US-Gesundheitsreform - Der Massenprotest setzt sich fort

Nur sehr selten hat man in Amerika eine derartige Welle allgemeinen Protestes gesehen wie in den letzten Wochen. Im August kamen Hunderte, manchmal sogar Tausende von Bürgern zu Versammlungen ihrer Kongreßabgeordneten und Senatoren, um ihrem Zorn Ausdruck zu verleihen und sie zum Handeln aufzufordern.

Meist müssen vor den Sälen Lautsprecheranlagen eingesetzt werden, damit die Massen zuhören können, wenn drinnen die Politiker, auch Republikaner, zur Rede gestellt und  ausgebuht werden. In vielen Fällen werden Aktivisten von Lyndon LaRouches politischem Aktionskomitee LPAC, die bei solchen Treffen protestieren, gefilmt und interviewt. Anläßlich einer Umfrage vom 30. August sprachen sich 57 % der Amerikaner dafür aus, sämtliche Amtsinhaber im Kongreß abzuwählen. Die Bürger sind erzürnt, weil die Regierung den Banken mit ihren grotesk überbezahlten Managern Milliarden zur Verfügung stellt, während Präsident Obama  gleichzeitig ankündigt, die Gesundheitsausgaben, insbesondere für Rentner, um 30 % zu kürzen. Dies zu einem Zeitpunkt, zu dem die inoffizielle Arbeitslosigkeit auf 30 % ansteigt. 48 der 50 Bundesstaaten sind insolvent, doch die Bundesregierung verweigert ihnen Hilfe. In Kalifornien hat Gouverneur Arnold Schwarzenegger damit begonnen, Staatseigentum wie Dienstwagen, Computer, Büromöbel etc. öffentlich zu versteigern.
 
Die Gesundheitspolitik ist verständlicherweise das unmittelbare Ziel des Volkszorns. Zur enormen Enttäuschung aller Amerikaner, die sich von Obama bessere Jobs und Gesundheitsversorgung versprochen hatten, fordert er stattdessen Austerität. Wie Peter Orszag, der Leiter des Haushaltsamts am 25. 8. 09 erklärte, sei nicht etwa die Bankenrettung am Rekorddefizit des Haushalts schuld, sondern das Gesundheitswesen. Diese Propaganda schlucken die Amerikaner allerdings nicht. Die wichtigsten Punkte des Widerstands gegen die Gesundheitsreform sind die obligatorischen ­­­›Beratungenüber Patiententestamente für ältere Menschen - worin man ganz richtig Euthanasie erkennt - sowie der unabhängige Expertenrat, der über Beschränkungen bei Behandlungen entscheiden soll. Alle Mitglieder des Repräsentantenhauses müssen sich 2010 zur Wiederwahl stellen, und die Politiker merken, wie sich der Wind gedreht hat. So kommentierte der demokratische Senator Russ Feingold, er habe niemals eine so tiefgehende Spaltung wie in der Gesundheitsfrage gesehen. Sein Kollege Jim Webb sprach von der ­­­›berechtigter Sorgeder Bürger, daß die Regierung ihnen etwas gegen ihren Willen aufzwingen wolle 1.
 
Am 7.8. hatte Obama einen geplanten Auftritt bei einer Bürgerversammlung über seine Gesundheitspolitik in Arlington (Virginia) plötzlich abgesagt, ebenso mehrere weitere diesbezügliche öffentliche Auftritte. Statt wie vorgesehen ringsum im Land für seine Gesundheitsreform zu werben, ergriff er praktisch die Flucht. Die meisten Kongreßmitglieder gingen auf ähnliche Weise auf Tauchstation, um der Massenrevolte gegen das, was die Bürger als Verrat ihres Präsidenten und ihrer Volksvertreter empfinden, auszuweichen. Der Präsident war wiederholt dabei ertappt worden, wie er im Namen von Reform und Rettung des Systems persönlich eine Politik der Euthanasie und radikaler Einschnitte im Gesundheitswesen befürwortete. In seinen Plänen werden ganze Bevölkerungsgruppen wie einst im Dritten Reich als lebensunwertes Leben eingestuft, und immer mehr Amerikaner werden sich dessen bewußt. Die Kongreßpolitiker, die zum Urlaub in ihre Wahlkreise zurückkehrten, erfuhren den enormen Unmut der Bevölkerung. Medien wie CNN, NBC und Wall Street Journal zeigten ein Foto mit dem Obama-Hitler-Plakat. In einem Vorort von Tampa (Florida) waren am 6. 8. etwa 1.500 Menschen zu einer Versammlung mit der demokratischen Abgeordneten Kathy Castor gekommen. Das Treffen, das als Werbung für Obamas Gesundheitsreform gedacht war, wurde von der vom Weißen Haus organisierten GruppeOrganizing for America und der von George Soros [Anmerk. politonline: wo wäre dieser auch nicht involviert!] unterstützten Gewerkschaft SEIU veranstaltet – jedoch verlieh  die Mehrheit der Anwesenden ihrer Wut auf diese Politik Ausdruck. Auf einem Video-Mitschnitt ist zu sehen, wie SEIU-Schläger einige dieser Teilnehmer angreifen und daß es beinahe zu einer Massenschlägerei gekommen wäre. In St. Louis (Missouri) wurde am 6. 8.
1.000 Bürgern der Zutritt zu einer groß angekündigten Versammlung mit dem Abgeordneten Ross Carnahan verweigert, während man SEIU-Mitglieder durch eine Nebentür einließ. SEIU-Leute und fanatische Obama-Anhänger griffen dort Demonstranten an; es gab sechs Verhaftungen. Verschiedene Kongreßabgeordnete veranstalten nun ihre Treffen per Videoschaltung, um sich nicht einer wütenden Menge stellen zu müssen. Überall im Land sieht man das gleiche Bild: sogar republikanische Abgeordnete, die Obamas Entwurf ablehnen, spüren den Volkszorn. Die Wähler sind mit dem Versprechen, gegen das Gesetz zu stimmen, nicht zufrieden und verlangen, daß ihre Vertreter weit mehr tun, als nur dagegen zu sein. In seiner wöchentlichen Radiosendung hatte Obama am 8. August bestritten, daß sein Gesetz die Euthanasie fördere, obwohl er nur eine Woche zuvor  im Laufe einer Pressekonferenz fünfmal angekündigt hatte, daß bei seiner Reform die Einrichtung eines unabhängigen Gremiums zur Überwachung medizinischer Leistungen und Kostensenkung im Mittelpunkt stehe. Die jetzige Revolte ist praktisch die kumulative Reaktion gegen jene gewählten Volksvertreter, die nicht gewillt scheinen, ernsthaft etwas gegen den schweren Wirtschafts- und Finanzkollaps zu unternehmen. Die republikanische Abgeordnete Michele Bachmann verurteilte den wichtigen gesundheitspolitischen Berater des Weißen Hauses, Dr. Ezekiel Emanuel, den Bruder von Obamas Stabschef Rahm Emanuel, namentlich, weil er den Hippokratischen Eid verwerfe und Euthanasie befürworte 2.
 
In einem Artikel mit dem bezeichnenden Titel Prinzipien der Zuteilung knapper medizinischer Leistungen, der am 31. 1. 2009 in der britischen medizinischen Fachzeitschrift Lancet erschienen war, beschreibt Ezekiel Emanuel die Kriterien, die bei der Frage, bei welchen Gruppen der Bevölkerung eine medizinische Behandlung bewußt unterlassen werden soll, ausschlaggebend sind. Am 19. 3. 09 hatte der Bundeskoordinationsausschuß für vergleichende Effektivitätsforschung Emanuel beauftragt, eine bundeseinheitliche Regelung für die Verweigerung einer Behandlung zu entwerfen. In seinem Artikel schreibt Emanuel, daß seine Methode »eine Kurve liefert, auf der Personen im Alter zwischen 15 und 40 Jahren die substantiellsten Chancen haben, während die Chancen bei den jüngsten und ältesten Menschen abfallen«. Auch die öffentliche Meinung rechtfertige dies, weil »ein breiter Konsens Jugendlichen gegenüber sehr kleinen Kindern und jungen Erwachsenen gegenüber sehr alten Menschen den Vorzug gibt.« Kaltblütig schreibt er dann, warum »der Tod einer 20jährigen Frau intuitiv schlimmer ist als der eines zweimonatigen Mädchens«, usw., ein Paradebeispiel psychologischer Kriegsführung. Emanuel behauptet, seine Methode sei menschlicher als die Kriterien der sogenannten qualitätsgewichteten Lebensjahre (QALY) und behinderungsgewichteten Lebensjahre (DALY). Das Leben verschiedener Menschen sei unterschiedlich wichtig und nicht heilig. Wie Strategic Alert bereits früher berichtete, schrieb Emanuel schon 1996, daß Menschen, die »unwiderruflich kein aktiver Bürger mehr sein können«, kein Recht auf medizinische Behandlung hätten, wobei er speziell Demenzkranke erwähnte 3.
 
Im Juli 2007 starb der 22jährige Brite Gary Reinbach in einem britischen Krankenhaus an Leberzirrhose, weil die zuständigen Gesundheitsbehörden ihm eine Lebertransplantation verweigerten. Reinbach war seit seinem 13. Lebensjahr, nach der Scheidung seiner Eltern, zum schweren Trinker geworden und wurde schließlich mit 22 Jahren todkrank ins Krankenhaus eingeliefert. Er versprach, mit dem Trinken aufzuhören, war jedoch zu krank, um das Krankenhaus zu verlassen, um dann über sechs Monate trocken zu bleiben, wie es die Bestimmungen für Transplantationen vorschreiben; daraufhin wurde er vom Nationalen Gesundheitsdienst (NHS) einfach abgeschrieben. Über die Schrecken des britischen Gesundheitswesens ließen sich ganze Bände füllen, besonders seit 1999 das National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) eingerichtet wurde. Es entscheidet nach reinen Kostenerwägungen, welche Behandlungen und Operationen vom NHS bewilligt werden. Anfang 2007 ermunterte Gesundheitsministerin Patricia Hewitt die Chirurgen, Raucher und Fettleibige nicht mehr zu operieren. Sie schlug vor, diese Selektion, mit der einige Krankenhäuser 2005 begonnen hatten und die mittlerweile in jedem zehnten Krankenhaus praktiziert wird, auf alle auszudehnen. In der Grafschaft Suffolk haben Fettleibige kein Recht mehr auf eine Ersetzung von Gelenken (Hüfte oder Knieprothesen). Den meisten britischen Patienten mit Herzproblemen werden Bypass-Operationen verweigert, wenn ihr Lebensstil als zu ungesund beurteilt wird. Seit Jahren wird älteren Patienten die Behandlung von Krankheiten wie Krebs, besonders Brustkrebs, nicht mehr gewährt. Wie der Londoner Onkologe Dr. Karol Sikora belegt hat, liegt die allgemeine Überlebensrate von Krebspatienten in Großbritannien viel niedriger als in anderen europäischen Ländern. Als Professor für Krebsmedizin am Imperial College of Medicine ist Dr. Sikora ein ausgesprochener Kritiker der Rationierung von Gesundheitsleistungen und hat sich mit Nachdruck an die Amerikaner gewendet, das von der Regierung Obama angepriesene britische Modell zurückzuweisen 3.
 
 
Quellen:
1 Strategic Alert, Jahrgang 23, Nr. 36 vom 2. September 2009
2 Strategic Alert, Jahrgang 23, Nr. 33 vom 12. August 2009
3 Strategic Alert, Jahrgang 23, Nr. 32 vom 5. August 2009