Die Schweiz beweist: Es lebt sich sehr gut ausserhalb der EU 25.03.2018 20:57
François Asselineau, der Präsident der französischen Partei «Union
Populaire Républicaine» (UPR), legt in dem mit der Westschweizer
Tageszeitung «Le Matin» geführten Interview seine Sicht der Dinge dar.
Asselineau (Jahrgang 1957) ist der Präsident der nach eigenen
Angaben mittlerweile fünftstärksten Partei Frankreichs; er war einer der
Gegenkandidaten von Emmanuel Macron bei den französischen
Präsidentschaftswahlen 2017. Dass trotzdem kaum einer diese Partei kennt, hängt
damit zusammen, dass sie von den französischen Medien weitgehend totgeschwiegen
wird. Das wiederum hängt mit den drei Kernforderungen der Partei zusammen:
Austritt aus der EU, Austritt aus der Euro-Zone und Austritt aus der NATO. Aber
die Partei ist dabei, sich über andere Kanäle bekannt zu machen, vor allem über
ihre hohe Zugriffszahlen verzeichnende Internetseite ttps://www.upr.fr
«Le Matin»: Warum singen Sie so oft ein Loblied auf die Schweiz?
François Asselineau: Weil Ihr Land, welches das demokratischste
und weltoffenste Land ist, das es gibt, beweist, dass Nichtzugehörigkeit zur EU
nicht gleichbedeutend ist mit Isolation. Die Schweizer verdienen die
Bewunderung der Welt. Sie haben es abgelehnt, in die EU einzutreten, und diese
Abstimmung wurde respektiert, anders als das, was wir in Frankreich nach der
Abstimmung über die europäische Verfassung 2005 erlebt haben. (Mit 55 % abgelehnt.)
Die Schweiz häuft Erfolge an. Die Medien scheinen mir freier zu sein als in
Frankreich, wenn es um die Darstellung verschiedener Meinungen geht. Das
Lebenshaltungsniveau und die Lebensqualität sind hoch. Ihr Land befindet sich
übrigens regelmässig in der Spitzengruppe bei der Bewertung des «Menschlichen
Entwicklungsindexes» (IDH).
Ihre Gegner teilen nicht immer diese Analyse …
Die EU-Befürworter, die die Schweiz kaum kennen, halten mir oft
mit Verachtung vor, dass sie nur von den Banken lebt. Die Realität ist jedoch,
dass dieses Land, im Gegensatz zu unserem, seiner Industrie Sorge trägt, vor
allem der Uhrenindustrie, der optischen und der pharmazeutischen Industrie.
Ganz zu schweigen vom Tourismus und den Dienstleistungen. Es kommt noch besser:
Die Schweiz, Island und Norwegen, die drei Länder Westeuropas, die sich
geweigert haben, der EU beizutreten, sind an der Spitze des IDH-Rankings!
Schweden, Dänemark und das Vereinigte Königreich, die den Euro abgelehnt haben,
sind wirtschaftlich gesehen unter den dynamischsten Ländern der EU!
Die Schweiz ist mit der EU über bilaterale Verträge verbunden, und
der Druck seitens der EU wächst. Werden wir eines Tages gezwungen sein, der EU
beizutreten?
Die bilateralen Verträge sind nützlich, aber das Volk muss genau
hinsehen, was damit geschieht, denn Ihr Land hat auch globalisierte Eliten, die
ihm möglichst unbemerkt die EU aufzwingen wollen. Es darf nicht passieren, dass
die demokratische Schweiz, mit Ganovenmethoden von einem grossen Bruder gedrängt - dessen Führungspersonen von niemandem
gewählt wurden - sich morgen in der
Situation befindet, den europäischen Zwängen gehorchen zu müssen, ohne sich an
den Entscheidungen beteiligen zu können. Wenn ich Schweizer wäre, wäre ich sehr
wachsam. Die Schweiz hat noch die Macht, ihre nationalen Interessen zu
vertreten. Frankreich, an die divergierenden Interessen der 27 Mitgliedsstaaten
der EU gebunden, kann dies nicht mehr!
Ihnen scheint eine Reform der EU unmöglich. Weshalb?
«Das andere Europa», das von allen möglichen Seiten gefordert
wird, von Heuchlern, Inkompetenten oder auch «nützlichen Idioten», ist
unrealistisch, denn will man nur ein Wort in den europäischen Verträgen ändern,
erfordert dies die Einstimmigkeit der 28 Mitglieder und der 28 Völker, deren
Interessen sich in allen Bereichen widersprechen. Frankreich ist zum Beispiel
Nettozahler, das heisst, es zahlt mehr Geld an die EU, als es zurückerhält, und
leidet unter der Entsendungsdirektive für die Arbeitskräfte. Bulgarien zum
Beispiel profitiert davon und erhält mehr, als es einzahlt. Die einzige
vernünftige Entscheidung ist, die EU zu verlassen, wie dies das grosse
britische Volk getan hat, indem es den Artikel
50 in Anspruch genommen hat. Ich möchte in dem Zusammenhang bemerken,
dass es dem Vereinigten Königreich im Gegensatz zu dem, was die Propheten der
Apokalypse herausposaunt hatten, gut geht. Die Arbeitslosenzahlen sind auf
ihrem niedrigsten Niveau seit 1975 (4,2%).
Wenn man Ihnen zuhört, erhält man den Eindruck, die Schweiz mache
alles richtig.
Nein. Die Tatsache, dass sie Mitglied der «Partnerschaft für den
Frieden» ist, einer Struktur der NATO, deren Name dem Neusprech von Orwells
«1984» würdig ist, erstaunt mich. Als Schweizerbürger wäre ich darüber empört.
Die Schweiz handelt damit in völligem Gegensatz zu ihrer Neutralität, die ja
gerade ihre Stärke ausmacht. Sie ist damit in die amerikanische Geopolitik des
«Kampfes der Kulturen» eingebunden und muss zum Beispiel Soldaten in den Kosovo
schicken. Das steht im Gegensatz zu ihrer ganzen Geschichte und ihren
Interessen. Ihre direkte Demokratie und insbesondere die Volksabstimmungen
finde ich jedoch beispielhaft und nachahmenswert.
Wie Joseph Stiglitz, Nobelpreisträger für
Wirtschaftswissenschaften, oder der Historiker Emmanuel Todd, sagen auch Sie
dem Euro den Tod voraus. Warum?
Dem Euro geht es sehr schlecht, insbesondere wegen des
italienischen Staatsdefizits. Aber die Spezialisten verheimlichen dies der
Öffentlichkeit. Da müsste man einen eigenen Artikel schreiben, um dies zu
erklären. Vincent Brousseau, unser Spezialist in der UPR, der 15 Jahre bei der
EZB gearbeitet hat, kann das sehr gut erklären. Sagen wir nur, dass der Euro
eine Währung ist, deren Wechselkurs gegenüber dem Dollar für die deutsche
Wirtschaft nicht hoch genug ist, aber zu hoch für die französische und die
meisten anderen der Euro-Zone. Dies führt zu mehr Arbeitslosigkeit und
grösseren Handelsdefiziten.
Resultat: Die Bundesbank sammelt immer weiter faule
Schuldforderungen aus dem Süden Europas an. Sie haben mittlerweile 900
Milliarden überschritten. Wenn die 1000-Milliarden-Grenze überschritten sein
wird, werden die Deutschen gezwungen sein, einen Schnitt zu machen, um nicht
den gleichen Absturz wie 1923 zu erleben. Wie Stiglitz bin ich der Meinung,
dass es den Staaten, die den Euro zuerst verlassen, noch am besten gehen wird.
Was würde das Ende des Euro für die Schweiz bedeuten?
Ihr Franken würde seine Rolle als Fluchtwährung voll einnehmen. Er
würde stark steigen. Die Importe würden billiger, und die Exporte würden
darunter leiden. Das würde einiges durcheinander bringen, aber in viel
geringerem Mass als in der EU. Die Realität lässt uns keine Wahl: Der Euro wird
zusammenbrechen – und die EU mit ihm!
Quelle: https://www.zeit-fragen.ch/de/ausgaben/2018/nr-6-13-maerz-2018/die-schweiz-beweist-es-lebt-sich-sehr-gut-ausserhalb-der-eu.html 13. 6. 18 Das Interview führte Laurent Grabe
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