Ukrainische Oligarchen - ungebrochen an der Macht

Der nachfolgend veröffentlichte Bericht von »German Foreign Policy«

ist nicht der erste dieser Art; eine umfassende Analyse der Machenschaften dieser Kategorie hat GFP bereits in dem Bericht  Die Ukraine und ihre Oligarchen  erstellt; was die gegenwärtige Situation angeht, so ergibt sich das nachfolgende Bild: 

»Der von Berlin forcierte Umsturz in Kiew hat die Macht der verhaßten ukrainischen Oligarchen nicht gebrochen, sondern sie lediglich transformiert. Dies geht aus einer aktuellen Analyse des offiziösen Warschauer Zentrums für Oststudien hervor. Demnach können sich ukrainische Oligarchenclans - wenn auch zum Teil andere als vor 2014 - unter dem Schutz der EU heute weiterhin selbst bereichern. Vor allem Präsident Petro Poroschenko, der lange von der Bundesregierung favorisiert wurde und das Präsidentenamt nicht zuletzt Berlin verdankt, erzielt in seiner Eigenschaft als Unternehmer hohe Profite. Weitere Milliardäre sitzen an Schaltstellen im Kiewer Machtapparat. Erste Oligarchen üben zudem offen Kritik an der Assoziierung der Ukraine an die EU. Berlin hat aktiv dazu beigetragen, daß die Macht der ukrainischen Oligarchen fortbesteht.    

DieRevolution der Würde‹  
Den aus Berlin massiv unterstützten Umsturz liberaler, konservativer und faschistischer Kräfte in der Ukraine im Februar 2014 hatten deutsche Medien und Regierungsvertreter zur Revolution der Würde gegen die berüchtigten Seilschaften der ukrainischen Oligarchen erklärt. Auch die staatsfinanzierte  Deutsche Welle sprach davon, die Ukrainer hätten mit dem Staatsstreich die  Demokratie gewählt: Sie »wollen den Rechtsstaat«, hieß es.  [1]  Die Bundesregierung stellte explizit fest, politische Macht bedürfe der demokratischen Legitimierung, und wandte sich damit direkt gegen die Herrschaft der ukrainischen Milliardäre.  [2]  In ihrer praktischen Politik ließ sie allerdings nichts erkennen, was dieser Stellungnahme Rechnung trug - im Gegenteil. Schon die Ende Februar 2014 gebildete Kiewer Umsturzregierung stützte sich unmittelbar auf Oligarchen  [1], ohne daß Berlin Einspruch erhob. Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat im Frühjahr 2014, um politische Fortschritte zu erzielen, sogar mehrmals direkt mit einflußreichen Oligarchen  verhandelt.  

Ungebrochene Kontinuität 
Dementsprechend konnten die ukrainischen Oligarchen ihren Einfluß über den Umsturz hinweg ohne größere Schwierigkeiten bewahren. Dies belegt nun eine aktuelle Studie des Warschauer Zentrums für Oststudien [O?rodek Studiów Wschodnich, OSW], das vom polnischen Außenministerium finanziert wird. Dem OSW zufolge wurde seit dem Frühjahr 2014 kein einziger Oligarch vor Gericht gestellt, keine einzige Privatisierung aus der Amtszeit von Präsident Wiktor Janukowitsch wurde zurückgenommen. [3]  Wenn die Kiewer Regierung nach dem Staatsstreich tatsächlich einmal Maßnahmen gegen einzelne Magnaten ergriff, dann geschah dies in der Regel auf Veranlassung anderer Oligarchen, um ihren Konkurrenten zu schaden. Allerdings gab es Machtverschiebungen: Wenngleich die bis Anfang 2014 dominierenden Milliardäre zwar weiterhin neue Unternehmen kaufen konnten, aber einen Einflußverlust hinnehmen mußten, gesellten sich neue Geschäftsmänner hinzu, die das Land seitdem wirtschaftlich und politisch mitdominieren - nicht zuletzt Oligarchen aus dem Umfeld des Oligarchenpräsidenten Petro Poroschenko.  

Profitables Präsidentenamt 
Poroschenko, der bis zum Staatsstreich im Jahr 2014 nur der zweiten Liga der ukrainischen Oligarchen zugeordnet worden war, ist derjenige Milliardär des Landes, der von der Entwicklung in der Ukraine seit 2014 geschäftlich am meisten profitiert. Er ist der einzige der ukrainischen Oligarchen, der, wie berichtet wird, selbst im Rezessionsjahr 2015 sein persönliches Vermögen vermehren konnte.  [4]  Laut Angaben des ukrainischen Wirtschaftsministeriums brach das Bruttoinlandsprodukt des Landes im vergangenen Jahr um 10,4 % ein. Für dieses Jahr erwarten Experten einen noch drastischeren Absturz der Wirtschaftskraft des Landes. Unabhängig davon floriert das Konzernimperium des Staatsoberhauptes: Mehrere Konzerne unter Poroschenkos Kontrolle profitieren von Staatsaufträgen; seine neu gegründete Holding International Investment Bank konnte ihre Bilanzsumme im Jahr 2015 gegenüber dem Vorjahr um 85 %  steigern.  [4]  

Die Anziehungskraft der Oligarchen 
Als exponiertester Zögling der deutschen Außenpolitik in der Ukraine galt lange Zeit der Ex-Boxer Witali Klitschko. Klitschko verdankte seine anfängliche Popularität nicht zuletzt der Tatsache, daß er eine erfolgreiche Karriere absolviert hatte, ohne von den verhaßten Oligarchen abhängig zu sein. Seine Partei UDAR erhielt vor allem in der Gründungsphase direkte Hilfe von der CDU und der Konrad-Adenauer-Stiftung. Mit dem Staatsstreich im Frühjahr 2014 wechselte diese in die neu geschaffene Regierungskoalition und Klitschko begann umgehend, seine Kooperation mit führenden Oligarchen des Landes, die er in den Jahren als Zögling der Berliner Außenpolitik aufgebaut hatte, zu intensivieren. Bereits kurz nach der Regierungsbildung Ende Februar 2014 trafen sich Klitschko und Poroschenko mit Dmitro Firtasch, einem der einflußreichsten Oligarchen der Ukraine, in Wien, wo Firtasch wegen einer Strafanzeige in den USA festsaß.  [5]  Laut Recherchen der britischen Zeitung The Guardiansteckte hinter dem juristischen Vorgehen gegen ihn das Kalkül, ihn wegen seiner Beziehungen nach Rußland politisch kaltzustellen. Unmittelbar nach dem Treffen gab Klitschko den Verzicht auf die Präsidentschaftskandidatur zugunsten von Poroschenko bekannt. Firtasch ist Besitzer des Fernsehsenders TV Inter, der kürzlich von rund 20 ukrainischen Nationalisten überfallen und verwüstet wurde.  [6]  

Der Strippenzieher 
Einer der einflußreichsten Politiker im Umfeld des amtierenden Präsident ist laut Beobachtern der ukrainische Oligarch Ihor Kononenko. Poroschenko und er verrichteten in den 1980er Jahren gemeinsam Militärdienst in der sowjetischen Armee und sind seit der Transformation der Ukraine in einen kapitalistischen Staat Geschäftspartner. Kononenko gilt als Schlüsselfigur in der Parlamentsfraktion der Partei Block Petro Poroschenko. Der in Kiew geborene Mann, der als graue Eminenz des Systems Poroschenko bezeichnet wird  [7], kontrolliert seit seinem Einzug ins Parlament das nominelle Staatsunternehmen Centrenergo, das 14 % der in der Ukraine verbrauchten Energie produziert.  [3]  

Oligarch aus Moskau 
Ein weiterer Oligarch im Umfeld von Präsident Poroschenko ist Konstantin Grigorischin. Der russische Staatsbürger ist seit zehn Jahren ebenfalls ein Geschäftspartner des derzeit amtierenden ukrainischen Präsidenten. Der frühere Premierminister Arsenij Jazenjuk hat den in Moskau lebenden Grigorischin als Agenten des FSB, also des russischen Geheimdienstes, bezeichnet. Zu Grigorischins ausschließlich in der Ukraine tätigen Firmen gehören der Transformatorenhersteller Zaporoschtranformator, das Stahlunternehmen Dneprospetsstal und diverse ukrainische Häfen. Seine Unternehmen zählen zu den profitabelsten des Landes - trotz wirtschaftlicher Rezession.  

EU-Kritiker 
Dem unmittelbaren Umfeld des Präsidenten gehört schließlich der Oligarch Jurij Kosiuk an. Er leitet das größte ukrainische Agrarunternehmen und gilt als einflußreicher Vertreter der Agrarlobby des Landes. Ganz wie Poroschenko baute Kosiuk seine Unternehmen in der mittelukrainischen Oblast Winnyzja auf, wo auch der heutige Ministerpräsident Wolodymyr Hrojsman von 2006 bis 2014 als Bürgermeister der Großstadt Winnyzja Karriere machte  -  bevor er Ende Februar 2014 Mitglied der Umsturzregierung in Kiew wurde. Poroschenko ernannte Kosiuk zunächst zum stellvertretenden Administrationschef für die Aufsicht über den Verteidigungs- und Sicherheitssektor. Ende 2014 mußte er allerdings von dem Posten zurücktreten, da er für seine eigenen Firmen zu offensichtlich gearbeitet hatte. Poroschenko machte ihn daraufhin zu seinem Berater. Im Frühjahr 2016 gab Kosiuk ein Interview, in dem er die Assoziierung der Ukraine mit der Europäischen Union kritisierte: Es handle sich nicht um ein Freihandelsabkommen, da die EU ihren Markt für ukrainische Agrarprodukte nicht geöffnet habe, erklärte er. Die Assoziierung bringe nur Vorteile für eine Seite - und zwar für die EU. Zum ersten Mal seit dem Frühjahr 2014 übte damit ein Kiewer Regierungspolitiker offen Kritik an der EU.  

Ökonomische Realitäten 
Tatsächlich bleibt die Ukraine trotz ihrer spektakulären Abwendung von der Eurasischen Union ökonomisch eng an deren Mitgründer Rußland und Belarus gebunden. Noch 2015 kamen 26,5 % der ukrainischen Importe aus diesen beiden Ländern; Rußland war vor der Türkei, China und Ägypten wichtigster Abnehmer ukrainischer Waren, während sich Polen und Italien, die jeweils 5,2 %  der ukrainischen Ausfuhr kauften, als erste EU-Staaten auf der ukrainischen Exportrangliste nur Rang fünf teilten. Selbst für die Belieferung der neugegründeten ukrainischen Nationalgarde mit Lastkraftwagen greift der Bogdan-Autokonzern - im Besitz des Präsidenten Poroschenko -  auf eine Lizenz  des belarussischen Unternehmens MAZ zurück. 

Der seit nunmehr zweieinhalb Jahren forcierte Pro-EU-Kurs der Ukraine hat an diesen ökonomischen Realitäten nichts geändert; die von Berlin mit an die Macht gebrachte neue Oligarchenriege um Poroschenko tut das ihre dazu.« 

Anmerkung politonline:  
Zur Wahl des US-handverlesenen Petro Poroschenko, Milliardär und Oligarch, zum Präsidenten der Ukraine hatte die Bürgerrechtsbewegung Solidarität vermerkt: »Mit diesem steht erstmals ein Vertreter der Oligarchen direkt an der Spitze des Staates. Das ukrainische Volk, egal ob pro-EU oder rußlandfreundlich, hat gleich zweimal verloren. Einerseits hat man den EU-Forderungen nach einer extremen Sparpolitik nachgegeben und damit die weitere Verarmung der Bevölkerung auf lange Zeit festgeschrieben. Andererseits wird das militärische Vorgehen gegen die eigene Bevölkerung im Süden und Osten des Landes verschärft und damit die Gräben zwischen den Landesteilen noch vertieft. Poroschenko selbst blickt auf eine Karriere als einer der Finanziers der  orangenen Revolution von 2004, als Direktor der Zentralbank, Außenminister und Vorsitzender des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats unter Präsident Juschtschenko sowie als Wirtschaftsminister unter Janukowitsch zurück; zuletzt trat er als Finanzier des Euromaidan auf.«  

Laut dem Wirtschaftsmagazin Forbes befand sich Poroschenko 2013 auf Platz sieben der ukrainischen Oligarchen mit einem geschätzten Vermögen von 1,6 Milliarden $, während das polnische Nachrichtenmagazin Wprost sein Vermögen 2005 auf lediglich ca. 350 Millionen $ geschätzt hatte. Wie die Neue Rheinische Zeitung am 28. 5. 2015 festhielt, »waren die Einnahmen von Poroschenko einer Meldung von BBC zufolge innerhalb seines ersten Jahres als Präsident der Ukraine um das Siebenfache gewachsen. Wie dabei betont wurde, geschah das trotz des fatalen Rückgangs der ukrainischen Wirtschaft und der Schwierigkeiten, auf die Poroschenkos Business in Rußland stieß. Hatte Poroschenko 2013 Gesamteinnahmen von umgerechnet mehr als 2 Millionen $ deklariert, so waren es 2014 bereits mehr als 17 Millionen $. 90 % davon machten Dividenden und Bankzinsen aus. Eine mögliche, allerdings nicht erschöpfende Erklärung wäre der Kursrückgang der nationalen Währung Griwna 2014. Es ist nicht ausgeschlossen, daß Poroschenko von seinen Devisenkonten beim Anstieg der Devisenkurse profitierte. Trotz seines Wahlversprechens hat Poroschenko seine Unternehmen nicht verkauft. Neben seiner Süßwarenfabrik Roshen, die ihre Einnahmen innerhalb eines Jahres verneunfachte, gehören ihm mehrere Lebensmittelgeschäfte, Glas- und Stärke-Fabriken, eine Versicherungsfirma, eine Investmentbank sowie mehrere TV- und Radiosender.« 

Dies obgleich die Bekämpfung der Oligarchen-Wirtschaft von der Regierung in Kiew zu einem der Hauptziele der Wirtschaftsreformen in der Ukraine erklärt worden war. Hinzu kommt, dass Kiew im Gegenzug für internationale Kredite in Höhe von 40 Milliarden $ das Sozialsystem abbauen und sowohl das Gesundheitssystem als auch den Bildungssektor privatisieren muss.  

Einen Überblick über die in die Ukraine fliessenden horrrenden Summen, mit denen der Steuerzahler ausgebeutet wird, vermittelt der Artikel  

Der Steuerzahler: Erbarmungslos gerupft

 

Quelle:  http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59455    6. 10. 16  Zauberlehrlinge (III)

[1]  Bernd Johann: Kommentar: Revolution der Würde in der Ukraine -   www.dw.com vom 21. 11. 2014
[2]  Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage von Sevim Dagdelen et al.: Möglicher Regime-Change in der Ukraine mit der extremen Rechten. Deutscher Bundestag, 18/863 vom 18. 3. 2014
[3]  Wojciech Kono?czuk: Keystone of the System - Old and New Oligarchs in Ukraine; Studie des O?rodek Studiów Wschodnich, Nr. 59 vom August 2016
[4]  Reinhard Lauterbach: Bilanzen eines Präsidenten. junge Welt vom 8. 9. 2016
[5]  Firtasch: Treffen mit Klitschko?, wien.orf.at vom 4. 4. 2014
[6]  Shaun Walker: Caught between Russia and the US? The curious case of Ukraine's Dmytro Firtash, theguardian.com vom 23. 1. 2016
[7]  Julia Smirnova: Wichtiger Reformer rechnet mit Poroschenkos Staat ab, welt.de vom 4. 2. 2016.