Europawahl, Vorbote einer politischen Neuordnung? - Von Rainer Apel

Gewinner der Europawahlen sind vor allem die Konservativen und die Grünen, die traditionellen Sozial- und Christdemokraten werden zunehmend demontiert.

Das Ergebnis der Europawahlen als »die Rechte gewinnt, die Linke verliert« zu werten, wie es die meisten Analysten und Medien getan haben, ist zu einfach. Eine fundamentale Neuordnung der politischen Landschaft in ganz Europa ist im Gang - schon seit einiger Zeit übrigens, die Europawahl hat es jetzt nur schlagartig ans Licht gebracht. Einerseits haben die britische Labour Party und ihre sozialdemokratischen Schwesterparteien auf dem Kontinent »Wählerprügel bezogen« - nämlich in Frankreich, Deutschland, Österreich, Spanien, in den Niederlanden, in Portugal und Ungarn, und zwar in einem Ausmaß, der das Ende der Ära »New Labour« deutlich macht. Der massive Ausdruck von Nichtvertrauen gegenüber den früheren sozialdemokratischen Arbeiterparteien ist die Reaktion von Millionen Wählern aus dem Gewerkschaftsmilieu darauf, daß die »neuen Sozialdemokraten« in dieser Weltwirtschaftskrise nicht nur völlig versagt haben, sondern daß sie sogar auf der anderen Seite, nämlich bei den Globalisierern, angekommen sind. Andererseits ist auch die Ära der traditionellen Christdemokratie zu Ende, wie sich an der Zunahme von Stimmen für hartgesottene Konservative zeigt. Die britischen Konservativen, die tschechische ODS und Polens PiS werden sich vom christlich-demokratischen Block (Europäische Volkspartei) abspalten, um eine eigene Gruppe im Europaparlament zu bilden. Gleichzeitig beunruhigt die Zunahme für die Grünen, besonders in Frankreich und Deutschland, die jetzt an die dritte Stelle in den jeweiligen Parteisystemen gerückt sind und sich schon am Wahlabend als künftige Koalitionspartner für die Konservativen empfahlen. Überraschend ist die Geschwindigkeit, mit der diese Umgestaltung der Politik abläuft, jedoch nur für Frankreich, denn in Deutschland gibt es bereits zahlreiche offene Kontakte zwischen CDU und  Grünen. Wie es heißt, hat bei dem spektakulären Aufstieg der französischen Grünen, die nur um einen Prozentpunkt den Gleichstand mit den Sozialisten verpaßt haben, die massive Verbreitung eines radikal-ökologischen Films mit dem Titel Home in den Kinos und als DVD an Schulen und Universitäten gerade in den Tagen kurz vor der Wahl eine wichtige Rolle gespielt. Der auch mit Geldern aus dem Regenwald-Projektfonds von Prince Charles finanzierte Film stellt die Behauptung auf, die Menschheit habe nur noch zehn Jahre, um sich dem angeblichen Klimawandel entgegen zu stemmen. Aufhorchen läßt weiterhin, daß französische Medien noch am Wahlabend damit begannen, den Spitzenkandidaten der französischen Grünen, Daniel Cohn-Bendit, als möglichen künftigen Präsidenten Frankreichs aufzubauen. Der konservative französische Premierminister Fillon wertete die Europawahl als Erfolg: nicht nur für seine eigene UMP, sondern auch für die grüne Liste Europe-Ecologie, und er machte dafür das starke Eintreten der Grünen für europäische Themen verantwortlich. Fillon sagte weiterhin, man müsse quer über die politischen Lager hinweg bei der Lösung zweier großer Probleme zusammenarbeiten - der Finanzmarktkrise und der globalen Erwärmung. Diese indirekte Einladung zur Kooperation zwischen UMP und Grünen honorierte Cohn-Bendit, indem er Präsident Sarkozy die grüne Unterstützung für die Forderung nach Ablösung des derzeitigen Präsidenten der EU-Kommission Barroso zusagte.
 
Das sind aber alles nur politische Codewörter für den ganz anderen Transformationsprozeß, der sich hinter diesem Aufeinanderzugehen von Konservativen und Grünen verbirgt: das Ende der Demokratie, der Übergang in eine ökologisch begründete Diktatur. Nicht zufällig fand man Cohn-Bendit als prominenten Teilnehmer auf der internationalen 3tägigen Konferenz in Essen unter dem Thema Die große Transformation*, wo Vordenker der Ära von New Labour‹ - wie die beiden englischen Lords Mandelson und Giddens - ein Forum erhielten, um nicht nur über den Kampf gegen den angeblichen Klimawandel als neue politische Priorität zu reden, sondern auch darüber, daß »autoritäre Regimes möglicherweise besser geeignet sind, um die notwendigen Maßnahmen durchzusetzen«.  
 
Quelle: Neue Solidarität Nr. 25 vom 17.6.2009 – auszugsweise -
* http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1258 und http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=1256