Schreiben an Herrn Markus Spillmann, den Chefredaktor der Neuen Zürcher Zeitung

Sehr geehrter Herr Spillmann, ich habe die durch Herrn Frank A. Meyer moderierte Sendung vom 13. Januar 2008 mit Interesse verfolgt. Es freut mich sehr, dass Sie Ihre Vorsätze bzw. Ziele für die NZZ vor der breiten Öffentlichkeit bekundet haben. Vor allem hat mich Ihre Aussage betreffend »Kompetenz« der Auslandskorrespondenten tief beeindruckt. Die von den anderen Diskussionsteilnehmern erwähnten grossen Namen - z.B. vom Kaliber eines Urs Schöttli oder eines Arnold Hottinger - sind in Ihrer jetzigen Mannschaft nur noch selten oder gar nicht anzutreffen, die wahrlich grossen Zeiten der NZZ sind anscheinend endgültig vorbei. Der Abbau der Qualität nahm bereits mit der Ernennung von Herrn Dr. Büttler zum Chefredaktor seinen Anfang.

Ich habe die Redaktion in den letzten Jahrzehnten mit Schreiben und auch in einer persönlichen Aussprache mit Herrn Dr. Stieger auf die andauernden unhaltbaren Zustände betreffend Berichterstattung über Ungarn nachdrücklich aufmerksam gemacht. Es passierte weiterhin nichts - ja, gar nichts. Herr Ulrich Schmid veröffentlicht nach wie vor mit kaum überbietbarer Einäugigkeit (fein ausgedrückt!) seine »Berichte«. Er hält sich bei für ihn nicht genehmen Themen stets in Schweigen gehüllt, obwohl genug Themen, über die zu berichten wäre, vorhanden sind. Eine ganze Reihe von Politikern in leitender Stellung der heutigen Koalition sitzen hinter Gitter, oder werden von der Staatsanwaltschaft wegen Korruption und Misswirtschaft angeklagt (Beispiel: Finanzminister). Grosse Summen aus den staatlichen Subventionen und auch aus EU-Geldern verschwinden in den dunklen Gassen der Parteiideologen (Nomenklatura der vergangenen kommunistischen Ära). Weitere kriminelle Tätigkeiten kommen fas täglich zum Vorschein. Dies scheint aber Herrn Schmid wenig, oder, besser gesagt, gar nicht zu interessieren. Warum?
 
Sie beklagten den allgemeinen Leserschwund der Zeitung - zu Recht. Sehr viele Leser aus meinem Freundeskreis und Kollegen haben sich über die oben beschriebene Art der Berichterstattungen dermassen geärgert, dass sie das Abonnement der NZZ gekündigt haben. Herr Spillmann, wieso merken Sie diese Vorgänge nicht? Auch in vielen Leserbriefen wurden die offensichtlichen Machenschaften der NZZ gerügt; viele andere Leserbriefe zu diesem Thema (wie auch meine), wurden einfach aus »Platzgründen« nicht abgedruckt. Halten Sie diesen Zustand, Herr Spillman, für die Freiheit der Meinungsäusserung? Ist dies eine Prämisse der liberalen Haltung der Redaktion? Die früher so hochgeschätzte und weltberühmte, für andere deutschsprachigen Presseorgane wichtige, journalistische Messlatte der NZZ ist tief, ja sehr tief gesunken. Schade!
 
Leider beschränkt sich die antiungarische Linie der NZZ nicht bloss auf die Berichte des Korrespondenten Dr. Ulrich Schmid. Ein weiteres Beispiel steht in der Ausgabe Nr. 13, B3, vom 17.1.08, im Beitrag des Herrn Christoph Braendle über die ungarischen Synagogen. Schön verpackt ist darin eine verallgemeinernde, auf das ungarische Volk gerichtete bösartige Verleumdung enthalten. Ich zitiere: »….Diese Vernichtungskampagne hätte ohne aktive Teilnahme der Bevölkerung und ihrer Organe nicht derart effizient und in so kurzer Zeit durchgeführt werden können…«. Diese Behauptung ist eine faustdicke Lüge, es muss geprüft werden, ob damit nicht juristische Schritte eingeleitet werden sollten. Das ungarische Volk als Helfershelfer der Nazis darzustellen, das übersteigt die bisher bekannte, von der NZZ gewohnte bösartige Einstellung.

Herr Spillmann, Sie als Chefredaktor zeichnen für diese unbegründete bösartige Verfehlung ebenfalls verantwortlich! Was wollen Sie damit erreichen? Herr Braendle täte gut daran, wenn er in Budapest am Eingang zur Synagoge Dohàny utca die auf der gegenüberliegenden Strassenseite angebrachte Gedenktafel lesen und in seinem Artikel entsprechend erwähnen würde. Dort wird  dem Obersten der Panzertruppe Koszorùs für seinen Einsatz gegen die Nazis gedankt. Er hat die auf Befehl Horthys angeordnete Deportation der Juden - 200 000 Menschen - aus Budapest verhindert! Diese bösartige Unterstellung gegenüber dem ungarischen Volk ist auch nach der UNO-Charta strafbar und evtl. auch nach Schweizer Strafrecht juristisch relevant. Auch dafür tragen Sie, Herr Spillmann, die volle Verantwortung. Herr Braendle täte ebenfalls gut daran, wenn er in Jerusalem die Holocaust- Gedenkstätte besuchen würde, wo der Namen vieler ungarischen Menschen gedacht wird, welche den Juden geholfen haben, und die auf diese Weise verewigt sind.
 
Darf ich Sie bitten, sehr geehrter Herr Spillman, mir als Leser und Abonnent der NZZ und seit vielen Jahrzehnten Schweizer Bürger, sowie aus eigener Erfahrung Kenner der ungarischen Verhältnisse, eine umfassende Stellungnahme zum Thema Berichterstattung über Ungarn zukommen zu lassen. Nebenbei bin ich selber, wenn auch nicht hauptberuflich, in Ungarn journalistisch tätig und vertrete zugleich die Vereinigung der Unabhängigen Ungarischen Journalisten (FUSZ) in der Schweiz. Es muss endlich eine offizielle Erklärung seitens der NZZ zur Lage der Auslandsberichterstattung durch Sie als verantwortlicher Chefredaktor abgegeben werden, damit endlich Klarheit über die offizielle Linie der NZZ in Bezug auf Wahrheit, Neutralität und unparteiische Berichterstattung bzw. Informierung der hochgeschätzten Leserschaft, herrschen kann. Ich freue mich auf Ihre Antwort, welche ich den ungarischen Medien mit meinem Brief zusammen zur Kenntnis geben werde.
 
In Erwartung Ihrer baldigen Antwort verbleibe ich mit freundlichen Grüssen
Csaba von Kenessey, Generalsekretär des Weltbunds der Ungarn, Sektion Schweiz ,
Vereinigung der Unabhängigen Ungarischen Journalisten
Thalwil, den 17. Januar 2008
 
Anmerkung von politonline d.a.: Die immerhin »recht eigene« Berichterstattung von Ulrich Schmid ist bereits früher beanstandet worden, wovon das nachfolgende Schreiben zeugt:
 
Offenes Schreiben an Herrn Ulrich Schmid
»Die Ukraine in der Selbstfindung« Ausgabe der NZZ Nr. 290 vom 11./12.2004
           
Sehr geehrter Herr Schmid,
Ihre Berichterstattung zur Ukraine kann nicht unwidersprochen bleiben, da allein schon der Titel der wirklichen Situation nur sehr begrenzt Rechnung trägt, es sei denn, Sie betrachteten eine neue, unter dem voraussehbaren Diktat Washingtons stehende Regierung als Selbstfindung. Es trifft zwar zu, dass, wie Sie ausführen, drei Wochen mit Protesten Änderungen in der Ukraine ausgelöst haben; ob sich diese Proteste,  hätten die Ukrainer um die Manipulationen von Seiten der USA ebenso gut Bescheid gewusst wie über die Russlands, so abgespielt hätten, darf allerdings bezweifelt werden. Insofern billige ich Ihrer in meinen Augen übereilten und wenig kritischen Aussage, dass das Land die Fundamente für eine Bürgergesellschaft gelegt habe, wenig Glaubwürdigkeit zu, da ich letztere durch die eigentlichen Fakten widerlegt sehe. Wie Sie schreiben, ist der aus Moskau oft gehörte Vorwurf einer auf unzulässige Weise erfolgten Einmischung des Westens, insbesondere Europas, »absurd«. Wie Sie Ihren Lesern,  deren Mehrheit auf Grund verlässlicher Internetquellen längst wissen dürfte,  wie die Revolution in Georgien und die jetzige in der Ukraine gesteuert wurde, eine solche Aussage präsentieren können, ist schwer nachvollziehbar und zeugt für meine Begriffe von einer regelrechten Ignoranz, da ich nicht annehmen möchte, dass hier eine bewusste Irreführung erfolgen soll.  

Was die Beeinflussung der  Wahlen durch Russland und den »in flagranter Art auch vom russischen Präsidenten Putin unterstützten Kandidat Viktor Janukowitsch« betrifft (NZZ 274),   so ist diese bereits in der NZZ 282 vom 2. Dezember gut dokumentiert und liesse sich lediglich dahingehend ergänzen, dass die Koordinierung der ganzen Aktion an Ort und Stelle durch den ehemaligen russischen Premierminister und jetzigen Botschafter Viktor Tchernomyrdin erfolgte. Was jedoch in diesem Zusammenhang erstaunt, ist die Tatsache, dass Ihre Redaktion ganz offenbar bestens über die Beeinflussung Russlands Bescheid weiss, sich jedoch bezüglich der Einmischung Washingtons so gut wie unwissend gibt. Ich werde  daher den Verdacht nicht los, dass Ihre Zeitung, deren Haltung ich als ausgesprochen proamerikanisch einstufe, dies mit Absicht so handhabt. Insofern darf ich Ihnen hiermit einen kleinen Abriss über die wahre Situation hinsichtlich der Einmischung Washingtons zukommen lassen.
 
Der von Washington unterstützte Viktor Juschtschenko ist der Gründer der Bewegung »Unsere Ukraine«, der Liberale sowie extreme Rechte angehören. Auf  Druck der USA hin wurde er zu Beginn der  zweiten Amtszeit  Kutschmas von 1999 bis 2001 Premierminister. Er ist  mit Kateryna Tschumatschenko verheiratet  - eine Staatsangehörige der USA, deren Einbürgerung im Gange ist. In der Ära Reagan war sie Assistentin von Aussenminister George P. Schultz in Menschenrechtsfragen und humanitären Belangen. Danach arbeitete sie während der Administration von George W. Bush, dem Vater des jetzigen Präsidenten, im Büro für Öffentlichkeitsarbeit des Weissen Hauses. Diese Fakten sind immerhin bedeutend aufschlussreicher als die in der heutigen Ausgabe Nr. 293 erfolgte lapidare Angabe, dass Tschumatschenko »in amerikanischen Behörden« gearbeitet hätte.  Im US-Aussenministerium liegt das ukrainische Dossier in den Händen von Richard Armitage, der kein Geheimnis daraus macht,  beträchtliche finanzielle Mittel aufgewendet zu haben, damit die Ukraine in seine  Einflusszone  fällt. Es ist der gleiche Armitage, der unter Reagan wiederholt nach Pakistan kam, um den durch die CIA finanzierten, gegen die Sowjetunion gerichteten afghanischen Jihad zu organisieren, gegen den die USA, nachdem sie ihn mit allen Mitteln aufgebaut hat, heute zu kämpfen gezwungen ist. Den Gruppierungen, die für Viktor Juschtschenko eintreten, flossen vom National Endowment for Democracy [NED] resp. von der CIA Millionen  an  Dollar zu. Das National Endowment for Democracy ist nichts anderes als das »öffentliche Schaufenster« der CIA, so dass Janukowitsch, dessen Lager, wie es in der NZZ  293 heisst, »den Rivalen Juschtschenko zuvor auf plumpe Weise als CIA-Handlanger angeschwärzt« hat, den Nagel auf den Kopf traf.
 
John Laughland zufolge, der während der ersten Runde der Wahlen für die British Helsinki Human Rights Group  als Beobachter vor Ort war, wird das NED zu hundert Prozent von der amerikanischen Regierung finanziert. Laughland führt weiter aus,  dass Juschtschenko »offiziellen Angaben zufolge zur Finanzierung seines Wahlkampfes 105 Millionen  Dollar aus der USA erhielt. Man kann davon ausgehen, dass der tatsächlich an die Oppositionsbewegung geflossene Betrag etwa bei dem Dreifachen dieser Summe liegt. Jedermann kann sehen, dass die Proteste sehr gut finanziert sind«. 1  Das NED hat vor allem die  Jugendvereinigung  »Pora«  [Es ist Zeit] ins Leben gerufen. Als Modell hierzu diente der vom NED in Serbien  zum Sturz von Milosevic aufgebaute »Otpor« [Widerstand]. Die Ausbildung oppositioneller Kader erfolgt im Zentrum für eine gewaltfreie Revolution in Belgrad. Letzteres stellt diejenigen seiner Ausbilder an die Spitze, die von der Fondation Soros kommen. Die überwiegende Anzahl schickt jedoch das Freedom House von James Woolsey, einem früheren CIA-Direktor. Die Gesamtleitung untersteht Robert Helvy von der CIA, der sich zwei Emissäre zur Seite gestellt hat, Aleksandar Maric und Stanko Lazendic. Helvy hat bereits die Revolutionen in Jugoslawien und in Georgien überwacht und Madeleine Albright  - als Verfechterin der Multikultur in Europa sattsam bekannt -  hat das jetzige Dispositiv persönlich an Ort und Stelle inspiziert, wie sie dies auch in Georgien vor der als Rosenrevolution bezeichneten Pseudorevolution tat.  Was Belgrad betrifft, so liest man in der NZZ  281 vom 1.12.04:  »Mit phantasievollen Protestaktionen gegen die Wahlfälschungen und Arroganz der Machthaber hatten die serbischen Regimegegner im Herbst 2000 Präsident Milosevic gestürzt.« Auf welche Weise hier die »Phantasie« beflügelt wurde, geht aus dem oben Gesagten hervor.
 
Was den US-Botschafter in Kiew  betrifft, so hatte er  wissen lassen, dass Washington im Falle einer Bestreitung der Wahlergebnisse Sanktionen ergreifen würde,  wobei er sich auf einen von seiner eigenen Administration ausgearbeiteten Bericht für die OSZE berief. Darin verwies er  auf die Hindernisse, die den »die Demokratie stützenden Nichtregierungsorganisationen« in den Weg gelegt würden, gab jedoch ohne rot zu werden zu, zwecks »Stärkung der Demokratie« bereits 13 Millionen $ ausgegeben zu haben. Auch wenn die Ehrlichkeit der ausscheidenden ukrainischen Equippe hochgradig anzuzweifeln ist,  zeugt die Androhung von Sanktionen aus meiner Sicht erneut von dem unbeugsamen Willen der USA, sich jedes Land zu unterwerfen, das sich seinen Hegemonieansprüchen widersetzt. Insofern sehe ich zwischen der USA und der von Ihrer Redaktion als »imperiale Denkschablonen« Putins (NZZ 284) charakterisierten Haltung Russlands nicht den geringsten Unterschied. Sowohl bei der serbischen Studentenbewegung Otpor als auch bei der ukrainischen Pora handelt es sich somit  um von den Geheimdiensten der USA umschlossenen Jugendorganisationen.  Mehr als 10 000 der Führungskräfte von Pora und dem Komitee der ukrainischen Wähler  erhalten im übrigen ein Gehalt in einer durchschnittlichen Höhe von 3'000 $ pro Monat, ein mehr als komfortables Einkommen in der Ukraine.  Die Finanzierung erfolgt  über USAID und das NED. Die Vorbereitung der Gesamtlogistik der Demonstrationen lag in den Händen von USAID. Den Demonstranten wurden so Tausende von Zelten und Decken zur Verfügung gestellt. Ebenso wurden Gratismahlzeiten ausgegeben. Insofern dürften vor allem die mit 3.000 $ ausgestatteten Mitglieder tapfer durchgehalten haben.
 
Sicherlich liegt nicht ein als direkter Befehl Washingtons zu interpretierender Aufruf zur Revolution vor, da Washington einen solchen allein schon deswegen vermeiden würde, da er je nach Gang der Dinge zu einer Fussangel für die USA werden könnte;  die Steuerung des Widerstands durch die USA allerdings liegt auf der Hand.  Zu diesem Punkt schreibt Peter Winkler  (NZZ 282): »so wird genüsslich berichtet, das Juschtschenko-Lager habe sich während Monaten unter Anleitung amerikanischer Spezialisten und serbischer Revolutionsveteranen auf die Nacht nach der Wahl vorbereitet. Dabei kann es in dieser Sicht nur um einen Versuch der Machtergreifung über den Druck der Strasse gegangen sein.« Die erste Aussage wird durch die obigen Fakten als zutreffend belegt, womit der zitierte Druck der Strasse weitgehend gegenstandslos wird. Was im übrigen an der ganzen Angelegenheit »genüsslich« sein soll, bleibt mir verschlossen. Winkler trifft allerdings, vermutlich unbeabsichtigt, den Kern der Sache, wenn er darlegt, dass es einen Teil unseres Kontinents gibt, wobei er die russlandfreundlichen Staaten anspricht, »in  dem sich die Machteliten hinter den Kulissen absprechen und diese Absprachen dann von Wahlen und Referenden absegnen lassen, die nicht viel mehr sind als Geschenkpapier.« Genau dieses Szenarium ist in der Ukraine soeben umgesetzt worden, wobei sowohl die russischen als auch die westlichen Machteliten zum Zug kamen. Was die von Winkler in diesem Zusammenhang als notorische Wahlfälscher charakterisierten Regierungsschefs von Staaten wie Weissrussland, Kasachstan und Armenien betrifft, so gehe ich hier durchaus mit ihm einig , vermisse aber dennoch  einen Aufsatz in der NZZ, der die eigentliche Expertise, die Präsident Bush auf dem Gebiet der Wahlfälschung auszeichnet, offen anspräche.
 
Weitere Beobachter  der  ukrainischen Wahlen kamen vom ENEMO [European Network of Election Monitoring Organizations], einem der Überwachung von Wahlen dienenden Netzwerk mitteleuropäischer Organisationen,  die im einzelnen über das National Democratic Institute von Madeleine Albright finanziert werden. Die Finanzierung des gemeinsamen Sekretariats  erfolgt durch das George Soros gehörende Open Society Institute. Zu diesem Kollektiv gehört auch das die Zeitschrift Tochka Zory herausgebende Komitee der ukrainischen Wähler. Die Kosten, die entstanden, um die 1'000 Wahlbeobachter des ENEMO an Ort und Stelle zu bringen, wurden vom Freedom House, dem National Democratic Institute und dem International Republican Institute von John McCain finanziert. Die vom Institut Socis und dem Razumkov Centre des Instituts für Internationale Soziologie veröffentlichten Stichproben, die Juschtschenko am 21. 11. zum Sieger erklärten, sind von der USA finanziert worden. Hier kam das gleiche Verfahren zur Anwendung  wie das im August 2004 bei der Anfechtung der Referendumsergebnisse in Venezuela eingesetzte, als die US-Firma  Penn Shoen & Berland Associates  eine im Auftrag  der Oppositionsbewegung  Sumate durchgeführte Stichprobe der Wahlergebnisse vorlegte. Auch hier war die Finanzhilfe des NED/CIA  für  Sumate im Spiel. Das offizielle Wahlergebnis wurde dann jedoch von den  internationalen Wahlbeobachtern, wozu das Carter Centre sowie Réseau Voltaire gehörten,  bestätigt.

In der NZZ 282  heisst es in der an den Anfang gestellten Kurzfassung, dass der Kreml in »seiner Abwehrstrategie instinktiv auf Manipulation und autoritäre Kontrolle gesetzt« hat, was nicht zu bestreiten ist. Unerwähnt bleibt jedoch, dass die Machenschaften Washingtons auf der gleichen Ebene wie die Russlands angesiedelt sind, dabei aber durchaus breiter greifen. Insofern betrachte ich diese Art von Berichterstattung  als einseitig parteiergreifend.  Die Unwissenheit der Bevölkerung  über die Einflussnahme Washingtons muss  beträchtlich sein, sonst könnte die ukrainische Schriftstellerin Oxana Sabuschko nicht erklären, dass das ukrainische Volk  begonnen habe, seine eigene Zukunft zu schmieden. Zum Thema Wahlkampf lasse ich nochmals John Laughland zu Wort kommen: »Tatsächlich hat es signifikante Vorfälle der Manipulation durch Juschtschenko-Anhänger im Westen der Ukraine gegeben.« Ferner: »Die im Westen [also bei uns] überall zu vernehmenden Vorwürfe, die Medien in der Ukraine stünden völlig unter der Kontrolle der Regierung, entsprechen schlicht und einfach nicht den Tatsachen. Ein Wechsel der Ukraine in das westliche Lager würde allerdings die Machtposition Russlands in dramatischer Weise schwächen. Das gesamte Schwarze Meer wäre fortan unter amerikanischer Kontrolle. Die Ausweitung des amerikanischen Einflusses auf das Schwarze Meer ist Teil einer grossangelegten Strategie, die nicht nur dazu dienen soll, die Macht Russlands zu schwächen, sondern auch dazu, innenpolitische Veränderungen in der Russischen Föderation auszulösen«. Sollte sich die Wahl zugunsten Juschtschenkos entscheiden, so werden die Ukrainer spätestens dann, wenn der IWF das Zepter bei ihnen in die Hand nimmt, wissen, was es heisst, sich Washington und den mit diesem verbündeten multinationalen US-Konzernen unterzuordnen. Es bleibt auch unbegreiflich, wie Elmar Brok vom EU-Parlament zu der Behauptung kommen kann, dass Putin der Einzige sei, dessen Strategie »an altes imperialistisches Gehabe« erinnere (NZZ am Sonntag, 5.12.04). Wie es ihm gelingt, die imperialistische Vernichtungsaktion der USA im Irak auszublenden, ist beängstigend. Was die von Ihnen angesprochene Bewährung Viktor Juschtschenkos als Notenbankchef betrifft, so haben Sie hier vermutlich schlecht recherchiert, da  Juschtschenko die Zugrunderichtung der mit unter seiner Leitung stehenden Nationalbank der Ukraine in den 80er Jahren anzulasten ist.

Es zeichnet die NZZ in letzter Zeit insgesamt aus, dass sie sich mit Vorliebe auf arrogante Weise äusserst. So schreiben Sie von den »schamlosen Fernsehauftritten Putins«, was dem Eingeständnis gleichkommt, dass es jenseits Ihrer Erkenntnis liegt, dass es im Prinzip nichts Schamloseres gibt als die zum Teil mit tödlichen Lügen und Drohungen unterlegten Auftritte Bushs, Rumsfelds, Cheneys und Powels. Und für wie unwissend belieben Sie eigentlich Ihre Leser einzustufen, wenn Sie von 'feinen' Washingtoner Denkfabriken sprechen? Ich darf Ihnen versichern, dass ich mich durch derartige Aussagen restlos verdummt fühle. Wo hätte es in den USA je einen feinen think tank gegeben? Unter deren in Wahrheit brutal menschenverachtenden Strategien gehen ganze Völker zugrunde,  was der von ihnen lange im voraus geplante Afghanistan- sowie der Irakkrieg belegen.
 
Noch ein Wort zu den gebrandmarkten alten Eliten der Ukraine. Hierzu ist Réseau Voltaire  vom 1. November 2004 folgendes zu entnehmen: Zu den drei Oligarchien, die sich bislang die Macht geteilt haben, gehört auch Viktor Pintschuk, der Schwiegersohn Kutschmas und Leiter von Interpipe, der als mafioser Wirtschaftsboss bezeichnet wird, was ich keineswegs in Abrede stelle (NZZ 284 11/04). Verblüffend ist nur, wie wenig diese »Mafiosität« für Washington ins Gewicht fällt, wenn man weiss, dass Pintschuk  nicht nur dem Weissen Haus selbst nahesteht, sondern darüber hinaus sowohl George H. Bush, den Vater des jetzigen Präsidenten, als auch George Soros, den bislang grössten Währungsspekulanten, und Henry Kissinger zu Teilhabern seines Unternehmens gemacht hat. Pintschuks Vermögen, das heute mit 2.5 Milliarden $ das zweitgrösste des Landes ist, hat sich innerhalb eines Jahres fast verdoppelt. Er kontrolliert darüber hinaus die Fernsehstationen ICTV, STB, Novy Kanal und die Tageszeitung  Fakty.  Sie werden mir sicherlich beipflichten, wenn ich die genannten  Teilhaber als ausnahmslos korrupt einstufe, was darauf hinausläuft, dass sich Gleich und Gleich jeweils dann zusammenfindet, wenn es um den Profit geht. Dann zählt keinerlei Moral. Eine solche ist nur für den Bürger programmiert, ansonsten bräche der Staat zusammen. Es ist sich also keiner der drei Teilhaber zu schade, um mit der, wie Sie sagen, »selbst feinen Washingtoner Denkfabriken nur noch als üble Bande«  geltenden  »Herrscher-Clique« resp. mit einer »mafiosen Gruppe von Oligarchen«  (NZZ 286)  zusammenzuarbeiten, solange dies ihrer Bereicherung dienlich ist.

Die Ausgabe Nr. 284 kommt zu folgendem Schluss: »Wie immer die bis jetzt friedlich ablaufende Volksrevolution in Kiew in nächster Zeit ausgehen wird, die ukrainische Gesellschaft ist dabei, sich von politischer und kultureller Unmündigkeit mit Riesenschritten zu befreien. Diese Emanzipation in den Köpfen der erwachten Bürger wird sich nicht durch Hinhaltemanöver oligarchischer Netzwerke oder finstere russische Verschwörungstheorien rückgängig machen lassen. « Das ist mitnichten der Fall. Gewinnt Juschtschenko, ist die Ukraine vielmehr im Begriff, sich von einer Bevormundung in die nächste zu begeben. Und wo Kissinger & Associates, Soros und Bush operieren, ist nicht damit zu rechnen, dass die Einflusssphäre der Oligarchien gemindert würde. Da würden sie sich ja selbst schaden. Und wo hätte die USA, sobald sie in einem Land Fuss gefasst hat, ihre ureigensten Interessen, die ich keineswegs als auf das Wohl des Volkes ausgerichtet sehe, nicht rigoros durchgesetzt. Im Fall der Ukraine  kann sie darüber hinaus auf die volle Unterstützung der Nato und der EU bauen, treffen doch deren Spitzen regelmässig mit denen des US-Establishments bei den Bilderbergerkonferenzen zusammen.

Ich schliesse mit den Worten der NZZ  282: »Der Kampf um die Ukraine ist eine Schlacht zur Abwehr einer westlichen Invasion«, womit die Wahrheit überdeutlich ausgesprochen ist. Die Fragen nach der Finanzierung der »Revolution in Orange« setzen jetzt ein. Es steht zu vermuten, dass Putin dies durchaus zu seinem Vorteil umzumünzen wissen wird. Ich stehe weder auf der einen noch auf der anderen Seite, dennoch ziemte es einer Zeitung wie der Ihrigen, in Anklagepunkten zu einer ausgewogeneren, beide Seiten gleich beleuchtenden  Berichterstattung überzugehen.                                                
Mit freundlichen Grüssen Doris Auerbach - Bettingen, den 15. 12. 04

Quellen:
http://www.reseauvoltaire.net/elements/transpix.gif  http://www.reseauvoltaire.net/imprimer11936.html     http://www.reseauvoltaire.net/
Eurasisches Magazin 11/04 vom 29.11.2004  -  Interview mit John Laughland