Offenes Schreiben an Bundespräsident Pascal Couchepin - Die sogenannte »Maulkorb«-Initiative

Sehr geehrter Herr Bundespräsident Couchepin, laut Medienmitteilung sollen Sie zur Begründung Ihrer Ablehnung der Volksinitiative »Volkssouveränität statt Behördepropaganda« behauptet haben, das Volk habe Anrecht auf vollständige Orientierung und müsse »auch« die Meinung des Bundesrates kennen. Diese Aussage ist ein neuer Beleg für die Verfälschung der Tatsachen, wie sie uns immer wieder von Behördenseite präsentiert wird.

Die Realität wird durch Ihr Statement in ihr Gegenteil verkehrt und Sie haben erst noch den Vorteil, dank Ihrer Autorität Zugang zu sämtlichen Medien zu finden. Tatsache ist: Das Volk wird gemäss gesetzlicher Grundlage, wie Sie genau wissen, vom Bundesrat durch das Bundesbüchlein orientiert, das einige Wochen vor jeder Volksabstimmung in sämtliche Haushaltungen verteilt wird. Diese flächendeckende Information ist schon einseitig auf die Bedürfnisse der Behörden zugeschnitten. Was darüber bis zu wenigen Tagen vor der Abstimmung hinausgeht [erstes Beispiel: Brief des damaligen  Bundesrats Arnold Koller an sämtliche Zeitungsredaktionen der Schweiz zwecks Annahme der nunmehrigen  Bundesverfassung unter Herabwürdigung der Verfassungsgegnerschaft im Jahre 1999; zweites Beispiel: Bundesrat Schmids Beschimpfung des Referendumskomitees zur Armee XXI als Lügner kurz vor der Annahme derselben nach Verheimlichung des damals bereits geplanten Entwicklungsschrittes 08/11 im Jahre 2003] ist nicht nur unnötig, sondern - im Gegensatz zu Ihrer Behauptung - eine Verfälschung des Volkswillens. Nach dem Auftritt der Bundesratsmitglieder im Zusammenhang mit  unmittelbar bevorstehenden Volksabstimmungen könnte ich meinerseits jedes Mal behaupten, ich trüge einen Maulkorb, denn jede Meinungsäusserung vor Radio und Fernsehen ist uns Gewöhnlichen versagt.
 
Nichtsdestoweniger, sehr geehrter Herr Bundespräsident, versteigen Sie, der Sie Ihr Amt im Interesse aller Stimmberechtigten ausüben sollten, sich zur Anschuldigung der Initianten, diese wollten dem Volk sein Recht auf Information wegnehmen. Wenn etwas die Notwendigkeit der Volksinitiative zum Schutze der Volkssouveränität und gegen Behördenpropaganda beweist, ist es Ihr hier beschriebenes Verhalten. Sollten Sie - entgegen der Medienmitteilung - das Obenstehende nicht gesagt haben oder, wenn Sie es gesagt haben, nicht daran festhalten, so bitte ich um Ihre Mitteilung.
 
Ich grüsse Sie, sehr geehrter Herr Bundespräsident,  freundlich und mit dem Ausdruck meiner
vorzüglichen Hochachtung
Hans Ulrich Walder
Sempach, 12. März 2008
 
Institut Felsenegg - Institut für Verfahrens- und Verfassungsfragen
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