Dem an Kardinal Lehmann gerichteten Brief stellen wir eine Meldung der Badischen Zeitung vom Mittwoch, den 7. März 2007, voran

Empörung über Bischöfe - Israels Botschafter kritisiert Äußerungen bei Nahost-Besuch Israels Botschafter in Deutschland, Schimon Stein, hat »mit Entsetzen und Empörung« auf Äußerungen katholischer deutscher Bischöfe zur Abgrenzung Israels von den Palästinensergebieten reagiert. Stein warf den Bischöfen in einer gestern verbreiteten Erklärung Demagogie vor. Der Diplomat: »Wenn man Begriffe wie Warschauer Getto oder Rassismus im Zusammenhang mit der israelischen beziehungsweise palästinensischen Politik benutzt, dann hat man alles vergessen oder nichts gelernt oder moralisch versagt.« Die deutschen Bischöfe hatten vergangene Woche Ramallah und Bethlehem besucht. Der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke sprach vom »Getto in Ramallah» und der Augsburger Bischof Walter Mixa von einer »gettoartigen Situation«. »Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr«, sagte der Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann. Die Bischöfe wiesen die Kritik zurück.

Brief an Seine Eminenz Kardinal Prof. Dr. Dr. Karl Lehmann, Mainz
 
Sehr geehrter Herr Professor Dr. Lehmann,
mit Erschrecken nehmen wir die Verleumdung der Deutschen Bischöfe durch den Zentralrat  der Juden in Deutschland zur Kenntnis. Sie und Ihre Kollegen, ganz besonders Herr Kamphaus, ehemaliger Bischof des Bistums Limburg, haben sich durch eine so ausgewogen wie irgendwie möglich gehaltene Stellungnahme zum Skandal um die vom israelischen Staat mit Füßen getretenen Menschen- und Bürgerrechte der Palästinenser um Frieden und Menschenwürde verdient gemacht.
 
Jede Verunglimpfung dieses deutlichen Rufes für Gerechtigkeit ist ein Verrat gerade an jenen europäischen Juden, die den Verbrechen, durch Menschenverachtung hervorgerufen, zum Opfer fielen. Diese Vergangenheit der Juden Europas ist grausam. Sie kann nur durch unsere Buße und Verpflichtung zum Vermeiden ähnlicher Verbrechen in der Zukunft beantwortet werden. Gerade dies beabsichtigte, wenn wir es richtig verstanden haben, Ihre und Ihrer bischöflichen Kollegen Intervention. Wie anders, als durch Vergleichen mit vergangenen Verbrechen, können ähnliche Verbrechen an anderen vermieden werden? Vergleichen heißt schließlich nicht »gleichsetzen«. Weiß dies der Leiter der Gedenkstätte Yad Vashem nicht?
Ihnen ist dafür zu danken, auch von Juden, gerade auch von deutschen Juden und allen anderen Menschen guten Willens in Deutschland, die mit Dank und Ergebenheit Ihren Bericht über das Leben in Palästina zur Kenntnis genommen haben. Es ist schwer vorstellbar, wie eines Tages Menschen in Israel mit der Hypothek des an den palästinensischen Schwestern und Brüdern (welcher Religion oder Weltanschauung auch immer) begangenen Taten fertig werden.
 
Sie aber, sehr geehrte Eminenz, und Ihre werten Kollegen werden nicht mit dem Vorwurf leben müssen, zu einem himmelschreienden Unrecht geschwiegen zu haben. Zu diesem Unrecht nicht zu schweigen ist nämlich das verpflichtende Vermächtnis der Geschichte besonders für alle Deutsche, Juden, Christen und alle anderen Bürgern unseres Landes. Gerechtigkeit und Liebe zu den Menschen sind unteilbar. Bitte richten Sie Ihrem Augsburger Kollegen, Herrn Bischof Hanke, unser Bedauern über seine durch die Medien bekannt gewordene Rücknahme, bzw. die Relativierung seiner vorher gemachten Aussagen aus. Weder er, noch einer von Ihnen, steht in der Pflicht, sich zu entschuldigen. Ganz im Gegenteil 
 
Hochachtungsvoll
Evelyn Hecht-Galinski, Tochter des Auschwitz-Überlebenden und ehemaligen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Mitglied der Deutschen Sektion der European Jews for Just Peace, EJJP          
Ellen Rohlfs, Gush Shalom und Trägerin des Bundesverdienstkreuzes am Bande
Günter Schenk, Aktionsbündnis für einen gerechten Frieden in Palästina; Deutscher Sprecher des Collectif judeo-arabe et citoyen pour la paix, Strasbourg