KSK im Folterknast? Von Jana Frielinghaus

Nach langem unbehelligten Wirken und Wüten im Verborgenen sind sie wieder einmal im Gespräch: Die harten Jungs der Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK), die in Afghanistan ihrem Handwerk nachgehen. Schuld daran ist Murat Kurnaz. Der Bremer türkischer Herkunft war mehr als vier Jahre lang in berüchtigten US-Gefangenenlagern am Hindukusch und in Guantánamo festgehalten worden, weil man ihn verdächtigte, ein Taliban-Kämpfer zu sein, was er stets zurückgewiesen hatte. Erst im August wurde er freigelassen.

Einem am Mittwoch vorab veröffentlichten Bericht zufolge sagte Kurnaz dem Magazin Stern, zwei Männer mit der deutschen Flagge am Uniformärmel hätten ihn in einem geheimen US-Gefängnis im afghanischen Kandahar mißhandelt. Er sei hinter zwei Lastwagen geführt worden, und es habe geheißen, zwei Deutsche wollten ihn sehen. Einer der beiden habe ihn an den Haaren gerissen und mit dem Kopf auf den Boden geschlagen. Er habe erklärt: »Wir sind die deutsche Kraft«. Laut Stern handelte es sich bei den Deutschen aller Wahrscheinlichkeit nach um KSK-Angehörige. Sie seien damals die einzigen deutschen Soldaten in Kandahar gewesen.
 
Das Bundesverteidigungsministerium hat nun eine sorgfältige Prüfung der Vorwürfe zugesagt. Ein Ministeriumssprecher betonte jedoch, die »genaue Sachverhaltsdarstellung« werde »einige Zeit in Anspruch nehmen«. Die Oppositionsparteien im Bundestag haben von der Bundesregierung dringend Aufklärung über die fraglichen Vorgänge verlangt. Der FDP-Obmann im Untersuchungsausschuß zu den Geheimdienstaffären, Max Stadler, sagte am Mittwoch in Berlin, eine bloße Kommentierung in Geheimgremien des Parlaments reiche nicht aus. Die stellvertretende Chefin der Linksfraktion, Petra Pau, erklärte, die von Kurnaz beschriebenen Vorgänge seien »ohne Wissen und Duldung der Bundesregierung undenkbar«. Sollten dessen Aussagen stimmen, hätten Zeugen wie Ex-BND-Chef August Hanning und Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm »den Bundestag belogen«, so Pau.
 
Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Siegfried Kauder (CDU), nannte die Schilderungen von Kurnaz indes »schlichtweg absurd«. Nach seinen Angaben wird sich der Ausschuß ab Anfang 2007 mit dem Fall Kurnaz beschäftigen. Der Grünen-Obmann im Ausschuß, Hans-Christian Ströbele, plädierte dafür, die Behandlung der Angelegenheit vorzuziehen. Er habe zudem bereits mehrfach Auskunft darüber verlangt, was das KSK eigentlich in Afghanistan mache.
 
Der Anwalt von Kurnaz, der Bremer Jurist Bernhard Docke, erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, es sei völlig unklar, was die Soldaten von Kurnaz gewollt hätten. Er prüft eine Klage gegen die Bundesregierung wegen Freiheitsberaubung durch Unterlassung sowie gegen die zwei Soldaten wegen möglicher Körperverletzung im Amt. Docke sagte, es habe Kurnaz zufolge einen weiteren Besuch eines deutschen Sicherheitsbeamten in Guantánamo gegeben. Abgesehen von dem von der Bundesregierung bestätigten Besuch von Beamten des BND und des Bundesamtes für Verfassungsschutz im September 2002 sei Kurnaz auch im Jahr 2004 von einem deutschen Sicherheitsbeamten vernommen worden.
 
Quelle: http://www.jungewelt.de/2006/10-05/056.php