US-gelenkte Todesschwadronen im Irak - Ein Aufruf, unsere Stimmen zu erheben! - von Max Fuller, Grossbritannien

Die Zeugenaussage eines irakischen Folteropfers bestätigt die Anwesenheit von US-Personal am umstrittenen Jadiriyah Bunker. Vermutlich erinnert sich jeder an die Entdeckung der Hafteinrichtung Jadiriyah im November 2005 1. US-Truppen berichteten, das Gefängnis bei ihrer Suche nach einer vermissten Person entdeckt und dabei etwa 170 Häftlinge vorgefunden zu haben, die unter entsetzlichen Bedingungen lebten, viele von ihnen offenbar Opfer obszöner Folterungen. Obgleich bestätigt wurde, dass das Lager dem Innenministerium gehörte und dass die Häftlinge von einer geheimen Truppe des Innenministeriums festgehalten wurden, die als Special Investigations Unit bekannt ist, wurde die Geschichte schnell abgewälzt, als weiteres Beispiel der Arbeit der shiitischen Milizsoldaten dargestellt und in diesem Fall, wie es zu jener Zeit gerade Mode war, der Badr Brigade unterschoben 2.

Unzählige Versprechungen wurden sowohl von den USA als auch von der irakischen Regierung gemacht, dass rasch Untersuchungen durchgeführt würden und es in Zukunft eine bessere Überwachung der von den Irakern geführten Strafanstalten gebe. (So versicherte zum Beispiel die irakische Regierung der Welt, dass bald eine Untersuchung auf ministerieller Ebene durchgeführt würde, während US-Beamte die Überprüfung der Häftlingsakten durch eine gerichtliche Kommission versprachen. Ein US-Botschaftssprecher gab an, dass das Justizministerium und FBI-Offiziere dabei technische Unterstützung leisten würden.)
 
Irak - Schreckensstaat von US-Gnaden
Angesichts des Ausmasses an Missbrauchsfällen (Auspeitschungen, Verbrennungen, Drill usw.) und der Nähe der Täter zur irakischen Regierung (mittels der Arbeit für das Innenministerium sowie durch mögliche Verbindungen zwischen Badr und Sciri) und zur US-Besatzung, die sie schliesslich eingerichtet hatte (wie zahlreiche Berichte ausführlich dokumentierten, z. B. Knight Ridder am 9. Mai 2005 3), waren solche Untersuchungen selbstverständlich weniger als das, was eigentlich dringend erforderlich gewesen wäre: nämlich eine umfangreiche und öffentliche polizeiliche Untersuchung durch unabhängige internationale Agenturen. In diesem Fall verliefen sogar die begrenzten Versprechungen im Sande, wie der UN-Menschenrechtsoffizier im Irak kürzlich herausstellte 4. Was wir wirklich gesehen haben, sind weder Untersuchungen noch Strafverfolgungen, obwohl Jadiriyah genau den Kern der Sache trifft, dass nämlich der Staat Irak unleugbar zu einem Schreckensstaat geworden ist.
 
Im Oktober letzten Jahres hatte ich das Privileg, eines der Opfer dieses schrecklichen Missbrauchs zu interviewen, nämlich den bemerkenswerten ehemaligen Professor für Pädagogik an der Bagdader Universität, Tareq Samarree, der im März 2005 in seinem Haus von zivil gekleidetem Personal des Innenministeriums ohne Vorladung verhaftet worden war. Professor Samarree, der ein entsetzliches Zeugnis aus erster Hand von den Folterungen, die er erlitten hatte, ablegte, sowie Details von anderen berichtete, die gestorben waren, und vom Verschwinden seines Sohns innerhalb des irakischen Strafsystems, hatte nie auch nur den Anschein eines Gerichtsprozesses oder irgendeines Zuganges zur Welt draussen gesehen. Was die Geschichte von Professor Samarree am erstaunlichsten macht, sind die Details seiner Freilassung. Der körperliche Zustand von Professor Samarree war, als die amerikanischen Soldaten das Lager entdeckten, so schlecht, dass er zusammen mit einem Dutzend anderer Häftlinge sofort in ein örtliches Krankenhaus gebracht wurde. Dort wurden er und seine Schicksalsgenossen festgehalten, ohne Zugang zu Rechtsanwälten, Journalisten, offiziellen Vertretern oder sogar zu einem Telefon. Tatsächlich wurde schnell klar, dass diese Folteropfer in irakische Gefängnisse zurückgebracht werden sollten. Professor Samarree, von dem ein weiterer Sohn in den Vereinigten Staaten lebt, hatte das Glück, einen amerikanischen Soldaten überreden zu können, Mitleid mit ihm zu haben und ihm und zwei seiner Mitgefangenen zur Flucht zu verhelfen. Die letzten Worte des Soldaten zu Professor Samarree waren: «Lauft, lauft. Dreht euch nicht um!» Innerhalb weniger Tage hatte Professor Samaree die Flucht aus dem Land für sich und seine Familie organisiert. Er ist jetzt in Europa, wo er um politisches Asyl ersucht hat.
 
Die gesamten Details der Geschichte von Professor Samarree und eine detaillierte Aufstellung über den von Amerika aufgebauten irakischen Geheimdienst sind im Artikel «Ghosts of Jadiriyah» enthalten 5, welcher vom Brussells Tribunal veröffentlicht wurde 6. Dabei ist zu beachten, dass die Geschichte anlässlich des einjährigen Jahrestages der Entdeckung der Strafeinrichtung Jadiryah einer Reihe von Mainstreammedien angeboten wurde, darunter «The New Yorker», «New Statesman», «The Independent», «The Big Issue» sowie der radikalen linken Publikation Z Mag. Von all jenen waren nur der «New Statesmen» und Z Mag höflich genug, darauf zu antworten, um ihre Ablehnung zu bestätigen. Es schien, dass Professor Samarees bemerkenswerte Geschichte und jedes weitere Interesse an Jadiriyah einfach von der Tagesordnung gestrichen worden waren. Aber Jadiriyah, mit seinen Geistern und seiner Grausamkeit, kann nicht gestrichen werden.
 
Folter mit Bohrmaschinen
Am 7. Februar 2007 trug ein weiterer ehemaliger Insasse von Jadiriyah, Abbas Z Abid, seine eidesstattliche Erklärung 7 bei der internationalen Friedenskonferenz in Kuala Lumpur vor. Wie die von Professor Samarree ist auch seine Beschreibung der Folterung, die er und andere durchmachten, so grauenvoll, dass man sie kaum ertragen kann. Was seine Erklärung so besonders macht und unser Verständnis von der grausigen Welt der irakischen Geheimgefängnisse erweitert, sind die Daten seiner Einsperrung. Herr Abid, ein Elektroingenieur aus Falludjah, der leitender Ingenieur im Wissenschafts- und Technologieministerium in Bagdad war, wurde im August 2005 festgenommen, wurde aber erst im Oktober 2006 wieder freigelassen. Das bedeutet, dass Abid - wie auch Dr. Samarree - eingesperrt war, als die amerikanischen Soldaten die Einrichtung überfielen; aber dies beendete seine Tortur nicht. Tatsächlich beschreibt nicht nur Abbas Z Abid die fortwährenden Folterungen, denen er nach der US-Intervention wiederholt unterworfen wurde, wie auch die Folterungen, die den Mitinsassen weiterhin angetan wurden, darunter den Gebrauch der Black- und Decker-Bohrmaschinen und anderer elektrischer Werkzeuge (Abid nennt acht Mithäftlinge, die an ihren Verletzungen starben), sondern er stellt auch fest, dass «amerikanische Truppen das Gefängnis viele Male aufgesucht haben und daher die Existenz dieses Gefängnisses nicht leugnen können».
 
Die Folgen dieser zwei Zeugenaussagen sowie das Fehlen unabhängiger und öffentlicher Untersuchungen liegen auf der Hand. Die Besatzungsmacht hat überhaupt nichts getan, um den Missbrauch im Netzwerk der Geheimgefängnisse 8 des Innenministeriums zu stoppen oder in irgendeiner Hinsicht die Sphäre der Straffreiheit zu beschränken, innerhalb derer sie bestehen. Und wir sollten uns völlig klar sein, worüber wir hier sprechen. Wir sind damit so nahe wie möglich an die Welle konfessionell begründeter Gewalt herangekommen, die derzeit den Irak überschwemmt, und deren Opfer fast unvermeidlich vom Personal des Innenministeriums festgenommen und dann in den Gefängnissen des Innenministeriums schrecklich gequält werden und deren Körper schliesslich auf verlassenen Grundstücken auftauchen oder von den Flüssen angeschwemmt werden, Opfer, die in den flachen Gräbern in der Wüste begraben sind oder als menschlicher Abfall in der Nähe von Abwasseranlagen zurückgelassen werden. (Der ehemalige Menschenrechtschef im Irak, John Pace, stellte fest, dass die Mehrheit der Tötungen von Gruppen unter Leitung des Innenministeriums durchgeführt werden, «Independent», 26. Februar 2006 9, während die irakische Organisation for Follow-up and Monitoring 10 [Organisation für Kriegsfolgen und Überwachung] im Irak herausfand, dass in 92 % von etwa 3 498 Fällen aussergerichtlicher Tötung die Opfer durch Kräfte des Innenministeriums verhaftet worden waren.) Das wäre ohne Zweifel auch das endgültige Schicksal von Professor Samarree und von Abbas Z Abids unglücklichen Mitgefangenen gewesen.
 
Britisches Know-how aus Nordirland
Selbstverständlich sind sich die Amerikaner immer über das Bestehen von diesen und anderen entsetzlichen Kerkern bei den Einrichtungen des Innenministeriums bewusst gewesen. Was sonst? Sie errichteten sie und fahren fort, von den gleichen Einrichtungen aus zu operieren! Und für diejenigen, die die Richtigkeit oder die Zeugenaussage Abbas Z Abids, dass amerikanische Kräfte regelmässige Besucher waren, in Frage stellen, wird dessen Geschichte durch Solomon Moores Artikel in der «Los Angeles Times» (vom 9. Juli 2006 11) bestätigt, der besagt, dass das US-Militär sogar noch vor dem Überfall im November in der Einrichtung gewesen war! Und dasselbe geschah in Basra. Nachdem durch den Plaid-Cymru-Abgeordneten Adam Price aufgedeckt worden war, dass ausgebildete britische Polizisten Gefangene mit Bohrmaschinen zu Tode gefoltert hatten 12, entdeckten wir durch die «New York Times» (!!)13, dass amerikanische Geheimdienstoffiziere mit ihnen in der Jamiyat Polizeistation zusammengearbeitet hatten, wohin sie die Namen der Verdächtigen  weitergaben, wohl wissend, dass jene Verdächtigen als Opfer der Todesschwadronen enden würden. Das ist ihr Modus operandi und er wird durch britische Nachrichtendienstler beim Militär kopiert, wie beispielsweise durch die Joint Support Group (Gemeinsames Unterstützungskonsortium), die ihre schändlichen Erfahrungen aus Nordirland (wo, wie Chris Floyd vor kurzem dokumentiert hat, sie konfessionell begründete Ermordungen durch die Ulster Defence Association durchführten) 14 geradewegs in den Irak mitnahmen. Daher findet man in Basra eine die Rache Gottes (Thar Allah) genannte paramilitärische Todesschwadron, die von den Briten gefüttert und geschützt wird,  die mit dem polizeilichen Geheimdienst verbunden ist und die Kontrolle über nächtliche Sperrstunden hat, trotz der Tatsache, dass sie sich rühmt, Mitglieder des ehemaligen Staates getötet zu haben (vgl. «Ghosts of Jadiriyah» 15 für weitere Details).
 
Weil die westlichen Mainstreammedien die Stimmen von Professor Samarree und Abbas Z Abid nicht hören wollen, ist jeder anständige Mitbürger sowie jede Organisation, die die illegale Besetzung des Iraks ablehnt, dazu aufgerufen, die Wahrheit einzufordern und diesem Monster von Straffreiheit ein Ende zu bereiten. Jean-Paul Sartre bemerkte, dass der amerikanische Angriff auf Vietnam nicht nur ein Angriff gegen diese Nation war, sondern auch ein Gewaltakt, der gegen die gesamte Menschheit gerichtet war. Wenn wir irgendeine Hoffnung haben wollen, dass wir unsere gesamte Menschheit retten können, dann müssen wir unsere Stimmen erheben, damit die Hilferufe aus dem Irak ein Ende finden.    
 
 
Quelle: www.globalresearch.ca vom 14.3.2007
1 edition.cnn.com/2005/WORLD/meast/11/15/iraq.main/index.html
2 www.globalresearch.ca/admin/rte/richedit.html#_edn1
3 www.informationclearinghouse.info/article8792.htm
4 www.uniraq.org/FileLib/misc/HR Report Nov Dec 2006 EN.pdf
5 www.brusselstribunal.org/FullerJadiriyah.htm
6 www.brusselstribunal.org/
7 www.brusselstribunal.org/ArticlesIraq3.htm#Abbas
8 observer.guardian.co.uk/international/story/0,6903,1520136,00.html
9 www.commondreams.org/headlines06/0226-01.htm
10 www.brusselstribunal.org/IraqUNHRC.htm
11 www.globalpolicy.org/security/issues/iraq/election/2006/0709policeabuses.htm
12 news.independent.co.uk/world/middle_east/article328214.ece
13 www.nytimes.com/2006/05/22/world/middleeast/22security.html?ex=1305950400&en
=c13f497261ed46e4&ei=5088&partner=rssnyt&emc=rss&pagewanted=all
14 www.truthout.org/docs_2006/021307J.shtml
15 www.brusselstribunal.org/FullerJadiriyah.htm
 
Quelle: Zeit-Fragen Nr. 13/14 vom 3.4.2007 www.zeit-fragen.ch