Sündenbock Iran - Von Chris Hedges

Wie in der Presse mitgeteilt, hat der Iran am 16. Juli beim

Internationalen Gerichtshof in Den Haag, dem internen Rechtsprechungsorgan der UNO, eine Beschwerde gegen die Vereinigten Staaten eingelegt. Der Grund hierfür liegt in den von der USA nach ihrem Austritt aus dem 5 + 1 Abkommen gegen den Iran ausgesprochenen Sanktionen. 

Am 25. Juli hat nun der bekannte US-Journalist Chris Hedges die US-Kriegstreiber in seinem Artikel Sündenbock Iran davor gewarnt, den Iran zum Sündenbock für das im Mittleren Osten angerichtete Chaos und ihre eigenen Niederlagen zu machen. 

17 Jahre Krieg im Mittleren Osten, und was ist dabei herausgekommen? Mit der US-Invasion im Jahr 2003 und der anschließenden Besetzung hat der Irak aufgehört, ein geeintes Land zu sein. Seine ehemals moderne Infrastruktur wurde größtenteils zerstört, sein Staatsgebiet ist in mehrere sich streitende Teilstaaten aufgesplittert. Der Westen hat den Krieg in Afghanistan verloren, denn die erstarkten Taliban beherrschen heute wieder 70 % des Landes. Libyen ist zu einem gescheiterten Staat zerbombt worden. Der Jemen durchleidet wegen der seit drei Jahren andauernden Luftangriffe und einer Blockade eine der schlimmsten  humanitären Katastrophen, die es bisher auf der Welt gegeben hat.

Die 500 gemäßigten syrischen Rebellen, die von der US-Regierung finanziert und bewaffnet wurden, haben die US-Steuerzahler über 500 Millionen Dollar gekostet und befinden sich nach dem Ende der gesetzlosen Schreckensherrschaft des IS, des Islamischen Staats, überall auf dem Rückzug.

Für diese militärischen Abenteuer haben die USA gigantische 5,6 Billionen Dollar verschwendet; gleichzeitig ist die US-Infrastruktur verkommen, grundlegende Sozialleistungen wurden gekürzt, und die Hälfte die US-Bevölkerung lebt bereits unter dem Existenzminimum oder ist auf dem Weg dahin. Die endlosen Kriege im Mittleren Osten haben sich als die größte strategische Fehlentscheidung in der US-Geschichte erwiesen und den Niedergang des US-Imperiums eingeleitet.

Die für dieses Debakel Verantwortlichen, das Hunderttausende von Toten, darunter mindesten 200.000 Zivilisten, gefordert und Millionen Menschen aus ihren Behausungen vertrieben und zu Flüchtlingen gemacht hat, müßten zur Rechenschaft gezogen werden. Diejenigen, die für die Entstehung der dschihadistischen Gruppierungen im Mittleren Osten, die von deren Anhängern weltweit begangenen Terroranschläge, die totale Zerstörung von Städten und Dörfern durch tagelange Luftangriffe und die brutale, aber erfolglose Aufstandsbekämpfung durch die Streitkräfte der USA und ihrer Verbündeten verantwortlich waren und sind, müßten angeklagt und verurteilt werden. Es ist aber ziemlich sicher, dass die kommandierenden Generäle und Politiker wie George W. Bush, Barack Obama und Hillary Clinton, neokonservative Kriegstreiber wie Dick Cheney, Paul Wolfowitz und John Bolton, die CIA, die Rüstungsindustrie, die von allen Kriegen profitiert, und die Moderatoren und Schreiberlinge, die in den Medien die Massaker preisen, nicht dafür bestraft werden.

»Die falsche und deshalb erfolglose Politik der US-Regierungen, die außerdem gegen das Völkerrecht verstoßen, haben den Mittleren Osten ins Chaos gestürzt«, erklärte Gholamali Khoshroo, der iranische Botschafter bei den Vereinten Nationen, als wir uns in New York City trafen. »Um von ihrer eigenen aggressiven, rücksichtslosen und kostspieligen Politik abzulenken, versuchen US-Politiker alle angerichteten Schäden dem Iran anzulasten. Der Iran soll für ihre Mißerfolge im Jemen, im Irak, in Afghanistan, in Syrien und im Libanon verantwortlich sein.« Die Trump-Regierung verhalte sich »in Bezug auf den Mittleren Osten und besonders gegenüber dem Iran sehr naiv«, fügte er hinzu. »Sie kann nur drohen, mit Sanktionen oder mit Interventionen. Diese Politik ist nicht nur zum Scheitern verurteilt, sie ist auch sehr riskant und kostspielig. Die US-Streitkräfte werden mit den Problemen, die sie in den überfallenen oder angegriffenen Staaten verursacht haben, nicht fertig. Im Mittleren Osten setzen sie ihre Macht lediglich destruktiv ein. Im Irak, in Afghanistan, im Jemen oder in Syrien sind sie noch nicht einmal in der Lage, funktionierende Verwaltungen in den Dörfern aufzubauen. Die US-Regierung glaubt, mit Druck und Gewalt nicht nur den Mittleren Osten, sondern die ganze Welt unterwerfen zu können. Mit dieser Politik wird sie die Beziehungen zu souveränen Staaten, die sich den USA nicht unterwerfen wollen, keinesfalls verbessern können.«

»Die Bewaffnung gemäßigter syrischer Rebellen, war nur ein verdeckter   Versuch, den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zu stürzen«, führte Khoshroo weiter aus; »die US-Amerikaner wußten, dass es überhaupt keine 'gemäßigten Rebellen' gibt. Sie wußten auch, dass die von ihnen gelieferten Waffen terroristischen Gruppierungen wie dem Daesch, wie die Araber den Islamischen Staat nennen, der al-Nusra-Front und deren Ablegern in die Hände fallen würden. Auch in dieser Hinsicht erwies sich die US-Politik als Fehlschlag. Zwar können die US-Amerikaner Staaten verwüsten, bei jeder Intervention Blutbäder anrichten, immer wieder Millionen Menschen zu Flüchtlingen machen, aber sie gewinnen nichts dabei. Syrien gewinnt gerade seine Souveränität zurück, und es ist völlig unklar, welche Strategie Präsident Trump in Syrien verfolgt. Heute kündigt er den Rückzug aus Syrien an und morgen verspricht er, seine Truppen so lange in Syrien belassen zu wollen, wie der Iran die syrische Regierung unterstütze. Ich frage mich, ob die US-Steuerzahler wissen, wie groß der Anteil ihrer Steuergelder ist, der im Irak, in Syrien und im Jemen vergeudet wird.«

Die einseitige Entscheidung Trumps, vom Atomabkommen mit dem Iran zurückzutreten, obwohl der Iran alle ausgehandelten Bedingungen erfüllt, war der erste Versuch, von der gescheiteren US-Politik gegenüber dem Iran abzulenken. Bolton, der neue Nationale Sicherheitsberater Trumps, US-Außenminister Mike Pompeo und Trumps Rechtsanwalt Rudy Giuliani fordern den Sturz der iranischen Regierung; Giuliani hat letzten Monat sogar öffentlich verkündet, Präsident Trump stimme mit seinen Beratern darin überein, dass im Iran ein Regimewechsel herbeigeführt werden müsse.

»Zu dem Iran-Abkommen kam es nur, weil US-Präsident Barack Obama der iranischen Führung zuvor in mehreren Briefen zugesichert hatte, dass die USA nicht die Absicht hätten, die iranische Souveränität zu verletzen«, betonte   Botschafter Khoshroo: »Die USA, hieß es, strebten mit dem Iran einen ernsthaften Dialog auf Augenhöhe an, der im gegenseitigen Interesse notwendig sei. Diese Zusicherungen ermöglichten die Verhandlungen, die zum Joint Comprehensive Plan of Action, JCPOA, führten. Der US-Kongre hat dieses Atomabkommen mit dem Iran jedoch von Anfang sabotiert. Weil er die von Präsident Obama angestrebte Umsetzung des Abkommens ablehnte, konnte es nicht voll in Kraft treten. Am Tag des Inkrafttretens verabschiedete der Kongreß eine Resolution, mit der die Europäer [vertragswidrig] aufgefordert wurden, auf Geschäfte mit dem Iran zu verzichten. Firmenvertreter, die Geschäftsreisen in den Iran gemacht hatten, mußten ab sofort ein Visum beantragen, wenn sie in die USA reisen wollten. Die Intervention des US-Kongresses war aber nicht gänzlich erfolgreich. Das Office of Foreign Assets Control, OFAC, verhielt sich zwar gegenüber Firmen, die wegen der bestehenden Sanktionen bei ihm anfragten, zwiespältig, unterstützte jedoch das von der Obama-Regierung unterzeichnete Iran-Abkommen mit der Einschätzung, das Abkommen könne als Basis für weitere Verhandlungen dienen. 

»Schon als Präsidentschaftskandidat hat Trump das Iran-Abkommen als den schlechtesten, jemals von den USA eingegangene Deal bezeichnet«, ergänzte der Botschafter. »Es werde den USA noch große Sorgen machen«. Damit meinte er allerdings nicht das Abkommen, sondern die Probleme, die entstünden, wenn die USA einen Deal, den sogar der UN-Sicherheitsrat gutgeheißen hatte und der von der Obama-Regierung ermöglicht worden war, einseitig aufkündigen würden. »Die Aufkündigung eines internationalen Abkommens und die gegen den souveränen Staat Iran gerichteten Drohungen werden sich bald als Quelle weiterer Unannehmlichkeiten erweisen, weil die USA damit einen Vertrag brechen, den der Iran erfüllen möchte.«  

»2008 haben die Israelis der Welt weismachen wollen, der Iran sei nur noch wenige Tage vom Bau einer Atombombe entfernt«, erinnerte der Botschafter. »Die Israelis forderten damals einen Militärschlag, mit dem das verhindert werden sollte. Was ist seither geschehen? In den beiden letzten Jahren hat die Internationale Atomenergie-Organisation dem Iran in 11 Berichten bestätigt, dass er sich strikt an den JCPOA hält. Nicht nur die IEAO, auch die EU, Rußland, China und weitere Staaten in Asien, Lateinamerika und Afrika habe sämtliche Anschuldigungen, der Iran mißbrauche seine Atomanlagen für militärische Zwecke, zurückgewiesen.  [Dass der Iran das Abkommen einhält, ist auch der US-Regierung bekannt.]  Trump will ja eigentlich nur den Einfluß des Irans in der Region zurückdrängen, weil er begriffen hat, dass die US-Politik im Mittleren Osten gescheitert ist. Aus den USA kommende Einlassungen zum Iran sind deshalb häufig widersprüchlich. Einerseits wird behauptet, der Iran sei so schwach, dass er bald zusammenbrechen werde, andererseits wird dem Iran unterstellt, in mehreren Hauptstädten im Mittleren Osten den Ton anzugeben.«

Der Iran hat kürzlich angekündigt, dass er die Urananreicherung mit Zentrifugen wieder aufnehmen wird, sollten auch die europäischen Vertragspartner den
JCPOA aufkündigen Die durch Trumps Ausstieg verunsicherten Europäer möchten die Verhandlungen über das Abkommen, das nicht nur die atomaren Aktivitäten des Irans einschränkt, sondern auch die Aufhebung der gegen den Iran verhängten Sanktionen vorsieht, wieder aufnehmen. Warum will Trump  Krieg gegen ein Land führen, das sich auf ein Abkommen mit den USA eingelassen hat? Warum will er eine Regierung stürzen, die gegen die Taliban, al-Qaida, den Islamischen Staat und andere dschihadistische Gruppierungen kämpft, die die USA selbst geschaffen und bewaffnet haben, und die heute die USA bedrohen? Warum will er das De-Facto-Bündnis aufgeben, das die USA im Irak und in Afghanistan mit dem Iran haben? Warum will er den fragilen Mittleren Osten noch weiter destabilisieren?

Die Architekten der US-Interventionskriege sind verunsichert. Sie mußten hilflos zulassen, wie besonders der Irak immer instabiler und zum politischen Vakuum, und der Iran immer stärker und zur dominierende Macht in der Region wurde. Washington muß seine Niederlage akzeptieren. Es wird seine Fehler auch mit einem Überfall auf den Iran, den die Kriegstreiber in den USA und anderswo als einzigen Ausweg aus dem außen- und innenpolitischen Dilemma sehen, in das sie sich selbst hineinmanövriert haben, nicht mehr korrigieren können.

Der in einem Sumpf von Bestechungsskandalen steckende israelische   Premierminister Netanjahu hofft zum Beispiel, durch die Anzettelung eines Konflikts mit dem Iran von der Untersuchung seines Machtmißbrauchs und   dem Gemetzel, das israelische Scharfschützen unter gegen den fortgesetzten Landraub protestierenden Palästinensern angerichtet haben, ablenken zu können. »Derzeit ist in Israel das bisher brutalste Regime an der Macht«, stellte der iranische Botschafter fest. »Es tritt das Völkerrecht und die Menschenrechte mit Füßen. Mit seiner Siedlungs- und Besatzungspolitik und der Erklärung Jerusalems zu seiner Hauptstadt verstößt es seit langem gegen Resolutionen des UN-Sicherheitsrates. Schauen Sie sich nur an, was Israel in den letzten 30 Tagen in Gaza angerichtet hat. Trotzdem haben die USA ihre Botschaft illegalerweise nach Jerusalem verlegt. Israelische Scharfschützen haben 60 unbewaffnete palästinensische Demonstranten niedergestreckt. Während ihr Blut vor dem Grenzzaun zum Gazastreifen versickerte, haben Israelis in Jerusalem Freudentänze aufgeführt. Und die Trump-Regierung läßt das nicht nur zu, sie leistet auch noch Unterstützung. Das macht zahlreiche Menschen im Nahen und Mittleren Osten wütend, auch viele in Saudi-Arabien. Die Zionisten diffamieren den Iran als größte Bedrohung für den Frieden im Mittleren Osten. Damit versucht Israel von seinen eigenen Verbrechen abzulenken und sie dem Iran anzulasten. Auch die verfehlte Politik Israels, mit der es nur seine innere Schwäche verdecken will, wird sich rächen.«   

»Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman, hat, um innere Unruhen zu dämpfen und sich als fähigen Militärführer in Szene setzen zu können, den Krieg im Jemen forciert. Jetzt versucht er verzweifelt, von der humanitären  Katastrophe, die er angerichtet hat, abzulenken. Saudi-Arabien agiert im Jemen auf taktischer und strategischer Ebene gemeinsam mit Israel gegen den Iran«, stellte Khoshroo fest. »Gleichzeitig unterdrückt das saudische Regime seine eigene Bevölkerung. Wie lange wird das noch möglich sein? Schon seit drei Jahren führt Saudi-Arabien mit Unterstützung der USA einen Bombenkrieg gegen die Menschen im Jemen, denen durch eine Totalblockade auch Nahrung und Arzneimittel vorenthalten werden. Ein Ende des Konflikts ist nicht in Sicht. Auch für ihren Mißerfolg im Jemen machen Saudi-Arabien und die USA den Iran verantwortlich. Auf Grund der Totalblockade kann der Iran den Menschen im Jemen jedoch überhaupt nicht helfen, selbst wenn er das wollte. Die jemenitischen Kämpfer fordern seit Beginn des Krieges Friedensverhandlungen. Das militärische Abenteurertum der Saudis und ihr Bedürfnis, ihre militärische Entschlossenheit zu demonstrieren, haben bisher eine friedliche Lösung verhindert. Die USA und Großbritannien leisten logistische und militärische Unterstützung und beliefern die Saudis auch mit geächteten Clusterbomben, die  im Jemen eingesetzt werden. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate bombardieren im Jemen. Alle diese Aktionen sind zum Scheitern verurteilt, weil der Konflikt im Jemen nur politisch und nicht militärisch gelöst werden kann. Und was bombardieren die Saudis im Jemen? Begräbnisse, Hochzeiten, bestellte Felder, Häuser und Zivilisten! Wie können die Saudis annehmen, dass sie von der bombardierten Bevölkerung begrüßt werden? Mit Umarmungen? Der Krieg hat schon viel Geld gekostet, doch Trump ist der Meinung, die Saudis hätten ja genug davon. Bei seinem Besuch hat er sie aufgefordert, möglichst viele Waffen in den USA zu kaufen. Mit diesen Waffen werden dann möglichst viele Kinder umgebracht. Es ist ein Desaster und eine Schande!«

Und dann, so Hedges, gibt es ja auch noch diesen Präsidenten Donald Trump, der mit einem globalen Kreuzzug verzweifelt versuchen muß, seine eigene Unfähigkeit, seine korrupte Regierung und deren Erfolglosigkeit zu kaschieren, wenn er sich 2020 zur Wiederwahl stellt.

»Natürlich ist es nicht neu, dass der Iran diffamiert und bedroht wird«, stellte der Botschafter fest. »Das geht schon seit 40 Jahren so. Die iranische Bevölkerung und die iranische Regierung haben sich an diese Anfeindungen gewöhnt. Die Einmischung der USA in die inneren Angelegenheiten des Irans begann schon lange vor dem Krieg zwischen dem Irak und dem Iran, in dem die USA Saddam Hussein unterstützt haben. 2003 fielen die US-Streitkräfte dann in den Irak ein, um ihm die Demokratie zu bringen und ihm seine nicht vorhandenen Massenvernichtungswaffen wegzunehmen. Der Iran hat sich den Einmischungen der USA immer widersetzt und wird das auch weiterhin tun. US-Amerikaner waren zuletzt vor 40 Jahren im Iran präsent. Während des Schah-Regimes, dasdamals zu den engsten Verbündeten der USA gehörte, haben sich 100.000 US-Berater im Iran herumgetrieben. Die USA konnten den Schah jedoch nicht an der Macht halten, weil das iranische Volk gegen die Abhängigkeit von den USA und die Unterdrückung revoltierte. Seit dem Sturz des Schahs im Jahr 1979, also seit nunmehr 40 Jahren, brechen die USA das Völkerrecht und besonders das Algerien-Abkommen mit dem Iran, das sie 1981 unterzeichnet haben.« Mit dem Algerien-Abkommen, das eine ganze Reihe von Vereinbarungen zwischen den USA und dem Iran umfaßte, wurde die Geiselnahme von Teheran beendet. Die algerische Regierung hatte es vermittelt. In diesem Abkommen haben sich die USA dazu verpflichtet, Einmischungen in die inneren  Angelegenheiten des Irans in Zukunft zu unterlassen sowie die gegen den Iran verhängten Sanktionen und die Blockierung iranischer Konten aufzuheben. 

Die US-Kriegstreiber haben überhaupt keinen Plan für einen Regimewechsel im Iran, den hatten sie auch nicht in Afghanistan, im Irak, in Libyen oder in Syrien. Die europäischen Verbündeten hat Trump mit seinem Ausstieg aus dem Iran-Abkommen so verärgert, dass sie  [bei einem US-Angriff auf den Iran]  nicht mit Washington kooperieren werden. Das Pentagon könnte, selbst wenn es wollte, den Iran weder allein angreifen, noch besetzen, weil ihm dazu Hunderttausende Soldaten fehlen. Und die von Bolton und Giuliani propagierte Idee, extremistische Randgruppen wie die Mujahedeen-e-Khalq, MEK, die im Krieg gegen den Irak an der Seite Saddam Husseins kämpften und deshalb von den meisten Iranern als Verräter betrachtet werden, könnten die iranische Regierung stürzen, ist einfach nur lächerlich. Bei solchen Spekulationen werden die 80 Millionen Iraner ignoriert, wie vorher die Bevölkerungen Afghanistans, des Iraks, Libyens und Syriens. Warum sollten die Iraner einen Krieg mit den USA begrüßen? Würden sie sich nicht verteidigen, wenn sie angegriffen werden? Warum sollten die Iraner widerstandslos eine Besetzung hinnehmen? Vermutlich würde ein Krieg gegen den Iran als Krieg gegen alle Schiiten verstanden und den Widerstand der Schiiten in anderen Staaten hervorrufen. Überlegungen dieser Art stellen die Kriegstreiber aber nicht an, weil sie nichts von Krieg verstehen und von den Völkern und Kulturen, die sie unterwerfen wollen, keine Ahnung haben.

»Der Nahe und Mittlere Osten hat viele Probleme: Unsicherheit, Instabilität, Wasserknappheit und Streit um andere Ressourcen«, erklärte Khoshroo. »All diese Probleme wurden durch Interventionen ausländischer Truppen und die Maßlosigkeit israelischer Regierungen nur vergrößert. Das ungelöste Problem Palästina bewegt alle Muslime im Nahen und Mittleren Osten. Jede Verzögerung bei der Lösung dieser vielen Probleme erhöht die gefährlichen Spannungen, die in dieser Region herrschen. Die US-Amerikaner behaupten, sie wollten den Nahen und Mittleren Osten von gewaltbereiten Terroristen befreien; das wird   aber nur gelingen, wenn die Interventionen und Besatzungsregimes ausländischer Truppen in dieser Region endlich aufhören. Die Rüstungsindustrie der USA verkauft ihre Waffen an fast alle Staaten in der Region, weil durch die ständigen Kriege gerade dort besonders hohe Profite zu erzielen sind. Das Leid der Menschen kümmert sie nicht. Und Frieden und Sicherheit in dieser Region sind ihr genau so gleichgültig wie die Demokratie oder die Geopolitik.«

»Was hat die US-Politik in Nahen und Mittleren Osten bewirkt?«, war die Frage des Botschafters. »Die Bevölkerungen aller US-Verbündeten in der Region sind im Aufruhr. Nur der Iran ist sicher und stabil. Warum ist das so? Warum herrscht im Iran seit 40 Jahren Stabilität? Ist das so, weil seit 1980 keine diplomatischen  Beziehungen mehr zwischen dem Iran und den USA bestehen? Und warum herrscht Feindschaft zwischen dem Iran und den USA? Warum begreifen die USA nicht, dass ein stabiler Iran für diese Region wichtig ist? Wir sind von den instabilen Staaten Pakistan, Afghanistan, dem Irak, Syrien und dem Jemen umgeben.

Was hätten die US-Amerikaner davon, wenn sie auch noch den Iran destabilisieren würden?«  

Anmerkung d.a.:
Inzwischen haben US-Republikaner an die Botschaften Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens in Washington einen Brief geschickt, in dem sie diese Länder davor warnen, die US-Sanktionen gegen den Iran zu umgehen. Das berichtet das Online-Portal t-online.de, dem das Schreiben vorliegt. Der Brief ist unter anderem von US-Senator Marco Rubio, der 2012 von der Time in die Liste der einflußreichsten Menschen der Welt aufgenommen wurde, sowie von Senator Ted Cruz, der sich für die Präsidentschaftswahl 2016 um die Nominierung seiner Partei bewarb, unterzeichnet. Den Botschaften soll das Schreiben am 26. Juli zugestellt worden sein. Die Republikaner verweisen darauf, dass die US-Sanktionen gegen den Iran nicht neu seien, sondern, wie dies ja auch aus dem Artikel von Hedges hervorgeht, auf Gesetzen fußen, die der US-Kongreß bereits vor Jahren beschlossen habe. Laut t-online.dewarnen die Senatoren, dass jeder Versuch, den Sanktionen auszuweichen oder sie zu untergraben, dazu führen könne, dass sich der US-Kongreß in Koordinierung mit anderen Teilen der US-Regierung zum Handeln veranlaßt sehen.  [1]

Es gibt fast keine Ebene mehr, auf der wir von Washington nicht eingegrenzt würden. Erstaunlich bleibt, dass sich die Wirtschaft dem US-Diktat praktisch widerstandslos unterwirft.       


Quelle:
http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_16/LP10818_250718.pdf
Friedenspolitische Mitteilungen aus der US-Militärregion Kaiserslautern/Ramstein    LP 108/18 – 25.07.18   Sündenbock Iran - Von Chris Hedges

Original auf https://www.truthdig.com/articles/scapegoating-iran/
10. 6. 2018  Scapegoating Iran by Chris Hedges

[1]  https://de.sputniknews.com/politik/20180729321757548-usa-republikaner-iran-sanktionen-deutschland-umgehung/
29. 7. 18