Italien schliesst sich dem Infrastrukturprojekt »Neue Seidenstrasse« an 29.03.2019 12:32
Dem Bericht von »Strategic Alert« zufolge fand am 13. März in Mailand
eine bahnbrechende Konferenz statt, die
gemeinsam von der italienischen LaRouche-Bewegung ›MoviSol‹ und der Regionalregierung der
Lombardei organisiert worden war. Die Redner waren die Präsidentin des
Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, Prof. Michele Geraci, der geistige
Vater der neuen Chinapolitik der italienischen Regierung und Staatssekretär im italienischen
Entwicklungsministerium, sowie Franco Persio Bocchetto, ein Spezialist für das
Transaqua-Projekt in Afrika.
Die Veranstaltung erregte in Politik und
Medien viel Aufmerksamkeit, denn sie fiel zeitlich mitten in eine hitzige Debatte über
den Italienbesuch des chinesischen Präsidenten XI Jinping (22. bis 23. 3.) und eine
internationale Kampagne gegen das geplante Rahmenabkommen für die
Zusammenarbeit beider Länder bei der Gürtel- und Straßen-Initiative ›BRI‹;
der Vordenker letzteren Projekts ist Michele Geraci. Dieser wurde zu Beginn der
Konferenz um eine Erläuterung gebeten, worum es bei der ›BRI‹ geht,
welche Vorteile sie Italien und besonders dem wirtschaftlich unterentwickelten
Mezzogiorno bietet, und was zu dem Vorstoß der chinafeindlichen Fraktion,
chinesische Investitionen in Europa durch die EU zu ›prüfen‹, sprich zu erschweren, darzulegen
ist.
Geraci widerlegte die Propagandakampagne
gegen Italien: Es sei unsinnig, zu behaupten, daß Italien als G7-Mitglied mit
einer entsprechend großen Volkswirtschaft eine chinesische ›Schuldenfalle‹ drohen könnte. Eine Mitwirkung an
der Gürtel- und Straßen-Initiative bringe Italien vielfältige Vorteile: Die
Ausweitung des chinesischen Markts auf italienische Firmen, die Zusammenarbeit
bei der Modernisierung der Hafen-Infrastruktur des Landes als europäischer
Endpunkt der maritimen Seidenstraße sowie die Entwicklung Süditaliens als
Plattform für Investitionen in Afrika. Helga Zepp-LaRouche zeigte sich amüsiert
über den internationalen Aufruhr über die Entscheidung Italiens, mit China eine
Rahmenvereinbarung über die ›BRI‹ zu schließen. Sie verurteilte die
westliche Mentalität, die sich gar nicht mehr vorstellen könne, daß ein Land
für das gemeinsame Interesse der Menschheit arbeitet, und die westlichen
Medien, die verfälscht über China berichten. Sie lobte die italienische
Regierung als Vorbild für Europa und forderte Deutschland und Frankreich auf, ihrem
Beispiel zu folgen und der ›BRI‹ beizutreten. Bocchetto,
technischer Direktor des Ingenieurbüros Bonifica, das den Transaqua-Plan zur
Rettung des Tschadsees erarbeitet hat, beschrieb die 40jährige Geschichte
dieses Projekts, das ursprünglich vom damaligen Bonifica-Auslandsdirektor
Marcello Vichi entwickelt worden war und jetzt endlich ernsthaft geprüft wird.
Vichi sandte der Mailänder Konferenz Grüße.
Die bürokratischen Vorbereitungen für die
Machbarkeitsstudie werden hoffentlich in einem Monat abgeschlossen sein, dann
kann die von der italienischen Regierung finanzierte Studie beginnen. Nach einer lebhaften Diskussion schloß die ›Movisol‹ Vorsitzende Liliana Gorini die
Konferenz ab und widmete sie danach dem im Februar verstorbenen Lyndon LaRouche,
der in Italien wegen seiner zutreffenden Wirtschaftsprognosen bekannt und geschätzt
war.
Vier landesweite Medien - Corriere della Sera, Il Foglio, Avvenire und
Linkiesta - haben hervorgehoben, daß Lyndon LaRouche der erste war, der vor
mehr als zwei Jahrzehnten die Neue Seidenstraße
anregte. Dies wurde dadurch ausgelöst, daß der frühere Wirtschaftsminister
Giulio Tremonti am Vorabend der Mailänder ›Movisol‹-Konferenz in einem Interview mit dem
›Corriere della Sera‹ erklärte: »Das Projekt der Neuen Seidenstraße reicht
bis Mitte der 90er Jahre zurück, zu dem amerikanischen Visionär Lyndon LaRouche,
der darin die Rettung der Menschheit sah«.
Diese Aussage Tremontis konnten die Mainstream-Medien nicht ignorieren; ›Avvenire‹ und ›Linkiesta‹ haben
diese Wahrheit im Rahmen ihrer Berichterstattung über die Mailänder Konferenz anerkannt:
Ihre Artikel tragen den Titel ›Mehr
als praktisch: Es ist unvermeidlich. Wie die chinesische Seidenstraße Italien (und Europa)
verändern wird‹
bzw. ›Arm
in Arm mit Verschwörungstheoretikern in der
Ära nach der Wahrheit‹.
Heute distanziert sich Giulio Tremonti, der sich gegen die jetzige Regierung
und die Vereinbarung mit China positioniert hat, leider von der Unterstützung,
die er LaRouches Politik 2007 in einer öffentlichen Veranstaltung in Rom
gegeben hatte. Damals hatte er gesagt, LaRouches weitreichende Ideen zur
eurasischen Integration seien zwar möglicherweise »die Ideen eines Verrückten«, aber oft seien Fortschritte in der
Geschichte den Ansichten solcher ›Verrückter‹ zu verdanken.
Schuld an der Spaltung Europas, so Helga
Zepp-LaRouche, ist nicht China, sondern die EU; sie selbst sei längst zu dem
Schluß gekommen, daß praktisch alles, was westliche Medien über China
schreiben, Fake News seien. Ein Beispiel dafür sei der ›Ausbruch antichinesischer
Propaganda‹
als Reaktion auf die italienische Entscheidung, ein Rahmenabkommen mit China zu
unterzeichnen. Der strategische Kontext sei sehr gefährlich: »Wir sind jetzt an einem Punkt, an dem
etwas passiert, was schon 16mal in der Geschichte geschehen ist, daß nämlich
die bisher dominierende Macht von der bisher zweitgrößten Macht überholt wird.
Und in der Geschichte hat dies 12mal zum Krieg zwischen diesen beiden
konkurrierenden Mächten geführt, und viermal hat die zweite Macht die
dominierende Macht einfach ohne Krieg überholt«. Indessen hat China oft betont, daß es
natürlich nicht den zwölf Fällen folgen wolle, in denen der Konflikt zu einem
Krieg führte. »Wir wollen aber auch
nicht einfach die Vereinigten Staaten in der Rolle des Anführers einer
unipolaren Welt ablösen«. China sei für
ein System außenpolitischer Beziehungen auf der Grundlage von ›Souveränität, dem Respektieren
unterschiedlicher Gesellschaftssysteme und der Nichteinmischung‹.
Zu dem Vorwurf, China werde Europa mit der
Gürtel- und Straßen-Initiative spalten, erinnerte Frau LaRouche das Publikum
daran, daß Europa auch ohne China längst gespalten ist: »Es gibt den Nord-Süd-Konflikt wegen der Austeritätspolitik gegen Italien,
Griechenland, Spanien und Portugal, und den Ost-West-Konflikt in der Frage der
Migranten«. Vor diesem Hintergrund
sei Italiens Handeln »wirklich ein
Vorbild, denn die Zusammenarbeit zwischen italienischen und chinesischen
Unternehmen bei der Entwicklung Afrikas ist tatsächlich der einzige humane Weg,
die Flüchtlingsfrage zu bewältigen«.
[1]
Was nun den in den Medien in letzter Zeit
wiederholt zitierten Vorwurf einer drohenden Spaltung Europas angeht, so kann
man hier nur immer wieder auf die Befindlichkeit dieser unter der Regie Brüssels
stehenden, jedes Detail regelnde EU hinweisen, wie sie der ehemalige
tschechische Staatspräsident Vaclav Klaus wiederholt beklagt hat: »Wir leben in einer Zeit eines neuen
Autoritarismus der illiberalen Eliten, der Neomarxisten der Frankfurter Schule,
der sogenannten ›Experten‹, der Bürokraten internationaler
Organisationen, der IT-Protagonisten und Lobbyisten, der lauten, geräuschvollen
Exponenten politischer NGOs. Infolgedessen gebe es eine ›Machtverschiebung von gewählten
Vertretern zu Dauerfunktionären, von Gemeinderäten zu zentralen Bürokratien,
von Gesetzgebern zu leitenden Angestellten, von nationalen Parlamenten nach
Brüssel und Strassburg, vom Bürger zum Staat‹.
Diese Eliten sähen nicht, daß ›Europa
ein historisch gewachsenes kulturelles und zivilisatorisches Gebilde ist - mit mehr oder weniger weithin akzeptierten
geographischen Grenzen - die EU dagegen
ein menschengemachtes Konstrukt, das seinen klar definierten Anfang hat und
zweifellos ein ruhmreiches oder nicht so ruhmreiches Ende haben wird‹. Für sie sei der souveräne
Nationalstaat ein ›besiegter
Anachronismus‹.« Dagegen sieht Klaus - was man im Hinblick auf die ständigen
Angriffe auf die Nation nicht oft genug wiederholen kann - »im
Nationalstaat und in der nationalen Souveränität die Grundlage für den Schutz
der politischen und wirtschaftlichen Rechte der Menschen. Die Verträge von
Maastricht und Lissabon seien historische Fehler gewesen, weil sie das
ursprüngliche Konzept der europäischen Integration in einen Einheitsstaat
verwandelten«.
d.a.
Bei soviel ›Selbständigkeit‹ gegenüber der Brüsseler
Kommission, wie sie jetzt in Italien zutage tritt, ist es gewissermassen
voraussehbar, dass ›Unkenrufe‹ nicht ausbleiben. So äusserte sich
BRD-Aussenminister Heiko Maas kritisch über Italiens Teilnahme am chinesischen Seidenstrassen-Projekt: »Sollten einige Länder glauben, man könne
mit den Chinesen clevere Geschäfte machen, werden sie sich wundern und
irgendwann in Abhängigkeiten aufwachen.« Kurzfristig lukrative Angebote könnten »schneller als gedacht einen bitteren
Beigeschmack« bekommen, warnte
Maas. [2] Als ob Deutschland
mit China keine Geschäfte tätigte….. Zudem
hatte es doch im Oktober 2017 geheissen, »dass Berliner Regierungsberater eine
strategisch angelegte Kooperation mit China in Zentralasien in Betracht ziehen.
Anstatt sich auf eigenständige Einflußoperationen zu beschränken, solle
man ›einen
intensiveren Dialog‹
mit Beijing darüber führen, ›inwiefern
sich Ziele gemeinsam verfolgen ließen‹,
hieß
es in einer aktuellen Studie der Stiftung Wissenschaft und
Politik«.
[3]
Eigentlich sollte Maas weitaus mehr über
die Abhängigkeit der EU von der USA reflektieren, aber das ist ein wesentlich
heikleres Thema als so ein einfaches Italien-Bashing.
Jedenfalls ist Italien das erste Land der
G-7-Staaten, das sich jetzt diesem Infrastrukturprojekt angeschlossen hat. Die ›Neue Seidenstrasse‹ hat die Entwicklung der
wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Ost und West zum Ziel und soll in
Anlehnung an die historischen Routen zwischen Mittelmeerraum und Ostasien neue Handels- und Verkehrsnetze zwischen den
Kontinenten aufbauen. Das umfasst Eisenbahnlinien, Strassen und Seeverbindungen
von China nach Europa und Afrika. Die milliardenschwere ›One Belt, One Road‹-Initiative der Volksrepublik - China hatte den Seidenstrassen-Entwicklungsfonds
mit 40 Mrd. $ ausgestattet - ist für das Land ein zentrales Projekt, um
Absatzmärkte enger an China zu binden. So besteht seit letztem Jahr eine
Güterzugverbindung zwischen Amsterdam und Yiwu. Am 7. März 2018 hatte ein
Zugverband den Hafen von Amsterdam zu einer 11.000 km langen, 17 Tage dauernden
Reise ins chinesische Yiwu angetreten. Der Zug fährt durch Deutschland, Polen, Weissrussland,
Russland und Kasachstan. Damit sind auch die Niederlande mit Chinas ›One Belt, One Road‹ ›OBOR‹
Seidenstrasse verbunden. Amsterdam ist nach Rotterdam, Antwerpen und Hamburg
der grösste europäische Hafen. Mit der neuen Verbindung werden die niederländischen
Geschäftsverbindungen mit China wesentlich verbessert, so der Vorstandsvorsitzende
von ›Nenner
Logistics‹, Erwin Cootjans.
[4]
Am 21. 4. 2016 war auch der erste Güterzug aus
dem chinesischen Wuhan in Lyon, das früher Europas wichtigste Seidenstadt war,
eingetroffen. Der Zug fuhr die 11.300 km durch Kasachstan, Russland, Weissrussland
und Polen nach Duisburg und von dort weiter nach Lyon in 15 Tagen. Ferner besteht
zwischen Chongqing/Chengdu, einer Industrieregion in Zentralchina, und Duisburg
mit dem grössten Binnenhafen der Welt eine direkte Bahnverbindung. Von Duisburg
aus können Güter auf dem Rhein zum grössten Hafen Europas, Rotterdam,
verschifft werden.
Wie der ungarische Ministerpräsident
Viktor Orban nach seiner Rückkehr von einem Beijinger Forum im Juni 2017 einmal
erklärte: »Das alte Modell der
Globalisierung nähert sich seinem Ende; der Osten ist inzwischen mit dem Westen
gleichauf, und ein gewaltiger Teil der Welt hat genug davon, von den westlichen
Industrieländern über Menschenrechte und Marktregeln belehrt zu werden«. Er erinnerte daran, dass Ungarn das
erste europäische Land war, das sich 2015 der ›OBOR‹-Initiative angeschlossen hatte. [5]
[1]
Strategic Alert Jahrgang 32, Nr. 12 vom 20. März 2019
[2]
https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/mehr-wirtschaft/neue-seidenstrasse-maas-warnt-italien-wegen-obor-16105324.html 24. 3. 19 Maas warnt Italien : China
verfolgt eigene Interessen ›global
beinhart‹
[3] http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59692 10. 10. 17
Frischer Wind auf der Seidenstrasse (II)
[4]
Strategic Alert Jahrgang 31, Nr. 11 vom 15. März 2018
[5] Strategic Alert Jahrganng 30, Nr. 23 vom 7. Juni 2017
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