Minarette nicht über unsere Köpfe hinweg bewilligen! - von Patrick Freudiger, Stadtrat Langenthal

In der Schweiz lässt sich der Trend beobachten, dass muslimische Glaubensgemeinschaften vermehrt nicht nur ihren Glauben ausüben, sondern diesen mit Minarettbauten auch öffentlich demonstrieren wollen. In Wangen bei Olten, Langenthal und Wil sind bereits Baugesuche eingegangen. Die Stadt Bern hat in einer total revidierten Bauordnung Erleichterungen für Minarettbauten vorgesehen und spricht selber von einer ?Pionierrolle?.

In der Bevölkerung regt sich gegen die Minarettbauten derweil massiver Widerstand. In Wangen bei Olten haben 380 Personen eine Einsprache gegen das Minarett unterzeichnet. In Langenthal hat das Komitee ‚Stopp Minarett’ 3600 Petitionsunterschriften eingereicht. Die Unterzeichner verlangen, dass das Minarett in einem grösseren, nicht nur baurechtlichen Zusammenhang diskutiert werden soll. Zudem sind 76 Einsprachen gegen das Langenthaler Bauvorhaben eingegangen. Kürzlich ist auf kantonalbernischer Ebene eine weitere Petition gegen die geplanten Minarettbauten mit über 6000 Unterschriften dem Regierungsrat übergeben worden.
 
Das Minarett wird in der Bevölkerung als Machtsymbol des Islams wahrgenommen. Experten stützten diese Deutung. So schreibt die international renommierte Islamwissenschaftlerin Annemarie Schimmel: »Das Minarett ... wird manchmal als eine Art Siegesturm aufgefasst, als das sichtbare Zeichen der Gegenwart des Islam in einem neu eroberten Gebiet« (Annemarie Schimmel, Die Zeichen Gottes. Die Religiöse Welt des Islam. C.H. Beck: München, 1995, S. 83). Das Minarett ist damit ein politisches Symbol, das zur Ausübung des muslimischen Glaubens nicht nötig ist. Der Islam basiert auf 5 Säulen: Dem Glaubensbekenntnis, dem Gebet (5x täglich), der Almosensteuer, der Pilgerfahrt nach Mekka und dem Fasten im Monat Ramadan. Für keine dieser 5 Säulen ist ein Minarett nötig. Damit ist es auch mehr als fraglich, ob ein Minarett als politisches Machtsymbol überhaupt von der Religionsfreiheit gedeckt ist, da diese nur die Ausübung des Glaubens schützt.   »   «  
 
Die lokalen muslimischen Glaubensgemeinschaften nehmen diese Bedenken in der Bevölkerung kaum auf. Im Gegenteil: An der Moschee in Wangen bei Olten weht eine Fahne der ‚grauen Wölfe’, einer türkischen rechtsextremistischen, als gewaltbereit bekannten Bewegung. Der Baugesuch stellende türkisch-kulturelle Verein ist - trotz allen Beteuerungen eines angeblichen Auseinanderlebens - auch Mitglied der grauen Wölfe. Man stelle sich zum Vergleich vor, was passieren würde, wenn irgendein Schweizer Verein eine Fahne mit einem Hakenkreuz aufhängen würde und dann z.B. seine Räumlichkeiten ausbauen möchte: Ein landesweiter Aufschrei, wochenlange Reportagen, politische Forderungen nach schärferen Gesetzen, Hintergrundberichte, Gefahrenanalysen, Verachtung gegenüber den ‚kleinbürgerlichen’ Baubehörden, die sich bei der Beurteilung des Baugesuches vielleicht nur auf die baurechtlichen Grundlagen stützen würden, etc. etc. Beim türkisch-kulturellen Verein aber spielt man - politisch korrekt - die Problematik herunter. Wenn es um fremde Kulturen geht, haben die sonst so rigide durchgesetzten Massstäbe plötzlich nicht mehr so strenge Geltung. Man will ja ‚tolerant’ sein…
 
In Langenthal wiederum hat sich die muslimische Glaubensgemeinschaft kaum je um Kontakt mit der Bevölkerung bemüht. Viele Bürger haben nicht einmal gewusst, dass es eine muslimische Glaubensgemeinschaft gibt. Auch vor dem Bau des Minaretts hat man es unterlassen, sich nach den Befindlichkeiten in der Bevölkerung und den Ansichten der Parteien zu erkundigen. Der Verdacht drängt sich auf, dass die muslimische Glaubensgemeinschaft ohne grosses Aufsehen eine Baubewilligung erlangen wollte. Nachdem dies wegen des massiven Widerstandes aus der Bevölkerung unmöglich geworden ist, versucht man jetzt mit der Brechstange, die Baubewilligung zu erzwingen.
 
Das Minarett als Machtsymbol, graue Wölfe, stures Durchpauken von Baugesuchen: Das sind sachliche Gründe für die verbreitete Skepsis gegenüber Minarettbauten in der Schweiz. Diese Ängste einfach als diffus abzutun, wäre falsch. Dennoch finden diese Einwände im normalen Baubewilligungsverfahren keinen Eingang. Was den baurechtlichen Vorschriften nicht widerspricht, kann gebaut werden. Diese einseitigen Rechtsgrundlagen gefährden damit den sozialen Frieden in der Gemeinde. Aus diesem Grund ist es nötig, dass bei der Errichtung von Minaretten auch politische Aspekte berücksichtigt werden können. In der Schweiz, wo das Verständnis für die direktdemokratischen Instrumente zur Bewältigung von Problemen sehr tief verwurzelt ist, drängt sich auch für das Minarettproblem eine Volksabstimmung als Lösung auf. Auch baulich markante Symbolbauten anderer Religionen, wie der Sikh-Tempel, müssten dann einer Volksabstimmung unterstellt werden. Eine Volksabstimmung würde eine breite, vorgängige und konstruktive Diskussion unter allen Betroffenen ermöglichen.
 
Wie der Fall Langenthal gezeigt hat, findet diese Diskussion im normalen Baubewilligungsverfahren nicht statt. Eine Religionsgemeinschaft, welche eine baulich markante Symbolbaute errichten möchte, wäre zudem gezwungen, hiesige Werte zu respektieren und zu leben, wenn ihr Begehren in einer Volksabstimmung eine Chance haben soll. Schliesslich sind Volksabstimmungen immer auch eine gute Möglichkeit, dass jeder Bürger seine Meinung, seine Bedenken, seine Kritik auf demokratischem Weg geltend machen kann. Die demokratische Ausmarchung der verschiedenen Meinungen verhindert Frustration und damit verbunden das Entstehen von Extremismus oder Fremdenfeindlichkeit.