Gier ohne Grenzen

politonline d.a. Diesem Artikel [1] sei folgendes vorangestellt: 7 Millionen Arbeitskräfte der BRD sind Harz IV Empfänger und 11 Millionen haben eine Teilzeitbeschäftigung, die sie aber nicht mehr ernährt. Auf dem Gebiet der früheren DDR gibt es mehr Ein-Euro-Jobber als tatsächlich Beschäftigte und 25 % der Beschäftigten beziehen einen Stundenlohn von weniger als 7,50 ?, den Betrag, den Gewerkschaften und andere als Mindestlohn ansetzen wollten.

Die FAZ stellte daher am 27. Februar lakonisch fest, dass nur 41 % der Bevölkerung vom eigenen Einkommen leben können, aber 60 % auf Zuwendungen von anderen, darunter auch vom Staat, angewiesen sind. Arbeit lohnt nicht mehr! Vermerkt sei ausserdem, dass Deutschland seit 1990 die brutalste Lohnsenkungspolitik aller Industriestaaten durchgezogen hat, aber zum fünften Mal in Folge die Exportweltmeisterschaft ansteuert. Die inzwischen laufenden Streiks von Beschäftigten in Kliniken, Verwaltungen, Kindertagesstätten, beim Nahverkehr und der Müllentsorgung sind Thema ausführlicher Berichte der Tageszeitungen.
 
Gier ohne Grenzen - Von Daniel Behruzi
Die Kündigung Tausender Beschäftigter durch profitabel wirtschaftende Großkonzerne sorgt bei Gewerkschaftern und Politikern für Empörung. »Die angekündigten Massenentlassungen bei BMW, Henkel, Siemens und Telekom sind Folge des ungezügelten Kapitalismus«, so der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Oskar Lafontaine, am 28.2.08 in einer Mitteilung. Die große Koalition setze dieser Entwicklung keinerlei Schranken und sei deshalb »mitverantwortlich, wenn führende Unternehmen Tausende auf die Straße setzen«. Am 26. 2.  hatte BMW angekündigt, 8100 seiner weltweit rund 80000 Beschäftigten loswerden zu wollen. Mit dem Kürzungsprogramm will der Autobauer nach eigenem Bekunden seine Umsatzrendite auf 8 bis 10%  steigern. »Wenn bei BMW eine Kapitalrendite von mehr als 26% und eine Umsatzrendite von 8 bis 10%   erreicht werden soll, zeigt das die Gier und die Maßlosigkeit der Konzerne, die jede Rücksicht auf die Lebensbedingungen der Beschäftigten und ihrer Familien zur Seite schieben«, kommentierte Lafontaine. Die Mehrheit der BMW-Anteile ist im Besitz der Familie Quandt - mit einem geschätzten Vermögen von mehr als 20 Milliarden Euro eine der reichsten Industriellenfamilien Deutschlands.
 
IG-Metall-Chef Berthold Huber kritisierte: »Die Wirtschaftselite in unserem Land droht ihre Verankerung in der Gesellschaft zu verlieren.« Es sei ein Skandal, wenn Unternehmen trotz hoher Umsätze, brummender Produktion und hoher Renditen Jobs vernichteten, so Huber am 28. Februar in Frankfurt am Main. »Mit solchen Entscheidungen, ihren ausufernden Managereinkommen und mit Steuerflucht, verstoßen sie gegen ethische Normen unserer Gesellschaft.« Angesichts der Ereignisse sah sich selbst der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Wend, im ZDF zu der Bemerkung veranlaßt, die Gesellschaft könne es nicht hinnehmen, wenn Unternehmen trotz guter Rendite in großem Umfang Arbeitsplätze abbauten. Auch der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel meinte, von sozialer Verantwortung sei bei den Konzernmanagern nichts mehr zu erkennen. Er befürchte »eine schwere Akzeptanzkrise des deutschen Wirtschaftssystems«, so der Wissenschaftler in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung vom 28.2.08
 
Ebenfalls am Mittwoch hatte der Waschmittel- und Klebstoffhersteller Henkel die Vernichtung von 3000 Jobs angekündigt. Dabei konnte auch dieser Konzern seinen Umsatz im vergangenen Jahr um 2,6 und seinen Gewinn um 8% auf 941 Millionen € steigern. Und die nächsten Aufgaben auf Henkel-Chef Ulrich Lehner warten schon: In wenigen Wochen wechselt er als Aufsichtsratsvorsitzender zur Deutschen Telekom. Deren Konzernboß René Obermann erklärte am 28.2. auf der Bilanzpressekonferenz in Bonn, der »Umbau« des Unternehmens müsse »in den nächsten Jahren vorangehen«. Das aktuelle Sparprogramm, das die Vernichtung von 32 000 Stellen vorsieht, läuft noch bis Endes dieses Jahres. Dann endet auch der befristete Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen. Erster Widerstand regt sich bei der Siemens-Tochter SEN, wo 6800 Jobs auf dem Spiel stehen. Am 28. Februar demonstrierten mehrere hundert Beschäftigte vor der SEN-Zentrale in München. Bei BMW sollen laut IG Metall im März stattfindende Betriebsversammlungen zum Protest genutzt werden.
 
Denkbar schlechte Verhältnisse sind auch in Indien zu konstatieren
Hunger im Wirtschaftswunderland Indien - Von Achim Nuhr
Die Wirtschaftsreformen in Indien werden viel gelobt 2. Doch was den einen ein besseres Leben beschert, bringt den anderen den Tod. Erstmals nach Jahrzehnten verhungern auf dem Subkontinent wieder massenhaft Menschen. Laut UNICEF wächst z. B. der Anteil der unterernährten Kinder seit 7 Jahren deutlich an: Er liegt heute bei 53 % - und damit höher als in der Sahelzone. Die Vereinten Nationen zählen für Indien inzwischen 2,8 Millionen Kinder pro Jahr, die »als Resultat von Unterernährung und der dadurch ausgelösten Krankheiten sterben«. Dabei sind Nahrungsmittel reichlich vorhanden. Nur können Kinder und ihre Eltern ihr Essen nicht mehr bezahlen. Bürokraten und Politiker sehen weg. Denn dieselbe, fast überall gefeierte Wirtschaftspolitik, die der indischen Mittelklasse mehr Geld gebracht hat, verhindert den Zugang zu Wasser und Getreide für den immer noch in krasser Armut lebenden Teil der Bevölkerung. Gemüse und Obst sind für diese Armen ohnehin unerreichbare Luxusgüter.
 
Abschliessend sei Herrn Michael Röber aus Bad Säckingen das Wort erteilt, dessen Leserbrief die Badische Zeitung am Freitag, den 29. Februar 2008, veröffentlichte:
 
Unsere Menschheit ist am Werteverfall erkrankt
Vor mehr als 150 Jahren hat es der englische Ökonom P. J. Dunning auf den Punkt gebracht: »Kapital hat einen Horror vor Abwesenheit von Profit. Mit entsprechendem Profit wird das Kapital kühn. Für 100 % stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 % - und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf die Gefahr des Galgens hin!« Fakt ist: Unsere Menschheit ist schwer am Werteverfall erkrankt. Widerlich der dumme Spruch, der einem täglich entgegenschlägt: »Es muss sich rechnen!« Und noch etwas Grundsätzliches: Nicht die Regierung stützt die IKB-Bank (Banken!). Wir sind es, die Sparer und geschröpften Steuerzahler!
 
1 http://www.jungewelt.de/2008/02-29/058.php 29.2.08
2 http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/feature/-/id=659934/nid=659934/did=3094602/19lnjhs/index.html  SWR2 6.3.08