»Sie betrachten Honduras als ihren Betrieb«

Der gestürzte Präsident setzt im Kampf gegen die Putschisten auf die Kraft der sozialen Bewegung.

Das folgende Gespräch führte Giorgio Trucchi mit Manuel Zelaya Rosales, dem durch den Militärputsch des 28. Junis gestürzten Präsidenten der Republik Honduras 1.
 
Das Putschistenregime, das Sie gestürzt hat, ist international isoliert und im Inland mit einer starken Widerstandsbewegung konfrontiert. Trotzdem zeigt es sich unnachgiebig. Wie erklären Sie sich das?
Sie sind wie Raubtiere aus dem Urwald, die ihre Beute mit Zähnen und Klauen verteidigen. Sie betrachten Honduras als ihren Betrieb, als einen Besitz, den man ausbeuten kann. Dabei handelt es sich um zehn Familien, die ihre wirtschaftlichen und finanziellen Pfründe und ihre Privilegien behalten wollen.
 
Sie haben auf einer Pressekonferenz erklärt, daß es rechte politische Kreise in Nordamerika gibt, die den Staatsstreich unterstützt haben und dies weiterhin tun ...
Es gab Äußerungen von diesen Leuten, die sich offen für den Putsch ausgesprochen haben. Darunter befinden sich US-amerikanische Senatoren und Kongreßabgeordnete. Mister Otto Reich zum Beispiel war in den Jahren 2003 und 2004 unter Bush junior US-Sondergesandter für die westliche Hemisphäre und hat erklärt, daß er für den Staatsstreich ist. Es gibt Belege und Beweise, daß die Falken des Expräsidenten George W. Bush hinter dem Putsch stecken.
 
Welche Bedeutung hat die oppositionelle, gewerkschaftliche und soziale Bewegung im Moment?
Sie kämpfen gegen den Putsch und werden nicht damit aufhören, solange die Auswirkungen dieser Schmähung des honduranischen Volkes nicht beseitigt sind. Die Putschisten fordern die Welt heraus, und man muß sie stoppen.
 
Von seiten der Massenbewegung heißt es immer wieder, zwei Elemente seien nicht verhandelbar: einerseits die Ablehnung einer Amnestie für die Putschisten und andererseits das Referendum über die Bildung einer verfassungsgebenden Versammlung. Wie sehen Sie diese beiden Punkte?
Es wäre lächerlich, die Putschisten für das, was sie getan haben, auch noch zu belohnen. Ich glaube, daß die sieben Punkte, die der costaricanische Präsident Oscar Arias vorgeschlagen hat, von einer politischen Amnestie sprechen, nicht aber von einer Amnestie für die Straftaten. Was die sozialen Reformen anbelangt, muß die Suche nach einer neuen Strategie zur Fortsetzung dieser Reformen Teil eines umfassenderen Diskussionsprozesses innerhalb der Gesellschaft sein. Die Putschisten wollen aber die Wiederherstellung des demokratischen Systems nicht akzeptieren. Sie wollen ein Regime, das außerhalb des Gesetzes steht. Das Schlimmste ist, daß sie es mit Hilfe von Gewalt durchsetzen wollen, und das können wir nicht akzeptieren.
 
Welche Rolle spielt die Position der Vereinigten Staaten und welche die der Streitkräfte?
Wir haben am 22. Juli einen Brief an US-Präsident Barack Obama geschrieben und ihn respektvoll gebeten, die Maßnahmen nicht nur gegen den repressiven Staat, sondern auch gegen die Personen zu intensivieren, die den Putsch geplant und durchgeführt haben. Nun erwarten wir eine Antwort mit dem Ziel, daß diese Maßnahmen dabei helfen, die Ordnung und den Rechtsstaat wieder herzustellen. Wenn dies nicht geschehen sollte, würden wir weiter in einem extrem prekären Zustand verharren - nicht nur ich, der einem Putsch zum Opfer fiel, weil ich die Rechte der Gesellschaft verteidigt habe, sondern die gesamte Bevölkerung.
 
Und was die Armee betrifft?
Wenn die Streitkräfte nur dazu dienen, Staatsstreiche durchzuführen, müßten wir ihre Rolle logischerweise neu bewerten. Ich glaube allerdings, daß es in diesem Fall nur ein kleiner Führungskreis war, der den Putsch angeordnet hat. Ich bin sicher, daß die Offiziere und die neue Generation von Soldaten, die Gefahr laufen, einer blutbefleckten Armee anzugehören, mit dem Geschehenen nicht einverstanden sind.
 
Haben Sie keine Angst verhaftet oder – schlimmer noch – umgebracht zu werden?
Ich habe überhaupt keine Angst. Aber es ist logisch, daß ich vorsichtig bin und die gebotenen Vorkehrungen ergreife. Wenn das Leben einen Sinn haben soll, muß man Mühen auf sich nehmen und den Preis dafür zahlen. Manchmal ist ein Opfer notwendig, um soziale Errungenschaften zu erreichen und ich bin bereit, diese Anstrengung für die Freiheit, die Demokratie und den Frieden des Landes zu unternehmen.
 
Anmerkung politonline d.a. »Die Konfrontation«, schrieb Torge Löding in den ersten Januartagen dieses Jahres 2, »ist programmiert. Honduras Unternehmerdachverband schaltet auf stur, wenn es um das jüngste, aufsehenerregende Dekret von Präsident Manuel Zelaya geht.« Zelaya hatte die Anhebung des Mindestlohns um 60 % verfügt. Der Verbandssprecher Amílcar Bulnes erklärte, daß man sich eine solche Erhöhung nicht leisten könne, dazu fehlten die Mittel. Er forderte seine Verbandsmitglieder auf, mit den Arbeitern direkt über eine angemessene Entlöhnung zu verhandeln, womit sich die Unternehmer außerhalb der geltenden Gesetze gestellt hätten, da der Mindestlohn in Honduras bindend ist. Zuvor hatte es noch nie eine Erhöhung des Mindestlohns um mehr als 10 % gegeben. Nachdem Verhandlungen zwischen Unternehmervertretern und Gewerkschaften im Dezember 2008 gescheitert waren, hatte Zelaya die Erhöhung von 181 auf 289.- US-$ im Monat durchgesetzt. Diese sollte zumindest einen teilweisen Ausgleich für die massiv angestiegenen Preise der Grundnahrungsmittel schaffen. »Nur eine halbe Million der 7,5 Millionen in Honduras lebenden Menschen«, führt Löding ferner aus, »kommt heute in den Genuß eines Mindestlohns. Die meisten sind im informellen Sektor beschäftigt. Die mehr als eine Million in der USA arbeitenden Migranten steuern mit ihren Überweisungen fast 20 % zum Bruttoinlandsprodukt bei. Sonst stünde es um die Lebensbedingungen der großen Mehrheit der Bevölkerung noch wesentlich schlechter.« Der von Zelaya begonnenen neuen Politik ist nun durch dem Putsch vom 28. Juni ein vorläufiges Ende gesetzt worden.
 
Das Regime der Putschisten greift indessen immer offener zu gewaltsamer Repression, um die Proteste zu ersticken. Allein in der Grenzregion zu Nicaragua wurden 5000 Soldaten und 2000 Polizisten zusammengezogen, die verhindern sollen, daß die Demonstranten bis zum Grenzort Las Manos vordringen können, wo Zelaya eine Zeltstadt errichtet hat. Das Leben aktiver Mitglieder der Widerstandsbewegung ist zunehmend gefährdet. Einem Bericht des venezolanischen Rundfunksenders YVKE Mundial zufolge wurden allein am Wochenende 11./12.7.09 zwei führende Angehörige linker Organisationen ermordet 3. So starb in der zweitgrößten Stadt des Landes, San Pedro Sula, Roger Iván Bados, der sich vor Ort als Mitglied der Linkspartei UD und als führendes Mitglied der Nationalen Front gegen den Staatsstreich einen Namen gemacht hatte. Sprecher der Widerstandsbewegung gingen gegenüber ausländischen Medien von einem gezielten Mordanschlag aus. »Das ist Teil des Klimas und der Repression durch die Putschistenregierung, die nicht aufhört, das Volk zu unterdrücken, denn nur durch das Terrorisieren und Ermorden des Volkes können sie sich an der Macht halten«, erklärte Juan Barahona von der nationalen Leitung der Widerstandsbewegung. Ein weiteres Mitglied der UD, Ramón García, wurde in der im Westen von Honduras liegenden Provinz Santa Bárbara von Unbekannten gezwungen, aus dem Autobus auszusteigen, in dem er zusammen mit Familienangehörigen unterwegs war;  mit vier Schüssen wurde er regelrecht hingerichtet. Um die Verbreitung solcher Nachrichten zu verhindern, gehen die Putschisten nun verstärkt gegen ausländische Korrespondenten vor. Am Sonntag wurden die Teams des lateinamerikanischen Nachrichtensenders TeleSur und das staatlichen venezolanischen Kanals VTV zunächst verhaftet und dann aus Honduras ausgewiesen.
 
Inzwischen erfolgte ein anonymer Aufruf mehrerer Offiziere der honduranischen Armee, die über Radio Globo eine Erklärung verlesen ließen, in der sie Zelaya als Präsidenten anerkennen und ihre Ablehnung des Staatsstreichs zum Ausdruck bringen. »Wir haben Befehle erhalten, aber wir wollen das Volk nicht unterdrücken, denn wir zerstören das Ansehen der Streitkräfte, das uns so viel gekostet hat«, erklärte der anonyme Anrufer. Ob es sich wirklich um eine Gruppe von Bataillonskommandeuren und anderen Offizieren handelt, wie der Anrufer behauptete, konnte nicht überprüft werden 4.
 
 
1 http://www.jungewelt.de/2009/07-27/026.php Übersetzung: Andreas Schuchardt
2 http://www.jungewelt.de/2009/01-13/008.php Zelayas Dekret - Honduras: Unternehmer ignorieren neuen Mindestlohn und machen offen mobil gegen den Kurs des Präsidenten - Von Torge Löding
3http://www.jungewelt.de/2009/07-14/028.php  14. 7. 09
Zeit des Terrors - Die Putschisten in Honduras versuchen, mit Mordanschlägen den Widerstand zu brechen - Von André Scheer
4 http://www.jungewelt.de/2009/07-29/030.php  29. 7. 09