Der Einfluß der USA und der NATO auf das Verhältnis der EU mit China - Von Manlio Dinucci 30.10.2016 22:42
Als Teilnehmer an dem internationalen Forum »Der chinesische Weg und das internationale Umfeld« vom 15. Oktober in Rom
hat der italienische Geograph Manlio Dinucci seine
Analyse über die Waffen, die die Vereinigten Staaten aufgebaut haben, um die
ganze Welt zu beherrschen, wie folgt zusammengefaßt:
Ich gehe direkt zum Kern der Sache über. Ich denke, daß
man nicht von den Beziehungen zwischen der EU und China sprechen kann, ohne den
direkten und den über die NATO ausgeübten Einfluß der Vereinigten Staaten auf
die Europäische Union mit einzubeziehen.
Heute gehören 21 der 27 EU-Länder [nach dem Ausstieg des Vereinigten Königreichs
aus der EU] der NATO an; diese wird
durch die EU als ›Fundament
der kollektiven Verteidigung‹ anerkannt.
Die NATO steht unter US-Kommando: Der alliierte Oberbefehlshaber in Europa wird
immer durch den US-Präsidenten ernannt und alle anderen wichtigen Befehle sind
ebenfalls in den Händen der USA. Die Außen- und Militärpolitik der Europäischen
Union ist also grundsätzlich der US-Strategie, hinsichtlich der die
europäischen Grossmächte übereinstimmen, untergeordnet.
Diese in offiziellen Dokumenten klar dargelegte Strategie
wurde in einem historischen Moment geschrieben, als sich die Weltlage nach dem
Zerfall der UdSSR änderte. Im Jahr 1991 erklärt das Weiße Haus in der ›National Security Strategy of the United
States‹: »Die
Vereinigten Staaten bleiben der einzige wirklich globale Staat mit einer Kraft,
einem Umfang und einem Einfluß in allen Dimensionen - auf politischer,
wirtschaftlicher und militärischer Ebene. Es gibt keinen Ersatz für die
amerikanische Führung.« Im Jahr 1992 unterstreicht das Pentagon in der ›Defense Planning Guidance‹: »Unser erstes Ziel soll verhindern, daß irgendeine
Macht eine Region dominiert, deren Ressourcen ausreichen könnten, um eine
Weltmacht zu werden.« Diese Regionen sind Westeuropa, Ostasien, das Gebiet der ehemaligen
Sowjetunion und das südwestliche Asien. Im Jahr 2001 kündigt das Pentagon im ›Quadrennial Defense Review‹-Bericht, der eine Woche vor dem USA/NATO
Krieg in Afghanistan - von erster
geostrategischer Bedeutung in Bezug auf Rußland und China - veröffentlicht wurde, folgendes an: »Es besteht
die Möglichkeit, daß in der Region eine militärische Konkurrenz mit gewaltigen
Ressourcen entsteht. Unsere Streitkräfte müssen die Fähigkeit behalten, jedem
möglichen Gegner, auch Staaten und nichtstaatlichen Einheiten, den Willen der
Vereinigten Staaten aufzuzwingen, das Regime eines gegnerischen Staates zu
ändern oder fremdes Territorium zu besetzen, bis die amerikanischen
strategischen Ziele erfüllt sind.«
Auf der Grundlage dieser Strategie hat die NATO unter
US-Kommando ihre Offensive an der Ostfront gestartet: Nachdem sie durch den
Krieg die Föderation Jugoslawien zerstört hatte, bemächtigte sie sich von 1999
bis heute aller Staaten des Warschauer Paktes, dreier des ehemaligen
Jugoslawiens, dreier der Ex-UdSSR, und wird in Kürze andere umfassen [von Georgien bis zur Ukraine, wobei letztere
de facto bereits in der NATO ist], indem sie Stützpunkte und Streitkräfte,
selbst atomare, immer näher an Rußland in Stellung bringt. Zur gleichen Zeit hat die
NATO unter US-Befehl den libyschen Staat durch Krieg zerstört und versucht
gegenwärtig, das Gleiche mit Syrien zu tun.
Die USA und die NATO haben unter der Beschuldigung von
Rußland, die
europäische Sicherheit zu destabilisieren, die ukrainische Krise entfesselt und
haben Europa auf Kosten der europäischen Volkswirtschaften, die durch die
Sanktionen und Gegensanktionen geschädigt werden, in einen neuen Kalten Krieg
verwickelt, in einen vor allem von Washington gewünschten, um die
wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen der EU und Rußland, die
für die amerikanischen Interessen schädlich sind, zu zerschlagen.
Es ist die gleiche Strategie, die bei der wachsenden
Verlegung von US-Militärkräften in die Asien-Pazifik Region in einer
anti-chinesischen Funktion auftritt. Die US-Navy hat angekündigt, daß sie 2020
ihren Schwerpunkt mit 60 % ihrer See- und Luftstreitkräfte in diesen Bereich
verlegen wird. Die US-Strategie konzentriert sich auf das Südchinesische Meer,
für das Admiral Harris, Chef des US Pacific Command, folgende Bedeutung
hervorhebt: »Es ist da,
wo sich der Seehandel mit einem jährlichen Wert über 5000 Milliarden US-Dollar
abspielt, mit 25 % des Weltexports von Öl und 50 % von Erdgas.« Die USA
wollen diesen Seeweg kontrollieren, im Namen jener Freiheit, die Admiral Harris
für die ›grundlegende
Schifffahrts-Freiheit für unser Lebenssystem hier in den Vereinigten Staaten‹ hält, und indem sie China beschuldigen, »aggressive
Aktionen im Südchinesischen Meer zu betreiben, ähnlich denen von Rußland auf
der Krim.« Deshalb ›patrouilliert‹ die
US-Navy im Südchinesischen Meer.
Im Kielwasser der Vereinigten Staaten folgen die
europäischen Großmächte: Im Juli letzten Jahres hat Frankreich die Europäische
Union gebeten, »die
chinesische Südsee-Marine-Patrouille zu koordinieren, um eine regelmäßige und
sichtbare Präsenz in diesen von China illegal beanspruchten Gewässern« zu
sichern, »aber auch
darum, nukleare Raketen zu installieren, ähnlich wie die in Rumänien und Polen
gegen Rußland installierten, zusätzlich zu denen, die auf Kriegsschiffen im
Mittelmeer kreuzen.« Derart empfängt der Generalsekretär der NATO, Jens
Stoltenberg, den südkoreanischen Minister für auswärtige Angelegenheiten, Yun
Byung-se, am 6. Oktober in Brüssel
- zur Stärkung der Partnerschaft
der NATO mit Seoul.
Diese Tatsachen und andere zeigen, daß in Europa
und in Asien die gleiche Strategie an der Arbeit ist. Es ist dies der extreme
Versuch der Vereinigten Staaten und anderer westlicher Mächte, die
wirtschaftliche, politische und militärische Vormachtstellung in einer sich in
starkem Wandel befindlichen Welt, in der neue staatliche und gesellschaftliche Einheiten
aufkommen, beizubehalten. Die aus dem chinesisch-russischen strategischen
Abkommen entstandene Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) verfügt
über Ressourcen und Arbeitsfähigkeiten, die es ermöglichen, den größten
integrierten Wirtschaftsraum der Welt zu schaffen. Die SCO und die
BRICS-Staaten sind mit ihren Finanzinstitutionen in der Lage, die Weltbank und
den Internationalen Währungsfonds, die es für die USA und die großen westlichen
Mächte seit mehr als 70 Jahren möglich machten, durch wuchernde Kredite an
verschuldete Länder und mittels anderer Finanzinstrumente die Weltwirtschaft zu
beherrschen, weitgehend zu verdrängen. Die neuen Organisationen können zur
gleichen Zeit die Entdollarisierung des Handels erreichen, indem sie den
Vereinigten Staaten die Möglichkeit entziehen, ihre Schulden weiterhin durch
Drucken von Dollar-Papiergeld, das als internationale Währung fungiert, auf
andere Länder abzuwälzen.
Um ihre immer mehr wankende Vormachtstellung zu
erhalten, verwenden die Vereinigten Staaten nicht nur Waffengewalt, sondern oft
auch wirksamere Waffen als die echten:
- Die erste
Waffe sind die sogenannten Free Trade Agreements wie TTIP und TPP [die
Transpazifische Partnerschaft], deren Zweck nicht nur wirtschaftlich, sondern auch
geopolitisch und geostrategisch ist. Deshalb bezeichnet Hillary Clinton die
USA-EU-Partnerschaft als das große strategische Ziel unserer transatlantischen
Allianz, mit dem Ziel einer NATO-Wirtschaft, die die politische und
militärische Allianz integriert. Das Projekt ist klar: Die Bildung eines
politischen, wirtschaftlichen und militärischen USA-EU-Blocks, der immer unter
amerikanischem Kommando steht, sich dem aufkommenden, auf der Zusammenarbeit
zwischen China und Rußland basierenden eurasischen Raum widersetzen soll und sich auch den
BRICS-Staaten, dem Iran sowie anderen Ländern, die sich der Vorherrschaft des
Westens entziehen, widersetzt. Da die Verhandlungen über die TTIP wegen der
unterschiedlichen Interessen und einer weit verbreiteten Opposition in Europa
schwer vorankommen, wird das Hindernis mit dem umfassenden Wirtschafts- und
Handelsabkommen CETA umgangen: Eine getarnte TTIP, da Kanada mit den
Vereinigten Staaten Teil der NAFTA ist.
- Die zweite
Waffe besteht im Eindringen in das angezielte Land, um es von innen her auseinanderzunehmen,
unter Zurückgreifen auf die schwachen Punkte, das jedes Land besitzt:
Korruption, Geldgier und politischer Karrierismus; ferner durch von lokalen
Gruppen geschürter Sezessionismus, religiösem Fanatismus und die Anfälligkeit
der großen Massen für politische Demagogie. Dazu gehört auch, die
Unzufriedenheit von Massen, die auf Grund der Führung ihrer Regierung gerechtfertigt
ist, zu stützen. Instrumente der Penetration sind ferner die sogenannten NGOs,
die eigentlich die Hand des State Departments und der CIA sind. Diejenigen, die
enorme finanzielle Mittel besitzen, organisierten bekanntlich die farbigen
Revolutionen in Osteuropa und versuchten ebenso, die sogenannte Regenschirm-Revolution
in Hong Kong durchzuführen. Sie versuchten auch, ähnliche Bewegungen in anderen
Bereichen von China, die von nationalen Minderheiten bewohnt sind, zu schüren.
Die gleichen Organisationen operieren in Lateinamerika, mit dem Ziel, die
demokratischen Institutionen von Brasilien auszuheben und die BRICS-Staaten von
innen her zu unterwandern. Instrumente
der gleichen Strategie sind Terroristen
- wie die bewaffneten in Libyen und Syrien agierenden Gruppen - um Chaos zu säen und so zur Zerstörung des gleichzeitig
von außen angegriffenen Staats beizutragen.
- Die dritte
Waffe stellen die ›Psyops‹, die psychologischen Operationen dar, die durch
globale Medienketten, die vom Pentagon definiert werden, initiiert sind:
Geplante Operationen, um mittels spezifischer Informationen die Emotionen und die
Motivation zu beeinflussen und damit das Verhalten der Öffentlichkeit, der Organisationen
und ausländischer Regierungen; damit soll eine verstärkte Haltung zugunsten der
angestrebten Ziele erreicht werden. Mit diesen Operationen, die die
Öffentlichkeit auf die Eskalation des Krieges vorbereiten, läßt man Rußland als
das für die Spannungen in Europa verantwortliche Land erscheinen und China als für
die Spannungen in Asien verantwortlich, mit dem gleichzeitigen Vorwurf, daß sie die
Menschenrechte verletzen.
Eine letzte Überlegung Da ich mit meiner Frau in den 60er Jahren in Peking
gearbeitet habe und wir beide an der Veröffentlichung des ersten chinesischen
Magazins in italienischer Sprache mitgewirkt haben, habe ich eine prägende,
grundlegende Erfahrung zu einem Zeitpunkt miterlebt, als China - kaum fünfzehn Jahre vom Kolonialsystem und
halbfeudalen Staat befreit - komplett
isoliert war und weder vom Westen noch von den Vereinten Nationen als
souveräner Staat anerkannt war. Von dieser Periode her bleiben mir immer
noch - wie aufgedruckt - die Widerstandskraft und das Bewußtsein der
Menschen, damals 600 Millionen, die unter der Führung der kommunistischen
Partei zum Aufbau einer völlig neuen wirtschaftlichen und kulturellen
Gesellschaft beitrugen, im Gedächtnis. Ich denke, daß diese Fähigkeit auch für
das China von heute notwendig ist. Das Land entwickelt sein enormes Potential,
um den neuen Plänen der imperialen Herrschaft zu widerstehen, damit der Kampf
für eine Welt ohne Kriege, in der der Frieden, mit sozialer Gerechtigkeit
verbunden, triumphiert, gewonnen wird. Quelle: http://www.voltairenet.org/article193915.html 29. 10. 2016
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