Iran: Spiel mit dem Feuer - Von Knut Mellenthin 18.07.2009 18:19
Obama stellt Iran in Sachen Atomstreit Ultimatum bis September. Barack Obama hat die »Deadline«, den Termin, bis zu dem Iran im Atomstreit einlenken soll, um drei Monate verkürzt. Am Rande des G-8-Gipfels im italienischen L?Aquila drohte der US-Präsident am 10. Juli 09 mit »weiteren Schritten«,
falls der Iran nicht bis zum Treffen der G-20 im September die Forderung nach Einstellung aller Arbeiten an der Uran-Anreicherung akzeptiert hätte. Das Treffen der zwanzig bedeutendsten Industrienationen, auf die 85 % der Weltwirtschaft entfallen, findet am 24. und 25. September in Pittsburgh (USA) statt. Noch im Mai hatte Obama erklärt, daß man zum Jahresende eine Bilanz der iranischen Haltung ziehen und dann über eventuell erforderliche weitere Maßnahmen beraten wolle. Der US-Präsident äußerte sich damals während des Besuchs von Benjamin Netanjahu in Washington. Die Fristsetzung wurde allgemein als Zugeständnis an den israelischen Premierminister interpretiert. Zuvor hatten die Regierung in Jerusalem und die amerikanische Pro-Israel-Lobby gefordert, Obama müsse sein Verhandlungsangebot an den Iran mit einer Befristung verbinden. Daß die israelische Regierung die Zwischenzeit erfolgreich genutzt hat, um den Druck auf Obama zu erhöhen, die Frist weiter zu verkürzen und damit ein Scheitern der Verhandlungen noch wahrscheinlicher zu machen, konnte man spätestens der Tageszeitung Haaretz vom 6. Juli entnehmen: »Israelische Regierungsbeamte, die mit der iranischen Angelegenheit befaßt sind, berichten, daß die Zusammenarbeit mit Deutschland, Großbritannien und Frankreich sehr fruchtbar war und daß die drei europäischen Mächte mit Israel gemeinsam daraufhin gewirkt haben, zwei Ziele zu erreichen: die USA dazu zu bringen, den Dialogprozeß mit Iran schon während der UNO-Vollversammlung im September zu bewerten, statt noch mehrere Monate abzuwarten, und sicherzustellen, daß der militärische Anhang zum Iran-Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde, der im September fällig ist, veröffentlicht wird.« Die UNO-Vollversammlung wird am 15. September eröffnet. Die wesentlichen Debatten finden am 23. bis 26. und am 28. bis 30. September - also nach Pittsburgh - statt. Obama begleitete die Bekanntgabe der neuen Fristsetzung mit auffallend alarmistischen Sätzen: »Wir haben nicht vor, endlos lange zu warten und die Entwicklung nuklearer Waffen und den Bruch internationaler Verträge zuzulassen, um dann eines Tages zu erwachen, uns in einer viel schlimmeren Situation wiederzufinden und nicht mehr handlungsfähig zu sein.« Die Diktion ähnelt sehr der Rhetorik der damaligen Nationalen Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice vor dem Angriff auf Irak im Frühjahr 2003. Sie hatte gewarnt, daß der »smoking gun«, der Beweis für die Existenz eines irakischen Nuklearwaffen-Programms »ein Atompilz« sein könnte. Anders als damals präsentiert die heutige US-Regierung aber noch nicht einmal scheinbare Anhaltspunkte für ihre Behauptung, Iran arbeite an der Entwicklung von Atomwaffen. Der Iran, so sagte Obama in L’Aquila weiter, habe immer noch die Wahl, »durch die Tür zu gehen«, also sich den Forderungen der USA und der EU zu unterwerfen. »Wenn sich der Iran dazu entscheidet, nicht durch diese Tür zu gehen, dann werden nicht nur die G-8, sondern, denke ich, auch eine Menge anderer Länder sagen, daß wir weitere Schritte unternehmen müssen.« Ob er dabei »nur« an harte Wirtschaftsanktionen, vielleicht auch eine militärische Seeblockade denkt oder an offene Kriegshandlungen, führte Obama nicht aus. Anmerkung politonline d.a. Was die geforderte Einstellung der Uran-Anreicherung betrifft, so hat Mellenthin festgehalten 2, daß US-Senator Kerry Obama Mitte Juni zu einer Neuorientierung im Atomstreit aufgefordert hatte: »Selbstverständlich hat der Iran als Unterzeichner des Atomwaffensperrvertrags das Recht, Uran schwach anzureichern, um Brennstoff für Atomkraftwerke zu gewinnen. Voraussetzung ist die Überwachung des Prozesses durch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA). Diese ist zweifelsfrei gegeben. Der Versuch, den Iran unter ein diskriminierendes, nur für diesen einen Fall gemachtes Anreicherungsverbot zu stellen, entbehrt - wie iranische Politiker in den vergangenen Jahren nicht müde wurden zu argumentieren - jeglicher Rechtsgrundlage und ist daher geeignet, die Autorität des Sicherheitsrats zu schädigen. Auch dieses Gremium muß im Rahmen des internationalen Rechts und geltender Verträge handeln, darf also nicht wie ein autokratischer Gesetzgeber handeln und dabei auch noch die elementaren Grundsätze der Gleichbehandlung aller Staaten verletzten.« Hinter dem iranischen Atomprogramm, das während der Regierung Ford initiiert wurde, stehen im eigentlichen so altbekannte Figuren wie Cheney, Rumsfeld und Wolfowitz 3, was zu keinem Zeitpunkt je nochmals in die Waagschale geworfen würde. Ein unverrückbarer, jedoch selten zitierter Fakt ist ferner die Tatsache, daß der Iran alle IAEA-Verträge und Abkommen unterzeichnet hat, dies im Gegensatz zu dem langjährigen engen Verbündeten der USA, Pakistan. Auch Indien und Israel gehören zu den Nichtunterzeichnern, während Nordkorea im Januar 2003 aus dem Vertrag ausschied. Die CIA erklärte 2006 öffentlich, keine Beweise für ein iranisches Atomwaffenprogramm gefunden zu haben; diesbezüglich vermerkte der Spiegel am 19. 11. 2006, »daß das Weiße Haus dies verheimliche, um eine militärische Option offenzuhalten.« Am 16. 10. 06 war einem zwischen Seymour Hersh und Scott Ritter vor der ›New York Society for Ethical Culture‹ geführten Gespräch zu entnehmen, daß sowohl der israelische Geheimdienst Mossad als auch die CIA definitiv wissen - dies nicht zuletzt aus den vom Mossad in das iranische Urananreicherungsprogramm eingeschleusten Quellen - daß der Iran kein Atomwaffenprogramm verfolgt. »Bei einem Angriff«, hieß es, »wird die Antwort des Irans hauptsächlich auf ökonomischem Gebiet erfolgen, insbesondere in der Unterbrechung resp. Zerstörung wichtiger Ölförderanlagen und Transportwege im mittleren Osten; der Rohölpreis wird dann innerhalb von Tagen emporschnellen.« Am 13. Februar dieses Jahres bestätigte auch der neue Leiter des US-Geheimdienstes, Dennis Blair, die in einem Geheimdienstbericht vom 2007 niedergelegten Feststellungen, laut denen der Iran kein Programm für nukleare Waffen verfolgt. Letztere basieren auf den Recherchen von 16 US-Geheimdienstagenturen. Blair fügte hinzu, daß die CIA glaube, daß es unwahrscheinlich sei, daß der Iran vor 2013 genügend angereichertes Uranium für ein nukleares Waffenprogramm produzieren könne 4. Selbstredend wird den Stimmen, die das Gegenteil behaupten, des öfteren breiter Raum in der Presse gewährt. Zu diesen zählt auch Hans Rühle, vormals Leiter des Planungsstabes im deutschen Verteidigungsministerium, der in der Neuen Zürcher Zeitung im Januar 2008 mit folgender Schlagzeile in Erscheinung trat 5: »Iran kann unbeirrt an der Bombe weiterarbeiten. Der letzte Schritt zur Produktion eines atomaren Sprengkopfes wird in kürzester Zeit möglich sein.« Rühle stellt seinen Ausführungen zwar die Feststellung voran, daß der Iran laut Erkenntnissen der US-Geheimdienste sein militärisches Nuklearprogramm 2003 eingestellt hat. »Über zivile und andere (geheime) Installationen«, heißt es dann jedoch anschließend, »wird das Land aber spätestens 2009 in der Lage sein, den letzten Schritt zu waffenfähigem Uran in kurzer Zeit zu tun. Dies wird trotz klaren Hinweisen im Westen kaum zur Kenntnis genommen.« Nun sind die Hinweise ja offensichtlich nicht ganz so klar, wie Herr Rühle meint; ferner läßt sich das, was nicht wirklich zu beweisen ist, wohl kaum verstärkt wahrnehmen. Zu den von Rühle vorgebrachten Argumenten gehört folgende: »Die Tatsache, daß der Iran zwar die Herstellung waffenfähigen Urans in geheimen Anlagen eingestellt hat [wobei er letzteren eine gesteigerte Bedeutung beizumessen scheint], die Produktion von schwach angereichertem Uran aber in Natanz weiter betreibt, läßt vermuten, daß der Iran die japanische Variante einer ›virtuellen Nuklearmacht‹ kopiert. Das heißt, der Iran schafft alle Voraussetzungen, die ihn in die Lage versetzen, zu einem beliebigen Zeitpunkt innerhalb eines halben Jahres zur echten Nuklearmacht aufzusteigen.« So ist der Verfasser auch in dem Glauben, »…..daß an geheimer Stätte seit vielen Jahren auf hochangereichertes Uran optimierte Zentrifugen laufen.« Ein konkreter Nachweis für solche wird allerdings nicht erbracht. Auch in Rühles Sicht der Dinge erkenne ich ich eine ungeheure, menschenverachtende Anmaßung, wenn er schreibt: »Die Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats sind daher gut beraten, wenn sie auch weiterhin unter Androhung von Sanktionen die Aussetzung aller Anreicherungsaktivitäten im Iran fordern. …… Dabei braucht Teheran nicht geschont zu werden, auch wenn ein Großteil der Medien geneigt ist, nun Bonuspunkte an das Regime der Mullahs zu verteilen.« Die Hetze gegen diesen Staat füllt ganze Seiten und läßt in mir leider akute Zweifel an der Intelligenz der diese Aussprechenden aufkommen. Ein Blick auf die homepage von Thomas Immanuel Steinberg ergibt, daß Rühle auch an anderer Stelle Mißfallen erregt hat. Dort liest man: »Hans Rühle lügt sich durch die Kommerzpresse - Das Nuklearprogramm Irans befinde sich im entscheidenden Stadium, schrieb Hans Rühle in der Süddeutschen Zeitung vom 23. Oktober 2008«. Siehe http://www.steinbergrecherche.com/08springer.htm#Ruehle Abhandlungen der obigen Art stellen natürlich den idealen Unterbau für verbale Angriffe auf das Land dar, wovon einige recht seltsame Blüten treiben. So meinte beispielsweise das CDU-Mitglied Philipp Mißfelder Mitte Juni, daß sich die Unternehmen fragen lassen müßten, »ob der ausgeprägte Handel mit dem Land nicht eine Sauerstoff-Zufuhr für das Regime von Mahmud Ahmadinedschad sei«. Was an diesem Handel angesichts der auf fast allen Ebenen zum Einsatz kommenden Sanktionen gegen den Iran noch ausgeprägt sein soll, das möchte man gerne wissen. Charlotte Knobloch schaltete bezüglich des Irans eine etwas härtere Gangart ein, indem sie Anfang November letzten Jahres erklärte, daß der Westen und Israel das Atomprogramm des Irans notfalls mit militärischer Gewalt stoppen müßten. »Atombomben in den Händen eines Irren wie Ahmadinedschad« seien…... »eine große Gefahr für Millionen von Menschen in ganz Europa, die er opfern würde. Daran muß man ihn mit allen Mitteln hindern.« Wer in meinen Augen indessen seit 2001 ohne Unterlaß Menschen ›opfert‹, ohne daß sich jemand fände, der dies verhinderte, das ist die USA nebst all ihr willig dienenden Verbündeten. Eine große Gefahr erkenne ich ferner in all jenen, die offensichtlich noch immer nicht begriffen haben, was Militärschläge unter den heutigen Voraussetzungen bedeuten und nicht davor zurückschrecken, solche in Betracht zu ziehen. Auch Hillary Clinton kann offensichtlich nicht das Gleis wechseln und nutzte soeben eine vor dem CFR gehaltene Rede, um klarzumachen, was die US-Regierung vom Iran verlange, um von ihr als »Mitglied der internationalen Gemeinschaft« akzeptiert zu werden. Dazu gehöre, daß der Iran »aufhören müsse, seine Nachbarn zu bedrohen«. Man kann annehmen, daß keiner der Zuhörer darauf hingewiesen hat, daß es nicht der Iran ist, der die Bedrohung darstellt, sondern der Westen, der das Land mittels Sanktionen sozusagen zu erdrosseln sucht und es durch seine Drohungen unausgesetzt erniedrigt. Das zweifelsohne lupenreinste Eigentor dürfte Clintons Forderung an den Iran gewesen sein, »seine Verpflichtung gegenüber den Menschenrechten erfüllen«, um von der USA akzeptiert zu werden, obwohl ihr eigener Staat diese für alle sichtbar auf schwerste Weise verletzt hat. »In Wirklichkeit,« schreibt Knut Mellenthin zu Recht, »hat die Mehrheit der Staaten der Welt keine Zweifel daran, daß der Iran ein verantwortungsbewußtes Mitglied der internationalen Gemeinschaft ist. Auch Rußland und China, die die US-Regierung für ihren Konfrontationskurs ins Boot kriegen will, behandeln das Land keineswegs als ›internationalen Paria‹, wie es die USA und die EU tun. Außerdem hat die US-Regierung kein Mandat von ihren Partnern im Rahmen der Iran-Sechs, die spezielle Problematik des Atomstreits mit beliebigen anderen Forderungen, die sogar die iranische Innenpolitik betreffen, zu vermengen und zu belasten.« Jedenfalls wird verständlich, daß der iranische Parlamentspräsident Ali Larijani gleich zu Beginn der diesjährigen Sicherheitskonferenz in München klarmachte, daß sein Land bei der atomaren Aufrüstung zu keinem Kurswechsel bereit sei. Larijani sprach der USA und dem Westen jedes Recht ab, Einfluß auf das Atomprogramm seines Landes zu nehmen. Die USA sei für Krieg, Tod und Unterdrückung im Nahen Osten verantwortlich. Während sein Land für die Atompolitik verurteilt werde, sagte Larijani, hätte die USA keine Schwierigkeiten mit Israels Nuklearprogramm oder den Atomtests in Pakistan und Indien. Gegen diese Länder gebe es keine Sanktionen. Worin man ihm voll beipflichten muß, insbesondere mit Blick auf Pakistan, das derzeit mit Hilfe der USA seine nukleare Waffenkapazität ausbaut. Daran nimmt auch der IWF, der diesen Staat - wie schon zuvor - erneut vor einem Staatsbankrott bewahrt, keinen Anstoß. Welch unterschiedliche Maßstäbe hier angelegt werden, ist für jeden erkennbar. Mit einem weiteren Inferno wäre niemandem gedient. Im Gegenteil: ein Krieg gegen den Iran würde uns unweigerlich in den Abgrund stürzen, an dessen Rand wir längst stehen. Siehe auch Irans Atomprogramm http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1080 22. 11. 08 1 http://www.jungewelt.de/2009/07-13/042.php 13. 7. 09 2 http://www.jungewelt.de/2009/06-16/003.php 16. 6. 09 Verhandeln statt drohen - US-Senator Kerry fordert Obama zur Neuorientierung im Atomstreit auf: »Iran hat das Recht zur Urananreicherung« - Von Knut Mellenthin 3 http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=430 USA billigten Pläne des Irans zum Bau von gewaltigen Atomanlagen sowie http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1080 Irans Atomprogramm http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=592 Atombomben auf Teheran? 4 http://www.presstv.ir/detail.aspx?id=85571§ionid=351020104 13. 2. 09 US intel confirms Iran not developing nukes 5 Iran kann unbeirrt an der Bombe weiterarbeiten NZZ Nr. 5 vom 8. 1. 2008 6 http://www.bild.de/BILD/news/politik/2008/11/08/charlotte-knobloch/notfalls-militaerische-gewalt-gegen-iran.html 22.11.08 http://www.arbeiterfotografie.com/iran/index-iran-0000.html 7 http://bazonline.ch/ausland/europa/Iran-zeigt-Obama-die-kalte-Schulter/story/15777309 6. 2. 09 8 http://www.jungewelt.de/2009/07-17/053.php Drohungen gegen Iran - Clinton meldet sich zurück und schürt Spannungen mit Teheran Von Knut Mellenthin 17. 7. 09 Siehe auch www.politonline.ch http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1201 Clinton stellt klar - Von Knut Mellenthin - US-Außenministerin: Gesprächsangebot an den Iran: Vorstufe für harte Sanktionen. Nein zu palästinensischer Einheitsregierung; 25.4.09
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