Chile - Aufstand

In Chile toben seit Wochen Massenproteste, als deren eigentliche

Ursache die dramatische Armut und die eklatante soziale Ungleichheit im Land gelten. Chile war das erste südamerikanische Land, das 2014 eine CO2-Steuer einführte. Kaum von den Medien erwähnt ist die Tatsache, dass die Stromversorgung der Metro Santiago 2018 umgestellt wurde: Sie wird jetzt anstatt von konventionellen Energieträgern grösstenteils durch teurere erneuerbaren Quellen mit Strom aus Wind versorgt. Wie achgut darstellt, vermutete James Taylor von der konservativen amerikanischen Denkfabrik Heartland-Institute, dass diese Massnahme als eine Art Willkommensgruss an den UNO-Klima-Wanderzirkus gedacht war, der diesen Dezember im Rahmen der 25. COP-Konferenz in Santiago stattfinden sollen hätte, jedoch auf Grund der Demonstrationen abgesagt werden musste.  [1]

Wie German Foreign Policy unter dem Titel Der Pakt der weißen Eliten hierzu ausführt, »stärkt die Bundesregierung Chiles Präsident Sebastián Pinera in seinem Abwehrkampf gegen anhaltende Massenproteste den Rücken. Man teile mit Chile grundlegende Werte, heißt es im Auswärtigen Amt; Außenminister Heiko Maas sagte seinem chilenischen Amtskollegen zu, Deutschland stehe »auch in schwierigen Zeiten an der Seite Chiles«. Pinera, Milliardär und Angehöriger der alten Eliten, läßt die Proteste durch Polizei und Militär mit blutiger Gewalt niederschlagen. Pinera, mit dessen Partei ›Renovación Nacional‹ die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung seit Jahren kooperiert, obwohl zu ihren Funktionären erklärte Pinochet-Anhänger zählen, stützt die alten, weißen Eliten auch in anderen Ländern Lateinamerikas, wie etwa in Venezuela. 

Vertrauensvolle Beziehungen

Chile unterhält allgemein, wie das Auswärtige Amt konstatiert, langjährige enge Bindungen mit Deutschland. Die politischen Beziehungen werden als eng und vertrauensvoll eingestuft; auch wirtschaftlich arbeiten beide Länder intensiv zusammen. Chile, mit dem die Bundesregierung im Jahr 2013 eine Rohstoffpartnerschaft geschlossen hat, ist neben Peru Deutschlands wichtigster Kupferlieferant und stellte 2017 drei Viertel der deutschen Lithiumimporte. Die Streitkräfte des Landes verfügen über signifikante Bestände an deutschen Waffen. Zwei der 4 chilenischen U-Boote wurden von HDW produziert; ›ThyssenKrupp Marine Systems‹ (TKMS) bemüht sich um den Auftrag, die  alternden Boote Mitte der 2020er Jahre durch neue Modelle zu ersetzen. Chiles Heer hat seit 2007 insgesamt 186 Kampfpanzer des Typs Leopard 2 aus den Beständen der Bundeswehr gekauft und modernisiert; außerdem hat es in Deutschland 270 Schützenpanzer des Typs Marder beschafft. Nicht zuletzt hat der Bundessicherheitsrat in den vergangenen Jahren die Lieferung einer ganzen Reihe an Schusswaffen nach Chile genehmigt.

Jenseits der allgemein engen Beziehungen bestehen besondere Kontakte zur aktuellen chilenischen Regierungspartei ›Renovación Nacional‹ (›RN‹). Die ›RN‹ wird bereits seit den 1990er Jahren von der Hanns-Seidel-Stiftung unterstützt. Dabei wickelt die Stiftung ihre Fördermaßnahmen gewöhnlich über ›RN‹-nahe Einrichtungen ab, etwa über das ›Instituto Libertad‹, das zuweilen als Think Tank der ›RN‹ bezeichnet wird. Als einen Arbeitsschwerpunkt in Chile bezeichnet die Stiftung zum Beispiel die parlamentarische Beratung, die sie Abgeordneten im chilenischen Parlament zukommen läßt. Darüber hinaus widmet sie sich der  Bildung neuer Führungskreise für das Land. Die ›RN‹ ist gemeinsam mit der ›Unión Demócrata Independiente‹ (›UDI‹), einem Sammelbecken von Anhängern der ehemaligen Militärdiktatur unter Augusto Pinochet, Mitglied in der ›Unión de Partidos Latinoamericanos‹ (›UPLA‹), der führende Rechtsparteien des Subkontinents angehören. Die ›UPLA‹ wiederum wird schon seit 1992 ebenfalls von der Hanns-Seidel-Stiftung unterstützt. Die ›RN‹ hat kürzlich Schlagzeilen geliefert, weil eine ihrer Abgeordneten in Chiles Parlament, Camila Flores, sich auf einer Parteiversammlung vor 500 Parteimitgliedern unter tosendem Beifall als Pinochet-Anhängerin bezeichnete und äußerte, sie sei dessen Militärdiktatur ›dankbar‹. Als daraufhin öffentlich Kritik laut wurde, erhielt sie offizielle Rückendeckung durch die Parteiführung, die ihrerseits mit der Hanns-Seidel-Stiftung kooperiert.

Putschisten

Sowohl die RN wie auch Präsident Pinera, als Milliardär einer der reichsten Männer seines Landes, haben sich zuletzt unter anderem mit entschiedener Unterstützung für die Putschisten in Venezuela hervorgetan, die ihrerseits den alten weißen Eliten des Landes entstammen. Bereits am 23. Januar, dem Tag, an dem sich in Caracas der Oppositionspolitiker Juán Guaidó zum Präsidenten erklärte und die Streitkräfte zum Putsch aufrief, stellte sich die RN in einer von der UPLA veröffentlichten Erklärung auf die Seite der venezolanischen Umstürzler. Das Papier wurde auch von Óscar Ortiz vom bolivianischen Movimiento Demócrato Social unterzeichnet, der in den aktuellen Umsturz in Bolivien involviert ist; seiner Partei, die die Interessen der alten weißen Eliten Boliviens vertritt, gehört die selbsternannte bolivianische Übergangspräsidentin Jeanine Áñez an. Auf die Publikation der Pro-Guaidó-Erklärung folgten Unterstützungsbesuche von RN-Politikern bei dem Putschisten; zudem stärkte Präsident Pinera ihm den Rücken, indem er ihn offiziell als angeblichen venezolanischen Präsidenten anerkannte und ihm praktische Hilfe zukommen ließ. In Pinera haben die Putschisten aus Venezuela bis heute einen verläßlichen Helfer. Guaidó sei Venezuelas legitimer Präsident, behauptete das chilenische Staatsoberhaupt zuletzt etwa am 22. September.

Massenproteste

Hat Pinera dazu beizutragen versucht, in Venezuela die alten weißen Eliten wieder an die Macht zu bringen, so werden er und die chilenischen Eliten seit Oktober selbst von Massenprotesten bedroht. Ausgelöst durch eine relativ geringe Erhöhung der Fahrpreise im öffentlichen Nahverkehr, haben sich Proteste entwickelt, die zeitweise mehr als eine Million Menschen auf die Straße brachten, Generalstreiks beinhalteten und bis heute nicht zur Ruhe gekommen sind. Als tatsächliche Ursache der Proteste gilt die krasse soziale Ungleichheit in Chile, wo ein Prozent der Bevölkerung rund 35 % des Reichtums besitzt, während offiziell gut 14 % unterhalb der Armutsgrenze von etwa 145 US-$ im Monat leben und die Hälfte der Lohnabhängigen weniger als 400 Euro im Monat verdient. Weltweit auf Kritik stößt inzwischen die Brutalität, mit der die chilenischen Repressionskräfte die Privilegien und den Reichtum der chilenischen Elite verteidigen. Bei den Protesten wurden laut offiziellen Angaben mittlerweile über 5.600 Menschen festgenommen sowie mehr als 2.000 verletzt, etwa die Hälfte davon durch Schußwaffen. Rund 200 Menschen wurden durch Polizeigeschosse am Auge getroffen; derlei Verletzungen führen oft zum Erblinden. Die Zahl der Todesopfer wird offiziell mit 23 angegeben; in fünf Fällen ist bislang Mordanklage gegen Polizisten und Soldaten erhoben worden. Menschenrechtsorganisationen beklagen zahlreiche Fälle von Folter. Zeitweise patrouillierten die Streitkräfte auf den Straßen der Hauptstadt mit Panzern.

Die Bundesregierung bezieht Position - und zwar auf Seiten der chilenischen Eliten. Chile sei für Deutschland ein wichtiger und verläßlicher Partner, heißt es in  einem aktuellen Beitrag aus dem Auswärtigen Amt: Beide Länder teilten grundlegende Werte. Außenminister Heiko Maas habe mit seinem Amtskollegen in Santiago telefoniert und ihm versichert, dass Deutschland auch in schwierigen Zeiten an der Seite Chiles steht, heißt es weiter:
» Maas begrüßte die Anstrengungen von Staatspräsident Pinera zur Lösung der Krise«. Die Haltung ist stringent; auch in Venezuela sowie in Bolivien unterstützt Berlin jeweils die alten weißen Eliten und nimmt Stellung gegen die indigene Bevölkerung und gegen die weithin indigenen Unterschichten. So hat sie etwa den venezolanischen Putschisten Guaidó, wie es etwa auch Chiles Präsident Piñera tat, als angeblichen Präsidenten seines Landes anerkannt und den aktuellen Putsch in Bolivien gebilligt. Mittlerweile haben sich auch der Putschist Guaidó sowie die selbsternannte Übergangspräsidentin Boliviens, Jeanine Ánez, in ihren gänzlich illegal angemaßten Ämtern wechselseitig anerkannt.

Damit schließen sich die Kreise im Pakt der weißen Eliten. 
[2] 

  

[1]  https://www.journalistenwatch.com/2019/10/29/chiles-aufstand-oekowahn/
29. 10. 19
[2] 
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8107/
15. 11. 19   Der Pakt der weißen Eliten