Zum Thema Terror: 09.09.2007 11:16
Terrorfahndung auf Bestellung: Warum gerade jetzt? Gastkommentar von Andreas Hauß 1
Es gab Zeiten, da brüsteten sich Terroristen ihrer Taten. In ihren Communiqués erklärte die RAF, was sie wollte. Das wurde zwar selten klar, aber man hatte das Gefühl von Originalität. Anders heute: Da erläutert der Verteidigungsminister als erster, was die Terroristen wollten (Flughäfen zerbomben: aber Jung ließ offen, wann, warum, wie und welche). Dann meldeten sich die anderen, die zuvor ihren Einsatz verpaßt hatten. Schäubles Zurückhaltung war das Auffallendste. War es, weil ihm niemand mehr glaubt, Jung aber noch Reputation hat? Der Zeitpunkt war jedenfalls gut gewählt: passend zu den Jahrestagen des 11. Septembers und der Schleyer-Entführung sowie zur baldigen Abstimmung über noch mehr Afghanistan-Abenteuer. Und sanft eingebettet in die Debatte, ob die USA in Pakistan bomben sollten.
Die Londoner Attentate im Jahre 2005
drehten das Thema des gleichzeitig stattfindenden G-8-Gipfels in Gleneagles von
Afrika-Entschuldung auf Antiterrorkampf. Die Festnahme der libanesischen angeblichen Kofferbomber paßte haargenau zur Debatte um den Libanon-Einsatz. Und die
Madrider Bomben explodierten punktgenau im spanischen Wahlkampf. Gestern kamen
nicht nur die behaupteten »Verbindungen nach Pakistan« wie gerufen für die
Entwicklung der bundesdeutschen Regierungspolitik, sondern auch Zeitpunkt und
Begründung der Festnahmen. Einerseits wurden die Herren Terroristen seit
Monaten beobachtet - andererseits kam erst am Mittwoch der »Zugriff«.
Einerseits waren weder Ort noch Zeit der angeblich geplanten Anschläge klar,
die Bomben auch noch gar nicht gebaut (Spiegel online) - andererseits (CSU-MdB
Hans-Peter Uhl) waren es nur noch »Stunden« vor dem Horroranschlag. Einerseits sei
man so »nah dran« gewesen (Generalbundesanwältin Monika Harms), daß man durch
Verwanzung von Wohnungen und Telefonen genau gewußt habe, was geplant sei.
Andererseits (wieder Harms) war man dabei so supervorsichtig, die Sicherheit
der Bevölkerung zu schützen, indem man das angeblich dem Bombenbau dienliche
Wasserstoffperoxid durch eine dreiprozentige - und somit harmlose - Lösung habe
ersetzen können.
Warum dann ausgerechnet jetzt
die Festnahmen? Den Befehl zum Losschlagen gab nicht Kommissar Zufall, sondern
jemand, der sich von genau diesem Termin etwas versprach. Womit er
nicht gerechnet hatte, war die Vielstimmigkeit des Geplappers derer, die sich
den »Erfolg« an die Brust heften wollen. Vor Gericht wird demnächst auch zu
klären sein, welche Rolle ein verdeckter Ermittler spielen kann, der Grundstoffe
zum Bombenbau sowohl beschafft als auch auswechselt. Ist es nicht ein
Agent provocateur, der den einzigen handfesten Beweis für eine Straftat
beliebig auf- und abbaut? Ein Staatsdiener, der die Gruppe erst zu dem macht,
was ihr vorgeworfen wird?
Höchst aufschlussreich sind auch die zum gleichen
Thema dargelegten Ausführungen von Frank Brendle 2:
Wie ernst es den drei verhafteten
»Terrorverdächtigen« tatsächlich gewesen ist, weiß im Moment niemand. Es spielt
auch keine Rolle, denn spätestens mit ihrer Festnahme fängt nun der nächste Akt
des Schauspiels an: Für den heutigen Freitag [7.9.07] hat Innenminister
Wolfgang Schäuble (CDU) seine Länderkollegen zu einer Sondersitzung
zusammengetrommelt. Beschlüsse sind von der Innenministerkonferenz kaum zu
erwarten, ihr Zweck ist es vielmehr, den Scharfmachern vor allem aus CDU und
CSU ein Forum zu bieten. Der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU)
führt sich auf wie ein von der Leine gerissener Kampfhund und sieht seine
Stunde gekommen, die Grundrechte endlich in den Orkus zu spülen, und zwar in
des christlichen Gottes Namen. Übertritte zur Konkurrenzreligion Islam will er künftig
meldepflichtig machen und die Konvertiten überwachen lassen. Religionsfreiheit
und die Freiheit, seinen Glauben für sich zu behalten - egal.
Online-Durchsuchungen, jetzt erst recht, fordert Beckstein, schließlich hätten
die Festgenommenen »das Internet genutzt«. Daß er Internetüberwachung
(Surf-Verhalten) und Online-Durchsuchung (Festplatten!) durcheinanderbringt und
damit nur seine Ahnungslosigkeit beweist, ist egal. Hauptsache, es wird Alarm geschlagen. In dieser Inszenierung
wirken auch Sozialdemokraten mit. So will Berlins SPD-Innensenator Ehrhart
Körting »nüchtern überlegen und abwägen«, ist aber - selbstverständlich - »grundsätzlich offen« für
Gesetzesverschärfungen. Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) reagiert
»skeptisch« und mahnt, es müsse alles seinen verfassungsmäßigen Gang gehen,
aber - selbstverständlich - »prüfe« sie die vorgeschlagenen
Gesetzesverschärfungen. Was da seit Tagen gegeben wird und weswegen die
IMK-Sitzung heute stattfindet, ist das alte Spiel vom guten Bullen und dem
bösen Bullen. Es funktioniert immer noch. Der Aufenthalt in einem
»Terror-Ausbildungslager« soll künftig bestraft werden, da herrscht schon so
gut wie Konsens. Wer definiert, was solche Lager ausmacht? Was unterscheidet sie von den
Ausbildungscamps von Bundeswehr und US-Armee? Daß in letzteren nicht
mit Wasserstoffperoxid, sondern mit Panzern und Granaten trainiert wird? Wer
stellt demokratiefeindliche, islamistische Bekundungen in Zusammenhang mit
völkerrechtswidrigen Angriffskriegen, die bei der Nato mittlerweile gang und
gäbe sind und gegen die niemals ein
Staatsanwalt ermittelt? Widerstand ist da allenfalls noch von den
Bürgern zu erwarten, die sich nicht in Köpfe, Wohnungen und Computer schauen
lassen wollen. Steter Tropfen, so das Kalkül der Schäuble & Co., soll den
Stein höhlen. Deswegen wird seit Jahr und Tag in Terrorhysterie gemacht. Sich
den Kopf nicht irremachen zu lassen und die Grundrechte gegen die Extremisten
der großen Koalition zu verteidigen, ist Aufgabe der Linken.
1Quelle: http://www.jungewelt.de/2007/09-06/061.php
Andreas Hauß ist Buchautor und betreibt die
website http://www.mai2.eu/
www.
medienanalyse-international.de: Hervorhebungen durch politonline
2 Quelle: http://www.jungewelt.de/2007/09-07/045.php
9.7.07 Guter und böser Bulle
Terrorhysterie mit verteilten Rollen - Von Frank
Brendle
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