Zur Zusammenarbeit mit den Repressionsapparaten des Jemens

d.a. Zur Erinnerung: Noch Mitte September 2002 wurde in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa erklärt, dass der Jemen keinen Einsatz von US-Truppen auf seinem Gebiet wünsche.

Für Aktionen gegen Terroristen seien nur die eigenen Streitkräfte zuständig. Zu diesem Zeitpunkt hatte Washington allerdings bereits 800 Soldaten einer Spezialeinheit in die Region geschickt. Inzwischen hat sich das Bild recht verändert. Nicht nur die USA agiert längst in diesem Krisenherd, sondern auch die BRD, die sich an der, wie German Foreign Policy schreibt, »von der USA forcierten Verschärfung des sogenannten Anti-Terror-Kriegs im Jemen«, den die USA schon im letzten Jahr zu intensivieren begann, beteiligt. Wie den Mitteilungen von GFP zu entnehmen ist, scheint die Arbeitsteilung reibungslos zu funktionieren: Während Washington Spezialkräfte in das Land entsendet und Bombenangriffe der jemenitischen Streitkräfte dirigiert, bemüht sich Berlin um den Ausbau der Küstenwache und trainiert die Polizei. 
 
Die von der USA 2009 für die Regierung des Jemens, ein für seine Folter bekanntes Regime, bereitgestellten Mittel betrugen rund 70 Millionen US-$; gleichzeitig schickte Washington auch Spitzenkräfte der CIA in das Land. Wie es heisst, wurden die Ziele mehrerer Luftangriffe, die jemenitische Streitkräfte Ende 2009 ausführten, auf der Basis amerikanischer Spionageerkenntnisse ausgewählt. Dieses Jahr sollen nun die Mittel für den Anti-Terror-Krieg im Jemen laut General David Petraeus, Chef des U.S. Central Command mehr als verdoppelt werden.  
 
An der Kontrolle der angrenzenden Gewässer am Horn von Afrika und am Aufbau der jemenitischen Küstenwache beteiligt sich die deutsche Marine bereits seit Jahren. Seit ein US-Kriegsschiff im Jahr 2000 durch einen Bombenanschlag in der jemenitischen Hafenstadt Aden schwer beschädigt worden war, drängte Washington darauf, dass das Land eine spezielle Küstenwache etablieren müsse, um künftige Anschläge zu verhindern. Im Jahr 2002 beugte sich Sanaa den Forderungen - und erhielt dafür erhebliche US-Hilfen, darunter 14  Patrouillenboote. 2005 begann dann die deutsche Bundesmarine, die Küstenwache Jemens in gemeinsame Manöver einzubinden; Anfang 2006 lief erstmals ein deutsches Kriegsschiff zu gemeinsamen Übungen mit der Küstenwache im Hafen von Aden ein. Für diese Art von Gemeinsamkeit wird ohne die geringsten Hemmungen folgende Begründung abgegeben: »Die Zusammenarbeit mit dem Jemen soll auch in Zukunft weiter vertieft werden, um somit einen verlässlichen und starken Partner im Kampf gegen den Terrorismus zu gewinnen", wie die Bundeswehr damals erklärte. Deutschland sagte daneben letzten November zu, den Aufbau und die Ausrüstung dreier Krankenstationen für die Küstenwache zu übernehmen, was den gebeutelten Steuerzahler ein weiteres Mal zur Kasse bittet, ganz ungeachtet des Umstands, dass sich praktisch sämtliche Kommunen in schwerer Finanznot befinden. Dass der jemenitischen Küstenwache nicht nur für den Schutz der Häfen Bedeutung zukommt, sondern auch für die Kontrolle der Küstengewässer des Jemens, zeigen jüngste Äusserungen somalischer Milizionäre. Diese kündigen an, auch an der neuen Front gegen den Westen kämpfen zu wollen. Von ihr trennt sie nur das Meer.  
 
Ergänzend hierzu erklärt ein Strategiepapier der EU für den Zeitraum von 2007 bis 2013 die Ausbildung von Polizeikräften und Küstenwache zu den Prioritäten der europäischen Jemen-Politik. Damit stützt Brüssel nicht nur den aktuellen Anti-Terror-Krieg, sondern auch strategische Vorhaben Berlins. So unterhält die Bundeswehr seit 1992 eine Beratergruppe bei den jemenitischen Streitkräften, die sich offiziell vor allem dem Aufbau der medizinischen Infrastruktur für die Streitkräfte widmet. Die inoffizielle Agenda reicht um einiges weiter. Dem ehedem in der Beratergruppe aktive Flottillenarzt Dr. Wolfgang Titius wurde am 30. Oktober letzten Jahres eine hohe Auszeichnung - das Bundesverdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik für seine Tätigkeit verliehen. Zur Begründung hiess es bei der Bundeswehr, es sei ihm »nicht zuletzt durch sein vorbildliches Auftreten« gelungen, »einen Zugang zu höchsten Entscheidungsträgern im Jemen zu gewinnen«. Zusätzlich hierzu rüstet Deutschland die jemenitischen Streitkräfte seit langem auch aus, besonders seit Beginn des Bürgerkrieges 2004. was Geländewagen und Fallschirme, aber auch Kleinwaffen und Munition umfasst; seit 2006 können auch Panzertransporter aus Deutschland verwendet werden, um die Huthi-Bewegung im Norden des Landes niederzukämpfen und die Spielräume für aufständische Islamisten zu verringern. Auch das, wohlgemerkt, zählt zu den uns ständig vermittelten, man sollte eher sagen, vorgespielten Werten der EU.
 
Folterregime
Die bundesdeutschen Trainingsmassnahmen für die jemenitischen Repressionskräfte stossen ebenso wie die von Berlin genehmigten Rüstungsexporte seit Jahren auf Protest. Bereits zu Beginn des Jahres 1996 verwies z. B. eine Anfrage an die Bundesregierung darauf, dass Menschenrechtsorganisationen von willkürlichen Verhaftungen im Jemen, auch von Jugendlichen und Kindern, berichteten, ausserdem von Folterungen, die in geheimen Haftzentren bzw. im Haftzentrum des Politischen Sicherheitsdienstes in Sanaa vorgenommen werden, sowie von Fällen staatlicher Morde 1. Dies hat bislang keine Bundesregierung davon abgehalten, ihre strategische Kooperation mit dem Jemen auch auf polizeilichem und militärischem Gebiet fortzuführen. Dass gewalttätige staatliche Übergriffe im Jemen auch in Zeiten des sogenannten Anti-Terror-Krieges stattfinden, ist vielfach belegt. »Folter und andere Misshandlungen sind im Jemen weit verbreitet«, bestätigte Amnesty International erst Ende November zum wiederholten Male 2.
 
Wie der Fernsehsender CBS am Samstagabend, 2. Januar, berichtete, war es die USA, welche die Angriffe der jemenitischen Armee vom 17. und 24. Dezember 09 auf Rebellengruppen führte. Der Sender bezieht sich dabei auf den amerikanischen Verantwortlichen und Truppenausbildner Sebastian Gorka. Dabei hätte die USA sowohl Luftangriffe als auch Bodeneinsätze durchgeführt. Zahlreichen Berichten zufolge kosteten die Bombenangriffe Dutzenden von Zivilisten das Leben, während dabei laut offiziellen jemenitischen Angaben vom Dezember 60 mutmassliche Al-Qaida-Kämpfer starben, also ganz so wie die mutmasslichen Taliban-Kämpfer in Afghanistan. Jedenfalls lässt die Verschärfung des Anti-Terror-Kriegs eine weitere Barbarisierung erwarten, zumal die neuerdings als Frau Europa bezeichnete Angela Merkel - es gibt wirklich nichts mehr, was man sich nicht auszuklügeln erlaubte - Ende September 2009 erklärte, dass Auslandsinterventionen Berlins noch viele Jahre durch das 21. Jahrhunderthindurch auf der Tagesordnung stünden. »Den nationalen Sicherheitsinteressen weit entfernt von der Heimat zu dienen, ist eine Aufgabe (Anmerk.: die verdächtig amerikanisch klingt), die uns noch viele Jahre durch das 21. Jahrhundert begleiten wird«, kündigte die Bundeskanzlerin Anfang Juli letzten Jahres bei der Verleihung der ersten Ehrenkreuze der Bundeswehr an. Man kommt wohl kaum umhin, dieser Aussage zu entnehmen, dass dem bislang Praktizierten, nämlich einem Vorgehen gegen den Terror, das sich nur noch als Ausrottung aller Widersacher definieren lässt, auch fürderhin nichts im Wege stehen wird.
 
Der Bürgerkrieg
eskaliert natürlich auch im Norden des Landes, in der Provinz Saada, wo die sogenannte Huthi-Bewegung seit 2004 bewaffnet gegen die Zentralregierung in Sanaa kämpft. Während die Huthi angeben, nur für die Gleichberechtigung ihres spezifischen Glaubens einzutreten - sie gehören dem zaiditischen Islam an - erklärt die Zentralregierung, die Bewegung mache sich für die Wiedererrichtung eines theokratischen Regimes stark. Ein zaiditisches Imamat war 1962 gestürzt worden. Der Konflikt hat inzwischen mindestens 150.000 Menschen in die Flucht getrieben, da weite Teile des Nordjemens vom Bürgerkrieg erfasst sind. Deutsche Interessen tangiert, dass mit der Huthi-Bewegung stark antiwestlich orientierte Kräfte an die Macht drängen. Erst kürzlich hat die International Crisis Group, einer der einflussreichsten westlichen Think Tanks, auf die antiamerikanische, antiisraelische und antisemitische Huthi-Agitation hingewiesen. Die Bewegung kämpfe insbesondere gegen die Zusammenarbeit der Zentralregierung in Sanaa mit Washington. Kann man ihr daraus einen Vorwurf machen? Alarmiert ist der Westen jedoch insbesondere von Berichten, denen zufolge die Huthi-Bewegung inzwischen in erkennbarem Umfang von Teheran unterstützt wird. Dies betrifft zunächst Saudi-Arabien, die dominierende Macht der Arabischen Halbinsel, die von jeher in einem Rivalitätsverhältnis zum Iran steht und sich nun an seiner Südgrenze iranischem Einfluss gegenübersieht. Indirekt ist aber auch der Westen betroffen, der in der saudischen Feudalaristokratie seit Jahrzehnten einen zuverlässigen Kooperationspartner besitzt und Riad deshalb gegen Teheran stützt. Der jemenitische Bürgerkrieg entwickelt sich damit schrittweise zum Stellvertreterkonflikt zwischen prowestlichen und antiwestlichen Kräften.
 
Hinzu kommt, dass die kriegsbedingte Schwächung der Zentralregierung in Sanaa Freiraum für islamistische Strukturen schafft, die den Jemen immer stärker als Sprungbrett und als Rückzugsbasis für terroristische Aktivitäten in Saudi-Arabien nutzen. Wie die deutsche Presse berichtet, werden Islamisten beim Versuch, im Jemen Anhänger zu rekrutieren, oft mit gemässigten Traditionen des lokalen Islams konfrontiert und setzen in diesen Fällen auf die Zerstörung althergebrachter Strukturen. Berlin hingegen stärkt diese Strukturen und hat beispielsweise die Entwicklungsagentur GTZ in die jemenitische Stadt Shibam entsandt, um dort die traditionelle Altstadt zu restaurieren. In dem dadurch ausgelösten Streit mit Islamisten sei es gelungen, einen Grossteil der konservativen Bevölkerung gegen diese aufzubringen, heisst es in einem Pressebericht: Die Stärkung gemässigter Traditionen wirke der Ausbreitung des Fundamentalismus sichtbar entgegen. Liesse sich diese Strategie verbreitern, so wäre wenigstens hier eine Art Verdienst der BRD auszumachen, der allerdings durch Merkels in meinen Augen unheilvollen Plänen bereits so gut wie aufgehoben ist.
 
 
Quellen
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57704  4. 1. 2010 Die neue Front
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57609  9. 9. 09 Vor der Küste des Jemen
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57622  22. 9. 09
Die deutsche Kanzlerin erklärt, Auslandsinterventionen Berlins stünden noch viele Jahre durch das 21. Jahrhundert auf der Tagesordnung
1 »Es wird von Schlägen mit Elektrokabeln, Elektroschocks, Vergewaltigungen und einer als Grillhähnchen bezeichneten Form von Folter berichtet. Dabei werden die Opfer an einer zwischen den gefesselten Händen und Knien durchgeschobenen Metallstange aufgehängt.« Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Steffen Tippach und der Gruppe der PDS: Zusammenarbeit der Bundesregierung mit der Republik Jemen unter besonderer Berücksichtigung der Lage der Menschenrechte im Jemen; Deutscher Bundestag Drucksache 13/3360, 30. 1. 1996
2 www.amnesty.org   27. 11. 2009 Yemen: Government should announce commitment to tackle »widespread« torture