Höchst lesenswerte Worte zum 1. August - Die Direkte Demokratie und deren Gefährdungen heute - Einige Gedanken

Mit diesem Schreiben zum 1. August als Nationalfeiertag des einzigen Landes, das sich in grossem Mass nach genossenschaftlichen Prinzipien organisiert hat, wollen wir einige Grundlagen unseres Staatswesens hervorheben, die unserer Ansicht nach zu wenig beachtet werden und die durch verschiedene Einflüsse gefährdet sind. Wir wollen mit diesem Beitrag auch in Erinnerung rufen, welche Faktoren das Gemeinwesen Schweiz bis jetzt zu einem weltweit einzigartigen Beispiel auf dem Weg zu einem friedlichen Zusammenleben gemacht haben und - indem wir dies in Erinnerung rufen - vielleicht auch dazu beitragen, dass wir dieses erhalten können.

1. Die direkte Demokratie geht von der angeborenen Freiheit aller Bürger und von der Vorstellung aus, dass am besten die freien Bürger gemeinsam die Wege finden können, um anstehende Probleme zum Wohl aller und friedlich zu lösen. Der in Freiheit gefundene Konsens basiert auf dem Eid, zusammenzustehen und über sich selbst mit eigenen Gesetzen zu bestimmen. Niemand kann das angeborene Recht auf Selbstbestimmung freier Bürger knebeln. Das genossenschaftliche Prinzip der Selbsthilfe, der Selbstorganisation und der Selbstverantwortung stellt eine gelebte freiheitliche und soziale Alternative zur Vorstellung von führenden Eliten und gehorsamen Untertanen dar. Gerade deshalb nennen wir uns Schweizerische Eid-Genossenschaft. Die Gleichheit aller Bürger muss gelebt werden, egal ob sich die Elite ihre Vorrechte als Steuerungsgruppe, Spurgruppe, strategische Entscheidungsträger, politische Berater, Mitglieder von Absprachegremien oder Börsenanalysten erzwingen will. Eine Grundlage des friedlichen Ausgleichs besteht darin, dass die Entscheidungen in möglichst kleinen Einheiten angesiedelt ist, seien es freie Vereinigungen zur Lösung eines Problems, seien es die kleinen, autonomen Gemeinden. Dadurch kann der Einzelne echter Mitgestalter des Gemeinwesens sein. Konflikte können friedlich gelöst werden, wenn wir uns durch die Art unseres Zusammenlebens ständig in Konsensfindung üben können und die nachfolgende Generation im Fühlen, Denken und Handeln bewusst zum friedlichen Miteinander erziehen.
 
Der Krieg und nur schon die derzeitige kriegerische Politik mit ihrer Kriegspropaganda zersetzen die Fähigkeit und den Willen der Menschen, wohlwollend mit der Verschiedenartigkeit und den Schwächen von sich und anderen umzugehen und einen Konsens im Zusammenleben zu suchen und zu finden. Drohung mit einem Angriffskrieg und Angriffskriege selbst sind der schlimmste Ausdruck dafür, dass Zwang, Gewalt und Ungleichheit das Zusammenleben der Menschen prägen. Angriffskriege und die Drohung mit Angriffskriegen sind heute bekanntermassen auf der ganzen Welt verboten - auch wenn sie „Friedenseinsätze“ genannt werden oder dafür private Firmen beauftragt werden. Alle Staaten haben die UNO-Charta unterschrieben, in deren Artikel 2.4 nicht nur Gewalt, sondern schon die Androhung von Gewalt gegen die territoriale Unversehrtheit eines Staates untersagt ist. Auch die Regierung der derzeit einzigen Weltmacht USA muss sich an diese völkerrechtliche Übereinkunft halten. Da sie dies nicht tut, glaubt ihr niemand, wenn sie ihre Kriege als Kampf für Rechtsstaat und Demokratie darstellt. Die Drohung gegen den Irak mit den irrwitzigsten Argumenten und der verbotene Angriffskrieg auf dieses Land waren genauso völkerrechtswidrig wie es die derzeitige Kriegsdrohung gegen den Iran ist. Zuerst legte die Nato und danach Russland 1999 in ihren Militärdoktrinen fest, dass sie neu auch Atombomben als Erstschlagswaffen einsetzen werden anstatt Atomwaffen zu ächten. Mit dieser neuen Doktrin droht das bisherige Verteidigungsbündnis Nato unter dem Druck der USA der ganzen Welt damit, dass es für die Sicherung von Rohstoffen und Einfluss führt Angriffskriege. Wie können eine solche USA und solche Nato-Länder glaubhaft versichern, es ginge ihnen um die Gefahren von Atombomben, wenn sie dem Iran - sinnigerweise unter Androhung eines Krieges mit Atombomben - die im Rahmen des Atomwaffensperrvertrages absolut erlaubte Urananreicherung verbieten wollen? Und darüber hinaus Israel den illegalen Besitz von Atomwaffen erlauben, obwohl dieses Land nicht einmal dem Atomwaffensperrvertrag beigetreten ist und noch dazu verbotene Angriffskriege führt?
 
2. Die immerwährende Neutralität der Schweiz ist eine logische Konsequenz des Prinzips vom friedlichen Ausgleich unter Gleichen im eigenen Land. Mit der Neutralität zeigt die Schweiz, dass sie sich der Machtlogik nicht beugt und aus der eigenen direktdemokratischen Praxis heraus bessere und nachhaltigere Lösungen vom Zusammenleben der Völker vorschlagen kann. Dabei kann die Schweiz auch auf die besonders eindrückliche Fähigkeit vor und im 2. Weltkrieg zurückgreifen, sich als kleines Land das eigene freiheitliche System, die Selbstbestimmung nach innen und die Unabhängigkeit mit wenig Anpassen inmitten von gewalttätigen totalitären Staaten und unter der Bedrohung, wie die Tschechoslowakei und das neutrale Belgien, besetzt zu werden, zu erhalten.  
 
Die Schweizer Armee rechtfertigt sich einzig dadurch, dass wir uns unser friedliches Prinzip nicht von Machthungrigen nehmen lassen wollen und realistisch genug sind, dass wir uns neben vielen anderen Massnahmen im Notfall sogar heftig verteidigen können müssen. Das Milizprinzip in der Armee zeigt, dass das Volk das selbstbestimmte System verteidigen will. Das Milizsystem ist auch nötig, damit die Machtlogik, dem das militärische Denken nur zu leicht unterliegt, wie es die derzeitige Armeeführung in grossen Teilen deutlich zeigt, möglichst eingedämmt wird.
 
Da die Schweiz ihre Kräfte seit Jahrhunderten nicht in der Eroberung und  Unterdrückung anderer Völker verschwendet hat, konnte sie sich seit dem 30jährigen Krieg weltweit in besonderem Mass an der Kriegsverhinderung und Kriegsbeilegung sowie an einem friedlichen Zusammenleben beteiligen. Deshalb ist das Rote Kreuz, das auf dem Boden einer neutralen Schweiz den Kriegstreibern aufgebaut worden, ein Signal setzt, dass der nichtverhetzte Mensch dem anderen gerne hilft und nicht Gewalt antut, sogar im Krieg, nicht zufällig in unserem Land aufgebaut worden. Albert Schweizer hat die ethische Verantwortung für alle Menschen gelebt und formuliert. Der Arzt Beat Richner zeigt in Kambodscha vor allem mit privaten Spenden aus der Schweiz, dass innerhalb weniger Jahre die Kinder eines ganzen Entwicklungslandes nach neuen medizinischen Erkenntnissen behandelt werden können. Nach den Erfahrungen der Schweiz im 2. Weltkrieg erstellte der spätere Bundesrat Friedrich Traugott Wahlen die ersten realistischen Programme, wie der Hunger weltweit überwunden werden kann, für die Welternährungsorganisation (FAO).
 
Die Neutralität der Schweiz ist in unserer Zeit der zunehmend offenen Kriegsführung für die Machtinteressen in der ganzen Welt von besonderer Wichtigkeit - auch als Ausblick für die anderen Völker; sie muss wieder hergestellt werden. Die Ausrichtung der Armee auf die fast vollständige Einbindung in die kriegerische Nato (Kompatibilität) mitsamt dem Zwang der Ausbildung für kommende Kriegseinsätze im Ausland muss gestoppt werden, wie es auch viele gestandene Milizoffiziere in unserem Land fordern. Dazu gehört auch, die tatsächliche Einbindung in die Nato, die im Rahmen der Besetzung im Anschluss an völkerrechtswidrige Kriege wie im Kosovo und in Afghanistan vorangetrieben wird [mit offiziell 4 Offizieren], sofort zu beenden. Die Aufgabe der Schweiz liegt nicht in der Anpassung an die Machtlogik, sondern in der Mithilfe bei der Entwicklung menschengerechter Lösungen nach genossenschaftlichen Prinzipien.
 
3. Das genossenschaftliche Prinzip der Selbstorganisation beinhaltet, dass die Bürger darüber entscheiden können, wie sie ihr Gemeinwesen zum Wohl aller aufbauen. Die Schweiz hingegen hat in den letzten Jahren durch den bilateralen Weg, internationale Vereinbarungen und freiwilligen Anpassungen der Behörden, die Souveränität des Volkes und die kleinräumigen Entscheidungsstrukturen vernachlässigt oder aufgegeben.
 
Mit den bilateralen Verträgen zum Beispiel hat die Schweiz die 4 Abhängigkeiten der EU übernommen, die das Gebilde EU ausmachen: Aufhebung der Selbstbestimmung bei Personen, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr. Schon kurz nach Annahme der bilateralen Verträge I, die unter anderem die Souveränität der Schweiz im Flugverkehr vollständig aufhob, stoppte Deutschland den Überflug in Richtung auf den Zürcher Flughafen. Der Franken wurde in das von den Börsen abhängige Weltwährungssystem eingebunden, indem mit der neuen Bundesverfassung ohne Diskussion der Goldstandard aufgehoben wurde und grosse Teile des über Jahrzehnte vom Volk zusammengetragenen Goldes verkauft wurden.
      
Durch die Verträge mit der Welthandelsorganisation (WTO), den bilateralen Verträgen mit der EU und eigenen Massnahmen zum Abbau der Selbstversorgung und Ernährungssicherheit in Krisenzeiten liefert sich die Schweiz immer stärker den Druckversuchen von Grosskonzernen und Machtgebilden wie der EU und USA aus. Die bodenständige kleinräumige Landwirtschaft ist aber für ein freies friedenbildendes Land notwendig. Der anvisierte europaweite Milchstreik für kostendeckende Preise könnte einen Ausblick für den Bauernstand und die Nahrungsmittelsouveränität bilden (www.nbks.ch). Genauso wichtig für die Eigenständigkeit ist die Umsetzung der in einer Volksabstimmung mit grossem Mehr geforderten gentechnikfreien Landwirtschaft in der Schweiz sowie der Aufbau regionaler Versorgungssysteme neben dem Betrieb von Kleinsthöfen.
 
Für eine grössere Unabhängigkeit von den Energiekonzernen braucht es umweltfreundliche Energiesysteme, die möglichst regional abgesichert sind (Sonnenkollektoren, Sonnenzellen, Wind- und Wasserenergie sowie CO2-neutrale Holzverbrennung). Grosser Wert muss auf Energiesparmassnahmen gelegt werden, unter anderem auch durch eine intelligente Volkswirtschaft, die weniger Verkehr hervorruft. Mit den Gats-Abkommen innerhalb der WTO liefern wir die Errungenschaften des Schweizerischen Gemeinwesens der Gewinnmaximierung aus und lassen von Schule, Gesundheitswesen, Wasserversorgung, Kommunikationswesen und Verkehr nur übrig, was der sogenannten globalisierten Wirtschaft  als lukrativ erscheint. So sollen im Hinblick auf die angestrebte Privatisierung die nicht rentablen Regionalspitäler aufgelöst, die nicht rentablen Randgebiete ausgetrocknet und die Menschen mit allen möglichen Sachzwängen in die von der Bevölkerung bezahlten Metropolen verschoben werden. Die Computerisierung der Schulen sowie die Übernahme der englischen Sprache soll es ermöglichen, die Schulen zu privatisieren und die Kinder mittels Programmen der Bildungskonzerne weltweit über Computer zu ‚belehren’. In buchstäblich allen Bereichen werden die Ausbildungen so reformiert, dass sie EU-weit gleichgeschaltet und akademisiert sind und nicht vorrangig von den Notwendigkeiten der Berufserfahrug getragen sind. Kindergärtnerinnen und Krankenschwestern müssen die Matura haben, Lehrpersonen der Grundstufen werden neuestens in Anpassung an die EU praxisferner an einer Hochschule ausgebildet. Die Ausbildungen werden in den grossen Städten zentralisiert - wie zum Beispiel im Kanton Zürich die Krankenschwesternausbildung.   
 
Wir meinen, dass die Grundversorgung in den Händen der Bevölkerung bleiben muss, möglichst in Korporationen und Gemeinden und nicht in sogenannt eigenständigen Firmen mit Leistungsauftrag, die vom Volk nicht mehr kontrolliert werden können. Die Regionalspitäler als Grundversorger müssen erhalten bleiben, zum Beispiel mit der St. Galler Volkinitiative für den Erhalt der Regionalspitäler. Die freien Berufe sind für jede demokratische Gesellschaft von grosser Bedeutung, weil sie in der täglichen Praxis Eigenständigkeit im Denken und Handeln erfordern. Die weitgehende Abschaffung des Bauernstandes und die starke Reglementierung des Handwerks und des Arztberufes sowie die ständige Bedrohung, nicht genug zu verdienen, oder wegen sich ständig ändernder Vorschriften illegal zu handeln, schmälern das freie Denken, das für jede Gesellschaft von grosser Bedeutung ist. Die Reglementierung aller Lebensbereiche durch Verwaltungsvorschriften, die keiner Abstimmung unterliegen, muss aufgehoben werden.
 
4. Die direkte Demokratie gibt es nur, wenn es freie, gut orientierte und eigenständig handelnde Bürger mit Gemeinsinn gibt, die in vielerlei Gemeinwesen innerhalb der Eidgenossenschaft gebildet und bestätigt werden. Im gesamten Zusammenleben, insbesondere in der Erziehung, müssen die vernachlässigten ethischen Wertvorstellungen im Vordergrund stehen. Verschiedene Entwicklungen erschweren es, dass dieses Verantwortungsgefühl für sich und die Allgemeinheit herausgebildet wird. Die verwöhnende Erziehung ohne Werte, die auf Reden anstatt auf gemeinschaftsdienlichem Handeln ausgerichtet ist, schwächt die Persönlichkeitsentwicklung und verengt den Menschen alleine auf sich selbst. Das schränkt seine Glücksfähigkeit und seine Fähigkeit zur verantwortlichen Zusammenarbeit ein und führt zu Überforderungsgefühlen bis hin zu Depressionen.


Die Rauschgifte (50% der älteren Jugend mit Haschischerfahrung) erschweren es sehr, dass der einzelne in der wichtigen Jugendzeit Kraft und Engagement für Alltagsfähigkeiten und das Allgemeine aufwendet und sich so in der gesamten Gesellschaft verankern kann. Die Initiative für die Haschischfreigabe muss man deshalb ablehnen. Der zunehmende Alkoholkonsum ist Ausdruck einer inneren Orientierungslosigkeit und bestätigt und vertieft diese. Der Zugriff auf die Jugend durch die Konsumindustrie, die Vereinnahmung durch die Medien-, Mode-,Musik- und Sexindustrie lassen wenig Raum für die Entwicklung von Kreativität, Denkfähigkeit, differenziertes Mitempfinden, die für eine aktive und konstruktive Mitarbeit nötig sind. Die Natur des Menschen besteht darin, eine echte Bedeutung in der Gesellschaft zu erhalten. Wir müssen alle dabei mithelfen, echte und sinnvolle Mitarbeit zu erwarten und zu begrüssen. Die rapide Zunahme der Gewalt und deren Auskosten in Filmen, Theater und Musik sowie das Hinführen vor allem der männlichen Jugend durch interaktive (Computer-)’Spiele’, Gameboy und anderen Medien ins Dasein von Scharfschützen verhindert die notwendigen und realistischen Erlebnisse und Erfahrungen, wie das alltägliche Leben mit anderen Mitteln friedlich gelöst werden kann. Die negativen und verheerenden Auswirkungen auf das Fühlen und Denken sind bekannt. Es ist nicht einzusehen, dass der Umweltschutz fast Allgemeingut geworden ist, der Innenweltschutz unserer Jugend aber vernachlässigt und entwertet wird.

Die geringeren Alltagsfähigkeiten unserer heranwachsenden Jugend im Haushalt, Handwerk und in der Nahrungsmittelherstellung verringern die tägliche Erfahrung, dass man das Leben eigenständig bewältigen kann und vermitteln den Eindruck, dass man dauernd von der Gunst anderer abhängig ist. Handarbeitsunterricht, Kochen, Werken, Realien, dürfen deshalb nicht zugunsten vermehrter Fremdsprachen und Beredsamkeit abgeschafft werden. Johann Heinrich Pestalozzi wies schon vor über 200 Jahren darauf hin, dass Menschen mit wenig Alltagsfähigkeiten auch schwer in der Lage sind, ausserhalb des eigenen Hauses anstehende Aufgaben zu bedenken oder gar zu bewältigen. Solche Menschen sind eher für eine Diktatur vorbereitet als für die Direkte Demokratie.
 
5. Für die Bildung eines Gemeinwesens muss die Arbeit so organisiert sein, dass verbindliche und kontinuierliche Bindungen in Familien und anderen kleinen Gemeinschaften wie Vereinen möglich sind. Die Anforderungen der modernen Arbeitsplätze erschweren dies erheblich. Dazu gehören grosse Entfernungen, lange, flexible Arbeitszeiten, die eine verbindliche Absprache erschweren sowie in vielen Berufen höchste Anforderungen an Zeit und Kraft, die dem Menschen kaum eine Atempause lassen. Die Manie ständiger Umstrukturierung, Fusionierung und Neudefinierung von Arbeitsplätzen lässt den einzelnen verunsichert und alleine zurück. Der Mensch wird über die Wirtschaft dahingehend formiert, dass er sein eigenes Leben effizient und vor allem für die Karriere planen können soll. Nicht materiell verwertbare menschliche Beziehungen und zielungerichtete Gespräche, die dem menschlichen Miteinander dienen, werden möglichst wegrationalisiert. Zum Beispiel werden Verkäuferinnen angewiesen, nur noch das Notwendige zu reden, also Begrüssung, Frage nach einer Konsumentenkarte, Verabschiedung. Für ein friedliches Miteinander ist es aber notwendig, dass ein allgemeines Interesse am Leben, Denken, Fühlen und Handeln anderer gefördert und gelebt wird, denn nur so können gemeinsame Lösungen zum Wohl aller im Zusammenleben gefunden werden. Gesprächsfähigkeit besteht zunächst im echten Zuhören und in der Idee, für alle das Beste zu finden. Schweizerinnen und Schweizer waren oft diejenigen, die in der stillen Diplomatie Wege zur Lösung schwierigster Probleme finden konnten, weil diese Fähigkeit in der gelebten direkten Demokratie ständig geübt wird. Auch die kleinräumige Wirtschaft hat zu dieser Kultur beigetragen. Es gibt sogar in der globalisierten Wirtschaft Anzeichen dafür, dass unmenschliche Anforderungen zurückgenommen werden müssen, weil sie sich selbst über wenige Jahre hinweg auch ökonomisch nicht lohnen werden. Wir sollten uns aber auch die Mühe nehmen, darüber nachzudenken, wie unsere Wirtschaft so organisiert werden könnte, dass sie nicht von den Börsenanalysten abhängt (www.svil.ch).
 
6. Vertrauen in die Integrität und Verantwortlichkeit der anderen ist Voraussetzung für ein freies Zusammenleben. Die sogenannten Qualitätskontrollen machen das ständige Misstrauen zu einem entscheidenden Teil des Systems und geben den Kontrolleuren die Macht. Die Kräfte des Menschen werden darauf gerichtet, die Qualitätskontrollen zu erfüllen - und sei es mit Unehrlichkeit. Richtig wäre es, ein Produkt oder eine Dienstleistung aus eigener Verantwortung heraus für die Abnehmer oder die Mitmenschen  bestmöglich zu erschaffen. Oft wird der Mensch damit beschäftigt, ständig auf dem neuesten Stand des technischen und organisatorischen Know-hows zu sein. Das bewirkt ein Gefühl, meist im Defizit zu sein und nicht mitreden zu können. Die Medien stützen selten diejenigen, die ihre Verantwortung seriös wahrnehmen, sondern eher die Selbstdarsteller und Grosssprecher, die meinen, alles neu erfinden zu können und den Mitmenschen zu diesem Zweck neue Strukturen überstülpen, die nach kurzer Zeit scheitern. Direkte Folge davon ist ein dauernd wachsender innerer Widerstand der Beteiligten, die als Passivität fehlgedeutet wird. Notwendig wäre stattdessen die Fähigkeit, sich zu verbinden und mit den Schwächen und Stärken der verschiedenen Menschen an einem Werk weiterbauen zu können. Die direkte Demokratie braucht die bescheidene und vorsichtige Art von Denken und Handeln, damit Probleme angemessen und nachhaltig angegangen und bewältigt werden können, damit jeder die Freude gewinnen kann, sich daran zu beteiligen.
 
7. Bürgerrechte als Freiheits- und Abwehrrechte gegen den Staat verlieren ihre Bedeutung, wenn sich die staatlichen Organe angesichts der falschen Theorie des New Public Managements als ‚strategische Führung’ des Volkes missverstehen und damit vergessen, dass sie in unserer Demokratie die Ausführenden des Volkswillens sind. Entsprechend ihrer Selbsterhöhung behaupten sie, die ‚Kunden’ -  die ehemaligen Bürger - müssten umfassend umworben werden. Diese Manipulation der Bürger durch psychologisch geschulte Propagandisten lähmen oder verhindern eine freie Diskussion in Gemeinden, Kanton und Bund, wie sie zur Bildung des Volkswillens nötig ist. Die Volksinitiative ‚Volkssouveränität statt Behördenpropaganda’ (www.freie-meinung.ch) kann diese Manipulation verhindern. Durch diese Initiative sollen die Bürger in der Mediengesellschaft wieder gleich lange Spiesse erhalten wie die von der Mediengesellschaft bevorzugten Behörden. In einer Demokratie muss die Bildung des Volkswillens über den freien Austausch aller Ideen im freien Gespräch der Bürger hergestellt werden.


8. Die Zentralisierung und damit die Entmündigung der Bürger in Bereichen, in denen diese den Überblick besser bewahren können, nimmt schnell zu. Zum Beispiel durch den neuen Finanzausgleich und den Bildungsartikel, mit denen der Bund die Kantone zwingen kann, sich gegen den Willen der eigenen Bürger an andere Lösungen anzupassen. Zum Beispiel auch durch kantonale Gesetze wie in Zürich, durch die die Gemeindeversammlung bei knappen Abstimmungen entwertet wird. Die Entfremdung der Bürger von ihrem Gemeinwesen nimmt mit jedem erzwungenen Gesetz oder manipulierter Abstimmung zu. Der  Zusammenschluss von Gemeinden zwecks besserer Kontrolle von oben, klappt zum Glück meistens nicht (wie im Bündnerland und in Schaffhausen). Deshalb greifen die Zentralisten vermehrt zu Drohung, Zwang oder Bestechung mittels Steuergeldern (wie im Tessin, im Wallis oder St. Gallen). Die behauptete Effizienzsteigerung stimmt normalerweise nicht, im Gegenteil: die Bürger werden vor allem mit mehr Steuerausgaben belastet.
 
Ja - wie stellen Sie sich zu der dargelegten Problematik? Obige Zeilen sind nur einige Gedanken, die an unseren monatlichen Begegnungsabenden mit beherzten Bürgerinnen und Bürgern zur Sprache kommen, mitunter lebhafte Diskussionen auslösen und sogar zukunftsfähige Einsichten ermöglichen. Eines ist aber gleich geblieben: Wir alle können mit unserem mit entsprechendem Wissen und Verantwortungsgefühl genährtem Tun für das Weiterbestehen der eigenen und globalen Existenz einen sicher nicht unbedeutenden Beitrag leisten. Fühlen Sie sich von diesen Gedanken angesprochen? Ihre Reaktion, ob so oder anders, würde von uns dankbar entgegengenommen und gäbe uns Mut, den nicht immer einfachen Weg der direkten Demokratie hoffnungsvoll weiterzugehen. Sie können gerne unter www.direkte-demokratie.ch weitere Artikel von uns lesen und Kontakt aufnehmen.
 
25. Juli 2006
Diethelm Raff, Präsident, und Lilly Merz, Vizepräsidentein des
Vereins für Direkte Demokratie und Selbstversorgung, Lindenstr. 24,  8738 Uetliburg,
Tel.: 079 822 77 86