Syrien - Die erste Kondition erfüllt

Die Informationen über das Chemiewaffenarsenal sind in Den Haag eingetroffen

und werden nun überprüft. Was Syriens Dschihadisten angeht, so vermerkt auch Martin Müller-Mertens in der Berliner Umschau, daß diese Giftgas besitzen. »Die vom Westen gehätschelten  dschihadistischen Terroristen dürften Wege haben, an Giftgas zu kommen. ….. Welchen Weg die Bestände Libyens nach den Zusammenbruch des Staates infolge des NATO-geführten Krieges 2011 gingen«, schreibt er ferner, »ist letztlich Spekulation. Die Übergangsregierung, deren Einfluß sich jedoch nur auf Teile des Landes beschränkt, wollte die C-Waffen loswerden; dies hatte ihr damaliger Chef Mahmud Dschibril Ende 2011 der OPCW, der Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons, mitgeteilt. Doch ist es denkbar, daß die verschiedenen Rebellengruppen, darunter islamistische Terroristen und schlichte Banden, sich längst eingedeckt haben. Tripolis hatte einst bei der OPCW 25 Tonnen Senfgas deklariert und 1.400 Tonnen Chemikalien zur Waffenproduktion eingeräumt. Die USA hortet selbst massive Bestände der seit 1997 geächteten Massenvernichtungswaffen. Der von Washington anerkannte Termin zur Vernichtung aller Bestände verstrich bereits vor anderthalb Jahren. Der Weltpolizist gönnt sich dieses Sonderrecht, ist damit aber wohl nicht ganz alleine. Auch über Bestände Israels wird spekuliert, die  Vernichtung in Rußland verläuft schleppend. Zugegeben: Völlige Kompromißlosigkeit ist Washington nicht vorzuwerfen. Bis Anfang 2012 vernichtete die Armee 90 % ihrer Chemiewaffen-Vorräte. Während des Kalten Krieges hatten die Vereinigten Staaten, wie auch die Sowjetunion, gigantische Mengen eingelagert. Die US-Armee hortete etwa auf einem Stützpunkt im Wüstenstaat Utah 13.600 Tonnen. Dort wurden vor fast zwei Jahren auch die letzten 23 Projektile mit Senfgas bei 815° C verbrannt. Parallel dazu wurden Vorräte an Lewisit, das etwa Augen und Lungen angreift,  unschädlich gemacht. Doch ganz aufgeben will Washington seine chemischen Kampfstoffe nicht. Die verbleibenden 10 % bleiben bis 2021 in den Lagern von Pueblo [Colorado] und Richmond [Kentucky]. Dabei hätten chemische Waffen nach der von 188 Staaten unterzeichneten Chemiewaffenkonvention bis 29. April 2012 vollständig zerstört sein sollen. Wie viele chemische Waffen die US-Armee noch vorhält, ist unklar. Da sich die verbleibenden 10 % jedoch nicht nur auf die früheren Bestände in Utah, sondern auf die gesamten Vorräte beziehen, lassen sich mehrere Tausend Tonnen vermuten. Damit verfügt Washington über deutlich mehr Giftgast als Syrien, dessen Bestände auf 1.000 Tonnen geschätzt werden. In beiden Fällen eine monströse Menge: bereits 300 Gramm Sarin kann Tausende von Menschen töten. Ob die verbleibenden Vorräte der USA 2021 tatsächlich aus dem Verkehr gezogen werden, ist wohl letztlich offen.«  [1] 

Bekanntlich hatte die Obama-Regierung argumentiert, der noch nicht bewiesene Einsatz von Chemiewaffen durch die Regierung in Syrien rechtfertige einen Bombenkrieg von NATO und Verbündeten wie Saudi-Arabien, Katar, der Türkei und Jordanien. Grundlage sei die »humanitäre« Doktrin, die den irreführenden Namen »Schutzverantwortung« trägt. Sie besagt, daß bestimmte Verletzungen von Menschenrechten oder der Sicherheit so schwerwiegend sind, daß sie es ungeachtet des Völkerrechts, der UN-Charta oder der Bestimmungen der amerikanischen Verfassung einem US-Präsidenten auf moralischer Basis erlauben, jedes gewählte Land zu bombardieren.  [2]  

Zwei Jahre nach der »humanitären Befreiung« durch die NATO, schreibt F. William Engdahl, der Autor des Buches Mit der Ölwaffe zur Weltmacht - Der Weg zur neuen Weltordnung, versinkt Libyen in Anarchie. 2011, als sich Muammar Gaddafi weigerte, als Machthaber in Libyen still  zurückzutreten, startete die Obama-Regierung im Gefolge Frankreichs wilde Bombenangriffe auf das Land und verhängte eine »Flugverbotszone«, um den Aufständischen, den sogenannten »Kämpfern für die Demokratie« beizustehen. Unterstützt vom [Amerika-freundlichen] Gulf Cooperation Councilsagte die USA gegenüber Rußland und China hinsichtlich der Libyen-Resolution des UN-Sicherheitsrats bewußt die Unwahrheit und hatte diese zu Unrecht als Rechtfertigung für den Krieg benutzt. Man berief sich auf die Doktrin der »Schutzverantwortung«, die R2P die Responsibility to Protect, die Obama jetzt auch in Syrien anwenden möchte. 

Zwei Jahre nach der humanitären Intervention der NATO, fährt Engdahl fort, sollten wir uns die Lage in Libyen, dessen Wirtschaft vom Erdöl abhängig ist, einmal anschauen. Unmittelbar nach dem Krieg hatten die westlichen Medien voller Freude berichtet, die Anlagen seien bei den Bombenangriffen auf die Bevölkerung nicht getroffen worden, die Erdölproduktion liege mit 1,4 Millionen Barrel pro Tag [bpd - barrel per day] fast auf dem Normalwert. Dann revoltierten im Juli plötzlich bewaffnete Wachleute, die die Regierung in Tripolis angeheuert hatte, und besetzten die Ölfeld-Terminals im Osten, die sie eigentlich schützen sollten. Dort, in der Nähe der Stadt Bengasi, im Zentrum des Erdölgeschäfts im Nordosten des Landes, wird der größte Teil des libyschen Öls produziert. Für den Export wird es von dort per Pipeline an die Mittelmeerküste transportiert, wo es auf Tanker verladen wird. Als die Regierung die Kontrolle über die Terminals verlor, brachen Produktion und Export ein. Anschließend besetzten Angehörige eines Stammes zwei Ölfelder im Süden, so daß der Ölfluß zu den Terminals an der nordwestlichen Küste unterbrochen wurde. Die Besetzer forderten bessere Löhne und ein Ende der Korruption. Infolgedessen werden in Libyen heute, Anfang September 2013, nur noch 150 000 Barrel von einer Gesamtkapazität von 1,6 Millionen bpd gefördert. Die Exporte sind auf 80 000 Barrel pro Tag gefallen.   

Bewaffnete Milizen gegen Moslembruderschaft 
Wie viele Länder im Nahen Osten und Afrika, so ist auch Libyen ein künstlicher Staat, dessen Grenzen während der Kolonialzeit im Ersten Weltkrieg von Italien gezogen wurden. Das Land wird durch einen Konsens zahlreicher Stämme regiert. Gaddafi wurde in einem langen Wahlverfahren von Stammesführern zum Staatsoberhaupt gewählt. Wie mir ein Experte berichtete, kann ein solcher Prozeß bis zu 15 Jahre dauern. Als Gaddafi ermordet und seine Familie aus dem Land gejagt worden war, setzte die NATO die Herrschaft eines Nationalen Übergangsrats [NTC] durch, in dem die Moslembruderschaft dominierte. Im August wurde eine neue Versammlung  gewählt, in der die Bruderschaft erneut die Mehrheit stellt, genauso wie in Ägypten unter Mursi und in Tunesien. Auf dem Papier mag das schön klingen. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus: Gesetzlose Banden, die während des Krieges erstmals mit modernen Waffen ausgerüstet wurden, darunter ausländische Al-Qaida-Kämpfer und andere Dschihadisten, verüben tagtäglich Bombenanschläge im ganzen Land, um vor Ort die Herrschaft zu übernehmen. In der Hauptstadt Tripolis gibt es gleich mehrere Banden, die einzelne Stadtviertel unter ihrer Kontrolle haben. Die Auseinandersetzungen werden zu einem bewaffneten Kampf zwischen lokalen Stammesmilizen und der Moslembruderschaft, die das Kommando in der Zentralregierung führt. Führer in den Provinzen Kyrenaika und Fessan erwägen, sich von Tripolis loszusagen, und Rebellen-Milizen machen im ganzen Land mobil. Nuri Abu Sahmain, Mitglied der Moslembruderschaft und Präsident des neu gewählten Kongresses, hat mit der Bruderschaft alliierte Milizen in die Hauptstadt beordert, um einen Putsch zu verhindern. Die Opposition betrachtet diese Maßnahme als eine Art Staatsstreich der Moslembrüder. Die wichtigste Oppositionspartei, die Mitte-rechts-gerichtete National Forces Alliance, hat kürzlich zusammen mit mehreren kleineren ethnischen Parteien den Kongreß verlassen, so daß die Gerechtigkeits- und Aufbaupartei der Moslembruderschaft jetzt mit überwältigender Mehrheit regiert. »Der Kongreß ist praktisch zusammengebrochen«, sagte ein Diplomat in Tripolis. Die Obama-Regierung fördert die Machtübernahme der Moslembruderschaft in der ganzen muslimischen Welt, von Ägypten über Tunesien bis nach Syrien. Sie verfolgt damit ihre langfristige Strategie, den gesamten muslimischen Krisenbogen von Afghanistan bis Libyen unter ihre Kontrolle zu bringen. Wie der von Saudi-Arabien unterstützte Militärputsch gegen Präsident Mursi in Ägypten im Juli zeigt, gibt es für Obamas Strategie allerdings ein paar Probleme. 

Unruhen und Gesetzlosigkeit 
Angesichts zunehmender Gewalt trat Innenminister Mohammed Khalifa al-Sheikh im August von seinem Amt zurück. Ungefähr 500 Häftlinge in Tripolis traten in den Hungerstreik, weil sie seit zwei Jahren ohne Gerichtsverfahren im Gefängnis sitzen. Als die Regierung das Oberste Sicherheitskomitee anwies, die Ordnung wiederherzustellen, wurden die Häftlinge durch die Gitter hindurch beschossen. Im Juli flohen 1200 Häftlinge nach einem Aufstand aus einem Gefängnis in Bengasi. Kurz gesagt: Gesetzlosigkeit und Anarchie breiten sich aus. Ethnische Berber, deren Milizen 2011 den Angriff auf Tripolis angeführt hatten, besetzten vorübergehend das Regierungsgebäude in Tripolis. Da die USA und die NATO darauf bestanden, keine »Kampfstiefel auf dem Boden« zu wollen, verteilten sie bereitwillig Waffen an alle Rebellen, die gegen Gaddafis Regierungstruppen kämpfen wollten. Heute haben diese die Waffen immer noch ..… Ein französischer Journalist, der vor kurzem in Libyen war, beschrieb mir das Land als »den größten Waffenbasar der Welt«, auf dem gegen Bares jede moderne NATO-Waffe erhältlich sei. Fast alle Ausländer sind aus Bengasi geflohen, nachdem im September vergangenen Jahres der US-Botschafter im dortigen US-Konsulat von Dschihad-Milizen ermordet wurde. Und Libyens Militärstaatsanwalt Oberst Yussef Ali al-Asseifar, der nach Morden an Politikern, Soldaten und Journalisten für die Ermittlungen zuständig war, kam am 29. August selbst ums Leben, als in seinem Auto eine Bombe explodierte. Die Aussichten sind düster, Gesetzlosigkeit macht sich breit. Sliman Qajam, ein Mitglied des Energieausschusses im Parlament, erklärte gegenüber dem Bloomberg Informationsdienst: »Die Regierung lebt von ihren Reserven. Wenn sich die Lage nicht verbessert, können Ende des Jahres keine Löhne mehr ausgezahlt werden.«  [2] 

Anmerkung politonline 
Zu den Muslimbrüdern, die in rund 88 Ländern aktiv sind, sei ergänzend vermerkt, dass Ägyptens Mubarak als einer der wichtigsten Verbündeter der Saudis im Kampf gegen den wachsenden gesellschaftlich-regionalen Einfluss der Muslimbrüder war. So hatte Riad auch diesen August angekündigt, dass Ägypten nicht alleine gelassen werde, sollte der Westen seine Hilfen an das Land aussetzen. Damit geht Riad auf Kollisionskurs gegen die Muslimbruderschaft, mit der die Saudis schon seit Jahrzehnten verfeindet sind. Insofern dürfte sich die Sicht Engdahls, dass es für Obamas Strategie noch ein paar Probleme geben wird, durchaus bewahrheiten. Auf einer Pressekonferenz der IGFM, der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte, am 9. Juli 2013 in Köln präsentierte der Generalbischof der koptisch-orthodoxen Kirche im deutschsprachigen Europa, der Ägypter Anba Damian, Hintergrundinformationen, die hierzulande kaum bekannt sind. Wie dies auch Engdahl darlegt, habe die US-Regierung entscheidend dazu beigetragen, dass die Muslimbrüder in Ägypten an die Macht gekommen sind. Die USA hätte diesen im Vorfeld der Wahlen 1.5 Milliarden $ zukommen lassen, um ihren Wahlkampf zu unterstützen. Damit hätten die Muslimbrüder Lebensmittelspenden für Arme finanziert und damit Wählerstimmen gekauft. Laut Anba Damian habe die damalige US-Aussenministerin Hillary Clinton eine halbe Stunde vor Bekanntgabe des Wahlsiegers noch einmal den Chef des ägyptischen Militärrats angerufen und gedroht, dass die milliardenschwere US-Militärhilfe an die ägyptische Armee gestrichen werde, wenn Mursi nicht an die Macht komme. Der Bischof berichtete zudem, dass viele Ägypter, wie er selbst auch, schockiert seien, welches Spiel Obama mit den Ägyptern spielen würde. Er habe deswegen auch an den mit ihm befreundeten US-Botschafter in Berlin, Phil Murphy, geschrieben, doch bis heute keine Antwort erhalten. Bezüglich der starken Unterstützung der Muslimbrüder durch Obama erklärte Damian: »Es gibt offenbar geheime Vereinbarungen zwischen den Muslimbrüdern und Obama, die dem ägyptischen Volk offensichtlich nicht zugute kommen.« Diese könnten sich, so der Bischof, darauf beziehen, dass Ägypten die Grenze zum Sinai öffnen wolle, um den anti-israelischen Hamas-Anhängern aus dem Gaza-Streifen mehr Raum zum Leben zu geben. Es sei in Ägypten sogar die Rede davon, Mursi habe Teile der Sinai-Halbinsel verkauft. Fakt sei in jedem Fall, dass Mursi kurz nach seiner Ernennung zum Präsidenten 50.000 Hamas-Anhängern die ägyptische Staatsbürgerschaft verliehen habe. Obamas Strategie, so Damian ferner, habe die Ägypter schockiert, da sie mit seiner Einstellung gegenüber den Muslimen nicht einverstanden sind.

Nach Auskunft von Insidern hat der politische Niedergang Ägyptens unter der Herrschaft der Muslimbrüder auch damit zu tun, dass sich diese kaum um das politische Geschäft gekümmert hätten. Es sei einzig und allein darum gegangen, wie die Scharia-Gesetze in der ägyptischen Gesellschaft verankert werden könnten. Die ägyptische Christin Liane Basta, die sich auch für die Freienrechte in ihrem Land einsetzt, legte auf der IGFM dar, dass es den muslimischen Gruppen in Ägypten letztlich nur um 3 Interessenspunkte gehe: Macht haben und ausüben, sowie die ungestrafte Anwendung von Gewalt und Sex. Eines der Gesetze, die die Mursi-Anhänger durchzusetzen versuchten, hätte dem muslimischen Ehemann das Recht erteilt, seine Frau zur Erziehung zu schlagen. Ein anderer Punkt strebte die Verheiratung von Mädchen ab 8 Jahren in einer Zwangsehe an. Gemäss der Scharia sollten Mädchen keine Bildung geniessen. Unbeschnittene Mädchen gelten laut Scharia als ungläubig, was man in Gesetzesform zu giessen beabsichtigte. All das stiess auf das Missfallen einer breiten Bevölkerungsschicht und kam daher nicht durch. 

Die Gesetzesinitiativen sowie die bereits durch die Muslimbrüder beschlossenen Gesetze führten dann zu einer Explosion in der Bevölkerung. Im Juli, als Mursi aus dem Amt gejagt wurde, hätte, so Basta, kein Militärputsch stattgefunden, sondern das Mililtär habe auf Bitten der Bevölkerung reagiert.  [3]

 

[1]  http://www.berliner-umschau.de/news.php?id=18214&title=Obamas+Chemiewaffen+%96+USA+horten+weiterhin+jene+Massenvernichtungswaffen%2C+die+sie+Syrien+vorwerfen&storyid=1001378815455    10. 9. 13  Martin Müller-Mertens  Obamas Chemiewaffen – USA horten weiterhin jene Massenvernichtungswaffen, die sie Syrien vorwerfen 
[2]  http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/europa/f-william-engdahl/zwei-jahre-nach-der-humanitaeren-befreiung-durch-die-nato-versinkt-libyen- in-anarchie.html;jsessionid=32C87CAA696D5F121FBE3F9F2B575DF2  19. 9. 13 
Zwei Jahre nach der »humanitären Befreiung« durch die NATO versinkt Libyen in Anarchie – Von  F. William Engdahl 
[3]  TOPIC Nr. 8 vom August 2013