Unsere «Direkte Demokratie» soll abgeschafft

Unsere «Direkte Demokratie» soll abgeschafft; eine «Geführte Demokratie» soll errichtet werden! Dazu sollen unsere politischen Grundrechte per Gesetzesänderung abgeschafft werden. Rechtens wäre dazu eine Verfassungsänderung notwendig! Der erläuternde Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates zu diesem "Staatstreich" zeichnet sich dadurch aus, dass er das Wesentliche verschweigt. Mehr Information dazu finden Sie unter: www.freie-meinung.ch. Lesen Sie nachfolgend dazu die Stellungnahme von Herr Prof. Dr. iur. Hans Ulrich Walder. Wehren Sie sich gegen die Abschaffung der Direkten Demokratie und schreiben Sie mit uns eine Vernehmlassungsantwort indem Sie mit auf walder.sempach@wwwmail.ch antworten.


Hans Ulrich Walder
Prof. Dr. iur.
Lenzenwiesstrasse 16 8702 Zollikon
Büro: Felsenegg 12  CH-6204 Sempach-Stadt
Tel. 041/460 10 06      Fax 041/460 10 80
E-Mail: walder.sempach@wwwmail.ch
 
 
 
Sempach 15. Mai 2006
 
 
An die Schweizerische Bundeskanzlei
 
Bundeshaus
3003  Bern
 
 
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin
sehr geehrte Damen und Herren
 
 
Hiermit erstatte ich Vernehmlassung zur beabsichtigen Änderung des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 1976 über die politischen Rechte gemäss Vorentwurf (neuer Artikel 10a).
 
Vorab stelle ich fest,

  • dass dieser Artikel unbrauchbar ist;
  • dass praktisch jedes Wort dieses Artikels unbrauchbar ist;.
  • dass – wenn der Artikel noch brauchbar wäre – er am falschen Ort stünde.

 
Begründung
 
1.         Artikel 10a gesamthaft
Der Artikel weist dem Bundesrat eine Aufgabe zu, die zu erfüllen er nicht in der Lage ist, weil er
  • in der jeweiligen Sache befangen ist;
  • als Gesamtbehörde nicht die notwendigen Kenntnisse für eine zuverlässige Informa­tion besitzt.

 
a)         Zur Befangenheit
-          Der Bundesrat hat in der letzten Zeit vor Volksabstimmungen Kampagnen eröffnet. Kampagnen führt man gegen einen Gegner. Der Bundesrat fühlt sich somit als Gegner jener Stimmberechtigten, welche der Empfehlung von Bundesrat und Parlament nicht von sich aus zustimmen.
-          Der gegenwärtige Bundespräsident hat vor einer Volksabstimmung im Jahre 2005 demonstrativ an einer Abstimmungsparty teilgenommen, die darauf ausgerichtet war, die Stimmberechtigten für eine Stimmabgabe im Sinne der Zustimmung zur Vorlage zu beein­flussen.
-          Drei Mitglieder des  Bundesrats haben am 25. September 2005 nach Kenntnisnahme vom Abstimmungsergebnis eine Siegesfeier veranstaltet und sich mit dem Glas in der Hand der Presse präsentiert. Damit ist der Bundesrat als Informationsbeauftragter für die Gesamt­heit der Stimmberechtigten disqualifiziert.
 
Der Bundesrat hat bereits eine Vormachtstellung bei der Redaktion der Erläuterungen, die jeder stimmberechtigten Person mit den Stimmzetteln zugestellt werden. Diese Vormacht­stellung würde durch den vorgeschlagenen Artikel erheblich ausgebaut. Wollte man dem Bundesrat noch weitere bezügliche Kompetenz, ja die eigentliche Aufgabe erteilen, die Stimmberechtigten zu "informieren", so wäre das einem Fussballspiel vergleichbar, bei wel­chem der Trainer der einen Mannschaft als Schiedsrichter funktionieren würde.
 
b)         Zu den notwendigen Kenntnissen
Der Bundesrat als Ganzes ist überhaupt nicht in der Lage, die vorgesehene Aufgabe durchzu­führen. Dies geschieht schon heute durch einen oder zwei Departementsvorsteher auf Grund von Unterlagen, die ihnen durch ihr Personal vorbereitet werden. Bereits diese auf diese Weise entstandenen Erläuterungen sind zum Teil unrichtig oder lückenhaft.
-          So wurde im Falle von Schengen und Dublin der Prozess der Übernahme von Rechtsordnungen der in diesem Übereinkommen zusammengeschlossenen Staaten ungenau dargestellt und den Stimmberechtigten die äusserst weitgehende Erklärung der Schweiz, ver­schwiegen, welche den Bundesrat verpflichtet, das Gesetzgebungsverfahren innert Frist durchzuführen und den Brüsseler Behörden darüber zu rapportieren.
-          So wurde ferner im Zusammenhang mit der so genannten Bildungsvorlage behauptet, die Kantone behielten die Schulhoheit, wogegen sie gezwungen werden sollen, Regelungen anderer Kantone oder eine vom Bund kreierte Ordnung zu übernehmen. Im weitern wird ge­sagt, das demokratische Entscheidungsrecht der Stimmberechtigten sei gewahrt, ohne dass ausgeführt würde, welche Materien durch wie geartete Erlasse welcher Behörden geregelt würden. Ebenso wurde die staatsrechtliche Bedeutung der Vorlage in keiner Weise so darge­stellt, wie es nötig gewesen wäre. Sie haben mein bezügliches Exposé vom 1. Mai dieses Jah­res erhalten. Es ging an sämtliche schweizerischen Parteisekretariate und ist von niemandem bestritten worden.
 
2.         ...informiert umfassend...
 
Der Bundesrat ist gar nicht willens, umfassend zu informieren. Dazu würde gehören, auch die Nachteile einer zur Annahme empfohlenen Vorlage und die Vorteile einer zur Ablehnung empfohlenen Volksinitiative gebührend darzustellen. In einem bekannten Interview hat je­doch die gegenwärtige Vizepräsidentin des Bundesrates das abgelehnt mit der Begründung, es würde dies die Stellung des Bundesrates als Einheit gefährden. Die Befolgung der Vorschrift umfassend könnte nicht erzwungen werden, wäre nicht justiziabel. Ausserdem wird sie durch den zweiten Satz von Abs. 1 (vgl. Ziff. 3 hiernach) bereits wieder aufgehoben. Demzufolge und nach bisherigen Erfahrungen wäre eine Anfechtung des Abstimmungsergebnisses wegen nicht umfassender Orientierung der Stimmberechtigten aussichtslos, zumal der bereits befan­gene Bundesrat (vgl, Ziff. 1 lit. a hiervor) in letzter Instanz darüber zu entscheiden hätte.
 
3.         Er vertritt die Haltung der Bundesbehörden
Hier wird die Katze aus dem Sack gelassen. Den Urhebern des Textes geht es gar nicht um umfassende Information, sondern um die Beeinflussung der Millionen von Stimmberechtigten im Sinne der Annahme einer Vorlage oder Ablehnung einer Volksinitiative durch eine kleine Zahl von Personen, die zufällig Amtsträgerinnen und Amtsträger sind, auf Kosten der Allge­meinheit. Dazu ist folgendes zu sagen:
 
a)         Als Bundesbehörden kommen wohl nur der Bundesrat, der Nationalrat und der Stän­derat in Betracht. Diese haben jedoch nicht eine Haltung beschlossen, sondern einen Erlass, welcher zur Abstimmung gelangt. Es kann ein Differenzbereinigungsverfahren vorausgegan­gen sein und es können einzelne Mitglieder Abänderungsanträge gestellt haben und damit unterlegen sein. Das würde auch zur Haltung der Bundesbehörden gehören, wenn man sie wirklich umfassend darstellen wollte, aber das ist natürlich beim vorgelegten Produkt nicht die Meinung.

b)         Würde dieser Satz Gesetz, so müsste er als nichtig betrachtet werden. Er hätte nämlich zur Folge, dass bei jedem Erlass, unbesehen seines Inhaltes, und in aller Zukunft der Bundes­rat verpflichtet wäre, in seiner Information die so genannte Haltung der Bundesbehörden zu vertreten. Der Erlass könnte die Zwangsfusion von Kantonen zum Inhalt haben (man ist sich ja bereits Einiges gewöhnt), letztlich auch die Auflösung der Schweiz zwecks Anschluss der verschiedenen Landesteile an umliegende Staaten oder aus einem andern Grund.
 
Artikel 16 Absatz 2 BV lautet:
Jede Person hat das Recht, ihre Meinung frei zu bilden und sie ungehindert zu äussern und zu verbreiten.
 
Artikel 27 Abs. 2 ZGB, zwar für privatrechtliche Verhältnisse gedacht, aber doch ein allge­meines Prinzip verkörpernd, bestimmt:
 
Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden  Grade beschränken.
 
Die jetzigen Mitglieder der Bundesversammlung würden jedoch, wenn der Satz angenommen würde, die künftigen Bundesräte verpflichten, auch so genannte Haltungen der Bundesbe­hörden zu vertreten, denen sie nicht zustimmen könnten. Mit der Annahme ihrer Wahl über­nähmen sie nämlich die Verpflichtung gemäss dem neuen Art. 10a Abs. 1 Satz 2. Das würde sie im Gebrauch ihrer Freiheit in einem Mass beschränken, das nicht schon durch die Aus­übung des Amtes gerechtfertigt wäre und das - weil die sogar verfassungsrechtlich garantierte Meinungs- und Meinungsäusserungsfreiheit eines Bundesratsmitglieds dauernd verletzend - Recht und Sittlichkeit widerspricht.
 
c)         Gleichzeitig würden die Stimmberechtigten für alle Zukunft jeglichem Angriff von Behördenseite ausgesetzt, weil der Vorentwurf in seinem Art. 10 davon ausgeht, dass den so genannten Haltungen der Behörden zum Durchbruch zu verhelfen sei. Ihre Vorlagen werden unbesehen ihres Themas und Inhalts schon im voraus als richtig angesehen. Das wiederum ist nicht der Sinn der Direkten Demokratie
 

4.  ....kontinuierlich...
a)         Dies bedeutet offenbar schon bevor ein Abstimmungstermin festgesetzt ist, ja sogar schon während des Laufes einer Referendumsfrist. Ein nunmehr zurücktretender Bundes­rat hat das dazu benützt, um die Sammlung der Unterschriften zu stören, indem er an einer Versammlung vom 5. Februar 2005 in Auvernier/NE die Fortschaffung der Referendumsträ­ger verlangte, die er in Missachtung des Diskriminierungsverbots von Art. 8 Abs. 2 BV mit herabsetzenden Ausdrücken bedachte, wobei ihn die jetzt wahrscheinlich seine Nachfolge antretende damalige Präsidentin gewähren liess und nicht einmal mein bezügliches Schreiben beantwortete.
 
b)         Es bedeutet aber wohl auch bei jeder Gelegenheit, etwa bei Festreden oder in Inter­views. Vom damaligen Vorsteher des Justiz- und Polizeidepartements ist bekannt, dass er sogar von sich aus Zeitungsredaktoren auf die Notwendigkeit hinwies, die Bundesverfassung von 1999 in ihren Blättern dem Volk zur Annahme zu empfehlen. Kontinuierlich äusserte sich in der Öffentlichkeit auch der seinerzeitige Reichsminister für Volksaufklärung und Propa­ganda (wer spricht hier von rechtsbürgerlich?)
 
5.         ...sachlich...
Es ist schon unter Ziff. 1 lit. a darauf hingewiesen worden, dass der Bundesrat sachlich weder informieren kann noch will. Das ist auch nicht justiziabel.
 
6.         ...transparent...
Hier handelt es sich wieder einmal um ein Modewort. Transparenz ist sicher nicht vorhanden, wenn man einerseits ohne nähere Begründung von besserer Qualität der Bildung spricht, an­derseits von der Vorgabe von Bundeslösungen dort, wo sie den Kantonen letztlich aufge­drängt werden sollen.
 
7.         ...verhältnismässig...
Auch das ist nicht justiziabel. Ein Kostenrahmen ist übrigens nicht eingebaut. Es würden also noch in vermehrtem Masse spin doctors angestellt und PR-Agenturen mit teuren Aufträgen versehen.
 

8.         Richtiger Ort
Der richtige Ort für die Bestimmung wäre ein neuer Absatz 3 in Art. 180 BV oder eine neue lit. e in Art. 187 Abs. 1 BV gewesen. Nach Art, 187 Abs. 2 BV kann zwar das Gesetz dem Bundesrat weitere Aufgaben und Befugnisse übertragen. Im Zusammenhang mit einer Volksinitiative, wie es hier geschieht, wäre jedoch gemäss Art. 139 Abs. 5 letzter Satz BV der Gegenentwurf (als Verfassungsartikel) der Volksinitiative gegenüberzustellen. Hier geschieht aber etwas ganz anderes. Es wird mit einem Gesetzesartikel ein Zustand zementiert, der bisher keine Rechtsgrundlage hatte. Das ist kein Gegenentwurf, sondern das Gegenteil dessen, was die Initiative anstrebt. Damit erreicht man, dass die Initianten nach Verabschiedung des Gesetzestextes durch das Parlament ein weites Mal tätig werden müssen durch Ergreifen des Referendums, wodurch ihnen wieder Mühe und Kosten erwachsen, abgesehen von der zu erwartenden Beschimpfung von Behördenseite. Würde das Referendum nicht ergriffen, so könnte bei Behandlung der Initiative die Obrigkeit sagen, das Thema sei jetzt ja gesetzlich erledigt und die Initiative deshalb abzulehnen, alles mit unseren Steuergeldern, aber zum Nachteil des Souveräns.
 
9. Schlussbemerkung
Der vorgelegte Artikel 10a ist eine Beleidigung der Initianten und der Stimmberechtig­ten überhaupt.
 
Der Kommissionsminderheit ist für ihre klare Stellungnahme zu danken. Das jetzige Ergebnis aber führt zur Frage zurück, die ich schon 1992 in einer Publikation gestellt habe:
 
Wofür hält man uns eigentlich ?
 
Mit freundlichen Grüssen
 
Hans Ulrich Walder
a. Gemeinderat
a. Kantonsrat
a. Oberrichter
a. Kassationsrichter
derzeit Präsident der Bewegung für Unabhängigkeit