Russland und China verschärfen ihre Reaktion auf die Asien-Strategie der NATO

Russland und China reagieren heftig auf die Pläne der Regierung Obama

für eine globale Raketenabwehr, die beide Mächte als Teil einer US-NATO-Strategie der Einkreisung und Eindämmung sehen. Dieser Auffassung ist auch Franz Felix Betschon, der zum Ausdruck brachte, dass Washington damit die Russen in Schach zu halten und China zu überwachen gedenkt.  [1] 

Verschiedenen Quellen zufolge plant die Regierung Obama nach dem nordkoreanischen Satellitenstart im letzten Monat den beschleunigten Aufbau einer Raketenabwehr in Nordasien, die sich nominell gegen Nordkorea, faktisch aber auch gegen China richtet. Zwar bringt keiner dieser Schritte und Gegenschritte an sich eine unmittelbare Atomkriegsgefahr mit sich, aber ihren Kontext bilden die eskalierenden regionalen Konflikte am Persischen Golf, im östlichen Mittelmeer, in Afrika und Südasien, die alle das Potential einer Ausweitung zu einem grossen Krieg haben, in den die grossen Atommächte hineingezogen werden könnten.

Am 9. Januar traf sich der Leiter des russischen Nationalen Sicherheitsrats, Nikolai Patruschew, in Beijing mit seinem Amtskollegen Dai Binggou; es war das jüngste Treffen in einem seit 2004 laufenden bilateralen Dialog. Im Anschluss daran erklärten beide vor Reportern, sie teilten die Sorge, dass die Regierung Obama eine weltweite Raketenabwehr gegen sie stationieren will, »unter anderem im Asien-Pazifik-Raum«. Moskau warnt seit über einem Jahr, dass die Raketenabwehr das thermonukleare Gleichgewicht grundlegend verändere und sieht darin einen Vorstoss Washingtons, eine Erstschlagskapazität zu entwickeln. In einem am 6. 1. in der der Kommunistischen Partei nahestehenden Global Times, eine der zwei landesweiten englischsprachigen chinesischen Tageszeitungen, erschienenen Redaktionskommentar verteidigten die Chinesen nachdrücklich die Entwicklung einer eigenen Satellitenabwehr angesichts der existentiellen Bedrohungen Chinas von Seiten der USA. Solche Warnungen und Handlungen zeigen, dass sich die beiden Mächte darauf vorbereiten, ihre Reaktion auf Präsident Obamas neue strategische Konzentration auf  Asiens [Asia Pivot] zu koordinieren.  [2] 

Anfang Januar hatte die russische Regierung angekündigt, modernste Radarsysteme vom Typ Woronesch an 3 neuen Standorten zu stationieren, womit Russland über ein komplettes Frühwarnsystem gegen von allen denkbaren Abschussorten aus startende Langstreckenraketen verfügen wird. Des weiteren war der Einsatz einer neuen Generation von U-Booten, die strategische Waffen abfeuern können, angekündigt worden. Das erste U-Boot dieser Reihe, die Juri Dolgoruki, ist in der vergangenen Woche der Marine übergeben worden. Das zweite U-Boot, die Alexander Newski, war 2010 in Sewerodwinsk vom Stapel gelaufen und soll noch in diesem Jahr in den Dienst gestellt werden. Jedes Atom-U-Boot der Borej-Klasse ist 170 m lang und 13,5 m breit und kann auf bis zu 29 Knoten beschleunigen. Die maximale Tauchtiefe beträgt bei einer Wasserverdrängung von 24 000 Tonnen 450 m. Die 107 Mann starke Besatzung kann bis zu 100 Tage lang unter Wasser bleiben, ohne aufzutauchen. Bewaffnet ist das U-Boot mit 12 Bulawa-Interkontinentalraketen. Jede dieser Raketen kann mittels Atomsprengköpfen gleichzeitig bis zu 10 Ziele angreifen. Mit den Tests für das dritte Atom-U-Boot der Borej-Klasse, die Wladimir Monomach, hat die in Sewerodwinsk am Weissen Meer beheimatete Werft Sewmasch laut einer Mitteilung vom 18. 1. begonnen; das Boot sei für die Standprobe, bei welcher die Seetüchtigkeit und die Betriebseigenschaften geprüft werden, zu Wasser gelassen worden. Die Wladimir Monomach ist das dritte Atom-U-Boot der neuen Borej-Klasse, die den Kern der russischen Unterwasserflotte in diesem Jahrhundert bilden soll. Bis 2020 will Russland 8 Atom-U-Boote dieser Klasse bauen.  [3]   

Was die bereits erfolgte Verlegung der Patriot-Abwehrraketen der NATO in die Türkei angeht, so hatte ein Sprecher des russischen Aussenministeriums schon Ende November letzten Jahres erklärt, dass die Militarisierung der türkisch-syrischen Grenze ein beunruhigendes Zeichen sei; Russland rate der Türkei zu einem anderen Vorgehen. Der russische Vize-Aussenminister Sergej Rjabkow hatte die Warnung ausgesprochen, dass das Grenzgebiet immer unruhiger werde. Ganz im Gegensatz hierzu beliebte der deutsche Verteidigungsminister Thomas de Maizière zu betonen, dass ein eventueller Einsatz der Bundeswehr nur dem Schutz der Türkei diene und keinerlei Einmischung in den syrischen Bürgerkrieg bedeute.  [4]  Zusätzlich zur Entsendung besagter Raketen beschleunigt die USA die Installierung ihrer modernen Radarsysteme entlang der russischen Südflanke.  

Um die US-Regierung an einer Militäraktion in Syrien zu hindern, war der Abgeordnete Walter B. Jones unmittelbar in den ersten Stunden des 113. Kongresses aktiv geworden, um zu unterbinden, dass die US-Regierung ohne eine vorherige Konsultation desselben einen Krieg beginnt. Er brachte von neuem seine Resolution 107 aus der letzten Sitzungsperiode ein, dieses Mal unter dem Namen Gemeinsame Resolution 3 [des Repräsentantenhauses und des Senats]. Die Resolution konstatiert die Überzeugung des Kongresses, dass der Einsatz offensiver Militärgewalt durch einen Präsidenten, ohne dass der Kongress zuvor und eindeutig durch ein Gesetz seine Autorisierung dazu ausspricht, gemäss Artikel 2, Abschnitt 4 der Verfassung, ein mit Amtsenthebung zu ahndendes schweres Verbrechen und Fehlverhalten darstellt. Die Resolution ist an den Rechtsausschuss des Repräsentantenhauses weitergeleitet worden. Der Abgeordnete Jones hat wiederholt seine ernste Besorgnis zum Ausdruck gebracht, dass Präsident Obama gegen Syrien ähnlich wie gegen Libyen militärisch vorgehen wird und dabei den Kongress ganz bewusst nicht konsultiert. Die Dringlichkeit der Angelegenheit für Jones manifestierte sich auch in einem offenen Brief, den er und sechs weitere Kongressabgeordnete am 18. 12. an den Präsidenten gerichtet hatten: in diesem wird der Präsident streng ermahnt, »unser Land nicht noch einmal ohne Autorisierung durch den Kongress in einen Krieg zu führen.«  [5]  

Hintergründe 
In Syrien nimmt die sunnitisch-schiitische Gewalt weiter zu, auch wenn die seit 2 Jahren laufende Kampagne für einen gewaltsamen Regimewechsel gegen die Regierung Assad festgefahren bleibt. Wie Strategic Alert berichtet, schürt London  - oder, wie es auch oft genannt wird, Londonistan  -  einen Dauerkonflikt zwischen Sunniten und Schiiten. London ist ein berüchtigter Unterschlupf und logistischer Umschlagsplatz für ein breites Spektrum sunnitischer Terrorgruppen, die in Afrika, im Nahen Osten und in Südasien operieren. Seit Anfang des Jahres werden diese Netzwerke verstärkt entfesselt, u.a. im Irak und in Pakistan, während der Norden des Libanons von neosalafistischen Terroristen belagert wird, die Waffen und Kämpfer ins benachbarte Syrien schmuggeln und von den Saudis finanziert werden. Die Regierung Assad verkündete am 13. 1., die syrische Armee habe ein entscheidendes Gebiet zwischen der Hauptstadt Damaskus und dem internationalen Flughafen zurückerobert, was einmal mehr zeigt, dass die Freie Syrische Armee (FSA) nicht in der Lage ist, die Hauptstadt einzunehmen. Gleichzeitig hat die syrische Armee einige Gebiete im Norden des Landes den Rebellen überlassen und konzentriert ihre Kräfte auf die wichtigsten städtischen Räume um Aleppo und auf Damaskus. Im Leitartikel der Washington Post vom 13. Januar wird offen zugegeben, dass Assads Sturz noch in weiter Ferne steht und dass die Bevölkerung sich gegen die Rebellen gewendet hat, da diese brutale Hinrichtungen und ethnische Säuberungen gegen Alawiten, Christen und Schiiten durchführen. Im Irak gibt es Unruhen, weil Saudi-Arabien in den ihm benachbarten Westprovinzen einen sunnitischen Aufstand schürt, mit dem Ziel, einen separatistischen sunnitischen Pufferstaat zu schaffen. Auch ein grosser Teil Nordafrikas wird belagert. In Libyen selbst entging Präsident Mohammed Megarjef am 3. 1. knapp einem Mordanschlag von Scharfschützen, bei dem drei seiner Leibwächter verletzt wurden. 

Die Rebellen in Mali, gegen die jetzt vorgegangen wird, verfügen über schwere Waffen aus früheren Beständen der Streitkräfte Libyens, die sie nach dem Sturz Gaddafis im Oktober 2011 übernommen hatten. Nun kämpfen die westlichen Mächte in Mali also gegen die gleichen Dschihadisten, die in Syrien ihre Verbündeten sind.  [6]  »In Mali«, schreibt Werner Pirker, »ist es der islamistische Terror, der die französische Armee im Namen der Demokratie zur Wahrnehmung ihrer Schutzverantwortung bewogen hat. In Syrien ist es das den islamistischen Terror bekämpfende Baath-Regime, das es zu beseitigen gilt, um der Demokratie zum Durchbruch zu verhelfen – unter Nutzung des islamistischen Terrors als der effektivsten Waffe der westlichen Schutzverantwortlichen. Das Ganze findet auch noch zeitgleich statt. Nicht einmal eine Schamfrist zwischen der Entfesselung des islamistischen Terrors in Syrien und seiner Bekämpfung in Mali haben sich die demokratischen Interventen eingeräumt.«   [7]

d.a.  Das sagt eigentlich alles über die abgrundtiefe Verlogenheit, die der Westen im Umgang mit der Demokratie je nach Erfordernis praktiziert, zumal jeder einzelne der genannten Brennpunkte zum Ausgangspunkt eines Krieges werden könnte, da sowohl Russland als auch China in der von einer Destabilisierung bedrohten Region vitale Interessen haben.

 

[1]  Siehe  Die Politik - dort entscheiden Leute, die von den Themen oft nichts verstehen  http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2055  13. 1. 13 
[2]  Quelle: Strategic Alert Jahrgang 26,  Nr. 3 vom 16. Januar 2013 
[3]  http://de.rian.ru/security_and_military/20130118/265344421.html  18. 1. 13 
[4]  http://www.swr.de/nachrichten/-/id=396/nid=396/did=10622688/1m1ufy4/index.html
22. 11. 12  Russland ist besorgt über die geplante Verlegung von NATO-Flugabwehrraketen in die Türkei [5]  Quelle: Strategic Alert Jahrgang 26, Nr. 2 vom 9. 1. 13 
[6]  Quelle: Strategic Alert Jahrgang 26,  Nr. 3 vom  16. Januar 2013  
[7] 
http://www.jungewelt.de/2013/01-19/004.php  Werner Pirker - Kriegsdemokratie