Schreiben vom 17. 1. 2006 an den Ständerat Dick F. Marty in der Angelegenheit der geheimen Flüge resp. Gefängnisse der CIA in Europa

Sehr geehrter Herr Dr. Marty, ich erlaube mir, auf das Ihnen am 3. Januar 2006 zugesandte e-mail zurückzukommen, dessen Inhalt ich nachstehend nochmals mitsende. Ich hatte darum gebeten, mir wenigstens den Eingang dieses Schreibens kurz zu bestätigen und möchte diese Bitte hiermit wiederholen.

Es wird im Augenblick auffallend viel Wirbel um die abgefangene geheime Fax-Mitteilung gemacht, so dass man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass dies womöglich dazu dienen soll, von der Kernsache, nämlich den in der NEW TRANSATLANTIC AGENDA enthaltenen Verfügungen abzulenken. Diese kann ja wohl nicht erfunden sein. Es ist ferner auffallend, dass es offenbar niemand in Angriff nimmt, sich mit dieser zu befassen; sie ist nirgends Gegenstand der Diskussion. Aber gerade dieses nicht offengelegte Abkommen beweist einmal mehr, was hinter dem Rücken des Bürgers in Brüssel alles verhandelt wird.
In meinen Augen stellen Übereinkommen dieser Art genau  d a s  Fundament dar, das Terror provoziert. Aber das möchte niemand wahrhaben. Wie wollte man auch auf Regierungsebene die Stimme gegen die USA, mit der die Mehrheit der Banken und Konzerne vernetzt ist, ernsthaft erheben. Da liefe man ja der Gefahr, einen Riss in der Fassade des WEF in Davos, die wir längst durchschaut haben, zu verursachen.
 
Wie Sie am 13. 1. in Burgdorf unter anderem darlegten, geht es jetzt vielmehr um die europäischen Staaten, über deren passive Haltung Sie schockiert seien. Die europäischen Geheimdienste hätten entweder von den amerikanischen Methoden gewusst oder sich gar selber zu Komplizen gemacht. Ich denke, das ist genau der Punkt, der ausschliesslich an
Hand der NEW TRANSATLANTIC AGENDA verifiziert werden kann. Einer Mitteilung von aljazeera  vom 15.1.06 zufolge heisst es, dass Sie am 23. Januar einen vorläufigen Bericht vorzulegen gedenken. Gleichzeitig liessen Sie jedoch verlauten, dass eine vollständige Unter-suchung nicht vor einem Jahr erfolgt. Wir hoffen nicht, dass dies so zu interpretieren ist, dass man glaubt, dass die Angelegenheit bis dahin weitgehend aus dem Gedächtnis der Öffentlich-keit getilgt sein wird, oder dass dies bedeuten könnte, dass nicht wirklich ernsthaft erwogen wird, Licht in die Angelegenheit zu bringen. Sie argumentierten in dem Interview ferner dahingehend, dass es für Washington unmöglich war, die Gefangenenflüge in Europa durch-zuführen, ohne dass jemand gewusst hätte, was vor sich ging. Dies trifft genau den Kern der Sache. Damit bleibt nur eine einzige Vorgehensweise, nämlich von  Brüssel zu verlangen, dass die EU-Kommission die NEW TRANSATLANTIC AGENDA herausgibt. Eine ent-sprechende Aufforderung wird noch im Laufe dieser Woche an das Europäische Parlament
in Strassburg gehen.
 
Mit freundlichen Grüssen  Doris Auerbach
 
cc: www.politonline.ch
Peter Aebersold Zürich
Willy Wahl Zürich
Young4FUN  u.a.
 
 
 
 
Schreiben vom 3. Januar 2006 an Ständerat Marty
 
Sehr geehrter Herr Dr. Marty,
wie der Presse zu entnehmen war, befassen Sie sich mit der Angelegenheit der geheimen Flüge resp. Gefängnisse der CIA innerhalb Europas. Es ist auffallend, wie wenig dieses immerhin schwerwiegende Thema noch zur Sprache kommt. Ich erlaube mir daher, Ihnen eine Mitteilung des jeweils absolut zuverlässig orientierenden französischen Informations-dienstes Réseau Voltaire zugehen zu lassen, aus der einwandfrei hervorgeht, dass die EU hier voll impliziert ist und der Öffentlichkeit einmal mehr brisante Fakten vorenthalten werden, die, wollen wir unserer jeweils ins Feld geführten Demokratie gerecht werden, zur Sprache gebracht werden müssen.
 
Die Mitteilung von Réseau Voltaire kommt gewissermassen einem Schuldeingeständnis der EU-Kommission in Brüssel gleich. Aus ihr geht hervor, dass die EU die Einrichtung der geheimen Gefängnisse der CIA schon von Januar 2003 an schriftlich autorisiert hat. Nach deren „Entdeckung“ hatten die europäischen Regierungen vermehrte Forderungen nach Erklärungen dafür gestellt, dass solche auf ihren eigenen Territorien errichtet worden waren. Sie gaben sich aber dann seltsamerweise mit den ausweichenden Erklärungen von Condo-leezza Rice bei ihrem Besuch in Brüssel Anfang Dezember 05 zufrieden. Die Aussenmini-sterin hat ihnen nämlich ein kompromittierendes Dokument vorgelegt: Die Originalurkunde zu der von der Abteilung Justiz und innere Angelegenheiten des europäischen Ministerrats und Vertretern des US-Justizministeriums am 22. Januar 2003 gemeinsam in Athen abgehal-tenen Sitzung. Dieses Geheimdokument, das den Titel ‚New Transatlantic Agenda’ [Neue transatlantische Agenda] trägt, umfasst verschiedene Verpflichtungen, die darauf abzielen, die europäischen Gesetzgebungen auf den US-Patriot Act auszurichten. Es ist hier zu lesen, dass die Europäer ihre Ermächtigung zu einer <erhöhten Benutzung europäischer Transportein-richtungen> erteilen, um bei der Rückkehr von Kriminellen resp. unerwünschten Fremden Hilfe zu leisten. Knapp formuliert: Die „Folterflüge“ sowie die geheimen Gefängnisse der CIA in Europa sind in voller Kenntnis des Sachverhalts und schriftlich genehmigt worden.
 
Auf Grund dieser Tatsachen wäre es erforderlich, alles zu unternehmen, damit die EU-Kommission in Brüssel dieses Dokument öffentlich macht. Ich erlaube mir ferner, Ihnen eine zusätzliche Information von German Foreign Policy zugehen zu lassen, deren Fakten sich zwar ausschliesslich auf die BRD beziehen, aus der jedoch ebenfalls hervorgeht, in welchem Ausmass wir hintergangen werden.  -  Für eine kurze Bestätigung des Eingangs meines Schreibens wäre ich Ihnen verbunden.
 
Mit meinen besten Wünschen für ein erfreuliches und erfolgreiches neues Jahr und
freundlichen Grüssen  Doris Auerbach