30 Jahre Mauerfall - Ein »Fest für Deutschland«? - Eine etwas andere Würdigung - Von Peter Helmes

An »rechts« mahnend erinnern, gilt als nationale Pflicht. An »links«

erinnern ist nicht nötig, da gibt es nichts zu mahnen. Als franko- und italophiler Mensch bewundere ich seit meiner Jugend den Stolz unserer Nachbarn auf ihre Nation. Italien [Mussolini] und Frankreich [französische Revolution] haben wie viele Nationen dieser Welt jeweils ein schweres und blutbeladenes Erbe mit sich zu schleppen. Und was feiern sie an ihren Nationalfeiertagen: Die große  Nation. »Für mich«, sagte einmal mein Freund aus Paris und dortiger Stadtteilbürgermeister, »umfaßt eine wahre Erinnerungskultur den Umgang des einzelnen Bürgers und der gesamten Gesellschaft mit ihrer Vergangenheit und ihrer Geschichte und mit deren Höhen und Tiefen«.  

Nach Jan Assmann, Kulturwissenschaftler der Universität Heidelberg, wird mit der Erinnerungskultur an die eigene soziale Gruppe die Frage Was dürfen wir nicht vergessen? gestellt und beantwortet; insofern wirke Erinnerungskultur gemeinschaftsstiftend. Erinnerungskultur ist nur möglich, wo die Vergangenheit durch Zeugnisse irgendwelcher Art präsent ist und wo diese eine charakteristische Differenz zur Gegenwart aufweist. Erinnerungskultur ist also kein Selbstzweck, sondern will Gerechtigkeit sowie den nationalen Frieden fördern; sie ist damit gleichsam ein wichtiger Beitrag für einen Frieden über die eigenen Landesgrenzen hinaus. Verantwortliche Bürger sind somit aufgefordert, sich an der Erinnerungsarbeit aktiv zu beteiligen, der Schuld und Versäumnisse zu gedenken und die Verantwortung dafür zu benennen, wo sie geschwiegen oder mitgemacht haben, anstatt sich dem Unrecht entgegenzustellen, damit sich Untaten nicht wiederholen. Den Opfern, die namenlos gemacht wurden, wird damit eine Stimme gegeben. Zugleich wird auch an Menschen erinnert, die gegen Unrecht und Unmenschlichkeit protestiert haben und dafür mit der Freiheit oder mit dem Leben bezahlen mußten. Deutschland ist aufgrund seiner Geschichte besonders dafür verantwortlich, die Erinnerung an die Folgen von Diktatur und Gewaltherrschaft wachzuhalten. Dies ist Teil unseres nationalen Selbstverständnisses. Wenn wir heute über Verantwortung nachdenken, wissen wir natürlich, daß wir heute die Vergangenheit nicht selbst verschulden, sondern nur die Gegenwart – und über die wird erst in der Zukunft gerichtet.

Die Wirklichkeit unserer heutigen Erinnerungskultur ist erschreckend

Dank des unseligen Wirkens der 68er wurde unsere Gesellschaft in den letzten  40 Jahren – und wird dies auch weiterhin –  so unbarmherzig indoktriniert, daß Jüngere, die die Zeit davor nicht einmal vom Hörensagen kennen, zur Erkenntnis gelangen müssen, die Deutschen seien von Natur aus böse und Deutschland eine niederträchtige Nation. Es ist die Reduktion einer tausendjährigen großen Geschichte auf 12 schlimme Jahre. An der Aufrechterhaltung dieser staatlich mißbrauchten Erinnerungs-Unkultur wirken nahezu alle demokratischen Parteien mit und scheuen sich nicht einmal davor, zum Mittel einer Denunziations- und Kontrollbehörde maas-kahanischen Ursprungs zu greifen. Die neue bürgerliche Freiheit, die wir nach dem Zweiten Weltkrieg genießen durften, ist inzwischen an ihr Ende gelangt. Eben jene geistigen Umerzieher, die ihre gesamte Bildung aus der Frankfurter Schule bezogen haben und noch beziehen, treibt unsere Gesellschaft in Unruhe und Unfrieden. Hübsch säuberlich unterschieden werden die politisch Korrekten - die wahren Demokraten -  von den politisch Unkorrekten, den Faschisten, die sich dem Meinungszwang widersetzen. Da nicht sein kann, was nicht sein darf, denkt sich die neue Meinungskaste fast täglich neue Umerziehungsmaßnahmen aus. So werden z.B. Adressenlisten unbotmäßiger Blogger und Journalisten eingerichtet [und ins Netz gestellt] oder derjenige, der sich der neuen Führung nicht unterwirft, wird mit hohen Geldstrafen bedroht und sanktioniert.

Erinnern dürfen wir uns inzwischen nur an die Untaten des Dritten Reichs. Kaum eine deutsche Stadt, in der nicht wenigstens 1 Mahnmal oder eine Gedenktafel an die Opfer des Nationalsozialismus bzw. des Faschismus erinnern. An die Opfer des Internationalsozialismus darf man indessen bald nicht mehr erinnern: Als hätte es Mauertote, Stasi und Stacheldraht nie gegeben. Die neuen Konfliktlinien in der innerdeutschen Diskussion sind dementsprechend klar auszumachen. Bestand der politische Konsens ursprünglich gewiß darin, das bestehende Konzept für die historischen Gedenkstätten in Ost und West in Bezug auf die nationalsozialistischen wie auch die stalinistischen Gewaltopfer weiterzuentwickeln, ist heute der Konsens darüber zerbrochen. Was am NSDAP-Regime schlimm und verurteilenswert ist, verlangt, so das Ergebnis der Relativierung, andere Maßstäbe als die Bewertung des SED-Regimes. So ist es nur konsequent, daß die Mahnmale des Dritten Reiches gepflegt, aber die Mahnmale an die Linksfaschisten der untergegangenen (?) DDR-Diktatur zunehmend geschleift werden. Heute dient die Mauer eher folkloristischen Zwecken denn als Mahnmal für den Unterdrückerstaat. Bald werden die kommenden Generationen darüber nichts mehr erfahren.

Vor 30 Jahren ist die Mauer gefallen

Und alle feiern mit: Die Linken, die Sozis, die Christdemokraten, die Grünen, die Kirchen, die Medien, die Bürger. Ein Fest für Deutschland? Alle waren schließlich immer für die Wiedervereinigung. Ein Hundsfott, der daran erinnert, daß die Diskussion im Westen längst in andere Fahrwasser geraten war …. Niemand will sich heute mehr daran erinnern, daß Sozis aller Schattierungen, allen voran ein gewisser Egon Bahr, Oskar Lafontaine und der liebe Gott der Sozialdemokraten, Willy Brandt, noch kurz vor dem Mauerfall vor der Illusion Wiedervereinigung warnten und den Realismus von zwei deutschen Staaten praktizierten. Kein Wort davon, daß die Träume von der Wiedervereinigung bei den Grünen als längst überholt bezeichnet wurden. Und auch keine Notiz davon, daß selbst in den Unionsparteien diejenigen belächelt, ja verhöhnt wurden, die noch an die Einheit Deutschlands glaubten. [Auch der Autor dieses Artikels, der immer an die Einheit der Nation glaubte, hat viel Spott darüber ertragen müssen]. Heute, in einer völligen Verdrehung der Tatsachen, ist alles rechtsradikal, was der Erhaltung Deutschlands als Vaterland, eines gesunden Patriotismus, einer Verantwortung gegenüber dem Deutschen Volk, seiner tradierten Werte und seiner ethischen Identität und einer sozialverantwortungsbewußten Wirtschaftspolitik dient.

Die Linken feiern heute ungeniert mit, weil sie die größten Profiteure des Mauerfalls sind. Ohne sie und die Verbrechen ihrer Parteiväter hätte das Volk des Arbeiter- und Bauernstaates nicht in Scharen rübergemacht. Hier, im Westen, dürfen die Bonzen von einst die Wohltaten des Kapitalismus genießen, aber weiterhin ihren alten Träumen nachhängen. Viele von ihnen, besonders in Führungspositionen, wurden von der westdeutschen Administration übernommen, ihre Renten können sie ungekürzt genießen: Für schämen ist da kein Raum. Kurz, feiern lassen sich alle. »Wir waren ja schließlich alle und immer für die Überwindung von Mauer und Stacheldraht«. Ja, einigen gelang es tatsächlich, diese unmenschlichen Hürden zu überwinden: Den Ostzonen-Flüchtlingen. Unter Totalverlust von Hab und Gut, unter schmerzlicher Trennung von Familie, Freunden und Nachbarn haben Sie die Mauer überwunden und mußten hier, im freien Deutschland, sehen, wie sie zurechtkommen konnten. Während die Funktionäre dieses Systems nach der Wiedervereinigung bestens belohnt wurden, erhielten diese Flüchtlinge zum Lohn eine Kürzung ihres Rentenanspruches: Ohne Gesetzesgrundlage, ohne vorherige Information, ohne Behördenbescheid. Ausgeführt von Beamten im Sozialministerium, die früher in ähnlichen Positionen in mitteldeutschen Ministerien tätig waren. Die, gegen die sie protestiert hatten und wegen derer sie unter Einsatz ihres Lebens die DDR verlassen hatten, entschieden jetzt über ihre Renten. Mit dem Segen des Deutschen Bundestags. Ob ihnen nach feiern zumute ist, darf man füglich bezweifeln. Es ist schon tragisch, nein, zynisch: Ihr Kampf gegen Willkür und Unrechtsstaat wurde mit Willkür und Unrecht beantwortet – und das alles unter dem Siegel des Rechtsstaats. 

Neue DDR-Verklärung

Der Tag des Mauerfalls sollte eigentlich ein angemessenes Gedenken an das SED-Unrechtsregime ermöglichen. Das gebietet vor allem der Respekt vor den Opfern des DDR-Regimes: Die zahlreichen Toten an der Grenze und die ca. 150.000 Menschen, die aus politischen Gründen inhaftiert waren oder deren Kinder zwangsadoptiert wurden, sowie die rund 300.000 Flüchtlinge und Abgeschobenen. Wir sind es den Opfern schuldig, die Erinnerung daran jederzeit wach zu halten, auch und gerade in Verantwortung für zukünftiges Handeln. Was der Geheimdienst, der ja auch Staatspolizei und Anklagebehörde in einem war, an Grauenhaftem angerichtet hat, das erfuhr die westliche Öffentlichkeit oft nur bruchstückweise, durch die Berichte von Menschen, denen die Flucht gelungen war und durch DDR-Bürger, die aus der Haft freigekauft wurden. Dank beherzter Menschen, die in den letzten Atemzügen des DDR-Regimes die Stasi-Zentrale gestürmt und damit wahre Berge von Akten vor der Vernichtung bewahrt haben, können wir jetzt sehr oft bis ins kleinste Detail nachvollziehen, wie die Stasi gearbeitet hat. Aber wir lassen es zu, daß ehemalige Stasi-Mitarbeiter noch heute in der Gauck-Behörde die alten Akten sichten. Da wird der Bock zum Gärtner.  

Wir erfahren, wie die Stasi verdeckt auch bei uns aktiv war. Und wir erhalten   Aufklärung über den monströsen Geheimdienst der DDR. Das zwingt uns, offen und engagiert für ein Staatssystem einzutreten, in dem flächendeckende und lückenlose Überwachung bis in den privatesten Winkel, in dem Bespitzelung und absolut inhumane Verfolgung von Andersdenkenden bis hin zur Existenzvernichtung nicht möglich sein sollte. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus.

Versuchen wir wenigstens, uns ein klares Bild von der DDR zu machen: Ein System,

-   das nur scheinbar alle in Ruhe ließ, die klaglos mitgemacht haben

-   das rücksichtslos gegen den leisesten Widerspruch vorgegangen ist

-   das gnadenlos gegen alle war, die offen sagten, was ihnen am sogenannten Arbeiter- und Bauernstaat nicht gefiel

-   das klare Züge von Verfolgungswahn gezeigt hat
-   das seinen eigenen Bürgerinnen und Bürgern nicht über den Weg traut

-   das das Wort demokratisch wie zum Hohn in seinem Staatsnamen geführt hat

Am Tage des Mauerfalls dürfen wir das Wort vom Unrechtsstaat frei benutzen, auch wenn gerade in diesen Tagen manche versuchen, sich daran vorbeizudrücken (siehe Thüringen). Jedes, aber auch wirklich jedes Recht, das es in diesem System gab, konnte verbogen, geleugnet, mißbraucht werden, oder existierte erst gar nicht. Zu jeder Zeit und ohne jede wirkliche einklagbare Begründung. Was kann es mehr an Unrecht geben?

»Aufstand der Anständigen« - ein Hohn

Da wirkt es wie ein Hohn, nein, da ist es offene Verhöhnung, wenn ausgerechnet die Vorsitzende der SED-Linkspartei, Katja Kipping, in der Neuen Osnabrücker Zeitung einen neuen »Aufstand der Anständigen« forderte, wenn es um die Krawalle bei der Demonstration »Hooligans gegen Salafisten« in Köln oder anderswo geht, für die sie die AfD mitverantwortlich macht. »Solange Hooligans in Nadelstreifen wie die aus der AfD das politische Klima mit rechten und ausländerfeindlichen Parolen vergiften, muß man sich nicht wundern, wenn sich rechte Gewaltbanden ermutigt fühlen«. »Es brauche nun ein Bündnis über die Parteigrenzen hinweg, das sich nicht nur der rechten Gewalt, sondern auch dem demagogischen Gift der AfD entgegenstellt«, forderte sie. Frau Kipping, den echten Aufstand der Anständigen gab es vor 30 Jahren, als mit Menschen Ihres Schlages abgerechnet wurde. Wer erlaubt Ihnen die Frechheit, heute von Anständigen zu reden, wenn viele in Ihrer Partei sich nicht einmal zu den Untaten des einstigen Unterdrückungsregimes bekennen wollen? Diesen Aufstand der Anständigen müßte es heute gegen das Auftreten der Linkspartei geben.

Die Entwicklung unseres Landes, 30 Jahre nach dem Mauerfall, muß beängstigen. Linke erobern das Land; die DDR feiert fröhliche Urständ. Der (sozialistische) Auftrag lautet unüberhörbar: Von der Wiege bis zur Bahre - der bevormundete Mensch!. Der Staat wird alles richten und tötet damit jede individuelle Initiative. Erziehung und Bildung, Krankenversicherung und Rente, der Staat macht´s. Auch 30 Jahre Mauerfall haben nichts daran geändert. Linker Mehltau legt sich übers Land. Uns wird vorgeschrieben, was wir zu tun und zu lassen haben.  

Die Diktatur

lebt in Teilen wieder auf und funktioniert nach denselben Herrschafts- (und Mißwirtschafts-) Regeln in unserem Land, von dem viele noch glauben, es sei ein demokratisches. Doch de facto haben Linke längst die Macht. Sie beherrschen unangefochten die veröffentlichte Meinung und damit das Denken und Wahlverhalten eines Großteils der Deutschen, sie haben die Macht, jeden, und wie nun auch der letzte Deutsche begriffen hat, selbst Bundespräsidenten, Ministerpräsidenten – und sowieso jeden sonstigen Spitzenpolitiker -  der virtuellen Guillotine anheimzugeben und zu vernichten.

So belügen Linke uns Deutsche über ihre wahren Absichten. Und sie haben die absolute, die unumschränkte Informationshoheit. Sie definieren, welche Nachrichten wo, wann und in welcher Interpretation geliefert werden. Es gilt dabei sicherzustellen, daß der Souverän, der scheinbare und längst entmachtete Herrscher jeder funktionierenden Demokratie, in die gewünschte Richtung gelenkt wird. Diesen Souverän betrügen und belügen sie mit Hilfe der Medien, die sich  – ebenfalls überwiegend links ausgerichtet –  mit der Politik verbündet haben.

Die Deutschen haben 30 Jahre nach der sogenannten Wiedervereinigung noch immer nicht zueinander gefunden, die ehemaligen deutschen Ostgebiete haben wir abgehakt, Europa ist von einer Einheit meilenweit entfernt, Frieden gibt es nicht, und der Markt unserer sozialen Markt-Wirtschaft ist weder sozial noch frei. Die Kräfte des Marktes sind durch Tausende von Vorschriften, Verordnungen und Gesetze so eingeschnürt, daß sie sich nicht entfalten können, große Konzerne fressen nahezu unkontrolliert die mittelständischen Unternehmen und nehmen ihnen die Luft zum Atmen. Innovative Kräfte verlassen das Land, weil sie in anderen Staaten freier forschen und sich entwickeln können. Sprache und Bildung unseres Landes vergammeln und verkommen. Und ich sehe nicht, wie die CDU ihren Anspruch auf das C in ihrem Namen noch rechtfertigen kann.

Die Zukunft unserer Nation schaut düster aus. Der bürgerliche Konsens bröckelt, weil wir in einem Trunkenheitstaumel unser Land für alle öffnen, also auch für   die Feinde unserer Gesellschaft, die zunehmend den öffentlichen Diskurs erobern. Die großen Kirchen versagen und katzbuckeln vor einem Glauben, der Feuer und Schwert predigt und überall da, wo er herrscht, tiefe Blutspuren gräbt.

Karl Marx lebt

30 Jahre Mauerfall – und Karl Marx lebt. Brave Bürger der DDR haben gegen den Arbeiter- und Bauernstaat demonstriert. Sie haben sich gegen Karl Marx gewandt und haben Karl Marx bekommen. Nach ihm sind nach wie vor unzählige Straßen und Plätze benannt, und überall stehen Denkmäler. Seinen Kritikern wurden in diesem neuen, wiedervereinigten Deutschland keine Denkmäler errichtet, keine Plätze nach ihnen benannt.

Um nicht mißverstanden zu werden: Der Fall der Mauer war ein epochales Ereignis, ein Geschenk für unsere Nation. Aber nur die Wenigsten, die sich nun den Verdienstorden ans Revers heften, waren die wirklichen Helden dieses historischen Vorganges. Über die wahren Helden spricht man nicht – die Mauertoten, die Flüchtlinge, die Häftlinge. Stattdessen wächst eine neue DDR-Verklärung heran, die den Opfern Hohn spricht.

Ja, 30 Jahre Mauerfall – ein Fest für Deutschland? Eher ein Grund, innezuhalten.

 


Quelle:

https://conservo.wordpress.com/2019/11/03/30-jahre-mauerfall-ein-fest-fuer-deutschland/
  9. 11. 19
30 Jahre Mauerfall – Ein
»Fest für Deutschland«? – Von Peter Helmes
Gekürzte Fassung