Keine Ruhe für Macron

d.a. Die Bewegung der »Gilets Jaunes«, der Gelbwesten, beginnt sich

auszubreiten. So sind am Samstag, 13. Januar, auch in London Tausende von Menschen auf die Straße gegangen: Sie fordern ein Ende der Sparpolitik und eine Neuwahl.  [1] 

Neben den Protesten in Paris in neunter Folge und vor Beginn einer nationalen Debatte zur Lösung der Gelbwesten-Krise fanden am Nachmittag des 13. Januars auch in Caen, Rouen, Nîmes, Strassburg, Le Havre, Nizza, Bordeaux und Toulouse Demonstrationen statt. Gezählt wurden rund 84.000 Gelbwesten im ganzen Land, weit mehr als am Wochenende vom 5./6. Januar, wie französische Medien unter Berufung auf das Innenministerium berichteten. 

Der FAZ online zufolge waren in Paris am Freitag, 12. 1., bis zum Nachmittag  mehr als 100 Menschen im Zusammenhang mit den Gelbwesten-Protesten festgenommen worden. Sie hätten verbotene Waffen getragen oder sich einer Gruppe angeschlossen, die möglicherweise Gewalttaten begehen werde, hiess es. Laut Staatsanwaltschaft wurden 74 Menschen in Polizeigewahrsam genommen. »In Bourges«, so die FAZ, »gingen nach Angaben der örtlichen Präfektur bis zum Nachmittag des 12. 1. etwa 5000 Menschen auf die Straße. Ihr Protest lief zunächst überwiegend friedlich ab. Ab dem Nachmittag suchten sie jedoch den Angaben zufolge die Konfrontation mit den Sicherheitskräften. Die Stadt im Zentrum Frankreichs stand unter besonderer Beobachtung der  Sicherheitsbehörden, nachdem es dort Online-Aufrufe zu Massenprotesten gegeben hatte. In Bordeaux im Südwesten des Landes schossen Demonstranten Feuerwerkskörper in Richtung der Sicherheitskräfte, wie auf Fernsehbildern zu sehen war. In Rouen in Nordfrankreich hätten Gelbwesten Journalisten des Senders LCI angegriffen, schrieb Innenstaatssekretär Laurent Nunez auf Twitter und verurteilte die Tat. Die Hoffnungen von Präsident Emmanuel Macron und seiner Regierung ruhen nun auf einer nationalen Debatte, die die Gelbwesten besänftigen und am 15. Januar beginnen soll. In den kommenden Wochen sollen dabei die Bürger zu Wort kommen und Reformvorschläge äußern.«  [2]

Der nationale Sekretär der Kommunistischen Partei Frankreichs, Fabien Roussel, hatte die Anhänger der Protestbewegung Ende Dezember dazu aufgefordert, sich seiner Wahlliste für die Europawahlen im Mai anzuschliessen. Alternativ sagte er der Tageszeitung Libération, sie könnten auch eine unabhängige Liste aufstellen, die seine Partei und wahrscheinlich auch andere unterstützen würden.  [3] 

Wie Michael Mannheimer schrieb, hatte Macron für Silvester eine Armee von 150.000 Polizisten aufgeboten, wovon kein Wort in den deutschen Medien erschienen war: »Ich habe absichtlich bis heute früh 10:30 gewartet, ob über die Vor-Silvesteraufstände in Frankreich von einem deutschen Medium berichtet würde. Nichts. Kein einziges Blatt und kein einziger TV-Sender, der etwas über das schrieb, was im britischen Online-Magazin MAIL.ONLINE schon am 29. Dezember 15:13 GTM zu lesen war: Der Eiffelturm ist vom Rauch umhüllt, als Paris bis in die Nacht hinein brennt!  [4]

Réseau Voltaire hatte schon Ende November berichtet, dass sich die Proteste auch auf die französischen Übersee-Departemente erweiterten. Auf der Insel   Réunion im Indischen Ozean war in 14 von 34 Gemeinden eine Ausgangssperre verhängt worden. Da die Bewegung keine Organisation bildet, breitet sie sich übers Internet aus und mobilisiert hauptsächlich die Mittelschichten. Der ehemalige Kandidat der Präsidentschaftswahl 2017, Jean Lasalle, hatte am 21. November absichtlich die Regeln verletzt, indem er während der Sitzung der Fragen an die Regierung eine gelbe Jacke trug, woraufhin der Präsident der Versammlung, Richard Ferrand, ankündigte, Sanktionen gegen ihn einzuleiten.  [5]  

Protestiert wird gegen die missbräuchliche Höhe der Abgaben [Steuern und Sozialabgaben], die um 30 % zugenommen und in zehn Jahren einen Zusammenbruch des Lebensstandards der nicht globalisierten Gesellschaftsklassen verursacht haben. Entstanden ist die Bewegung anlässlich einer Erhöhung der Mineralölsteuer auf Facebook.  [6]  Über Weihnachten selbst waren die Proteste deutlich zurückgegangen, wozu die website Unser Mitteleuropa vermerkte, dass sich das Establishment schon gefreut hatte, dass es diese ausgesessen hätte. Einer aktuellen Umfrage für Le Figaro und France Info zufolge sind drei Viertel der Franzosen mit Macron und seiner Arbeit unzufrieden. Im April 2018 lag der Anteil der Unzufriedenen erst bei 59 %. Wie eine Rednerin der Gelbwesten erklärte, reichten die bisherigen Zugeständnisse der Regierung nicht aus. Es werde noch das ganze Jahr über Protestaktionen geben. So befürworten 55 % der bei der Umfrage Befragten eine Fortsetzung der Demonstrationen.  [7]

Obwohl sich Macron, vom harten Kern der Eurokraten unterstützt, zum Vorreiter einer weitergehenden Integration in der Aussen-, Sicherheits- und Migrationspolitik der EU macht, bis hin zu einer europäischen Armee, wird, wie Strategic Alert darlegt, »solch ein supranationaler Vorstoß in einer Zeit zunehmender Proteste in der EU gegen den sinkenden Lebensstandard und gegen Brüssels unverfrorene Einmischungen in Angelegenheiten der nationalen Souveränität wahrscheinlich nach hinten losgehen. In Europa leben heute etwa 90 Millionen Menschen in Armut, und die Zahl steigt. Besonders seit der Finanzkrise 2008 hat sich die Lage in vielen Ländern massiv verschlechtert und die Kluft zwischen arm und reich wächst. In Italien stieg die Zahl der von Armut bedrohten Menschen seit 2008 von 15 auf 18 Millionen, 4 Mio. leben in absoluter Armut. Das ist einer der offensichtlichen Gründe für den Wahlsieg der populistischen Anti-Establishment-Regierung. Doch die Entwicklung ist in der ganzen alten Welt ähnlich. China hingegen hat in den letzten Jahrzehnten ca. 800 Mio. Bürger aus der Armut herausgeholt; es entstand eine Mittelschicht von 300 Millionen Menschen und bis 2020 soll die absolute Armut ganz besiegt sein.     

Die EU ihrerseits hatte sich 2010 das (bescheidene) Ziel, die Zahl der Armen bis 2020 um 20 Mio. zu verringern, gesetzt; stattdessen ist die Zahl den eigenen EU-Statistiken zufolge gestiegen. Dementsprechend herrschen in der EU Verzweiflung und Pessimismus. Natürlich sind die Parameter in Europa und China nicht direkt vergleichbar, aber der Trend weist für Europa eindeutig in die falsche Richtung. Es ist an der Zeit, daß die politisch Verantwortlichen in Europa endlich ernsthaft über die Gründe dafür nachdenken.

Der UN-Sonderberichterstatter zu extremer Armut und Menschenrechten, Philip Alston, zog nach einer zweiwöchigen Informationsreise durch Großbritannien am 16. November ein deprimierendes Fazit: In dem Land mit der fünftgrößten Volkswirtschaft der Welt herrsche eine soziale Katastrophe und ein  wirtschaftliches Desaster. Beim gegenwärtigen Trend könnten 2022 bis zu 40 % aller britischer Kinder in Armut leben. Laut Statistiken des Institute for Fiscal Studies und der Joseph Rowntree Foundation leben derzeit etwa 14 Mio. Briten, ein Fünftel der Bevölkerung, in Armut, 1,5 Mio. können sich nicht einmal genug Lebensmittel und andere Grundversorgungen leisten. In einer Presseerklärung warf Alston der britischen Regierung eine bestrafende, kleingeistige und oft herzlose Sparpolitik vor, hinter der keine wirtschaftliche Notwendigkeit stehe, sondern der ideologische Wunsch nach einer Umgestaltung der Gesellschaft.

Die Politik verstoße gegen die UN-Menschenrechtsabkommen über Frauen,  Kinder, Behinderte sowie gegen wirtschaftliche und soziale Rechte. Alston bereiste große und kleine Städte, um mit Menschen in Not zu sprechen und sich aus erster Hand über ihre Probleme zu informieren. Überall »sei für jeden, der seine Augen aufmacht, die immense Zunahme von Tafeln mit langen Schlangen davor unübersehbar, ebenso von Menschen, die notdürftig auf der Straße schlafen, von Obdachlosigkeit, vom Gefühl tiefer Verzweiflung, was sogar die Regierung dazu veranlaßt hat, eine Ministerin für Selbstmordprävention zu ernennen, um über ein bisher ungekanntes Ausmaß an Einsamkeit und Isolation zu berichten«. Alston verurteilt das notorische Sozialsystem, das viele Menschen in Not stürzt. Konstruktion und Umsetzung dieses Systems schadeten der geistigen Gesundheit, den Finanzen und den Arbeitschancen der Betroffenen; Sanktionen seien hart und willkürlich. Ein Anfang Dezember veröffentlichter Bericht des Imperial College in London kommt zu dem Schluß, daß die Lebenserwartung der Armen in den letzten 6 - 7 Jahren gesunken ist und die Schere zwischen reich und arm weiter auseinanderklafft.

Verheerende Folgen der grünen Politik in Deutschland 
Unter der berüchtigten Politik der schwarzen Null unter den Finanzministern Wolfgang Schäuble und nun Olaf Scholz müssen auch die Deutschen leiden. Nach jüngsten Erhebungen ist jedes sechste Kind in Deutschland von Armut bedroht, und infolge der niedrigen Renten wächst die Altersarmut alarmierend. Gleichzeitig sind die Mieten so gestiegen, daß viele Familien mehr als die Hälfte ihres Einkommens dafür aufwenden müssen. Wegen der unzureichenden Infrastrukturausgaben sind 20 % der Autobahnen und 40 % der Bundesstraßen reparaturbedürftig, von Tausenden von Brücken ganz zu schweigen. Ähnliches gilt für Krankenhäuser, Schulen usw., deren Mittel gekürzt wurden. Gleichzeitig sind im Rahmen der fehlgeleiteten Energiewende der Regierung Merkel die Strompreise massiv angestiegen«.   [8]

Zur Weihnachtszeit hatten sich nun die EU-Beamten mit höheren Löhnen beschenkt. Jean-Claude Juncker sowie der Präsident des Europäischen Rats, Donald Tusk, erhalten jetzt jeden Monat gut 33.000 Euro. Das jährliche Gehalt von Juncker und Tusk ist mehr als doppelt so hoch wie das der britischen Premierministerin Theresa May, die im vergangenen Jahr 150.400 £ (167.420 Euro) erhielt. Vergünstigungen, Ausgaben, Boni usw., werden nicht erwähnt. Neben dem ersten und direkten Stellvertreter Junckers, Vizepräsident Frans Timmermans, gibt es in der EU-Kommission  s e c h s  weitere Vizepräsidenten: Alle sechs haben ihr Monatsgehalt um 548,72 € auf fast 30.799,63 Euro erhöht.

»Diese Personen«, so pi-news, »stehen einer EU vor, die ihre eigenen Verordnungen und Richtlinien schreibt und selbige je nach Laune  - oder wie es gerade paßt -  bricht«.  [9]

Anmerkung:
Hieraus folgt, dass die Armut für Brüssel nicht zu existieren scheint.

Gehaltserhöhungen dieser Art, hinter denen ich keine entsprechende Leistung zu entdecken vermag, vermitteln mir den Eindruck, dass wir langsam eine Rückentwicklung ins Zeitalter des Absolutismus erleben.

 

[1]  http://www.spiegel.de/politik/ausland/london-gelbwesten-demonstration-nach-franzoesischem-vorbild-a-1247760.html   12. 1. 19
[2]  https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/polizei-setzt-bei-gelbwesten-protesten-traenengas-ein-15985131.html   12. 1. 19
Abermals Zehntausende
Gelbwesten auf den Straßen
[3]  http://www.schweizmagazin.ch/nachrichten/ausland/32752-Frankreich-Gelbwesten-treten-bei--Wahl.html   28. 12. 18
[4]  https://michael-mannheimer.net/2019/01/01/frankreich-30-12-2018-hat-der-buergerkrieg-begonnen/   Michael Mannheimer  1. 1. 2019
Macron bot für Silvester eine Armee von 150.000 Polizisten auf!  
resp. https://www.dailymail.co.uk/news/article-6537891/French-police-fire-tear-gas-yellow-vest-demonstrators-Paris-demonstrations-continue.html
Updated: 01:17 GMT, 30 December 2018 - Eiffel Tower is shrouded by smoke as Paris burns into the night
[5]  http://www.voltairenet.org/article204045.html   23. 11. 18
[6]  http://www.voltairenet.org/article204202.html   3. 12. 18
[7]  http://unser-mitteleuropa.com/2019/01/06/der-gelbwestenprotest-geht-weiter/   6. 1. 19
[8] 
Strategic Alert Jahrgang 31 - Nr. 49 vom 5. Dezember 2018
[9]  http://www.pi-news.net/2018/12/weihnachtliche-gehaltserhoehung-fuer-juncker-co/   27. 12. 18