Wie man mit Irakern umgeht

Über das im September von Söldnern des US-Unternehmens Blackwater Security in der irakischen Hauptstadt Baghdad verübte Massaker, bei dem 17 Zivilisten getötet und 27 weitere teilweise schwer verletzt worden sind, haben die Medien ausführlich berichtet.


17 Tote bei einer geschätzten Gesamtzahl von mittlerweile 1,2 Millionen Menschen, die infolge des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges der USA gegen den Irak ihr Leben liessen. Der Tod im Irak ist mittlerweile so alltäglich, dass er im Ausland kaum noch Beachtung findet - wenn nicht gerade eine derart grosse Zahl von Zivilisten durch Söldner niedergemäht wird und die Stimmen, die der vorgeblichen »Selbstverteidigung« widersprechen, zu laut sind. Ein CNN-Artikel hat nun erstmals Photos von zwei der bisher namen- und gesichtslosen  Ermordeten gezeigt und ihre Angehörigen zu Wort kommen lassen. Aus Angst um ihre Sicherheit hatten diese darum gebeten, in dem Bericht nur die Vornamen zu verwenden. Eines der Opfer ist Ahmed war der älteste Sohn von Haythem. Nicht nur, dass sein Kopf von den Kugeln der Blackwater-Söldner völlig zerfetzt worden war, sein Körper war ausserdem völlig verbrannt. Haythem konnte ihn nur noch anhand seiner Statur und den Resten seiner Schuhe identifizieren - und aufgrund des Nummernschilds des Autos, in dem er sich zum Zeitpunkt des Angriffs befand. Neben Ahmed sass seine Mutter Mahassen. »Nur ein Teil ihres Halses und ihres Kiefers waren übrig«, sagte Haythem. Was Haythem und seine Familie über die letzten Augenblicke im Leben von Ahmed und Mahassen wissen, wissen sie von zwei Polizisten, die den Blackwater-Angriff zufällig mitangesehen haben. Demnach wurde Ahmed erschossen, während der 20-Jährige in seinem Auto auf dem Nusoor-Platz fuhr. Mahassen hielt ihn daraufhin eng umklammert. »Die Augenzeugen des Vorfalls sagen, dass der Kopf meines Sohnes zerfetzt war und meine Frau ihn hielt und umarmte«, sagte Haythem. »Sie schrie, mein Sohn, mein Sohn! Helft mir! Helft mir!« Das Auto rollte langsam weiter, bis Blackwater-Söldner erneut darauf feuerten. Hierdurch verwandelte sich das Auto den Augenzeugen zufolge in einen Feuerball. »Sie verstanden den Hilferuf. Sie durchsiebten sie mit Kugeln.« Haythem, der von den beiden zuvor bei der Arbeit abgesetzt worden war, sollte später auch wieder von dort abgeholt werden. Als dies nicht geschah, begann er bereits angesichts der Sicherheitslage in Baghdad nervös zu werden. Schliesslich gelangte er nach Hause und machte zahlreiche Telephonanrufe auf der Suche nach seiner Ehefrau. Als er von einem Vorfall auf dem Nusoor-Platz hörte, wuchs seine Besorgnis. Er rief seinen Bruder, einen Arzt in einem nahegelegenen Krankenhaus an und bat ihn, die Notaufnahme und die Leichenhalle zu überprüfen. Nachdem dies erfolglos war, ging Haythems Bruder zum Nusoor-Platz, wo er ein ausgebranntes Fahrzeug fand, das ausgebrannte Familienauto. »Sie zu töten und ihre Schädel zu sprengen war nicht genug, sie verbrannten sie und entstellten sie.« Die irakische Regierung hatte Blackwater kürzlich aufgefordert, für jedes Todesopfer eine Entschädigung von jeweils 8 Millionen US-Dollar zu zahlen. »Geld wird uns nicht dafür entschädigen, was wir verloren haben, selbst wenn es ein Haufen wäre.« Derzeit lebt Haythem mit seinen verbliebenen Kindern, der 18 Jahre alten Maryam und dem 17 Jahre alten Haidar übergangsweise in einer Wohnung. Haythem ist ein auf Bluterkrankungen spezialisierter Arzt. Auch seine Frau Mahassen war Ärztin; sein Sohn Ahmed besuchte die medizinische Fakultät und wollte Chirurg werden. 1
 
Die Marionettenregierung in Bagdad hatte danach zwar beschlossen, dass die private US-Sicherheitsfirma Blackwater, die mit der blindwütigen Erschiessung von 17 Zivilisten eine Grenze überschritten hatte, nicht länger auf irakischem Territorium aktiv sein dürfe. Wie jedoch in US-Medien vermeldet wurde, »werde das US-Aussenministerium die Order ignorieren.« Blackwater werde »seine Arbeit« vor Ort fortsetzen. Vor allem beim Personenschutz von US-Bürgern im Irak und von dortigen Regierungsmitgliedern sei der Sicherheitsdienst unverzichtbar. Soviel zum Zustand der »souveränen Nation« in Irak. Wer sich in den vergangenen Jahren näher mit den Aktivitäten von Sicherheitsdiensten wie Blackwater befasst hat, den wird es nicht verwundert haben, dass diese schwerbewaffneten Einsatzkräfte auf Zivilisten geschossen haben. Sie tun dies in Irak seit Jahren, ohne dass es spürbare Folgen für die Todesschützen gegeben hätte. Aber auch in der USA haben sie bewiesen, wozu sie ausgebildet und fähig sind. Im Herbst 2005, als Hurrikan »Katrina« in den Strassen von New Orleans wütete und grosse Wassermassen 80 % der Stadt überfluteten, nahmen auch noch andere Kräfte die gebeutelten Bewohner in ihren eisernen Griff: Blackwater gehörte zu den privaten Sicherheitsfirmen, die vom US- Heimatschutzministerium unter Vertrag genommen und mit automatischen Waffen in das Katastrophengebiet geschickt wurden. Als die Mehrzahl der Bewohner der von den Verwüstungen betroffenen Region vom Leid überwältigt wurde und Hilfe gebraucht hätte, auf die sie vergeblich warteten, zogen diese privaten »Ordnungskräfte« wie Rambos durch die Gegend. Jeremy Scahill, Korrespondent des Radioprogramms »Democracy Now!«, berichtete nach dem Hurrikan von einer Unterhaltung, die er mit einem Angehörigen eines privaten Sicherheitsdienstes, der mit Blackwater vergleichbar ist, führte. Scahills Gesprächspartner war Michael Montgomery, der für die aus Alabama stammende Firma Bodyguard and Tactical Security (BATS) arbeitete und seit der zweiten Nacht der Katastrophe in New Orleans im Einsatz war. Scahill gab am 23. September 2005 im Rundfunk Montgomerys Angaben wieder: »Im Stadtteil Ninth Ward mussten sie anhalten. Er sagte, an einer Strassenüberführung seien sie von einer Gruppe Leute beschossen worden, die er als ›schwarze Bandenmitglieder‹ bezeichnete. Er habe gerade ›mit seinem Geschäftspartner telefoniert‹. Ich fragte ihn, was er dann gemacht habe. ›Ich liess mein Handy fallen und eröffnete das Feuer.‹ Ich fragte ihn, mit welcher Waffe er geschossen habe. ›Mit dem AR-15-Infanteriegewehr und der Glock-neun-Millimeter-Pistole.‹ Damit habe er auf die ›schwarzen Bandenmitglieder‹ auf der Brücke gefeuert. ›Und was passierte dann?‹ wollte ich von ihm wissen. ›Haben Sie die Leute getötet?‹ Seine Antwort: ›Lassen Sie es mich so sagen: Ich hörte ’ne Menge Schreie und Stöhnen, und die hörten auf zu schiessen. Mehr ist dazu nicht zu sagen.‹« Nach Scahills Recherchen operierte Montgomerys BATS ebenso wie andere Sicherheitsdienste ohne rechtliche Grundlage im Bundesstaat Louisiana. Es gab nur Verträge mit dem US-Heimatschutzministerium und einen Geleitbrief der Gouverneurin von Louisiana, Kathleen Blanco. Auf dieser Basis patrouillierten sie mit automatischen Waffen in den Vierteln der Reichen und führten Krieg gegen die Armen. Laut Scahill erschienen nach der geschilderten Schiesserei Armeeoffiziere und Staatspolizisten vor Ort, sahen sich aber nicht dazu veranlasst, einen Bericht zu schreiben. Scahill weiter: »Es gab keine Ermittlungen, ergo herrschte eine Atmosphäre der Straflosigkeit. Wie können wir wissen, ob auf ihn [Montgomery] wirklich geschossen wurde? Was wissen wir überhaupt über diesen Vorfall? Warum haben die Strafverfolgungsbehörden den Fall nicht aufgenommen? Immerhin brüstet sich jemand damit, dass er auf eine Gruppe von Leuten geschossen hat, die er als ›schwarze Bandenmitglieder‹ bezeichnet.«
 
Gründer und Chef des ebenso umstrittenen wie florierenden Blackwater-Unternehmens ist der 38 Jahre alte Erik Prince, ehemals Mitglied einer Eliteeinheit der amerikanischen Marines. Wie sich inzwischen herausstellte, arbeitet Blackwater - wie wohl die meisten anderen der mehr als zwei Dutzend privaten Sicherheitsunternehmen - offenbar ohne Lizenz des zuständigen irakischen Innenministeriums. Denn das Ministerium ist, so wird weithin geklagt, von Sympathisanten des radikalen Schiiten-Predigers und Milizenführers Muqtada al Sadr unterwandert und soll ohne Zahlung von bis zu einer Million Dollar Bestechungsgeld jedenfalls keine solche Lizenz erteilen. Zudem gilt nach wie vor das Ende Juni 2004 festgelegte »Dekret Nummer 17«. Dieses hatte Paul Bremer, der Chef der damaligen US-Übergangsverwaltung, kurz bevor er die Souveränität an die irakische Übergangsregierung übergab und das Land verliess, erlassen. Auf Grund dieses Dekrets geniessen sämtliche Mitarbeiter ausländischer Vertragsfirmen, die im Irak für die Amerikaner tätig sind, faktisch Immunität. In Washington hat der Zwischenfall vom Nusoor-Platz die Debatte um die Privatisierung immer weiterer Bereiche der Kriegsführung neu belebt. Während im ersten Irakkrieg zur Befreiung Kuwaits 1991 noch auf zehn Soldaten ein Mitarbeiter einer privaten Vertragsfirma kam, kämpfen heute im Irakkrieg fast so viele »Contractors« wie reguläre US-Soldaten. Mit dem kleinen Unterschied, dass die Söldner von Blackwater - dessen Aufträge allein im Irak einen Umfang von etwa 800 Millionen Dollar haben - um einiges mehr verdienen und besser ausgerüstet sind. Sie kämpfen eben nicht für »Demokratie«, sondern für gutes amerikanisches Geld, manche für bis zu 1000 US-Dollar am Tag. Was interessiert sie schon, ob dabei ein paar Irakis mehr oder weniger draufgehen? Es hat sie auch nicht gekümmert, ob bei ihrem Einsatz im Katastrophengebiet von New Orleans ein paar junge Schwarze mehr oder weniger auf der Strecke blieben. Sie kämpfen und töten skrupellos für den, der sie bezahlt.
 
Der wichtigste Auftraggeber von Blackwater ist das amerikanische Aussenministerium: Das Unternehmen ist für den Personenschutz des amerikanischen Botschafters Ryan Crocker sowie aller anderen Mitarbeiter der Botschaft und auch von Aussenministerin Condoleezza Rice verantwortlich, wenn diese den Irak besucht. Blackwater sichert Konvois von Mitarbeitern des Aussenministeriums und des Entwicklungshilfedienstes USAID sowie die Gebäude der amerikanischen Botschaft in der » Grünen Zone«. Eine vor kurzem durchgeführte interne Untersuchung des State Departments hat ergab, dass die Mitarbeiter von Blackwater mindestens doppelt so häufig von der Schusswaffe Gebrauch machen wie etwa die Angestellten des Konkurrenzunternehmens »DynCorp«. Unter der Protektion der US-UK Militärherrschaft im Irak operieren ferner Todesschwadronen des irakischen Innenministerium. Laut einem Bericht vom Mai 2006 waren allein während der vorausgegangenen Monate 7000 Iraker getötet worden. Der Tribut, den das von der USA und Grossbritannien nebst ihren Verbündeten im Irak angerichtete Inferno fordert, ist gnadenlos. Dennoch zeichnet es sich nicht ab, dass, was das Beenden der Besetzung des Landes angeht, die für diese »Hölle« Verantwortlichen ein Einsehen hätten.
 
1 Quelle: http://www.freace.de/artikel/200710/191007a.html 19.10.07 »Sie durchsiebten sie mit Kugeln« Das Blackwater-Massaker aus der Sicht von Betroffenen und Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 2.10.07 »Blackwater im Irak - Dienstleister des Krieges im Kampfeinsatz « von Matthias Rüb
2 http://www.jungewelt.de/2007/10-06/007.php
Ihr Geschäft heißt killen - Privatkrieger von New Orleans bis Bagdad. Auf ein paar Tote mehr oder weniger kommt es nicht an - Von Mumia Abu-Jamal