John Pilgers Rede auf dem Londoner »Logan Symposium«

»Der Krieg seitens der Medien und der Triumph der Propaganda«

Warum hat sich ein so großer Teil des Journalismus der Propaganda unterworfen? Warum sind Zensur und (Tatsachen-) Verdrehung Standardpraktiken? Warum ist die BBC so oft das Sprachrohr raubgieriger Macht? Warum betrügen die New York Times und die Washington Post ihre Leser? Warum wird jungen Journalisten nicht beigebracht, die Zielsetzung der Medien zu verstehen und die behaupteten hohen Ansprüchen und die niedrigen Zwecke falscher Objektivität in Frage zu stellen? Und warum wird ihnen nicht beigebracht, daß das Wesen von so vielem, was Mainstream Medien genannt wird, nicht Information sondern Macht ist? 

Dies sind dringende Fragen. Die Welt steht vor der Aussicht auf einen großen Krieg, vielleicht ein Nuklearkrieg – mit der deutlichen Zielsetzung der USA , Rußland und vermutlich auch China zu isolieren und zu provozieren. Diese Wahrheit wird von Journalisten auf den Kopf gestellt und ihr Innerstes nach Außen gekehrt – darunter sind auch diejenigen, welche die Lügen verbreiteten, die (seit) 2003 zum Blutbad im Irak führten. Die Zeiten, in denen wir leben, sind so gefährlich und in der öffentlichen Wahrnehmung so verdreht, daß Propaganda längst nicht mehr, wie Edward Bernays es nannte, eine unsichtbare Regierung ist. Sie ist die Regierung. Sie herrscht direkt, ohne Widerspruch fürchten zu müssen, und ihr vorrangigstes Ziel ist unsere Eroberung: Die Eroberung unserer Wahrnehmung der Welt, unserer Fähigkeit, Wahrheit von Lüge zu unterscheiden. Das Informationszeitalter ist tatsächlich ein Medienzeitalter. Wir haben einen Krieg, der von den Medien geführt wird; Zensur durch die Medien; Dämonen(aber)glaube, der durch die Medien verbreitet wird; Vergeltung und Bestrafung durch die Medien - eine surreales, unwirkliches Fließband folgsamer Clichés und falscher Voraussetzungen.  

Diese Macht, eine neue Realität zu schaffen, hat sich über lange Zeit entwickelt. Vor 45 Jahren verursachte ein Buch mit dem Titel The Greening of America [1] eine Sensation. Auf dem Umschlag standen diese Worte: »Es kommt eine Revolution. Sie wird nicht wie die Revolutionen der Vergangenheit sein. Sie wird vom Individuum ausgehen.« Ich war zu diesem Zeitpunkt Korrespondent in den Vereinigten Staaten und erinnere mich an die Erhebung des Autors Charles Reich, eines jungen Wissenschaftlers der Yale University, zum Guru, die quasi über Nacht erfolgte. Seine Botschaft war, daß das Aussprechen der Wahrheit und politische Aktion fehlgeschlagen seien und nur Kultur und [individuelle] Einsicht, Einkehr und Besinnung die Welt verändern könnten.  Innerhalb weniger Jahre hatte die Kultur des Ich-ismus, von den Kräften des Profits getrieben, unser Verständnis und unser geistiges Vermögen, gemeinsam zu agieren, überwältigt, ebenso wie unseren Sinn für soziale Gerechtigkeit und Internationalismus. Klasse, Geschlecht und Rasse wurden voneinander getrennt. Das Persönliche war das Politische, und das Medium war die Botschaft. Als Folge des Kalten Krieges vervollständigte die Herstellung immer neuer Bedrohungen die politische Desorientierung und Verwirrung all jener, die 20 Jahre zuvor noch vehement Widerstand geleistet hätten.

2003 nahm ich in Washington ein Interview mit Charles Lewis auf, dem herausragenden amerikanischen investigativen Journalisten. Wir diskutierten die Invasion des Iraks, die einige Monate zuvor begonnen hatte. Ich fragte ihn: »Was wäre geschehen, wenn die freiesten Medien der Welt ernsthaft George Walker Bush und Donald Rumsfeld herausgefordert und ihre Behauptungen überprüft hätten, anstatt das weiterzureichen, was sich als grobe Propaganda erweisen sollte?« Er antwortete: Wenn wir Journalisten unseren Job richtig gemacht hätten, hätte es »eine sehr sehr gute Chance gegeben, daß wir nicht in den Irak-Krieg gezogen wären.« Das ist eine schockierende Feststellung, und zudem eine, die von berühmten führenden Journalisten, denen ich dieselbe Frage ebenfalls stellte, bestätigt wurde. Dan Rather, der früher beim Columbia Broadcasting System, CBS, war, gab mir dieselbe Antwort. David Rose vom   Observer sowie leitende Journalisten und Produzenten der BBC, die wünschten, anonym zu bleiben, gaben mir dieselbe Antwort. Mit anderen Worten: Hätten Journalisten ihren Job gemacht, hätten sie die Propagandabehauptungen untersucht und in Frage gestellt, anstatt sie zu verstärken, dann könnten Hunderttausende Männer, Frauen und Kindern heute noch leben und Millionen hätten nicht ihr Zuhause verlassen müssen; der Sektenkrieg zwischen Sunniten und Schiiten wäre nicht ausgebrochen, und der berüchtigte Islamische Staat[2] würde jetzt nicht existieren. Sogar heute, trotz der Millionen, die wieder auf den Straßen protestieren, hat der größte Teil der Öffentlichkeit in den westlichen Ländern kaum eine Vorstellung von der schieren Größe des Verbrechens, das von unseren Regierungen im Irak verübt wird. Noch weniger sind sich bewußt, daß die Regierungen der USA und Großbritanniens in den 12 Jahren vor der Invasion einen Holocaust in Gang gesetzt hatten, indem sie der Zivilbevölkerung des Iraks die Lebensgrundlagen verweigerten. Hier sind die Worte eines hohen britischen Beamten, der für die Sanktionen gegen den Irak in den 1990ern, eine mittelalterliche Belagerung, die UNICEF zufolge den Tod von einer halben Million Kinder unter 5 Jahren verursachte, verantwortlich war. Der Name dieses Beamten ist Carne Ross. Im Londoner Außenministerium war er als Mr. Iraq bekannt; er ist derjenige, der wahrheitsgetreu dargelegt hat, wie Regierungen lügen und wie Journalisten diese Lügen willfährig verbreiten: »Wir versorgten Journalisten mit Halbwahrheiten aus korrigiertenErkenntnissen der   Geheimdienste«, sagte er mir, »oder wir ließen sie erfrieren.« Der wichtigste Whistleblower resp. Warner während dieser schrecklichen schweigenden Periode war Denis Halliday; er war damals  Stellvertretender Generalsekretär der Vereinten Nationen und hoher UNO-Beamter im Irak und trat lieber zurück, als eine Politik durchzusetzen, die er als Völkermord beschrieb. Er schätzt, daß mehr als eine Million Iraker durch die Sanktionen ermordet wurden. Was dann mit Halliday geschah, ist lehrreich: Er wurde wegretuschiert oder verunglimpft. Im BBC Nachrichtenprogramm Newsnight schrie ihn der Sprecher Jeremy Paxman an: »Sind sie nicht einfach ein Verteidiger Saddam Husseins?« Der Guardian beschrieb dies kürzlich als einen von Paxmans denkwürdigen Momenten. Letzte Woche unterzeichnete Paxman einen Buchvertrag über 1 Million £. Die Diener der Unterdrückung haben ihren Job gut gemacht. Bedenken Sie die Auswirkungen. Im Jahre 2013 glaubte eine Mehrzahl der Briten einer Umfrage von ComRes zufolge, daß die Zahl der Toten im Irak niedriger als 10.000 war  - ein winziger Bruchteil der Wahrheit: Eine Blutspur, die  sich vom Irak nach London zieht, ist fast vollständig ausradiert worden.     

Rupert Murdoch wird als der Pate des Medienpacks bezeichnet, und niemand sollte die ausgedehnte Macht seiner Zeitungen  - aller 127, mit einer Gesamtauflage von 40 Millionen -  oder die seines Fox-Sendernetzes in Zweifel ziehen. Aber der Einfluß von Murdochs Imperium reicht nicht weiter als dessen Widerspiegelung in den anderen Medien. Die effektivste Propaganda ist nicht in der Sun oder in den Fox News zu finden, sondern in der liberalen Wolke, die sie  umgibt. Als die New York Times Behauptungen publizierte, daß Saddam Hussein über  Massenvernichtungswaffen verfüge, wurde ihren falschen Beweisen geglaubt, weil es eben nicht Fox News war, sondern die New York Times. Dasselbe trifft auf die Washington Post und den  Guardian zu, welche beide eine entscheidende Rolle in der Konditionierung ihrer Leser spielten,  damit diese einen neuen und gefährlichen Kalten Krieg akzeptieren. Alle drei liberalen Zeitungen haben die Ereignisse in der Ukraine als einen böswilligen Akt Rußlands falsch dargestellt – während der von Faschisten geführte Putsch in der Ukraine tatsächlich das Werk der Vereinigten Staaten mit Unterstützung Deutschlands und der NATO war. Diese Umkehrung der Realität ist so vorherrschend, daß Washingtons militärische Einkreisung und Bedrohung Rußlands gar nicht bewußt ist. Dies ist nicht einmal eine Nachricht, sondern eine unterdrückte Tatsache, die hinter einer Schmieren- und Schreckenskampagne verborgen ist, eine von der Art, mit der ich im ersten Kalten Krieg aufwuchs. Nochmals: das Imperium des Bösen ist dabei, uns zu überwältigen - geführt von einem neuen Stalin, oder, perverser, einem neuen Hitler. Benennen Sie selbst Ihren  Dämon und legen Sie los! 

Die Unterdrückung der Wahrheit über die Ukraine ist einer der vollständigsten Blackouts in den Nachrichten, an die ich mich erinnern kann. Die größte westliche Aufrüstung seit dem Zweiten Weltkrieg im Kaukasus und in Osteuropa wird vollständig verschwiegen. Washingtons heimliche Unterstützung für Kiew  - also für die aktuelle ukrainische Putschisten-Regierung und seine Neo-Nazi-Brigaden, die für Kriegsverbrechen gegen die Bevölkerung der Ostukraine verantwortlich sind, wird verschwiegen. Beweise, welche der Propaganda, daß Rußland für den Abschuß des Malaysischen Flugzeugs verantwortlich gewesen sei, widersprechen, werden verschwiegen. Und nochmals: Medien, die man für liberal halten sollte, sind die Zensoren. Ohne Fakten oder Beweise zu zitieren, identifizierte ein Journalist den pro-russischen Anführer in der Ukraine als den Mann, der das Flugzeug abschoss. Dieser Mann, schrieb er, wäre als der Dämon bekannt, ein schrecklicher Mann, der dem Journalisten Angst machte: Und das war sein Beweis. Viele in den westlichen Medien haben hart daran gearbeitet, die ethnisch russische Bevölkerung der Ost-Ukraine als Außenseiter in ihrem eigenen Land darzustellen, beinahe nie als Ukrainer, die eine Föderation innerhalb der Ukraine anstrebten, und als ukrainische Bürger, die gegen den vom Ausland orchestrierten Staatsstreich gegen ihre gewählte Regierung Widerstand leisten. Was der russische Präsident zu sagen hat, hat keine Konsequenzen; er ist ein verbrecherischer Pantomime, den man ungestraft mißbrauchen kann.    

Ein amerikanischer General, der die NATO leitet und direkt aus [dem Film von Stanley Kubrick] Dr. Seltsam kommt, ein General Philip Breedlove, behauptet wiederholt resp. routinemäßig, ohne den Hauch eines Beweises, es gäbe russische Invasionen. Seine Personifikation von Kubricks General Jack D. Ripper ist perfekt. 40.000 Russki versammelten sich laut Breedlove an der    Grenze. Das war sowohl für die New York Timesals auch für die Washington Post und den Observer ausreichend; letzterer hatte sich damals mit Lügen und fabrizierten Meldungen, die Blairs Irak-Invasion rechtfertigten, hervorgetan, wie der frühere Observer-Reporter David Rose  enthüllt hat. Es hat fast den Geist eines Klassentreffens. Die Trommler der Washington Post sind dieselben Schreiber der Editorials, welche die Existenz von Saddams Massenvernichtungswaffen als harte Fakten darstellten. »Wenn Sie sich wundern«, schrieb Robert Parry, »wie die Welt in den Dritten Weltkrieg stolpern konnte, fast so wie in den Ersten vor einem Jahrhundert, müssen sie sich nur den Wahnsinn anschauen, der praktisch die gesamte politische und Medien-Struktur der USA hinsichtlich der Ukraine erfaßt hat, wo sich eine falsche Erzählung von weißen Hüten gegen schwarze Hüte  [d.h. vom Guten gegen das Böse]  schon früh etabliert hat - abgeschottet gegen Fakten oder Vernunft.« Parry, der Journalist, der die Iran-Contra-Affäre aufgedeckt hat, ist einer der wenigen, die die zentrale Rolle der Medien in diesem game of chicken, wie es der russische Außenminister nannte, investigativ untersucht. Aber ist es ein Spiel? Während ich dies schreibe, stimmt der US-Kongreß über die Resolution 758 ab, welche, kurz zusammen gefaßt, sagt: »Laßt uns für den Krieg mit Rußland bereitmachen!«

Im 19. Jahrhundert beschrieb der russische Schriftsteller Alexander Herzen weltlichen Liberalismus als die letzte Religion, obwohl ihre Kirche nicht von der jenseitigen Welt ist, sondern von dieser. Heute ist dieses göttliche Recht weitaus gewalttätiger und gefährlicher als alles, was die moslemische Welt hervorwürgen könnte, wobei ihr größter Triumph wohl die Illusion von freier und offener Information ist. In den Nachrichten verschwinden ganze Länder. Saudi-Arabien, die Quelle des Extremismus und des vom Westen unterstützten Terrors, ist keine   [berichtenswerte] Story, es sei denn, es treibt den Ölpreis immer tiefer. Yemen leidet seit 12 Jahren unter amerikanischen Drohnenattacken. Wer weiß das? Wen kümmert das? Im Jahr 2009 publizierte die Universitiy of West England die Ergebnisse einer 10jährigen Studie zur Berichterstattung der BBC über Venezuela. Von 304 gesendeten Berichten erwähnten nur 3 die positive Politik, die von der Regierung unter Hugo Chavez betrieben wurde. Das größte Alphabetisierungsprogramm in der Geschichte der Menschheit wurde kaum im Nebensatz erwähnt. In Europa und in der USA wissen Millionen von Lesern praktisch nichts über die bemerkenswerten, lebensspendenden und lebenserhaltenden Veränderungen, die in Lateinamerika in Gang gesetzt worden sind, viele davon auf die Initiative von Hugo Chavez hin. Ebenso wie bei der BBC waren die Berichte der New York Times, der Washington Post, des Guardians und des Restes der respektablen westlichen Medien durchgehend böswillig. Chavez wurde selbst auf seinem Totenbett noch verspottet. Ich frage mich: Wie wird dies in den Journalistenschulen erklärt? Warum sind Millionen von Briten davon überzeugt, daß eine kollektive Bestrafung namens Sparpolitik notwendig ist?

Nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch 2008 wurde das verrottete System sichtbar. Für den Bruchteil einer Sekunde wurden die Banken als die Ganoven aufgereiht, die die Öffentlichkeit mit Obligationen betrogen hatten. Aber innerhalb weniger Monate  - neben einigen kleineren Meldungen über die exzessiven Boni -  hat sich die Botschaft geändert: Die Verbrecherfotos der schuldigen Banker verschwanden aus den Boulevard-Blättern und etwas namensSparpolitik wurde zur Last für Millionen einfacher Leute. Gab es jemals einen schamloseren Taschenspielertrick? Heutzutage werden viele Voraussetzungen eines zivilisierten Lebens in Großbritannien in der Absicht zerstört, eine betrügerische Schuld zurückzuzahlen, die Schulden der Ganoven. Die Einschnitte für diese Sparsamkeit werden auf 83 Milliarden £ geschätzt. Das ist fast genau die Höhe der Steuern, welche dieselben Banken und großen Firmen wie Amazon oder Murdochs News UK vermeiden. Darüber hinaus wird den Ganovenbanken eine jährliche Unterstützung von 100 Milliarden £ in Form von Gratis-Versicherung und Gratis-Garantien gegeben, eine Summe, die das gesamte Nationale Gesundheitssystem finanzieren würde. Die ökonomische Krise ist pure Propaganda. Extreme Politik beherrscht heute Großbritannien, die Vereinigten Staaten, den größten Teil Europas, Kanada und Australien. Wer steht für die Mehrheit auf? Wer erzählt ihre Geschichte? Wer zeichnet alles genau auf? Ist es nicht das, was Journalisten tun sollten? 1977 enthüllte der für die Aufdeckung des Watergate-Skandals berühmte Carl Bernstein, daß mehr als 400 Journalisten und Nachrichtenleute [in der USA] für die CIA arbeiteten. Darunter waren Journalisten der New York Times, von Time und Fernsehsendern. 1991 enthüllte Richard Norton Taylor vom Guardian Ähnliches für Großbritannien.  

Nichts davon ist heute notwendig. Ich bezweifle, daß irgend jemand die Washington Post oder   die vielen anderen Medienfirmen dafür bezahlte, Edward Snowden zu bezichtigen, er unterstütze den Terrorismus. Ich bezweifle, daß irgend jemand diejenigen schmiert, die Julian Assange regelmäßig in den Schmutz ziehen, obwohl es reichlich andere Vergünstigungen geben mag. Für mich ist klar, daß der Hauptgrund für das Gift, die Gehässigkeit und die Eifersucht, welche Assange auf sich gezogen hat, darin liegt, daß WikiLeaks die Fassade der korrupten politischen Elite, welche von Journalisten aufrechterhalten wurde, niedergerissen hat. Indem er eine außergewöhnliche Epoche der Enthüllung einleitete, machte sich Assange Feinde, weil er die Torwächter der Medien beleuchtete und bloßstellte, nicht zuletzt in der Zeitung, die seine großen Neuigkeiten publizierte und sie sich aneignete. Er wurde nicht nur eine Zielscheibe, sondern auch eine Goldene Gans. Lukrative Buch- und Hollywood-Verträge wurden auf dem Rücken von WikiLeaks und seines Gründers abgeschlossen und Medienkarrieren gestartet oder gefördert. Leute  haben viel Geld gemacht, während WikiLeaks ums Überleben kämpft. Nichts davon wurde am 1. Dezember in Stockholm erwähnt, als der Herausgeber des Guardian, Alan Rusbridger, den Right Livelihood Award, der als Alternativer Nobelpreis bekannt ist, erhielt. Was an diesem Ereignis schockierend war, ist die Tatsache, daß Assange und WikiLeaks verschwiegen wurden.  Sie existierten nicht. Sie waren Un-Leute. Niemand sprach sich für den Mann aus, der als Pionier des digitalen Whistleblowings agiert und dem Guardian den größten Nachrichten-Sccop der  Geschichte übergab. Mehr noch: Es waren Julian Assange und sein WikiLeaks-Team die letztendlich, und auf brillante Weise, Edward Snowden in Hongkong retteten und ihn in Sicherheit brachten. Davon nicht ein Wort. Was diese Zensur durch Verschweigen so ironisch, schmerzlich schneidend und schändlich machte, war, daß die Zeremonie im Schwedischen Parlament stattfand, dessen feiges Schweigen über Assange zugleich mit einem grotesken Fehlurteil der Justiz in Stockholm gegen diesen zusammenspielt. [Auf Grund dieses Urteils ist Assange derzeit gezwungen, in der Ecuadorianischen Botschaft in London zu leben, um seiner Auslieferung an Schweden  - und damit vermutlich an die USA - zu entgehen.] 

»Wenn die Wahrheit durch Schweigen ersetzt wird«, sagte der sowjetische Dissident Jewtuschenko, »ist Schweigen eine Lüge.« Es ist diese Art des Schweigens, die wir Journalisten brechen müssen. Wir müssen in den Spiegel schauen. Wir müssen unverantwortlich handelnde Medien, die der Macht und dem Wahnsinn dienen, welche die Welt mit Krieg bedrohen, zur Verantwortung ziehen. Im 18.  Jahrhundert beschrieb Edmund Burke die Rolle der Presse als Vierte Gewalt, welche die Mächtigen kontrolliert. War das jemals wahr? Heute sicherlich nicht mehr. Was wir brauchen, ist eine Fünfte Macht: Ein Journalismus, der genau beobachtet, Propaganda entlarvt und dagegen hält und die Jungen lehrt, Agenten des Volkes und nicht der Macht zu sein. Wir brauchen das, was die Russen Perestroika nannten, einen Aufstand des unterdrückten Wissens. Ich würde das wirklichen Journalismus nennen. Es sind 100 Jahre seit dem Beginn des Ersten Weltkriegs vergangen. Reporter wurden damals für ihr Schweigen und ihre geheime Mitwirkung belohnt und geehrt. Auf dem Gipfel des Schlachtens bekannte damals der britische Premierminister David Lloyd George gegenüber C. P. Scott, Herausgeber des Manchester Guardians: »Wenn die Leute wirklich die Wahrheit wüßten, würde der Krieg morgen beendet sein, aber natürlich kennen sie sie nicht und sie können sie auch nicht wissen.« 

Es ist Zeit, daß sie sie wissen.     

  


Der mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete englische Journalist John Pilger ist u.a. der Autor des aufschlussreichen Werks Verdeckte Ziele; siehe 
http://www.seniora.org/buecher-filme/buecher/309-john-pilger-verdeckte-ziele-ueber-den-modernen-imperialismus

Quelle: 
http://propagandaschau.wordpress.com/2014/12/07/john-pilgers-rede-auf-dem-londoner-logan-symposium-deutsche-ubersetzung/   5. 12. 14  Rede auf dem Londoner Logan Symposium 

The Logan Symposium: Building an Alliance Against Secrecy, Surveillance and Censorship 
siehe http://www.tcij.org/logan-symposium

[1]  http://www.huffingtonpost.com/jesse-kornbluth/the-greening-of-america-a_b_1378727.html  [2]  Siehe http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2315   14. 9. 14 
Der ISIS oder die ewige Verdummung