Schweizer Neutralität ade: Partnerschaft für den Frieden und NATO-Geschäftspolitik der bundeseigenen Ruag 10.09.2007 10:58
Ein weiteres Beispiel dafür, auf welche Weise die Welt der Waffen den von unseren Volksvertretern mit Vorliebe im Munde geführten Begriff Frieden »fördert«, in Wirklichkeit aber dazu beiträgt, diesen zunichte zu machen, geht aus nachfolgendem Kommentar hervor.
Damit die Welt »sicherer« wird, übt die NATO in der Schweiz.
Seit über zehn Jahren ist die Schweiz Mitglied der sogenannten Partnerschaft für den Frieden (PdF). Mit dem Beitritt zu dieser Organisation wurde die Schweiz militärisch noch enger mit der USA, Grossbritannien und den NATO-Staaten verbunden, also mit Staaten, die heute in Afghanistan und im Irak Krieg führen. In einem Interview des SonntagsBlicks vom 22. Juli 2007 mit Generalstabsoberst Franz Nager erfuhr man, dass die Schweizer Armee neben der Ausbildung der eigenen Soldaten in weit über 50 Kursen pro Jahr auch Soldaten ausländischer Armeen ausbildet.
Dazu gehören auch »Bedrohungsszenarien in schwer zugänglichem Gelände«.
Vor dem Irakkrieg übten britische Soldaten in den Schweizer Alpen
Helikopterlandungen im Schnee, da dieser die gleiche Konsistenz wie
Wüstensand haben soll. Die US-amerikanische Luftlandedivision Airborne
82 machte geheime Übungen im Lauterbrunnental. Die deutsche Luftwaffe
flog im Tiefflug durch Schweizer Täler und bereitete sich so auf den
Kriegseinsatz in Afghanistan vor. Ein Tornado Kampfjet der Bundeswehr
stürzte dabei ab. Israelische Gebirgsjäger trainierten Kriegsszenarien
für Kämpfe in den Golanhöhen. In der Mönchsjochhütte befanden sich laut
der Neuen Zürcher Zeitung vom 13. Juli 07 vor dem Unglück an der
Jungfrau, bei dem sechs Soldaten der Schweizer Armee in einer Lawine
ums Leben kamen, auch britische Marinesoldaten. Vor acht Jahren waren
120 Soldaten und 12 Panzer Frankreichs zusammen mit einem Westschweizer
Panzerbataillon im Glarnerland am Kriegspielen. Auch dieses nannte sich
Partnerschaft für den Frieden..… 400 in- und ausländischen Offiziere
übten Ende 2000 in Luzern im Rahmen der Partnerschaft virtuell für den
Frieden. »Cooperative Determination 2000« hiess die Übung. An
Bildschirmen wurde so zum Beispiel »in einer umkämpften Provinz eines
fiktiven Landes, Ruhe und Ordnung gesichert, nachdem ein
Waffenstillstand beschlossen worden war.« US-General David F. Bice soll
in Luzern erklärt haben, solche Übungen würden die ganze Welt sicherer
machen.
Die enge Zusammenarbeit mit der NATO findet auch im Rüstungsbereich statt; Ruag Ammotec: der grösste Munitionsproduzent Europas
Die bundeseigene Ruag Holding AG ist heute zusammen mit der
Unternehmung Ruag Ammotec Europas grösster
Kleinkaliber-Munitionsproduzent. Kleinkaliber hat nichts mit
Luftgewehren oder anderen mehr oder weniger gefährlichen
Spielzeugwaffen zu tun. Unter dem Begriff Kleinkaliber versteht man
Munition mit einem Durchmesser bis zu 12,7 mm, also Munition für
Revolver, Pistolen, Sturmgewehre, Maschinengewehre usw. 2002 erwarb
Ruag Ammotec 80 % des deutschen Munitionsmarktführers Dynamit-Nobel. Im
folgenden Jahr wurde die Munitionssparte der österreichischen Firma
Hirtenberger übernommen. Daneben bestehen heute Kooperationsabkommen
zwischen der Ruag und der skandinavischen Firma Nammo Lapua. Ende
September 2005 wurden schliesslich auch noch die letzten Anteile von
Dynamit Nobel von der Ruag übernommen. Heute ist die Ruag Ammotec mit
einem Umsatz von 240 Millionen Franken Europas grösster
Munitionsproduzent.
Einbindung der Schweiz in die NATO im Rüstungsbereich
André Maertens vom Rüstungsinformationsbüro in Freiburg im Breisgau
stellte die Frage: »Wie ist es möglich, dass ein Unternehmen aus dem
EU-Ausland, einem Land, das nicht Mitglied der NATO ist, faktisch zum
letzten Hersteller von Munition wird, der die Grundversorgung der
Armeen verschiedener europäischer NATO-Länder mit Kleinkaliber-Munition
garantieren kann?« Für Maertens ist dies eines der eindrücklichsten
Beispiele für die Einbindung der Schweiz in die EU und in die NATO.
Eine Einbindung, die jenseits offizieller Verlautbarungen betrieben
wird und die auf der Schaffung von gegenseitigen Abhängigkeiten beruht.
»Denn«, schreibt Maertens weiter, »die Ruag Ammotec ist zwar heute im
Bereich von Kleinkalibermunition führend, andererseits wurde jedoch dem
deutschen Rüstungsunternehmen Rheinmetall im Gegenzug zu dieser
Expansion gestattet, in den Schweizer Markt mit gross- und
mittelkalibrigrer Munition einzusteigen. Die Übernahme der
schweizerischen Firma Oerlikon Contraves im Jahr 1999 durch Rheinmetall
Defence scheint dabei nur ein erster Schritt gewesen zu sein.« Der
Bundesrat erwägt nämlich die Grosskalibermunitionsproduktion der Ruag
zu veräussern, wenn möglich an Rheinmetall. Die Ruag Ammotec ist auch
über die Grenzen Europas aktiv. Die Internetseite der Firma nennt als
Exportregion den Nahen Osten und Asien. Laut Firmenangaben gibt es
weltweit 127 sogenannte Distributionspartner. Dabei werden neben
Munition auch weniger tödliche Waffen zur Aufstandsbekämpfung, nämlich
Granaten und Artillerie- bzw. Mörser-Traningssysteme angeboten. (siehe
auch Kleinwaffen Newsletter www.rib-ev.de/daks/ newsletter. htm)
Einsatz der Schweizer Armee in der ganzen Welt und Waffenexporte an Staaten, die Krieg führen
Die Erhöhung des Auslandskontingents von 250 auf 500 Soldaten fand die
Zustimmung des Nationalrates in der Sommersession 2007. Bundesrat
Samuel Schmid wiederholte danach sofort seine Forderung,
Grossraumflugzeuge für dieses Kontingent anzuschaffen, um sie in der
ganzen Welt einzusetzen. Auch dies zeigt, ebenso wie die
Geschäftspolitik der bundeseigenen Ruag und die Waffenexporte an die im
Irak und in Afghanistan Krieg führenden NATO-Staaten, dass unser Land
mehr und mehr gemeinsame Sache mit der NATO macht, mit diesem
Militärbündnis das »unsere Interessen« angeblich auch weit hinten am
Hindukusch verteidigt.
H. Frei, Zürich heinrich-frei@bluewin.ch
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