Reportage: Biosprit macht Lebensmittel teuer - von Peter Grimm und Frank Wolfgang Sonntag 30.09.2007 18:59
Weitere Widersprüche:
Raps wird zur Kraftstoffgewinnung subventioniert.
Die steigenden Lebensmittelpreise haben eine Ursache, die nur wenig bekannt ist: Getreide und Rapsöl werden zunehmend für Biosprit eingesetzt, weil dort höhere Preise zu erzielen sind. Nur: Die Umweltbilanz dieser »Umweltkraftstoffe« ist wesentlich schlechter als die fossiler Brennstoffe.
Seit Wochen sind steigende Lebensmittelpreise wieder ein Thema in Deutschland. Nicht nur bei Billiganbietern, sondern überall. Die Verbraucher sind sauer und verunsichert.
Umfrage
?Ich hab mich gerade gewundert, wieviel Geld ich jetzt bezahlt habe und habe mich geärgert.?
?Diese Preissteigerungen - ja, irgendwie läuft da was unrund, möchte ich mal sagen, bei der Politik.? ?Was mich wundert: Grundsätzlich ist, dass es Überproduktion gibt und subventioniert wird und die Preise trotzdem steigen. Das ist natürlich so spontan für den Endverbraucher schwer nachvollziehbar.?
Die Wenigsten wissen, dass sie gerade wegen der Subventionen mehr bezahlen müssen. Denn die Fördergelder fließen zum Beispiel hierher, auf die Rapsfelder von Thomas Gutzmer, Geschäftsführer der Agrargenossenschaft Rackith in der Nähe von Wittenberg. Er baut außer etwas Futter für die Schweine kaum noch Nahrungsmittel an.
Thomas Gutzmer, Landwirt:
?Der Raps ist traditionell eine Ölfrucht zur menschlichen Ernährung. In der Zwischenzeit geht natürlich über 80 Prozent des Öls in die Biodieselverwertung.? Hier in Rackith sind es sogar 100 Prozent. Denn das ist lukrativer als der Rapsanbau für Nahrungsmittel. ?Zusätzlich wird die Biodieselproduktion oder der Raps zur Biodieselproduktion von der EU noch mal mit zusätzlichen Programmen gefördert und diese haben wir natürlich ebenfalls ausgeschöpft.?
Es ist, als ob das Geld auf dem Acker läge und man es nur noch aufheben muss.
Deshalb verdrängen Raps und andere Pflanzen für die Energiegewinnung die
Nahrungsmittel vom Feld. Und die, die das Geld auf den Acker gestreut haben,
sitzen in der Politik. Begonnen hat es mit Jürgen Trittin, der als grüner
Umweltminister das ‚Erneuerbare-Energien-Gesetz’ schuf.
Jürgen Trittin, ehem.
Bundesumweltminister:
’Der Einsatz
erneuerbarer Energien erspart uns heute schon 50 Millionen Tonnen CO2.’
Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit,
die Wirklichkeit ist etwas komplexer. Der Biosprit wurde zunächst nicht
besteuert. Jetzt gibt es eine minimale Steuer, dafür wird Biodiesel seit Anfang
des Jahres nun zwangsweise zugesetzt. Das hat den Dieselpreis um zwei Cent pro
Liter erhöht. Und laut Gesetz steigt die Zwangsbeimischung weiter an. Wer
tanken will, muss den Biosprit mitbezahlen. Ob das alles wirklich gut für die
Umwelt ist, weiß der Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung
in Berlin. Den hat man ja vorher bestimmt zu Rate gezogen.
Dr. Christian Hey, Sachverständigenrat
für Umweltfragen:
‚Wir
sind gar nicht gefragt worden, sondern wir haben letztes Jahr gesehen, dass
hier ein Bedarf nach einem mahnenden Ruf besteht und wir haben das aus eigener
Initiative auch gemacht.’
Ein
mahnender Ruf? Die Sachverständigen haben die Politik in Sachen nachwachsender
Rohstoffe in einem 200-seitigen Gutachten analysiert.
Dr. Christian Hey, Sachverständigenrat für
Umweltfragen weiter:
‚So wie
die Förderung läuft, werden die Prioritäten falsch gesetzt und es werden
Entwicklungen ausgelöst, die sehr schwer in den Griff zu bekommen sind. Das
heißt also, hier erwarten wir ganz
erhebliche negative Umweltkonsequenzen als Folge einer verfehlten Förderpolitik.’
Denn es ist nicht nur teuer, weil Steuerzahler und Autofahrer draufzahlen, es
bringt auch der Umwelt nichts. In der Schweiz wird gerade diskutiert, ob man
Biosprit fördern soll oder nicht. Hier hat man die Experten allerdings vor der
Entscheidung gefragt. Und ihre Aussage zum Raps ist eindeutig:
Marcel Gauch,
Eidgen. Materialprüfungs- und
Forschungsanstalt:
‚In
diesem Diagramm haben wir die Gesamtbelastung für die Umwelt aufgezeichnet, für
verschiedene Stoffe. Und für den Raps haben wir gesehen - das liegt in diesem
Bereich hier oben - das ist bis zu vier Mal umweltschädlicher als der Vergleich
mit dem normalen Diesel.’
Dieses überraschende Ergebnis kommt zustande, weil die Wissenschaftler im
Gegensatz zu manchen Politikern alle Faktoren berücksichtigen, die auf die
Umwelt wirken.
Marcel
Gauch, Eidgen. Materialprüfungs- und Forschungsanstalt weiter:
‚Das
kommt vom intensiven Anbau, der auch mit intensiver Düngung verbunden ist. Und
in der Düngemittelproduktion und beim Düngemitteleinsatz werden beispielsweise
auch große Mengen Lachgas frei. Und
Lachgas hat einen Wert, der 310 mal höher ist als CO2 in der Wirksamkeit in der
Atmosphäre. Das heißt, die Gesamtklimabelastung durch die Rapsproduktion
inklusive Düngereinsatz, die ist sehr hoch."
Also, da ist etwas schädlich für die
Umwelt, doch Steuerzahler und Autofahrer müssen es finanzieren. Das ist
eigentlich schon absurd genug. Doch weil auf der Fläche, auf der die
Bioenergie-Pflanzen wachsen, nichts mehr für die Ernährung angebaut werden
kann, steigen jetzt auch noch die Lebensmittelpreise.
Hubertus Pellengahr,
Einzelhandelsverband:
‚Wir
spüren die Konkurrenz der nachwachsenden Rohstoffe zum einen bei
Getreideprodukten - Mehl, Backwaren - zum anderen aber auch sehr stark in der
Margarine, weil Rapsöl - kostbares Rapsöl - für die Energieverwendung benutzt
wird. Das fehlt dann eben für die Speisefette und das macht sich dort in steigenden
Preisen bemerkbar.’
Nun gut, könnte man sagen, das ist die Aussage eines Verbandsvertreters, doch
die Experten vom Sachverständigenrat sehen das genauso.
Dr. Christian Hey, Sachverständigenrat
für Umweltfragen:
‚Mit
den Biokraftstoffen werden die Agrarmärkte und die Energiemärkte aneinander
gekoppelt. Und wenn die Energiepreise steigen, und alles spricht dafür, dass
die Energiepreise in den nächsten Jahren steigen werden, werden auch die
Agrarpreise steigen. Das wird für all die Menschen, die nicht Nahrungsmittel
herstellen, sondern Nahrungsmittel einkaufen müssen. und das sind zum Teil auch
die städtischen Armen, eine bittere Pille werden."
Der Bauer Thomas Gutzmer weiß auch um diese Fehlentwicklung. Deshalb baut er
schon heute zusätzlich Zuckerrüben an, die eine bessere Umweltbilanz als Raps
haben. Eine von mehreren Alternativen, die Experten sehen.
Marcel Gauch, Eidgen. Materialprüfungs- und Forschungsanstalt:
‚Es
gibt doch eine ganze Reihe interessanter Stoffe, aus denen man Biosprit herstellen
kann. Dazu gehören sämtliche Abfallstoffe, beispielsweise aus Gülle, aus altem
Speiseöl, aus Molke, aus Klärschlamm, und dazu gehören aber auch beispielsweise
Zuckerrüben, die heute schon ein interessantes Ergebnis für die Umwelt
aufweisen.’
Dr. Christian Hey, Sachverständigenrat für
Umweltfragen:
‚Das
Problem der Förderpolitik ist: Genau diese Unterschiede werden in den
Förderprogrammen nicht abgebildet,
sondern alles wird gefördert, unabhängig davon, ob es dem Klima nützt oder
schadet.’
Fazit:
Zurzeit wird mit Steuergeld eine Schädigung der Umwelt subventioniert. Und um
dem ganzen die Krone aufzusetzen, führt dieser Irrsinn noch zu steigenden
Lebensmittelpreisen. Warum die vorhandenen sinnvollen Wege nicht gegangen
werden, wollten wir vom Unweltministerium wissen. Doch dort sieht man keine
Notwendigkeit, sich für den Umgang mit Steuergeldern und Umwelt zu
rechtfertigen.
FAKT vom 24.09.2007 - Manuskript des Beitrages von Peter Grimm, Frank
Wolfgang Sonntag;
zuletzt aktualisiert: 25. September 2007 | 16:44;
Quelle: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
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