Chinas Investitionen

Die Regierung in Berlin ist derzeit im Begriff, ihre Massnahmen zur Abschottung

der deutschen Wirtschaft gegen Übernahmen aus China zu verschärfen. Ein entsprechender Beschluss des Bundeskabinetts sieht eine härtere Prüfung von auswärtigen Firmenakquisitionen vor. So ist eine Änderung der Aussenwirtschaftsverordnung beschlossen worden, der zufolge u.a. die Prüffristen bei Firmenübernahmen verlängert und die Prüfkriterien ausgeweitet werden. Wie German Foreign Policy darlegt, greift Berlin  - in die Defensive geratend -   nun zu eben jenem Mittel, das es im Ausland anprangert, sobald die Expansion deutscher Unternehmen eingeschränkt wird: Zur Abschottung. 

Diese Schritte erfolgen genau zu dem Zeitpunkt, an dem chinesische Firmen stärker in der EU und in Deutschland zu investieren beginnen. Seit den frühen 2000er Jahren hatten sich chinesische Konzerne zunächst auf Übernahmen in Schwellen- und Entwicklungsländern in Asien und Afrika konzentriert und sind erst in den vergangenen Jahren zu grösseren Investitionen in Europa übergegangen. In der Bundesrepublik, die ihrerseits einen Investitionsbestand von rund 60 Milliarden Euro in der Volksrepublik verzeichnet, hatten sie bis 2015 nur weniger als ein Zehntel dieser Summe investiert, sind aber seit 2016 stärker aktiv geworden. 

In Ergänzung hierzu wird auf die Einführung von Abwehrmechanismen auf EU-Ebene gegen Unternehmenskäufe aus dem Ausland gedrungen. Sigmar Gabriel hatte sich bereits im Herbst 2016, als er noch Bundeswirtschaftsminister war, um neue Abwehroptionen bemüht und im Oktober Eckpunkte für einen Vorschlag zur Investitionsprüfung auf EU-Ebene vorgelegt, der darauf abzielte, die Entscheidung über zu erschwerende Firmenkäufe einheitlich nach Brüssel zu verlagern. »Schlüsselindustrien, die von besonderer Bedeutung für den weiteren industriellen Fortschritt sind, sollten gegen Übernahmen abgeschottet werden, hiess es in Gabriels Eckpunkten.« Wie inzwischen verlautet, zieht es die EU-Kommission tatsächlich in Betracht, »die Entscheidung über Investitionen aus Drittstaaten auf die europäische Ebene zu heben.«

Chinesische Direktinvestitionen in Europa sind eine vergleichsweise junge Erscheinung. Einen Wendepunkt brachte die Going Out-Strategie, die Beijing im Jahr 2000 verkündete; Investitionen im Ausland sollten von nun an die schnell wachsenden chinesischen Exporte begleiten. In lediglich eineinhalb Jahrzehnten legte China diesbezüglich eine rasante Entwicklung hin. Kamen im Jahr 2000 nur 0,1 % der weltweit getätigten ausländischen Direktinvestitionen aus der Volksrepublik [Platz 32 auf der Weltrangliste], so waren es im Jahr 2015 schon
8,7 %  [Platz drei]. Damit gelangte China beim Gesamtbestand an
Auslandsdirektinvestitionen auf Platz zehn weltweit. Mit einer weiteren Investitionstätigkeit chinesischer Unternehmen ist fest zu rechnen. Hinzu kommt, dass ihr tatsächlicher Anteil schon jetzt wohl deutlich über den offiziellen Angaben liegt: Auslandsinvestitionen in nicht genau bekannter, aber vermutlich signifikanter Höhe werden entweder über Hongkong oder über Steuerparadiese wie die Cayman Islands abgewickelt. Ihr Volumen geht aber aus den gängigen Statistiken nicht hervor.

2014 überschritten Chinas Investitionen in der EU den Wert derjenigen von Unternehmen aus der EU in der Volksrepublik. 2015 lagen mit den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich immerhin bereits zwei EU-Länder unter den Top Ten-Standorten chinesischer Direktinvestitionen. Bis heute halten die EU-Länder lediglich 5,9 % an Chinas gesamtem, immer noch überwiegend auf Asien fokussierten Investitionsbestand.  [1]

Eine Investition Chinas in Griechenland    
Hier geht es um den Einstieg der China Ocean Shipping Company (COSCO) bei der Betreibergesellschaft des Hafens von Piräus, den die griechische Regierung auf Druck aus Brüssel und Berlin zur Schuldentilgung veräussern musste. COSCO baut den Hafen, an dem es bereits seit 2009 einen kleinen Anteil hält, mit 3stelligen Millionensummen aus; mittlerweile ist er zum achtgrössten Hafen Europas aufgestiegen und befindet sich unter den Top 40 weltweit. Die COSCO zahlte im April letzten Jahres für 51 % des Hafenbetreibers 280,5 Millionen Euro; 2021 kann sie für 88 Millionen € weitere 16 % übernehmen, sofern sie bis dahin mindestens 300 Millionen € in den Hafen investiert hat. 

Nach aktuellen Plänen wird COSCO sogar 600 Millionen € investieren. Das chinesische Unternehmen war zuletzt der einzige Bieter für den Hafen von Piräus gewesen: Mit Blick auf den Totalkollaps der griechischen Wirtschaft in der Krise hatte niemand Investitionen in einen griechischen Handelsplatz erwogen.  

Zielhafen der Seidenstrasse‹   
COSCO hingegen hat grosse Pläne mit dem Hafen von Piräus. Er ist als Endpunkt der Seeroute der Neuen Seidenstrasse vorgesehen, eines Bündels von   Transportkorridoren, die China über Land und Meer mit Europa verbinden sollen.   Das Gesamtprojekt trägt den offiziellen Namen One Belt, One Road; Piräus ist als Endpunkt der Seeroute besonders geeignet, weil es unter den europäischen Häfen dem Suezkanal, durch den Waren aus China nach Europa transportiert werden, am nächsten liegt. Während Kürzungsdiktate die griechische Wirtschaft umfassend strangulierten, investierte der chinesische Konzern 600 Millionen €, engagierte 1.000 neue Arbeiter und steigerte das Volumen der umgeschlagenen Waren von 880.000 TEU im Jahr 2010 auf 3,47 Millionen TEU im Jahr 2016. Im nächsten Schritt ist der Bau eines riesigen Schwimmdocks geplant, das Piräus Reparaturaufträge sichern soll. 

Chinas rasch wachsender Wirtschaftseinfluss lässt Athen mittlerweile Rücksichten auf politische Interessen der Volksrepublik nehmen. Zum ersten Mal deutlich wurde dies im Juni, als die EU wie schon so oft beim UN-Menschenrechtsrat eine gegen Beijing gerichtete Stellungnahme einbringen wollte. Dies scheiterte nicht nur, aber auch am Widerstand Griechenlands: »Unproduktive und oftmals selektive Kritik gegenüber bestimmten Ländern erleichtert die Förderung der Menschenrechtslage in diesen Staaten nicht«, wird die Begründung eines griechischen Diplomaten zitiert. Die EU konnte sich erstmals nicht auf einen gemeinsamen Text einigen.   

Dabei gewinnt China mittlerweile auch in weiteren Staaten Südosteuropas neuen Einfluss. Ein Beispiel bietet Serbien. Das Land leidet unter krasser Armut: Das Durchschnittseinkommen liegt bei rund 350 €; die Arbeitslosigkeit wird auf 18 % der Erwerbsbevölkerung beziffert, die Jugendarbeitslosigkeit auf 44 %; China plant nun den Ausbau der Schienenstrecke von Belgrad nach Budapest; sie soll auch mit Hochgeschwindigkeitszügen befahren werden können, die für die gut 350 km lange Route nicht mehr acht, sondern nur noch drei Stunden benötigen. Der Plan ist Teil des Vorhabens, einen Verkehrskorridor aus Griechenland ins Zentrum Europas auszubauen, um die in Piräus entladenen Waren zu ihren Kunden weitertransportieren zu können. Für Belgrad bietet dies neue Chancen - nicht nur im Rahmen der Baumassnahmen, sondern wegen der eventuell dauerhaften Aufwertung des durch Serbien verlaufenden Verkehrskorridors. Entsprechend gross ist das Interesse der serbischen Regierung an dem Milliardenprojekt.  Wie es heisst, hat Brüssel jetzt Ermittlungen gegen das Ausbauprojekt eingeleitet.   [2] 

 

[1]  http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59641  19. 7. 17
In der Defensive  -  auszugsweise –
[2]  http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59640  17. 7. 17
Die Grenzen der Diktate  - auszugsweise -