Arctic Roadmap

Deutsche Marinekreise, schreibt »German Foreign Policy«, debattieren über US-Pläne zur Militarisierung der Arktis. Wie das Bonner Fachblatt

MarineForum in seiner jüngsten Ausgabe berichtet, erarbeite die US-Navy zur Zeit konkrete Einsatzszenarien für das Polarmeer, um daraus Rüstungsprogramme für die kommenden Jahre zu entwickeln. Auch werde überprüft, eine dauerhafte Militärpräsenz im Hohen Norden zu etablieren. Die US-Pläne haben für die Bundesrepublik nicht nur deswegen Bedeutung, weil Washington sich zumindest teilweise mit seinen Verbündeten abstimmen will. Der zuständige Referatsleiter der deutschen Kriegsmarine hat davon unabhängig bereits im letzten Jahr erklärt, es gelte festzustellen, inwieweit bereits in Dienst befindliche Schiffe, Boote und Luftfahrzeuge zur Beteiligung an Operationen in Seegebieten des High North fähig sein könnten. Als günstig wird in Berlin ein EU-Beitritt Islands eingestuft, das als strategische Basis für Polarmeer-Operationen dienen könnte; die EU-Kommission befürwortet Beitrittsverhandlungen. Mißtrauisch beobachten westliche Stellen die jüngsten Bemühungen Chinas, seinerseits die Öffnung der Arktis zu nutzen.
 
Im vergangenen Sommer hatte die Zeitschrift Europäische Sicherheit deutsche Militärs über die National Security Presidential Directive 66 informiert, die der scheidende US-Präsident George W. Bush am 9. Januar 2009 erlassen hatte - eine seiner letzten Amtshandlungen. »Durch die zunehmende menschliche Aktivität in der Arktis sieht sich die USA gezwungen, ihre Präsenz und ihren Einfluß in der Region auszuweiten, um ihre dortigen Interessen zu wahren und um den Zugang der Seestreitkräfte in der gesamten Region zu gewährleisten«, faßte das Blatt die Direktive zusammen. Inzwischen liegt außerdem ein Strategiepapier der US-Marine vor (U.S. Navy Arctic Roadmap), das präzisere Vorschläge für die zukünftigen US-Aktivitäten im Polarmeer macht. Über diese Vorschläge informiert das MarineForum in seiner jüngsten Ausgabe.
 
Militärpräsenz
Demnach wird die USA mit Blick auf die Rohstoffe und die Seehandelsrouten des Polarmeers in den kommenden 5 Jahren zunächst die wahrscheinlichsten Bedrohungsszenarienerstellen [Ohne Bedrohung und Terror scheint in der USA nichts mehr konzipierbar; Anmerk. von politonline]. Daraus müßten dann konkrete Einsatzszenarien sowie Einsatzanforderungen entwickelt werden. Aus einer detaillierten Feststellung der für die Arktis notwendigen Fähigkeiten der Navy sollten Empfehlungen für künftige Entwicklungs- und Beschaffungsprogramme erarbeitet werden - präzise Aufrüstungspläne. Auch müsse man feststellen, inwieweit eine ständige Militärpräsenz im Hohen Norden und die Einrichtung neuer Militärstützpunkte an der Nordküste Alaskas nötig sei [1]. Das MarineForum weist darauf hin, daß ein eisfreies Polarmeer nicht nur der Handels-, sondern auch der Kriegsschifffahrt neue Mobilitätsoptionen eröffne: Die Transitzeiten zwischen der US-Ostküste und Ostasien verkürzten sich wesentlich.
 
Operationen im Eismeer
Die US-Pläne für die Militarisierung der Arktis, über die deutsche Marinekreise diskutieren, haben nicht nur deswegen Bedeutung für Deutschland, weil Washington angekündigt hat, die Polarmeer-Anrainer und seine Verbündeten zumindest teilweise in seine Vorhaben einzubeziehen. Auch Berlin denkt mittlerweile über eventuelle Interventionsoptionen im Hohen Norden nach. Es stelle sich die Frage, inwieweit bereits in Dienst befindliche Schiffe, Boote und Luftfahrzeuge zur Beteiligung an Operationen in Seegebieten des High North fähig sein könnten, erklärte der Referatsleiter für Konzeption und planerische Vorgaben im Führungsstab der deutschen Kriegsmarine bereits letztes Jahr. In jedem Falle werde das Flottenkommando in Glücksburg »als Schnittstelle der nationalen und internationalen Lagebildorganisation künftig noch mehr Informationen verarbeiten müssen, um ein valides Lagebild zu generieren«, äußerte der Referatsleiter mit Bezug auf das Polarmeer. Als günstig für eine deutsch-europäische Einflußnahme in der Arktis gilt in Berlin ein EU-Beitritt Islands. Das Land könne wegen seiner nördlichen Lage als strategischer Brückenkopf in den für die EU zunehmend wichtigen arktischen Raum gelten, hieß es bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) schon im vergangenen Jahr. Island spiele eine große strategische Rolle bei allen Themen, die die Arktis betreffen, erklärte im Februar der schwedische Außenminister Carl Bildt: »Derzeit hat die EU bei diesem Spiel überhaupt keine Rolle.« Entsprechende Bedeutung kommt der Entscheidung der EU-Kommission von Ende Februar zu, die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit Island zu befürworten. Island besitze strategische Bedeutung in der Arktis, bestätigte auch der EU-Beitrittskommissar in der Entscheidungsbegründung.
 
 
Quelle - auszugsweise: Eigener Bericht von German Foreign Policy
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57760  11. 3. 2010
[1] Neue Front im Norden. Arktis-Fahrplan der US-Navy; MarineForum 3/2010