Die Ukraine in der Selbstfindung - Offene Briefe an die NZZ, Ausgabe NZZ Nr. 290 vom 11./12.04

Offener Brief an die 'Neue Zürcher Zeitung' 15. Dezember 2004 Zu Handen von Herrn Ulrich Schmid

Die Ukraine in der Selbstfindung
NZZ Nr. 290 vom 11./12.04
           
Sehr geehrter Herr Schmid,
 
Ihre Berichterstattung zur Ukraine kann nicht unwidersprochen bleiben, da allein schon der Titel der wirklichen Situation nur sehr begrenzt Rechnung trägt, es sei denn, Sie betrachteten  eine neue, unter dem voraussehbaren Diktat Washingtons stehende Regierung als Selbstfindung. Es trifft zwar zu, dass, wie Sie ausführen, drei Wochen mit Protesten Änderungen in der Ukraine ausgelöst haben; ob sich diese Proteste,  hätten die Ukrainer um die Manipulationen von Seiten der USA ebenso gut Bescheid gewusst wie über die Russlands, so abgespielt hätten, darf allerdings bezweifelt werden. Insofern billige ich Ihrer in meinen Augen übereilten und wenig kritischen Aussage, dass das Land die Fundamente für eine Bürgergesellschaft gelegt habe, wenig Glaubwürdigkeit zu, da ich letztere durch die eigentlichen Fakten widerlegt sehe.
 
Wie Sie schreiben, ist der aus Moskau oft gehörte Vorwurf einer auf unzulässige Weise erfolgten Einmischung des Westens, insbesondere Europas, "absurd". Wie Sie Ihren Lesern,  deren Mehrheit auf Grund verlässlicher Internetquellen längst wissen dürfte,  wie die Revolution in Georgien und die jetzige in der Ukraine gesteuert wurde, eine solche Aussage präsentieren können, ist schwer nachvollziehbar und zeugt für meine Begriffe von einer regelrechten Ignoranz, da ich nicht annehmen möchte, dass hier eine bewusste Irreführung erfolgen soll.  
 
Was die Beeinflussung der  Wahlen durch Russland und den "in flagranter Art auch vom russischen Präsidenten Putin unterstützten Kandidat Viktor Janukowitsch" betrifft (NZZ 274),   so ist diese bereits in der NZZ 282 vom 2. Dezember gut dokumentiert und liesse sich lediglich dahingehend ergänzen, dass die Koordinierung der ganzen Aktion an Ort und Stelle durch den ehemaligen russischen Premierminister und jetzigen Botschafter Viktor Tchernomyrdin erfolgte. Was jedoch in diesem Zusammenhang erstaunt, ist die Tatsache, dass Ihre Redaktion ganz offenbar bestens über die Beeinflussung Russlands Bescheid weiss, sich jedoch bezüglich der Einmischung Washingtons so gut wie unwissend gibt. Ich werde  daher den Verdacht nicht los, dass Ihre Zeitung, deren Haltung ich als ausgesprochen proamerikanisch einstufe, dies mit Absicht so handhabt. Insofern darf ich Ihnen hiermit einen kleinen Abriss über die wahre Situation hinsichtlich der Einmischung Washingtons zukommen lassen.
 
Der von Washington unterstützte Viktor Juschtschenko ist der Gründer der Bewegung 'Unsere Ukraine', der Liberale sowie extreme Rechte angehören. Auf  Druck der USA hin wurde er zu Beginn der  zweiten Amtszeit  Kutschmas von 1999 bis 2001 Premierminister. Er ist  mit Kateryna Tschumatschenko verheiratet  - eine Staatsangehörige der USA, deren Einbürgerung im Gange ist. In der Ära Reagan war sie Assistentin von Aussenminister George P. Schultz in Menschenrechtsfragen und humanitären Belangen. Danach arbeitete sie während der Administration von George W. Bush, dem Vater des jetzigen Präsidenten, im Büro für Öffentlichkeitsarbeit des Weissen Hauses. Diese Fakten sind immerhin bedeutend aufschlussreicher als die in der heutigen Ausgabe Nr. 293 erfolgte lapidare Angabe, dass Tschumatschenko "in amerikanischen Behörden" gearbeitet hätte.  Im US-Aussenministerium liegt das ukrainische Dossier in den Händen von Richard Armitage, der kein Geheimnis daraus macht,  beträchtliche finanzielle Mittel aufgewendet zu haben, damit die Ukraine in seine  Einflusszone  fällt. Es ist der gleiche Armitage, der unter Reagan wiederholt nach Pakistan kam, um den durch die CIA finanzierten, gegen die Sowjetunion gerichteten afghanischen Jihad zu organisieren, gegen den die USA, nachdem sie ihn mit allen Mitteln aufgebaut hat, heute zu kämpfen gezwungen ist.
Den Gruppierungen, die für Viktor Juschtschenko eintreten, flossen vom 'National Endowment for Democracy' [NED] resp. von der CIA Millionen  an  Dollar zu. Das 'National Endowment for Democracy' ist nichts anderes als das 'öffentliche Schaufenster' der CIA, so dass Janukowitsch, dessen Lager, wie es in der NZZ  293 heisst, "den Rivalen Juschtschenko zuvor auf plumpe Weise als CIA-Handlanger angeschwärzt" hat, den Nagel auf den Kopf traf.
 
John Laughland zufolge, der während der ersten Runde der Wahlen für die 'British Helsinki Human Rights Group'  als Beobachter vor Ort war, wird das NED zu hundert Prozent von der amerikanischen Regierung finanziert. Laughland führt weiter aus,  dass Juschtschenko "offiziellen Angaben zufolge zur Finanzierung seines Wahlkampfes 105 Millionen  Dollar aus der USA erhielt. Man kann davon ausgehen, dass der tatsächlich an die Oppositionsbewegung geflossene Betrag etwa bei dem Dreifachen dieser Summe liegt. Jedermann kann sehen, dass die Proteste sehr gut finanziert sind". 1  Das NED hat vor allem die  Jugendvereinigung  'Pora'  ['Es ist Zeit'] ins Leben gerufen. Als Modell hierzu diente der vom NED in Serbien  zum Sturz von Milosevic aufgebaute 'Otpor' [Widerstand]. Die Ausbildung oppositioneller Kader erfolgt im 'Zentrum für eine gewaltfreie Revolution in Belgrad'. Letzteres stellt diejenigen seiner Ausbilder an die Spitze, die von der 'Fondation Soros' kommen. Die überwiegende Anzahl schickt jedoch das 'Freedom House' von James Woolsey, einem früheren CIA-Direktor. Die Gesamtleitung untersteht Robert Helvy von der CIA, der sich zwei Emissäre zur Seite gestellt hat, Aleksandar Maric und Stanko Lazendic. Helvy hat bereits die Revolutionen in Jugoslawien und in Georgien überwacht und Madeleine Albright  - als Verfechterin der Multikultur in Europa sattsam bekannt -  hat das jetzige Dispositiv persönlich an Ort und Stelle inspiziert, wie sie dies auch in Georgien vor der als Rosenrevolution bezeichneten Pseudorevolution tat.  Was Belgrad betrifft, so liest man in der NZZ  281 vom 1.12.04:  "Mit phantasievollen Protestaktionen gegen die Wahlfälschungen und Arroganz der Machthaber hatten die serbischen Regimegegner im Herbst 2000 Präsident Milosevic gestürzt." Auf welche Weise hier die 'Phantasie' beflügelt wurde, geht aus dem oben Gesagten hervor.
 
Was den US-Botschafter in Kiew  betrifft, so hatte er  wissen lassen, dass Washington im Falle einer Bestreitung der Wahlergebnisse Sanktionen ergreifen würde,  wobei er sich auf einen von seiner eigenen Administration ausgearbeiteten Bericht für die OSZE berief. Darin verwies er  auf die Hindernisse, die den "die Demokratie stützenden Nichtregierungsorganisationen" in den Weg gelegt würden, gab jedoch ohne rot zu werden zu, zwecks "Stärkung der Demokratie" bereits 13 Millionen $ ausgegeben zu haben. Auch wenn die Ehrlichkeit der ausscheidenden ukrainischen Equippe hochgradig anzuzweifeln ist,  zeugt die Androhung von Sanktionen aus meiner Sicht erneut von dem unbeugsamen Willen der USA, sich jedes Land zu unterwerfen, das sich seinen Hegemonieansprüchen widersetzt. Insofern sehe ich zwischen der USA und der von Ihrer Redaktion als "imperiale Denkschablonen" Putins (NZZ 284) charakterisierten Haltung Russlands nicht den geringsten Unterschied.
 
Sowohl bei der serbischen Studentenbewegung 'Otpor' als auch bei der ukrainischen 'Pora' handelt es sich somit  um von den Geheimdiensten der USA umschlossenen Jugendorganisationen.  Mehr als 10 000 der Führungskräfte von 'Pora' und dem 'Komitee der ukrainischen Wähler'  erhalten im übrigen ein Gehalt in einer durchschnittlichen Höhe von 3'000 $ pro Monat, ein mehr als komfortables Einkommen in der Ukraine.  Die Finanzierung erfolgt  über USAID und das NED. Die Vorbereitung der Gesamtlogistik der Demonstrationen lag in den Händen von USAID. Den Demonstranten wurden so Tausende von Zelten und Decken zur Verfügung gestellt. Ebenso wurden Gratismahlzeiten ausgegeben. Insofern dürften vor allem die mit 3.000 $ ausgestatteten Mitglieder tapfer durchgehalten haben.
 
Sicherlich liegt nicht ein als direkter Befehl Washingtons zu interpretierender Aufruf zur Revolution vor, da Washington einen solchen allein schon deswegen vermeiden würde, da er je nach Gang der Dinge zu einer Fussangel für die USA werden könnte;  die Steuerung des Widerstands durch die USA allerdings liegt auf der Hand.  Zu diesem Punkt schreibt Peter Winkler  (NZZ 282): "so wird genüsslich berichtet, das Juschtschenko-Lager habe sich während Monaten unter Anleitung amerikanischer Spezialisten und serbischer Revolutionsveteranen auf die Nacht nach der Wahl vorbereitet. Dabei kann es in dieser Sicht nur um einen Versuch der Machtergreifung über den Druck der Strasse gegangen sein." Die erste Aussage wird durch die obigen Fakten als zutreffend belegt, womit der zitierte Druck der Strasse weitgehend gegenstandslos wird. Was im übrigen an der ganzen Angelegenheit 'genüsslich' sein soll, bleibt mir verschlossen. Winkler trifft allerdings, vermutlich unbeabsichtigt, den Kern der Sache, wenn er darlegt, dass es einen Teil unseres Kontinents gibt, wobei er die russlandfreundlichen Staaten anspricht, "in  dem sich die Machteliten hinter den Kulissen absprechen und diese Absprachen dann von Wahlen und Referenden absegnen lassen, die nicht viel mehr sind als Geschenkpapier." Genau dieses Szenarium ist in der Ukraine soeben umgesetzt worden, wobei sowohl die russischen als auch die westlichen Machteliten zum Zug kamen. Was die von Winkler in diesem Zusammenhang als notorische Wahlfälscher charakterisierten Regierungsschefs von Staaten wie Weissrussland, Kasachstan und Armenien betrifft, so gehe ich hier durchaus mit ihm einig , vermisse aber dennoch  einen Aufsatz in der NZZ, der die eigentliche Expertise, die Präsident Bush auf dem Gebiet der Wahlfälschung auszeichnet, offen anspräche.
 
Weitere Beobachter  der  ukrainischen Wahlen kamen vom ENEMO [European Network of Election Monitoring Organizations], einem der Überwachung von Wahlen dienenden Netzwerk mitteleuropäischer Organisationen,  die im einzelnen vom  'National Democratic Institute' von Madeleine Albright finanziert werden. Die Finanzierung des gemeinsamen Sekretariats  erfolgt durch das George Soros gehörende 'Open Society Institute'. Zu diesem Kollektiv gehört auch das die Zeitschrift 'Tochka Zory' herausgebende 'Komitee der ukrainischen Wähler'. Die Kosten, die entstanden, um die 1'000 Wahlbeobachter des ENEMO an Ort und Stelle zu bringen, wurden vom 'Freedom House', dem 'National Democratic Institute' und dem 'International Republican Institute' von John McCain finanziert. 
 
Die vom Institut 'Socis' und dem 'Razumkov Centre' des Instituts für Internationale Soziologie veröffentlichten Stichproben, die Juschtschenko am 21. 11. zum Sieger erklärten, sind von der USA finanziert worden. Hier kam das gleiche Verfahren zur Anwendung  wie das im August 2004 bei der Anfechtung der Referendumsergebnisse in Venezuela eingesetzte, als die US-Firma  'Penn Shoen & Berland Associates'  eine im Auftrag  der Oppositionsbewegung  'Sumate' durchgeführte Stichprobe der Wahlergebnisse vorlegte. Auch hier war die Finanzhilfe des NED/CIA  für  Sumate im Spiel. Das offizielle Wahlergebnis wurde dann jedoch von den  internationalen Wahlbeobachtern, wozu das 'Carter Centre' sowie 'Réseau Voltaire' gehörten,  bestätigt.
 In der NZZ 282  heisst es in der an den Anfang gestellten Kurzfassung, dass der Kreml in "seiner Abwehrstrategie instinktiv auf Manipulation und autoritäre Kontrolle gesetzt" hat, was nicht zu bestreiten ist. Unerwähnt bleibt jedoch, dass die Machenschaften Washingtons auf der gleichen Ebene wie die Russlands angesiedelt sind, dabei aber durchaus breiter greifen. Insofern betrachte ich diese Art von Berichterstattung  als einseitig parteiergreifend.  Die Unwissenheit der Bevölkerung  über die Einflussnahme Washingtons muss  beträchtlich sein, sonst könnte die ukrainische Schriftstellerin Oxana Sabuschko nicht erklären, dass das ukrainische Volk  begonnen habe, seine eigene Zukunft zu schmieden.
 
Zum Thema Wahlkampf lasse ich nochmals John Laughland zu Wort kommen:  "Tatsächlich hat es signifikante Vorfälle der Manipulation durch Juschtschenko-Anhänger im Westen der Ukraine gegeben." Ferner: "Die im Westen [also bei uns] überall zu vernehmenden Vorwürfe, die Medien in der Ukraine stünden völlig unter der Kontrolle der Regierung, entsprechen schlicht und einfach nicht den Tatsachen. Ein Wechsel der Ukraine in das westliche Lager würde allerdings die Machtposition Russlands in dramatischer Weise schwächen. Das gesamte Schwarze Meer wäre fortan unter amerikanischer Kontrolle. Die Ausweitung des amerikanischen Einflusses auf das Schwarze Meer ist Teil einer grossangelegten Strategie, die nicht nur dazu dienen soll, die Macht Russlands zu schwächen, sondern auch dazu, innenpolitische Veränderungen in der Russischen Föderation auszulösen." 
 
Sollte sich die Wahl zugunsten Juschtschenkos entscheiden, so werden die Ukrainer spätestens dann, wenn der IWF das Zepter bei ihnen in die Hand nimmt, wissen, was es heisst, sich Washington und den mit diesem verbündeten multinationalen US-Konzernen unterzuordnen. Es bleibt auch unbegreiflich, wie Elmar Brok vom EU-Parlament zu der Behauptung kommen kann, dass Putin der Einzige sei, dessen Strategie "an altes imperialistisches Gehabe" erinnere (NZZ am Sonntag, 5.12.04). Wie es ihm gelingt, die imperialistische Vernichtungsaktion der USA im Irak auszublenden, ist beängstigend.
Was die von Ihnen angesprochene Bewährung Viktor Juschtschenkos als Notenbankchef betrifft, so haben Sie hier vermutlich schlecht recherchiert, da  Juschtschenko die Zugrunde-Richtung der mit unter seiner Leitung stehenden Nationalbank der Ukraine in den 80er Jahren anzulasten ist.
Es zeichnet die NZZ in letzter Zeit insgesamt aus, dass sie sich mit Vorliebe auf arrogante Weise äusserst. So schreiben Sie von den "schamlosen Fernsehauftritten Putins", was dem Eingeständnis gleichkommt, dass es jenseits Ihrer Erkenntnis liegt, dass es im Prinzip nichts Schamloseres gibt als die zum Teil mit tödlichen Lügen und Drohungen unterlegten Auftritte Bushs, Rumsfelds, Cheneys und Powels. Und für wie unwissend belieben Sie eigentlich Ihre Leser einzustufen, wenn Sie von 'feinen' Washingtoner Denkfabriken sprechen? Ich darf Ihnen versichern, dass ich mich durch derartige Aussagen restlos verdummt fühle. Wo hätte es in den USA je einen feinen think-tank gegeben? Unter deren in Wahrheit brutal menschenverachtenden Strategien gehen ganze Völker zugrunde,  was der von ihnen lange im voraus geplante Afghanistan- sowie der Irakkrieg belegen.
 
Noch ein Wort zu den gebrandmarkten alten Eliten der Ukraine. Hierzu ist 'Réseau Voltaire'  vom 1. November 2004 folgendes zu entnehmen: Zu den drei Oligarchien, die sich bislang die Macht geteilt haben, gehört auch Viktor Pintschuk, der Schwiegersohn Kutschmas und Leiter von Interpipe, der als mafioser Wirtschaftsboss bezeichnet wird, was ich keineswegs in Abrede stelle (NZZ 284). Verblüffend ist nur, wie wenig diese 'Mafiosität' für Washington ins Gewicht fällt, wenn man weiss, dass Pintschuk  nicht nur dem Weissen Haus selbst nahesteht, sondern darüber hinaus sowohl George H. Bush, den Vater des jetzigen Präsidenten, als auch George Soros, den bislang grössten Währungsspekulanten, und Henry Kissinger zu Teilhabern seines Unternehmens gemacht hat. Pintschuks Vermögen, das heute mit 2.5 Milliarden $ das zweitgrösste des Landes ist, hat sich innerhalb eines Jahres fast verdoppelt. Er kontrolliert darüber hinaus die Fernsehstationen ICTV, STB, Novy Kanal und die Tageszeitung  Fakty.  Sie werden mir sicherlich beipflichten, wenn ich die genannten  Teilhaber als ausnahmslos korrupt einstufe, was darauf hinausläuft, dass sich Gleich und Gleich jeweils dann zusammenfindet, wenn es um den Profit geht. Dann zählt keinerlei Moral. Eine solche ist nur für den Bürger programmiert, ansonsten bräche der Staat zusammen. Es ist sich also keiner der drei Teilhaber zu schade, um mit der, wie Sie sagen, "selbst feinen Washingtoner Denkfabriken nur noch als üble Bande"  geltenden  "Herrscher-Clique" resp. mit einer "mafiosen Gruppe von Oligarchen"  (NZZ 286)  zusammenzuarbeiten, solange dies ihrer Bereicherung dienlich ist.
Die Ausgabe Nr. 284 kommt zu folgendem Schluss: "Wie immer die bis jetzt friedlich ablaufende Volksrevolution in Kiew in nächster Zeit ausgehen wird, die ukrainische Gesellschaft ist dabei, sich von politischer und kultureller Unmündigkeit mit Riesenschritten zu befreien. Diese Emanzipation in den Köpfen der erwachten Bürger wird sich nicht durch Hinhaltemanöver oligarchischer Netzwerke oder finstere russische Verschwörungstheorien rückgängig machen lassen." Das ist mitnichten der Fall. Gewinnt Juschtschenko, ist die Ukraine vielmehr im Begriff, sich von einer Bevormundung in die nächste zu begeben. Und wo Kissinger & Associates, Soros und Bush operieren, ist nicht damit zu rechnen, dass die Einflusssphäre der Oligarchien gemindert würde. Da würden sie sich ja selbst schaden. Und wo hätte die USA, sobald sie in einem Land Fuss gefasst hat, ihre ureigensten Interessen, die ich keineswegs als auf das Wohl des Volkes ausgerichtet sehe, nicht rigoros durchgesetzt. Im Fall der Ukraine  kann sie darüber hinaus auf die volle Unterstützung der Nato und der EU bauen, treffen doch deren Spitzen regelmässig mit denen des US-Establishments bei den Bilderbergerkonferenzen zusammen.
Ich schliesse mit den Worten der NZZ  282: "Der Kampf um die Ukraine ist eine Schlacht zur Abwehr einer westlichen Invasion", womit die Wahrheit überdeutlich ausgesprochen ist. Die Fragen nach der Finanzierung der 'Revolution in Orange' setzen jetzt ein. Es steht zu vermuten, dass Putin dies durchaus zu seinem Vorteil umzumünzen wissen wird. Ich stehe weder auf der einen noch auf der anderen Seite, dennoch ziemte es einer Zeitung wie der Ihrigen, in Anklagepunkten zu einer ausgewogeneren, beide Seiten gleich beleuchtenden  Berichterstattung überzugehen.
Zu dieser Zuschrift darf ich mir Ihre Eingangsbestätigung erbitten.
                                                   Mit freundlichen Grüssen     Doris Auerbach
Quellen:
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Eurasisches Magazin 11/04 vom 29.11.2004  -  Interview mit John Laughland
cc:  Redaktion der NZZ
 
 
 
 
Doris Auerbach                                                                                                22. Dezember 2004   
                                                                                                             
Herrn
Dr. Reinhard Meier
Auslandsredaktion der Neuen Zürcher Zeitung
                                                                                               
 
Sehr geehrter Herr Dr. Meier,
 
für Ihr Antwortschreiben sage ich Ihnen zunächst meinen besten Dank. Ich denke, es ist am zweckmässigsten, auf Ihre Argumente der Reihe nach einzugehen, so dass ich Ihre Ausführungen jeweils meinen eigenen voranstelle. So schreiben Sie:
 
"Ihre lange Zuschrift  über die NZZ-Berichterstattung zu den dramatischen  Entwicklungen in der Ukraine habe ich aufmerksam gelesen. Da ich als  NZZ-Redaktor eine Reihe von Kommentaren zu diesem Thema beigetragen habe und auf der Redaktion die Berichterstattung zur Ukraine koordiniere,  möchte ich nicht verfehlen, auch meinerseits eine deutliche Stellungnahme  zu ihren kritischen Ausführungen abzugeben. Erstens konstatiere ich aufgrund Ihres Schreibens, dass sie die NZZ-Berichte zum Thema Ukraine  regelmässig und konzentriert lesen. Diese Aufmerksamkeit wissen wir zu schätzen."
 
Hierzu darf ich mir die Bemerkung erlauben, dass ich im Prinzip eher überprüfe, was Ihre Zeitung nicht berichtet; ich lese  mehrheitlich ausländische Zeitungen und stelle immer wieder fest, dass diese oft beträchtlich  mehr offenlegen, als dies bei Ihnen erfolgt. Darüber hinaus scheint es mir, als hätten Sie meine in dem Schreiben an Herrn Ulrich Schmid dargelegten Fakten nicht unbedingt einer gründlicheren Sichtung unterzogen, sonst müsste Ihre Erwiderung etwas anders ausgefallen sein.
 
"Ihre Einwände zu unserer Berichterstattung und Kommentierung hingegen finde ich, offen gesagt, in ihrem Grundtenor seltsam  - oder rundheraus ideologisch verblendet."
 
Ich wüsste nicht, wo ich meinerseits eine Ideologie ins Feld geführt hätte. Ferner sehe ich nicht, wie von einer Verblendung die Rede sein kann, es sei denn, sie verweisen einwandfrei belegte Fakten, die Sie versäumt haben, dem Leser zu unterbreiten, in den Bereich einer Ideologie, weil sie nicht zum Tenor Ihrer Zeitung passen. Wäre nicht eher bei all Ihren Redaktionsmitgliedern, die trotz der Vernichtungspolitik der USA und der aggressiven Lügenhaftigkeit dieser Nation  diesem Land für meine Begriffe nach wie vor eine  'schonende' Behandlung zuteil werden lassen, eine Ideologie erkennbar?
 
"Sind sie im ernst der Meinung, die Ukraine werde  nun mit einem möglichen Sieg des Oppositionskandidaten Juschtschenkos  unter das "voraussehbare Diktat Washingtons" geraten?"

 
Sicherlich, und das auf  absolute Weise. Ich betrachte die ganze EU als in hohem Mass unter dem Diktat Washingtons stehend. So muss auch die Türkei ausschliesslich auf Druck der USA in die EU aufgenommen werden, auf wessen Druck sonst? Die 'International Herald Tribune'  schrieb am 9.2.04  anlässlich der Sicherheitskonferenz  der NATO:  "At the same time, many in Europe, including a big segment of the Bush administration's conservative friends, do not like the United States' open pressure on the EU to accept Turkey as a candidate member."  Natürlich ist die Türkei nicht an einer privilegierten Partnerschaft interessiert, da sie dann auf die politischen Entscheidungen keinen Einfluss nehmen könnte. Als Vollmitglied hingegen käme das Gewicht der Achse USA /Türkei /Israel voll zum Tragen. Die  deutsche Ausgabe der 'Financial Times' schrieb schon am 24. Oktober 2002: 'Das Ziel eines freien und vereinigten Europas hat sich gemäss folgenden Modalitäten zu entwickeln:  "Nach der EU-Eingliederung Polens, Tschechiens, der Slowakei, Ungarns, Sloweniens, Litauens, Lettlands, Estlands, Zyperns und Maltas im Jahr 2004  sollten im gleichen Jahr  die Gespräche mit der Ukraine zwecks Aufnahme in die NATO beginnen; auf diese sollten dann im Jahr 2005 die NATO-Eingliederungsverhandlungen mit Serbien und in 2007 die mit  Kroatien und Albanien folgen.  Die USA  wünschten  gemäss dieser  'Road Map' ausserdem, dass die Türkei im Jahr 2007 in die EU aufgenommen werde."   Bedenken Sie, dass in Brüssel überhaupt nicht daran gedacht wird, den EU-Bürger zu diesen sein Leben verändernden Zielen zu konsultieren. Das gleiche Schicksal wäre der Schweiz beschieden, träte sie der EU bei. Wäre die Einbindung der Ukraine nicht das unmittelbare Ziel Washingtons, wären die genannten Summen nicht in den Wahlkampf investiert worden. Das wissen Sie so gut wie ich.


 
"Der von  skrupellosen Finsterlingen (aus welchem Lager kamen die wohl?) inzwischen  nachweislich vergiftete Juschtschenko, für den zweieinhalb Wochen lang Hunderttausende von Ukrainern in winterlicher Kälte demonstriert haben (nach Ihrer Verschwörungstheorie natürlich alles vom Westen gekaufte oder  manipulierte Naivlinge und Marionetten) soll also nichts anderes als ein CIA-Handlanger sein?
 
Darf ich Sie in diesem Zusammenhang fragen, ob Sie Wert auf  einen objektiven Gedanken-austausch legen, oder ob es hier lediglich um eine Art fiktiver Auseinandersetzung gehen soll?  Wo hätte ich   - im Gegensatz zu Ihrem Korrespondenten -   je den Ausdruck Verschwörungstheorie gebraucht?  Es wäre vergebliche Mühe, die von mir bereits zitierten Fakten,  die wesentlich mehr aussagen als die zumeist zensurierten Agenturmeldungen, zu wiederholen, so dass ich diese mittels anderer Quellen nochmals belege.
 
Am 26. November 04 stellte ein Bericht des Deutschlandfunks eine Verbindung zwischen dem Regimewechsel in Georgien und den Vorgängen in der Ukraine dar. Die Studentenorganisation «Kmara» hatte, so heisst es, in Georgien mit finanzieller Unterstützung von George Soros und mit strategischer Unterstützung der in Serbien beim Sturz von Slobodan Milosevic erfolgreichen Organisation 'Otpor'  Monate vor dem Sturz des Präsidenten Schewardnadse die Mobilisierung der Massen generalstabsmässig vorbereitet. Dabei sei es darum gegangen, die Regierung so zu provozieren, dass sie sich zu Reaktionen hinreissen lassen würde, die die Massen gegen sie aufbringen würde. Aktivisten von «Kmara» seien nun in der Ukraine aktiv und berieten dort die Studentenorganisation «Pora»  - die Demonstrationen in der Ukraine gingen vor allem von Studenten aus.
 

Der Bericht von Ian Traynor im 'Guardian' vom 26. November 2004  trägt folgenden Titel: "US campaign behind the turmoil in Kiev". Hieraus einige Stellen:  "Die Wahlkampagne ist eine amerikanische Schöpfung, eine ausgeklügelte und brillant konzipierte Übung westlichen Markenzeichens und Massenmarketings, die in vier Jahren in vier Ländern eingesetzt wurde, mit dem Versuch, manipulierte Wahlen zu retten und zwielichtige Regimes zu stürzen. [.....]


Diese Art einer von der US-Regierung finanzierten Kampagne, bei der Berater, Meinungsforscher, Diplomaten der USA, die beiden grossen amerikanischen Parteien und NGOs der USA eingesetzt werden,  kam  zum ersten Mal in Europa in Belgrad im Jahr 2000 zum Zug, um Slobodan Milosevic bei den Wahlen zu schlagen. Der US-Botschafter in Belgrad,  Richard Miles, hatte eine Schlüsselrolle inne. Letztes Jahr, als US-Botschafter in Tbilissi, wiederholte er das gleiche Kunststück in Georgien, indem er Saakaschwili darin trainierte, wie Eduard Schewardnadse zu stürzen sei. Zehn Monate nach dem in Belgrad erzielten Erfolg organisierte der  US-Botschafter in Minsk, Michael Kozak   - ein Veteran ähnlicher Operationen in Mittelamerika, vor allem in Nicaragua  -   eine nahezu identische Kampagne, mit dem Versuch,  Alexander Lukaschenko zu schlagen. Diese schlug jedoch fehl. "Es wird keinen Kostunica in Belarus geben" erklärte Lukaschenko unter Anspielung auf den Sieg in Belgrad. Dennoch haben sich die in Serbien, Georgien und Weissrussland gesammelten Erfahrungen bei dem Plan, das Regime von Kutschma in Kiew zu stürzen, als von unschätzbarem Wert erwiesen."
 
Was die 'skrupellosen Finsterlinge' betrifft, so liegt  bislang noch kein konkreter  Beweis vor, der einwandfrei erhellte, wer hier die Hand im Spiel hatte. Die Stellungnahmen erschöpfen sich in Vermutungen. Was Finsterlinge generell angeht, so wollen Sie mich doch nicht auch noch zu dem Glauben bewegen, dass es diese nicht auch beim Mossad, bei der CIA oder dem pakistanischen ISI, der wie es heisst, den Auftragsmord an Massud organisiert hat, vertreten wären. Hierzu ein Auszug aus dem 'Spectator' vom 6. November 04: "Die Geschichte, dass Juschtschenko im Lauf der Wahlkampagne vergiftet wurde, ist weit verbreitet worden, dies unter Rückgriff auf die Phantasie, dass die Regierung versucht habe, ihn   (wie es wörtlich heisst )  abzumurksen. Es hat jedoch weder eine britische noch eine  amerikanische Nachrichtenquelle das Interview mit dem Oberarzt der Klinik in Wien, wo Juschtschenko wegen seiner ungeklärten  Krankheit behandelt wurde, bekanntgegeben. Die Klinik selbst gab einen Bericht ab, laut dem kein Beweis für eine Vergiftung vorlag. Nach diesem Bericht, so die Aussage des Oberarztes, wurde er von Juschtschenkos Leuten, die von ihm verlangten, dass er den Bericht abändere, derartigen Einschüchterungen ausgesetzt, dass er gezwungen war, sich unter Polizeischutz zu stellen.   -  Wenigstens hier möchte ich Ihnen ein Kränzchen winden, da die NZZ zu denjenigen Zeitungen gehörte, deren erste Meldung bekanntgab, dass es sich nicht um eine Vergiftung handelte.
 
"Zu den von Ihnen so fleissig zusammengetragenen Fakten und Behauptungen  über die amerikanische Einmischung in die ukrainischen Vorgänge war, wie Sie selbst schreiben, auch in der NZZ einiges zu lesen - zum Beispiel über  das Engagement der Soros-Stiftung oder die Aktivitäten der serbischen  Gruppe "Otpor" etc."
 
Gewiss wurden diese von Ihnen ebenfalls genannt, nur nicht in der erforderlichen Weise, sondern in meinen Augen unter Einsatz anspruchsloser und neutralisierender Halbwahrheiten oder relativierend, so dass der Eindruck entstehen musste, dass solche Meldungen nicht ganz ernst zu nehmen seien.  Bezüglich Belgrads lasen wir in der NZZ (281 / 1.12.04 / C.Sr.): "Mit phantasievollen Protestaktionen gegen die Wahlfälschungen und die Arroganz der Machthaber hatten die serbischen Regimegegner im Herbst 2000 Präsident Milosevic gestürzt."  So ganz allein, nicht wahr?  Ferner: "Auf ähnliche Weise kam es vor einem Jahr auch in Georgien zu einem Machtwechsel." Auch hierzu liest man u.a. ausser von "zündenden Protestparolen und einheitlichen Symbolen des Widerstands" nichts Substantielles, was auf einen direkten Eingriff Washingtons schliessen liesse. Das im Text genannte 'Zentrum für gewaltlosen Widerstand' hatte im April einen  - man bedenke ! -   "workshop" organisiert,  an dem Oppositionelle aus der Ukraine teilgenommen hatten. Weiter heisst es:  "Die Gäste lernten offenbar, wie man eine Wahlkampagne organisiert und die Jugend mobilisiert." Von einer Angabe der US-Ingredienzien keine Spur. Abschliessend erfährt der Leser: "Anleitungen zu einem friedlichen Machtwechsel ausgerechnet aus Belgrad? Von Washington finanzierte serbische Altrevolutionäre im Dienste der Demokratie, wie einige Medien meinen ? Ein Veteran der serbischen Studentenbewegung winkt ab: Man gebe nur die eigenen Erfahrungen weiter. Jede Opposition brauche ihre besondere Strategie. Ein allgemein gültiges Rezept im Kampf gegen autoritäre Regimes gebe es nicht. Damit hat er gewiss recht." 
 
Und ich habe hier sicherlich nicht unrecht, wenn ich das als eine verharmlosende, dem Leser konkrete Hintergrundinformationen vorenthaltende Berichterstattung bezeichne. Putin trifft jeweils die ganze  Häme Ihrer Berichterstatter, das reicht von "der plumpen Art von Putins persönlicher Einmischung in den ukrainischen Wahlkampf (284 / 4./5.12.04 R.M)  über "Moskaus hemmungslose Parteinahme für einen Kandidaten"  (282 / 2.12.04) bis zu den bereits erwähnten "schamlosen Fernsehauftritten Putins".
 
Auch Janukowitsch erfreut sich einer speziellen Begutachtung wie 'grobschlächtiger Riese mit einem Hang zu vulgärer Ausdrucksweise (284 /4./5.12.'04 U.Sd) . Hier mag sich der Leser fragen, was denn in Wirklichkeit weniger bedrohlich ist, die in meinen Augen groteske Verlogenheit  des US-Establishments oder eine in niedere Gefilde absteigende Sprache. Geschont werden dagegen alle Mitspieler des letzteren; ihnen steht offenbar jegliches Fabulieren uneingeschränkt offen. So spricht Adrian Karatnycky vom Freedom House            -    welche Ironie der Bezeichnung für eine Institution, deren Aufgabe u.a. in der Teilnahme an subversiv durchgeführten Regimewechseln besteht  -  "etwas enthusiastisch" von der "Geburtsstunde der ukrainischen Demokratie" und offenbar vom Ende der russischen hegemonialen Aspirationen in der Ukraine  (284). Die absolut identischen Bestrebungen seiner eigenen Regierung, zu denen er tunlichst Hand bietet, übergeht er ohne Skrupel, denn letztlich sind diese ja als berechtigt einzustufen. Vielleicht fällt es Ihnen jetzt auf, wie Russland die ganze Schelte westlicher Berichterstattung zuteil wird, während kein Wort über die aggressive Einmischung der Vereinigten Staaten, deren Hausmarke dies von jeher war, fällt.
 
Unter diesen Umständen verwundert es nicht, dass Herr Ulrich Schmid noch am 11./12. Dezember mit der Aussage aufwartet,  dass der Vorwurf einer auf unzulässigen Weise erfolgten Einmischung des Westens, insbesondere Europas,  "absurd", sei, also zu einem Zeitpunkt, zu dem, wenn ich mich etwas anspruchslos ausdrücken darf, die Spatzen die Wahrheit schon von allen Dächern pfiffen. Die von mir dargelegten Fakten stellen im übrigen entgegen Ihrer Annahme keine Fleissaufgabe dar, da sie von 'Réseau Voltaire' in äusserst übersichtlicher Form vorliegen. Natürlich sind diese Informationen nicht gratis zu haben.
 
'The Spectator' berichtete am 6.11.04  unter dem Titel 'Western Aggression'  über die Steuerung des Wahlkampfes durch die USA. Kurz zusammengefasst heisst es darin u.a.:  "Ein Umstand jedoch trennt  die beiden Hauptkandidaten   -  und dies erklärt die Entschlossenheit des Westens, Juschtschenko zum Gewinner werden zu lassen  -   die Nato. Janukowitsch erklärte, er sei dagegen, dass die Ukraine der Nato beitrete. Juschtschenko hingegen ist dafür. Der Westen wünscht die Mitgliedschaft der Ukraine in der Nato, um Russland geopolitisch zu schwächen und um einen neuen Klienten für die teure westliche Rüstung zu gewinnen, deren Industrielle so viele der politischen Vorgänge in der USA finanzieren."
 
"Im Gegensatz zu Ihrer Meinung ist es für uns aber  nicht das gleiche, ob ausländische Organisationen oder selbst amerikanische Regierungsstellen die ukrainische Opposition finanziell unterstützen oder beraten oder ob eine Nachbarregierung wie das Putin-Regime der amtierenden Regierung in Kiew, die erwiesenermassen die Wahlergebnisse manipuliert und gefälscht hat,  demonstrativ den Rücken  stärkt und ihr schon zum Wahlsieg gratuliert, bevor überhaupt das offizielle Ergebnis bekannt gegeben war."
 
Putins Reaktion war, hierin gehe ich völlig mit Ihnen einig, übereilt und wenig diplomatisch. Wie ich jedoch bereits darlegte, sind ohne jegliche Zweifel beide Lager in den Wahlfälschungen involviert.  Sie indessen sind offensichtlich der Meinung, dass dies lediglich der noch amtierenden Regierung zum Vorwurf gemacht werden kann. Nicht ganz uninteressant ist hier folgende Stellungnahme:
 
Dr. Igor Maximytschew, der am  Europa-Institut in Moskau arbeitet und von 1987 bis 1992 Gesandter der sowjetischen und russischen Botschaft in Berlin war, sprach am  17.12.2004   seinerseits von einer antirussischen Hysterie. Er sagt u. a. folgendes:  "Das schnelle Aufpeitschen, die Intensität und Aggressivität der antirussischen Welle, die sich wie auf  Kommando in westlichen Medien und in der von diesen beeinflussbaren öffentlichen Meinung wegen der vermeintlichen Einmischung Russlands in der Ukraine erhob, hat schwer heilbare Wunden im russischen politischen Bewusstsein hinterlassen. Die Grenze des Zumutbaren scheint überschritten zu sein. Viktor Janukowitsch war als Kandidat für die Präsidentschaftswahl allein von Kutschma auserwählt und in seine Pläne eingebunden, politisch zu überleben. Moskau hat nicht versucht, Kutschmas Entscheidung zu beeinflussen. Es gab und es gibt keinen »russischen Kandidaten« für den Posten des Präsidenten der Ukraine. [ .....] Wladimir Putin hat zwar die Gunst der Stunde genutzt und auf ein paar Verbesserungen im russisch-ukrainischen Verhältnis gedrängt. Niemand in Russland aber täuschte sich über deren bescheidenes Ausmass. [.....]  Kutschma lud die noch praktizierenden Jelzin-»Wahlkünstler« in den Stab von Janukowitsch ein. Darin lag nichts Aussergewöhnliches, denn die Opposition genoss eine aktive Unterstützung der amerikanischen und westeuropäischen Berater sowie die freigiebige Hilfe der Sponsoren aus dem Westen. Wenn aber vom Sponsorengeld aus Russland gesprochen werden darf, so waren es Zuwendungen eines Teils der russischen Oligarchen für die ukrainische Opposition; man baute das ukrainische Revolutionsmodell für eine Verwendung weiter ostwärts auf. [.... ] War es die hohe Qualität der Berater oder einfach die zahlenmässige Überlegenheit der Bevölkerung des ukrainischen Ostens im Vergleich zur Westukraine   ? in jedem Fall unterlag die Opposition knapp. Nach dem Muster von Jugoslawien und Georgien weigerte sich die Opposition, den Ausgang der Wahl zu akzeptieren, qualifizierte sie als gefälscht ab und blockierte durch gut organisierte und trainierte Scharen ihrer Anhänger das Funktionieren des Staatsapparats in der Hauptstadt. Statt abgegebene Wahlzettel zu überprüfen, forderte die Opposition, ihren Sieg anzuerkennen. Als das nichts fruchtete, wurde entgegen allen geltenden Gesetzen die Wiederholung der zweiten Wahlrunde sowie die Säuberung der Wahlkommission und die Absetzung des Regierungschefs durchgesetzt. Der Westen legte sich mit aller Kraft ins Zeug, um der Opposition zum Erfolg zu verhelfen. Der amtierende Präsident des Landes gab nach und wurde dafür von George W. Bush persönlich belobigt."  Die Vorgänge zur Bekanntgabe der Wahlvorgänge hat Réseau Voltaire in genau derselben, von Maximytschew wiedergegebenen Weise aufgezeichnet. Diese kann ich Ihnen durchaus per e-mail übermitteln, sollten Sie dies wünschen.
 
"Ganz abgesehen von Putins epischen Fernsehauftritten im (damals noch staatlich gegängelten)  ukrainischen Fernsehen. Dass beim Wahlgang vom 21. November massiv  gefälscht wurde, werden Sie ja wohl nicht bestreiten, nachdem selbst das  Oberste Gericht der Ukraine dies in aller Form bestätigt hat."
 
Ich habe nirgendwo bestritten, dass Wahlergebnisse gefälscht wurden; ich bin lediglich auf die Vorgänge selbst eingegangen, ohne mir ein direktes Urteil über die Fälschungen anzumassen. Was ist in Ihren Augen im übrigen an dem ukrainischen, staatlich gegängelten Fernsehen so verwerflich? Das gesamte Fernsehen in der USA ist doch ausnahmslos gegängelt.
 
"Sie behaupten weiter, im Westen sei vor den Wahlen verbreitet worden, die  Medien in der Ukraine stünden "völlig unter der Kontrolle der Regierung"  und dies entspreche "schlicht und einfach nicht den Tatsachen". Nun, in  der NZZ stand das nie so apodiktisch und undifferenziert."
 
Sie haben hier leider nicht genau gelesen, diese Aussage stammt  nicht von mir, sondern von Dr. John Laughland, der selbst vor Ort war und dessen Buch  "The Tainted Source: The Undemocratic Origins Of  The European Idea" ich  Ihnen sehr empfehlen kann; es könnte Sie eine andere Sicht der USA erwerben lassen.
 
"Aber nicht zu  bestreiten ist, dass die Mehrheit der ukrainischen Printmedien von Oligarchen beherrscht wurden und werden, die an einem Sieg von  Janukowitsch interessiert waren, und ihre Blätter entsprechend manipuliert haben. Viel wichtiger als die Situation bei den Printmedien ist aber die  Tatsache, dass während des Wahlkampfes bis auf eine Ausnahme alle grossen  Fernsehkanäle einseitig nur pro-Janukowitsch Propaganda zuliessen. Unser Korrespondent Ulrich Schmid ist während des Wahlkampfes in der Ukraine  herumgereist und hat die Medienverhältnisse dort näher beobachtet. Ich  frage mich, woher Sie Ihre "Tatsachen" über die angeblich im Westen  verzerrten Informationen zur ukrainischen Mediensituation während des  Wahlkampfes beziehen."
 
Wie ich Ihnen oben schon angab, von John Laughland.
 
"Merkwürdig finde ich auch, dass Sie nur über die amerikanische  Einmischung" in das dramatische Geschehen in der Ukraine während der letzten Wochen polemisieren, über eine europäische oder EU-Einmischung  aber gar nichts sagen. Waren denn bei den OSZE-Beobachtern, die energisch gegen die kriminellen Machenschaften  bei der Stichwahl vom 21. November  protestiert haben, nicht auch zahlreiche Europäer dabei    - unter ihnen auch einige Schweizer? Und hat nicht die EU als Ganzes es gegenüber Putin klar und deutlich abgelehnt, das gefälschte Wahlresultat anzuerkennen? "
 
Zuerst war es die USA, die das Wahlergebnis abgelehnt hat. In deren Fussstapfen folgte dann der Westen, als treuer Vasall dieser Supermacht. Sie finden es "merkwürdig", dass ich nur über die US-Einmischung berichte. Ebenso merkwürdig finde ich es, dass Sie Ihrerseits zwar mit grossem Nachdruck über die Einmischung Putins berichten, die der USA jedoch so gut wie übergehen.
 
"Waren es  nicht EU-Vermittler (Solana, Kwasniewski, Adamkus), die  entscheidend dazu beigetragen haben, dass Verhandlungen zwischen den ukrainischen  Konfliktparteien über eine Wahlwiederholung zustande kamen? Warum  kritisieren Sie diese Vorgänge  - oder etwa die Aktivitäten europäischer  Stiftungen wie die Konrad-Adenauer-Stiftung, die Friedrich-Ebert-Stiftung  oder die grüne Heinrich-Böll-Stiftung in Osteuropa -   nicht als  verschwörerische Einmischung mit möglicherweise diktatorischer  Zielsetzung, wie angeblich im Fall USA? Weil das nicht in Ihr hermetisches  Feindbild von Amerika passt? "Anders kann ich leider Ihre Vorstellungen  von den USA nicht qualifizieren,  wenn Sie meinen, jede positive Charakterisierung von amerikanischen  Think  tanks sei nichts anders als eine Leser-Verdummung."
 
Es ist mir nicht ganz klar, wieso Sie mir unentwegt eine Verschwörung unterschieben möchten. Es braucht keine solche. Die erfolgten Schritte sind ganz einfach Teile einer Strategie, mehr nicht. Ich räume ein, dass ich mich in meinem Brief an Herrn Ulrich Schmid ausschliesslich auf die USA konzentriert habe. Dies nicht ohne Grund. Die Erklärung hierfür liegt in dem Kommentar der  NZZ (208 / 18.9.04): "Noch nie seit dem Fall der Sowjetunion hat sich der Kreml so deutlich über die ungeschriebene Regel hinweggesetzt, dass man sich in fremde Wahlkämpfe nicht einmischt."  Im Ernst, wo hätte sich die USA ihrerseits nicht in Wahlkämpfe eingemischt? In Chile sogar mit grauenhaften Folgen. Es dürfte kaum noch jemanden geben, der die jetzt  im Irak installierten Machthaber nicht als eine reine Marionettenregierung von US-Gnaden betrachtete.
 
Was die EU-Einmischung betrifft  -  die für meine Begriffe relativ spät, eigentlich erst im Zuge des Wahldebakels einsetzte  -  so ist sie durch die anmassende Aussage eines Gernot Erlers, der Juschtschenko erneut ,,Freundschaft und unsere Unterstützung" zugesagt  hat, hinlänglich charakterisiert. Seine Stellungnahme bildet in meinen Augen das Wahrzeichen für die gesamte Haltung von Nato, EU und den genannten Stiftungen: Der deutsche Sozialdemokrat droht jeder moskau-orientierten ukrainischen Regierung, sie werde ,,jeden Tag zu spüren bekommen, dass alle wissen, woher sie kommt."  Ein statement dieser Art kann nicht ohne Rückendeckung durch Washington erfolgt sein.
 
Der Informationsdienst 'German Foreign Policy' schreibt  am 24. 11.04: "Angesichts der erfolgreichen Massenmobilisierung für den geplanten Umsturz verstärkt Berlin die politische Einmischung in die Ukraine. [.. .]  Der Deutsche Bundestag wird am heutigen Mittwoch über die ukrainische Präsidentschaftswahl debattieren und das Parlament in Kiew auffordern, 'das reale Ergebnis der Wahl zu akzeptieren' . Wie es in der deutschen Presse heisst, garantiert Juschtschenko die wirtschaftliche Westbindung der Ukraine und den weiteren Machtverfall Russlands: 'Die Ukraine ist ein viel zu wichtiger Transportkorridor für Energieträger, sowohl für russisches Öl und Gas als möglicherweise auch für die Reserven im Kaspischen Meer, als dass das Land zum Spielball des Kremls werden dürfte.' " Das sagt alles.
 'Die Junge Welt'  vom 11. 12. 04  veröffentlichte folgenden Beitrag  [Dollars für Juschtschenko' von Rainer Rupp]: "Ausgerechnet ein Parteifreund strafte nun US-Aussenminister Colin Powell Lügen. In einem Artikel für 'Antiwar.com' unter dem Titel "US-Heuchelei in der Ukraine" legte Ron Paul, republikanischer Abgeordneter des US-Repräsentantenhauses in Washington, dar, wie "etliche Agenturen der US-Regierung versucht haben, mit dem Geld amerikanischer Steuerzahler den Ausgang der Wahlen in der Ukraine zu beeinflussen". Zwei Tage zuvor noch hatte Powell beim Treffen der Aussenminister der 55  OSZE-Länder in der bulgarischen Hauptstadt Sofia in dieselbe Richtung gehende Vorwürfe seitens Russlands empört zurückgewiesen. Was der Westen in der Ukraine gemacht habe, sei "keine Einmischung" gewesen, so Powell. Vielmehr habe sich "die internationale Gemeinschaft zusammengetan, um dort die Demokratie zu unterstützen". (!) Ron Paul dagegen meinte, inzwischen sei völlig klar, "dass die US-Regierung über die "US Agency for International Development" (USAID) Millionen Dollar an die "Poland-America-Ukraine Cooperation Initiative" (Polnisch-Amerikanisch-Ukrainische Kooperationsinitiative, PAUCI) geleitet hat. PAUCI habe die US-Regierungsgelder an zahlreiche Nichtregierungsorganisationen (NGO) in der Ukraine geschickt, die sich "ganz offen für Viktor Juschtschenko" einsetzten. Das käme einer "unverschämten Einmischung in die inneren Angelegenheiten einer souveränen Nation" gleich, so congressman Paul. Zwar wisse derzeit niemand, "wie viele zig Millionen Dollar die Regierung der Vereinigten Staaten für die Präsidentschaftswahlen in der Ukraine ausgegeben" habe, aber dafür seien wenigstens bereits einige der Kanäle bekannt, durch die amerikanisches Regierungsgeld zur Unterstützung des Kandidaten Viktor Juschtschenko in die Ukraine geflossen ist. Konkret: über PAUCI und ukrainische NGOs.  Im Fall des ukrainischen "International Center for Policy Studies" sei besonders pikant, dass diese NGO vom "Open Society Institute" des US-Milliardärs George Soros gegründet wurde und Juschtschenko dort im Beirat sitzt. Zudem seien etliche Millionen  US-Regierungsgelder über das private Beratungsunternehmen "Development Associates Inc." in die Ukraine geflossen  ? ein Unternehmen, das von der Bush-Regierung einen 100-Millionen-Dollar-Auftrag zur "Förderung demokratischer Prozesse" in aller Welt bekommen habe."
 
Ich denke, Sie verfügen hiermit über genügend neue Quellen, die die Substanz meiner Fakten erhärten.
 
"Ulrich Schmid und ich  haben beide einige Jahre lang als Korrespondenten in Washington verbracht (wir waren übrigens beide auch als Korrespondenten in Moskau tätig). Ich  frage mich, was Sie über die breite Vielfalt amerikanischer Denkfabriken,  die politisch oft in unterschiedliche  Richtungen engagiert sind, tatsächlich wissen. Kennen Sie die Arbeiten oder kennen Sie  Verantwortliche etwa der Brookings Institution, des Carnegie Endowment (die ein kompetent dotiertes Büro in Moskau unterhält) oder des CSIS  (Center for Strategic and International Studies) in Washington? Wenn ja,  würden Sie über solche Institutionen gewiss etwas differenzierter  urteilen."
 
Es gibt für mich keine positive Charakterisierung der think-tanks, da ich sie als die Urheber der Angriffsziele und Umsturzpläne der USA sehe. Insofern hege ich die Befürchtung, dass Ihre Jahre in Washington Ihnen deren eigentliche Rolle nicht aufgeschlüsselt haben.  Sie werden doch nicht im Ernst annehmen, dass ich es mir erlaube, mit  Ihnen zu korrespondieren, ohne hier grundlegende Kenntnisse zu besitzen. Ob Carnegie Endowment for Peace, ob Brookings Institution, CSIS o.a., sie alle sind auf die eine oder andere Art mit dem CRF, dem Chatham House, der Trilateralen Kommission, den über unversteuerte Milliarden verfügenden Rockefeller- und Carnegie-Stiftungen vernetzt und damit auch mit den 'neocons' der USA. Es ist mir im Moment zu mühsam, die Teilnehmerlisten der Bilderbergerkonferenzen durchzugehen, um festzustellen, welche Vertreter der genannten Institutionen jeweils anwesend waren.  Und wenn deren Strategien zu unseren Gunsten liefen, dann, sehr geehrter Herr Dr. Meier, sähe unsere Welt anders aus. Die neuesten Angriffspläne hat, wie gesagt, Thomas P.M. Barnett vom US Naval War College und Berater unseres ehrenwerten  Rumsfelds in der Zeitschrift 'Esquire' vom März 2003 schonungslos offengelegt. Diese umfassen ganze 19 Länder. Es bleibt im übrigen abzuwarten, ob Putin "dem kompetent besetzten" Carnegie Endowment for Peace in Moskau nicht das gleiche Schicksal wie der Soros-Foundation bereiten wird, die er jetzt kurzerhand schliessen liess, da er die Einmischungen von Soros satt hatte.
 
In diesem Zusammenhang darf ich noch einen kleinen Abriss zu der von Ihnen zitierten 'Brookings Institution' anführen:
"Am 19. November 2002 bildet die Brookings Institution in Washington offiziell einen think- tank, um Haiti die Demokratie aufzuzwingen. Mit dem Unterfangen wird James Morrell betraut, der früher für das Center for International Policy  zuständig war. Wir finden hier die ehemaligen US-Botschafter in Haiti, Ernest H. Preeg und Lawrence Pezzullo, ferner den Milliardär Rudolph Boulos, Ira Lowenthal vom IRI (International Republic Insitute) und Roger Noriega, der Botschafter der USA bei der Organisation Amerikanischer Staaten. Dieser think-tank unterstützt diejenigen Gruppen in Haiti, die damit beauftragt sind, die Opposition gegen Aristide zu organisieren, wie z. B. die 'Fondation Nouvelle Haiti', die von demselben Mann geleitet wird, der die berüchtigte Gruppe der 184 finanziert,  nämlich von André Apaid.
Am 18. Dezember 2002 bezahlt das IRI resp. die CIA  den Flug von rund fünfzig Verschwörern in die Dominikanische Republik, damit der Destabilisierungsplan zu Ende gebracht werden kann. Das IRI geht sogar so weit, einen speziellen Zweig für Haiti zu gründen. Für die Anführer der sich gegen Aristide richtenden Protestbewegung gilt der bereits oben erwähnte,  in Georgien vollzogene 'samtene'  Staatsstreich als Beispiel. So erklärt der Führer der 'Initiative citoyenne', Frandley Denis Julien,  <<dass die 'Rosenrevolution' in Georgien ein Beispiel darstelle, dem zu folgen sei. >> In einer  am  24. 11. 2003  von  Radio Métropole ausgestrahlten Erklärung  ruft er die Geschäftswelt dazu auf, ihre Verpflichtungen in dem in Gang gebrachten Kampf wahrzunehmen, um die Abdankung Aristides zu erreichen."
 
Schon einmalige Vorgänge. Nicht umsonst lesen sich wahre Hintergrundinformationen er-schliessende Werke, deren Besprechung ich seltenst in Ihrer Zeitung finde, wie Kriminalromane. Sollte mich also jemand von einer positiven Seite der US-think-tanks überzeugen wollen, so kann ich mir hier nur den auf Russland gemünzten Titel in Ihrer Ausgabe Nr. 297 vom 20.12.04  (unter 'Aufgefallen') ausleihen, der da lautet: 'Provokant verdummend.'
 
"Offenbar halten Sie ja auch die Volksaufstände gegen das Milosevic-Regime und die erfolgreiche Rosen-Revolution gegen das korrupte Schewardnadse- Regime in Georgien (beide Regimes hatten zuvor Wahlen gefälscht) für reine "Pseudorevolutionen" und anscheinend für ein Unglück, weil angeblich von  den Amerikanern manipuliert und inszeniert."
 
Hier treffen Sie genau meine Sicht, es handelt sich in beiden Fällen um reine Pseudorevolutionen. Die Georgien betreffende war mir einer genauen Ausführung in meinem Brief an Herrn Schmid wert.  Ich wäre mir im übrigen nicht so sicher,  dass das Regime Saakaschwilis nicht korruptionsanfällig ist. Hinweise hierfür sind für mich zumindest sein Einverständnis, auf  undemokratische Weise an die Macht zu gelangen. Und das macht abhängig, und die Abhängigkeit wiederum erpressbar.
 
Im übrigen war und ist die USA doch fast überall dort anzutreffen,  wo repressive, diktatorische und korrupte Regimes beheimatet sind. Und, wie gesagt, wenn in der Ukraine schon Kissinger & Associates, George Bush Vater und Soros bei den korrupten Oligarchien mit von der Partie sind, lassen sich keine wirklichen Änderungen erwarten.
 
"Vielleicht sollten Sie einmal die Bürger in diesen Ländern oder etwa im Baltikum fragen, ob sie das Ende dieser Regimes oder  gar der Sowjetdiktatur    - bei denen die USA und ihre Nato-Verbündeten ja keine ganz nebensächliche Rolle spielten - auch alle für ein Unglück halten."
 
Das war nicht das Thema meines Briefes. Es dürfte noch eine Weile dauern, bis diese Länder die Einflussnahme Washingtons auf die Vorgänge in der EU-Kommission erkennen.
 
"Über Amerika und die Politik der Bush-Regierung kann man in guten Treuen unterschiedlicher Meinung sein, und natürlich kann man manches an dieser Politik  mit guten Gründen kritisieren - nirgends wird das übrigens kompetenter und hartnäckiger getan in als einigen liberalen oder linksliberalen amerikanischen Medien, etwa in den Kommentarseiten der  "New York Times".  Auch innerhalb der NZZ-Redaktion gibt es zu den USA und ihrer Politik in manchen Punkten unterschiedliche Einschätzungen. Aber für ein derartig ideologisch vergiftetes und bösartiges Feindbild, wie Sie es  vom vielschichtigen Amerika  in Ihrem Schreiben an die Wand malen, können  Sie von unserer Seite beim besten Willen kein Verständnis erwarten."
 
Von einer Vielschichtigkeit Washingtons oder der amerikanischen Politik kann seit Jahrzehnten keine Rede mehr sein   - eine solche lässt sich allenfalls auf das Land selbst und dessen Bürger beziehen, die hier nicht den Schwerpunkt der Debatte bilden -   da das US-Establishment nur ein einziges uniformes Ziel im Auge hat: Die Vereinnahmung der Ressourcen dieses Globus und die damit verbundene Unterwerfung ganzer Staaten. Hierzu noch ein in 'Zeit-Fragen' Nr. 46 vom 29.11.04 abgedruckter Abschnitt aus der  'Washington Post' vom 23. November: «Präsident Bush muss die Passivität seiner Regierung in Anbetracht der massiven und schädlichen russischen Intervention in der Ukraine beenden. [...] Der nächste Schritt für Mr. Bush ist, den russischen Präsidenten und dessen Neo-Imperialismus klar und öffentlich herauszufordern und eine US-Politik zu entwerfen, um diesen unter Kontrolle zu bringen.»
 
Das "ideologisch vergiftete und bösartige Feindbild" unterstellen Sie mir ganz einfach, indem Sie übergehen, dass sich dieses aus den von mir dargelegten  Fakten  notgedrungen von ganz allein ergibt. Ich selbst habe zum Schluss lediglich darauf hingewiesen, dass ich weder auf der einen noch auf der anderen Seite stehe. Ich lese Ihre Zeitung jedoch schon zu lange, als dass ich nicht annehmen würde,  dass die USA, selbst wenn sie beispielsweise den Iran oder Syrien vernichten würde, im Hauptteil der NZZ trotzdem noch einer eher positiven Betrachtungsweise gewürdigt würde. In Gesprächen mit anderen NZZ-Lesern fällt mir auf,  dass es in vielen Fällen offenbar immer noch nicht gelungen ist, Ihren keine andere politische Literatur lesenden Abonnenten den wahren Gehalt der simplen, aber ihrem Inhalt nach höchst infamen Worte Wesley Clarks, die er am 8. Februar 2004 im CNN öffentlich aussprach, zu vermitteln: "As to Saddam Hussein, we built him up, we used him and we contained him. There was no reason to go to war against the Iraq".  Bei Ihnen tönte es am 31.12.02 dagegen wie folgt: "Als letztes Mittel muss eine militärische Intervention legitim sein. Sie muss zulässig sein, um einen höchst unberechenbaren Potentaten zu stürzen, von dem die Welt zu fürchten hat, dass er Massenvernichtungsmittel einsetzt oder sie terroristischen Netzwerken zuhält." Ein mörderischeres Vorgehen wie das der anglo-amerikanischen Ölmacht im Irak,   und das nach dem Vietnamkrieg !, lässt sich zur Zeit schwerlich finden. Wir wissen heute, dass es von der USA zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt war, Saddam Hussein zu entfernen. Es steht aber zu vermuten, dass die Iraker ihren brutalen Herrscher ohne das Embargo durchaus stürzen können hätten, aber, wie gesagt, das war nicht erwünscht.
 
Und was die von Ihnen angeführte hartnäckige Kritik liberaler resp. linksliberaler Blätter der USA angeht, so finde ich hiervon wenig in Ihrer Zeitung und werde daneben den Verdacht nicht los, dass sich diese Kritik immer erst dann einfindet, wenn die Tatbestände nicht mehr zu verheimlichen sind.
 
"Schliesslich möchte ich zu Ihrer Information  noch ein paar Sätze aus  einer Rede des ukrainischen Schriftstellers Juri Andruchowytsch (für die NZZ schrieb er ein Tagebuch über seine Erfahrungen als Demonstrant in  Kiew) zitieren, die dieser  am vergangenen Mittwoch vor den Abgeordneten des EU-Parlaments in Strassburg gehalten hat: "Was in der Ukraine passiert, ist ein Drama von historischem Ausmass. Es handelt sich um den Zusammenstoss zwischen einer Gesellschaft, die - in ihrem grösseren, aktivieren, bewussteren und gebildeteren Teil - nach Demokratie, Wohlstand und Rechtsstaatlichkeit strebt, und einer Staatsmacht, die mit allen  Kräften versucht, eine autoritäre, neototalitäre Regierungsform zu bewahren."
 
Ich stelle das nicht in Abrede, habe aber starke Zweifel, ob diese hehren Ziele unter der Regie der USA, sollte sich eine solche ergeben,  auch eintreffen werden. Im übrigen halte ich es für  wenig wahrscheinlich, dass Juri Andruchowytsch über das, was sich im Hintergrund der Ukraine abspielt, informiert ist.  Der in Aussicht gestellte Wohlstand dürfte sich in mageren Grenzen halten, da die multinationalen Konzerne auch dort Billiglöhne und Steuerfreiheiten zugunsten der westlichen Kapitaleigner einfordern werden.  Der wirtschaftliche Niedergang gerade der grossen EU-Staaten wird auch dieses Land erreichen, allein schon deswegen, weil die Steuern weitgehend für die Militarisierung und Verfügbarmachung der für die angeheizten Krisen notwendigen Friedenstruppen gebraucht werden, wobei letztere, wenn wir ehrlich sind, reine Besatzungstruppen darstellen.
 
Es sei mir gestattet, abschliessend auf die als Wahlbeobachter in der Ukraine anwesenden Schweizer zu sprechen zu kommen. Die im Zusammenhang mit den Wahlen von der Schweiz eingesetzte Summe ergibt   - unter der Voraussetzung, dass die mir vorliegenden Zahlen verlässlich sind -  die ungeheure Summe von ca. 880.000.- Schweizer Franken. Ist es den Verantwortlichen überhaupt noch bewusst, dass wir diese Summe bitter zur Tilgung der horrenden Verschuldung unseres Landes benötigt hätten?
 
    Mit freundlichen Grüssen,  Doris Auerbach