Streitfrage Zuwanderung 24.11.2019 20:50
Das Zeitalter freier Einwanderung auf der Grundlage uneingeschränkter
EU-Personenfreizügigkeit, so Ulrich Schlüer, ist
für Frankreich vorbei. Macron will die Personenfreizügigkeit für sein
Land begrenzen und unterstellt die Kontrolle über die Einwanderung nach
Frankreich wieder der französischen Regierung.
Die neuesten Anordnungen Macrons zur Eindämmung der Masseneinwanderung könnten
aus dem Forderungskatalog der SVP-Begrenzungsinitiative abgeschrieben worden
sein. Der Präsident will die Zahl der Einwanderer deutlich einschränken und
dafür allenfalls Kontingente festlegen. Seine Massnahmen ähneln in der Tat
auffällig den Forderungen der SVP-Begrenzungsinitiative, welche den Schweizer
Stimmbürgern voraussichtlich im kommenden Mai zur Abstimmung vorgelegt wird.
Klar dabei ist: Macron will Zustände, die in Frankreich in jeder Beziehung
unhaltbar geworden sind, deutlich korrigieren. Dass er mit seinen Massnahmen
auch seine Ausgangslage hinsichtlich einer zweiten Amtsdauer als
Staatspräsident im Auge hat, ist offensichtlich. Er will Wähler zurückgewinnen.
Mit den von ihm angeordneten Schritten bricht Macron offen mit der
EU-Personenfreizügigkeit. Wer solches tut, versucht der Schweizer
Wirtschafts-Dachverband Economiesuisse der Öffentlichkeit einzureden, der
scheide aus der EU aus. Ja, er werde zwingend aus der EU ausgestossen. Weil die
Personenfreizügigkeit für die EU zum grundlegenden, auch in Details nicht
angreifbaren Fundament gehöre.
Indessen macht Brüssel keinerlei Anstalten, gegen Frankreich vorzugehen.
Brüssel bleibt stumm und bislang wurde nicht die geringste Kritik an Macrons
Vorhaben laut. Möglicherweise wird in Brüssel vielmehr erkannt, dass Sturheit
in Sachen Personenfreizügigkeit die EU insgesamt ins Wanken bringen könnte,
nachdem sich der Nettozahler England zu dem für Brüssel schmerzhaften Abschied
von der EU-Zentrale entschlossen hat. Gleiches will man mit Frankreich nicht
erleben, obwohl Frankreich alles andere als ein Nettozahler ist.
Macron erweist sich mit seinen Massnahmen zur Eindämmung der Masseneinwanderung
als Realist. Denn Europa steht vor der höchst bedenklichen Tatsache, dass die
Europäer - Einwanderer aus Arabien und
Schwarzafrika nicht eingerechnet - heute
nur noch 7 % der Weltbevölkerung ausmachen. Tendenz sinkend. Immerhin
erarbeitet Europa aber noch 17 % der weltweiten Wirtschaftsleistung, Tendenz
allerdings ebenfalls sinkend. Mit der ›Ermordung‹ der jahrzehntelang so erfolgreichen deutschen Automobilproduktion
durch die dortigen Klima-Ideologen wird sich Europas wirtschaftlicher
Niedergang sogar noch beschleunigen. Es zeichnen sich verhängnisvolle
Entwicklungen ab, denn auf den Europäern lasten 50 % der weltweit anfallenden
Sozialleistungen, bei denen sich als Folge der Masseneinwanderung die Tendenz
zeigt, dass sie bedenklich steigen
werden.
Macron scheint - in deutlichem
Gegensatz zur Economiesuisse - erfasst
zu haben, dass die sich in diesen Zahlen spiegelnde Entwicklung dem
abendländischen Europa den Garaus machen wird, dies noch im laufenden
Jahrhundert! Das sich in diesen Zahlen dokumentierende Missverhältnis zwischen
Leistung, Leistenden und blossen Verbrauchern von Geleistetem droht Europa
mitsamt seiner Kultur, seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, seinen
Demokratien, seinen freiheitlichen Idealen, seinem Wohlstand zum Verschwinden
bringen. Macron gibt Gegensteuer – Personenfreizügigkeit hin oder her.
Die Economiesuisse jedoch bleibt bei ihrer Behauptung: Wer die für alle
westeuropäischen Staaten, auch für die Schweiz, untragbare Personenfreizügigkeit
nicht buchstabengetreu von Brüssels Funktionärsbürokratie übernehme, werde von
Brüssel ausgestossen, von allem Handel, von allem Wirtschaftsverkehr in Europa
abgenabelt.
Ein derartiger Unsinn verfängt in Frankreich offensichtlich nicht mehr;
England glaubt schon seit Jahren nicht mehr an diese Schreckensbilder zur
Einschüchterung der Wähler. Nur in den Betonköpfen der Funktionäre der
Economiesuisse - die den Managern
hiesiger Grosskonzerne unter internationaler Führung hörig sind - lebt der Glaube an die Personenfreizügigkeit
und an den Brüsseler Zentralismus weiter, ungeachtete der daraus resultierenden
Ausverkaufspolitik. [1]
Man darf hierbei nicht übersehen, dass
- wie dies Peter Helmes darlegt -
jeder politisch halbwegs Orientierte weiss, dass die Volksseele in
Frankreich lodernder kocht als z.B. in Deutschland. Frankreich, um es anders auszudrücken,
hat eine radikalere Protestkultur als die Deutschen. Dies hat sich im gerade
ablaufenden Jahr wieder einmal bewiesen: Die Gelbwesten [2] haben die französischen Oberen
das Fürchten gelehrt.
Der ›grosse
Umsturz‹ blieb zwar aus, aber die Strassenkämpfe hinterliessen schmerzende
Wunden. Und: Es war mehr als ein Schock; denn es offenbarte (wieder einmal) die
Kluft zwischen Volk und Herrschenden. Noch hat die Bewegung ihr Ziel, sich als
politische Kraft zu formieren, verfehlt, aber die Gelbwesten haben Präsident
Macron zu einem Kurswechsel und damit zu einem neuen Dialog mit den Bürgern
gezwungen. So diffus ihre Forderungen auch waren: Ihre Proteste gegen die
Reformpolitik Macrons haben Frankreich verändert. Sie haben gezeigt, wie gross
die Entfremdung zwischen Präsident und Bevölkerung inzwischen ist und wie viele
sich von der Regierung in Paris - und darüber
hinaus von Europa - allein gelassen
fühlen. Die Gelbwesten haben so der abgehängten Provinz eine Stimme gegeben und
eine verborgene Seite Frankreichs sichtbar gemacht, nämlich die der
insbesondere im ländlichen Raum verarmten Mittelschicht - ein verarmendes
Bürgertum.
Ein Jahr nach dem Beginn der Unruhen sind die sozialen, geographischen
und politischen Risse längst nicht gekittet. Im Gegenteil, sie haben ansteckend
gewirkt; es gibt sie nicht nur in Frankreich, sondern in vielen westlichen
Demokratien. Und das ist nicht nur auf die zunehmende Entfremdung bzw. die
wachsende Islamisierung zurückzuführen. Es ist ein Problem von grosser
ökonomischer, sozialer und ideologischer Tragweite, das allerdings an den ›sozialen Brennpunkten‹ (sic!)
durch die Überfremdung verstärkt wird. Insoweit ist das Phänomen der Gelbwesten
eine Warnung für ganz Europa.
So lebt die Frankreichs Regierung auch ein Jahr nach dem Beginn der Gelbwesten-Bewegung in ständiger Furcht vor
einem erneuten Aufflammen der sozialen Proteste. Vor allem aber befürchtet sie
eine ›Koalition der Unzufriedenen‹, eine
sich perpetuierende Massenbewegung, die irgendwann Einzug in die Politik halten
könnte. Denn die Gelbwesten haben eines besonders deutlich gezeigt: Sie haben
das Stadt/Land-Gefälle schonungslos offengelegt, so z.B. bezüglich fehlender
öffentlichen Dienstleistungen in grossen Teilen des Landes, ebenso die
Konzentration der meisten politischen Gestaltungsinstrumente auf einige wenige
Grossräume, insbesondere auf Paris.
Der Präsident hat unter dem Eindruck brennender Autoreifen an den
Verkehrskreiseln, zertrümmerter Fensterscheiben und geplünderter Geschäfte
Zugeständnisse gemacht. Die Steuererhöhung auf Diesel und Benzin wurde
zurückgenommen, für Geringverdiener gab es mehr staatliche Zuschüsse, und es
sind Diskussionen im Gange, wie die Steuerlast für Durchschnittsverdiener
gesenkt werden kann. Zwar haben es die Gelbwesten bislang abgelehnt, sich von
anderen Interessengruppen, sei es Gewerkschaften oder Parteien, vereinnahmen zu
lassen, weil sie sich eben nicht als Teil des Systems verstehen. Dennoch wird
es für die Gelbwesten, die nach mehr sozialer Gerechtigkeit rufen, immer
klarer: Sie müssen ihre Forderungen irgendwie in politische Bahnen lenken. Sie
müssen sich des politischen Systems bedienen, wenn Sie Erfolg haben wollen.
Was das heisst, dürfte auch uns zu denken geben: Schluss mit der
Abgehobenheit, der Entscheidungen in Hinterzimmern, der Ausgrenzung
Andersdenkender - und vor allem des blinden Vorrangs der Ökologie vor der Ökonomie! [3]
Quellen:
[1] Präsident
Macron auf SVP-Spuren - Frexit ?
Der aktuelle Freitags-Kommentar der «Schweizerzeit» von Ulrich Schlüer
Ausgabe vom 15. 11. 2019 www.schweizerzeit.ch
[2] http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2906
17. 2. 19 Frankreichs Gelbwesten
[3] https://conservo.wordpress.com/2019/11/18/gelbwesten-in-deutschland-ausgegrenztes-buergertum/ 18. 11. 19
Gelbwesten in Deutschland? - Ausgegrenztes Bürgertum - Von Peter Helmes
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