Deutschland droht - Ein Kommentar von Hans-Rüdiger Minow

Kaum ein anderer Repräsentant des deutschen Staates ist mehr verschrien

als Wolfgang Schäuble - weltweit. In Athen nannte man Schäuble einen »Brandstifter«, der durch Europa marodiert. Nach dem Bundespräsidenten nimmt Schäuble die zweite Position im Protokollwesen der Bundesrepublik ein. Was er sagt, hat Bedeutung. Und er nutzt diese Stellung.

Inmitten der Corona-Krise hat Schäuble ein Interview lanciert, das als offiziöse Handreichung des deutschen Staates bei Entscheidungen über Leben und Tod verstanden wird. Der Tenor verdient Aufmerksamkeit, auch jenseits der deutschen Grenzen. In diesem präzisiert Schäuble 2020, was er bereits 2012, während der internationalen Kapitalkrise, zu verstehen gegeben hatte: »(W)enn ich höre, alles andere habe vor dem Schutz von Leben zurückzutreten, dann muß ich sagen: Das ist in dieser Absolutheit nicht richtig«. Einen »absoluten Wert in unserem Grundgesetz« nehme der Schutz menschlichen Lebens nicht ein. Der Tod komme früher oder später sowieso. »Wir sterben alle«." (26. 4. 2020)

Wertekonkurrenz   
Diese Ausführungen Schäubles seien vorbildhaft und hätten
»staatstragende   Bedeutung«, erklärt der Deutsche Ethikrat. Dieser wird von der Bundesregierung finanziert und hebt den Wert von Wirtschaftsrechten hervor. Dem Schutz menschlichen Lebens dürften sie »nicht bedingungslos untergeordnet werden«. Man befinde sich in einer Art Wertekonkurrenz. Würde der Schutz des Lebens über allem stehen, leide »die Freiheit«, meint unisono das Institut der deutschen Wirtschaft (IW), Abteilung Wirtschaftsethik. Vom Standpunkt deutschen Staatsrechts aus, urteilt eine frühere Verfassungsrichterin, stoße »die Leistungsfähigkeit des Staates« an Grenzen, würde er das Leben als einen Höchstwert behandeln, hinter dem »alles andere beliebig weit zurückzustehen hätte«.

In der Tat müsse man die staatliche Schutzpflicht vor dem Höchstwert der Verfassung relativieren, ganz so wie Schäuble es tut, bestätigt die Mehrheit der deutschen Regierungsspitzen. Ebenso meinen prominente Stimmen der Parlamentsopposition, der Schutz menschlichen Lebens als die den Staat legitimierende erste Pflicht unterliege Abwägungsfragen. Daraus schlußfolgert die FDP: »Also bitte: Geschäfte aufmachen«, »Produktion ermöglichen«. Im Einklang mit den Lobbyisten der deutschen Exportwirtschaft und dem Präsidenten des Bundestags gehört auch der Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen zu den Relativierern. Er sieht sich in einem angeblichen Dilemma, wenn er über den Schutz des Lebens in der Corona-Krise nachdenkt, während ein Kommunalpolitiker seiner Partei operativen Klartext spricht: »Ich sage es Ihnen mal ganz brutal: Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr wegen ihres Alters oder wegen schwerer Vorerkrankungen sowieso tot wären«.

Versäumnisse   
Bewußt brutal oder rationalisierend verdruckst, setzen bestimmende Gruppierungen deutscher Staats- und Wirtschaftspolitik deutliche Zeichen einer ethischen Verwahrlosung, die den Erhalt der Wirtschaftstätigkeit gegen den Erhalt des menschlichen Lebens setzt, dies offensiv, indem das Leben als ein konkurrentes Daseinsgut erscheinen soll. Aber die praktische Wirtschaftstätigkeit ist für den Erhalt des menschlichen Lebens nicht Konkurrenz; sie verwandelt Natur in den praktischen Stoff, der das Leben erhält und dem Leben gefällt - solange Wirtschaftstätigkeit das Leben stützt.  

Allerdings stellt sich ein Dilemma ein, wenn das konkrete individuelle Leben aufgegeben werden muß, weil die praktischen Ressourcen der wirtschaftlichen Arbeit nicht zur Verfügung stehen, obwohl der staatliche Primat, für das menschliche Leben zuallererst und besonders Vorsorge zu treffen, zumutbar war, aber versäumt worden ist. Je größer diese Versäumnisse sind, desto größer werden die Abwägungsfragen.

In der aktuellen Krise ist offenkundig, dass die praktischen Ressourcen, welche die Wirtschaftstätigkeit in den Erhalt menschlichen Lebens stellen können hätte, bevor es zu vermeidbarem Sterben kam, nicht oder nur ungenügend zur Verfügung stehen. Indem die staatliche Vorsorge selbst einfachste Schutzmittel nicht bereithielt, verschoben die Verantwortlichen Abwägungsfragenüber Leben und Tod in die Krankenhäuser. Dieser Eskapismus hat zusätzliche Menschenleben gekostet oder überfordert. Aber fällt mit dem Tod die höchste Verpflichtung zum staatlichen Schutz des menschlichen Lebens, so fällt das staatliche Recht auf sein Gewaltmonopol, das menschliches Leben gegen jeden anderen Anspruch absichern muß. Fällt das Gewaltmonopol, dann fällt der Staat in jene Verfassung, die das menschliche Leben relativierte, und zwingt zur neuen Erhebung des menschlichen Lebens in sein bleibendes Recht.   [1]

Anmerkung d.a.
Wolfgang Schäuble gehörte früh zu denjenigen, die sich darum bemühten, uns davon zu überzeugen, dass die Zuwanderung unseren Alltag verbessere.  [2]  So hatte er Ende 2014 die Politik dazu aufgefordert, die positiven Effekte der Zuwanderung hervorzuheben; dieser Aufforderung ist stete Folge geleistet worden. Wie er betonte,
»müssen wir mit Zuwanderern natürlich auch zusammenleben. Das wird unseren Alltag verändern, aber nicht verschlechtern, sondern meistens verbessern«. Mir ist nicht bekannt, dass er diese Ansicht im Zuge der Verbesserungen, mit denen sich die Bevölkerung in Form von Mord, Vergewaltigung, Drogenhandel, Erschleichung von Sozialleistungen unter diversen Identitäten, massiver tätlicher Angriffe auf einsatzbereite Polizisten, Rettungskräfte und Feuerwehr, Kriminalität libanesischer Clans, Alimentierung von Nichtidentifizierbaren, Islamisten, Terroristen und Dschihadisten, Nichtabschiebung krimineller Asylanten, Beschimpfung durch Migranten, Bildung von No-go-Bezirken infolge fremder Parallelgesellschaften, offene Grenzen als Einfallstor ins Land, etc., beglückt sieht, je geändert hätte..... Dies obwohl er anläßlich seiner Predigt zum Buß- und Bettag am 20. November desselben Jahres im Berliner Dom festgestellt hatte, dass der Ton in manchen Debatten zur Migrations- und Asylpolitik teilweise Angst mache: »Es grassiert eine fiebrige Wut«. Dessen ungeachtet empfahl er uns: »Dagegen müsse die auch christlich geprägte Überzeugung Keine Gewaltgesetzt werden«.  [3]  

Das Gebot dieser uns abverlangten Gewaltlosigkeit dürften sicherlich zahlreiche Gutmenschen nicht verfehlt haben, ihren Schützlingen in den Asylantenunterkünften umgehend mitzuteilen.

Unvergessen sollte Schäubles Feststellung vom Juni 2016 bleiben, die ich als eine reine Verhöhnung der Bevölkerung betrachte: Europa dürfe sich auf gar keinen Fall gegen Einwanderung abschotten, dozierte er. »Die Abschottung ist doch das, was uns kaputtmachen würde, was uns in Inzucht degenerieren ließe«. »Seltsam nur«, vermerkte hierzu Michael Paulwitz, »daß Europa in den Jahrhunderten so ganz ohne außereuropäische Einwanderung zum führenden Kontinent der Welt aufgestiegen ist, während es heute, nach einigen Jahrzehnten der Befruchtung durch afrikanisch-orientalische Masseneinwanderung, eher im Windschatten Asiens segelt«.  [4] 

  

[1]   https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8261/   2. 5. 20
Deutschland droht -
»Wir müssen alle sterben« - Durchbruch des Sozialdarwinismus in der Corona-Pandemie. Kommentar von Hans-Rüdiger Minow  -  auszugsweise

[2]  http://www.welt.de/politik/deutschland/article135780099/Zuwanderung-verbessert-den-Alltag.html   27. 12. 14 
»Zuwanderung verbessert den Alltag«

[3]  https://www.welt.de/politik/deutschland/article203689670/Wolfgang-Schaeuble-wirft-Buergern-zunehmenden-Egoismus-vor.html   20. 11. 19

[4] 
https://jungefreiheit.de/debatte/kommentar/2016/nicht-ganz-dicht/
9. 6. 16  Nicht ganz dicht - Von Michael Paulwitz