherer Quelle ist bekannt, dass genau diese
Fragen von den Schweizer Unterhändlern mit Brüssel noch nicht einmal
angesprochen, geschweige denn ausgehandelt worden sind! Ich würde sagen, das
institutionelle Rahmenabkommen ist deshalb noch nicht mal zu 50 Prozent
materiell unter Dach!«
Die Schweiz
bleibt Spielball Brüssels Tatsache
ist: Die von Strahm in seiner Kolumne angesprochenen Aspekte sind im
Verhandlungsmandat der Schweiz für den Rahmenvertrag nicht aufgeführt.
Und klar
wird damit: Setzt sich Christian Levrat, SP-Präsident, mit seinem
gebieterischen Ruf nach raschem Abschluss des Rahmenvertrags durch, dann dürfte
er in die jüngere Schweizer Geschichte als ›Killer
der flankierenden Massnahmen‹ eingehen.
Ein Ruf,
der seine weitere Karriere innerhalb der sozialdemokratischen Partei zweifellos
prägen wird – wohl kaum zu seinem Vorteil.
http://eu-no.ch/news/killt-levrat-die-flankierenden-massnahmen_185 Überparteiliches Komitee Nein zum
schleichenden EU-Beitritt
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