Die Blindheit der Europäischen Union gegenüber der Militärstrategie der USA 22.07.2018 22:10
Bereits 2010 hatte der Gründer des privaten Beratungsinstituts »Stratfor«
sowie der Firma »Geopolitical Futures«, George Friedman, in seinem Buch »Die nächsten hundert Jahre - Die Weltordnung der Zukunft« die Truppenverlagerungen ins Baltikum vorausgesagt; diese sind, unter aktiver Mitwirkung der europäischen Mitglieder der NATO, inzwischen zu einer beklemmende Wirklichkeit geworden, mit allen Implikationen. »Gegenwärtig, schreibt daher Willy Wimmer, »stehen an der russischen Grenze jene Streitkräfte, die eine aus russischer Sicht überaus verhängnisvolle Kombination ehemaliger Alliierter und Kriegsgegner darstellen.
Gleichzeitig wird die Russische Föderation seit Jahren
vom Westen aus mit intensiver Hetze überzogen.« Thierry Meyssan hat seine diesbezügliche Analyse daher
mit dem Titel »Die Blindheit der Europäischen
Union gegenüber der Militärstrategie der USA« versehen. Wenn die
Militärakademien der Europäischen Union ihre Arbeit getan hätten, legt er u.a. dar,
hätten sie seit 15 Jahren die Lehre des amerikanischen ›Big Brothers‹ studiert. In der
Tat veröffentlicht das Pentagon schon seit sehr vielen Jahren alle Arten von
Dokumenten über die ›Chaostheorie‹, die den Schriften des Philosophen Leo Strauss entlehnt wurde.
Aber keine Militärakademie der EU hat
diese Lehre, eine Form des barbarischen Krieges und seiner Folgen, ernsthaft
studiert.
Wenn die EU-Politiker ein wenig gereist
wären, nicht nur im Irak, in Syrien, in Libyen, am Horn von Afrika, in Nigeria
und Mali, sondern auch in der Ukraine, hätten sie mit ihren eigenen Augen die
Umsetzung dieser strategischen Doktrin gesehen. Aber sie begnügten sich damit,
in einem Gebäude der grünen Zone in Bagdad, auf einem Podium in Tripolis oder
auf dem Kiewer Maidanplatz zu diskutieren. Sie ignorieren, was die Bevölkerung
durchmacht und haben auf Antrag ihres ›Big Brothers‹ oft ihre Botschaften geschlossen, wodurch sie auf ihre eigenen
Augen und Ohren vor Ort verzichtet haben. Noch besser, wiederum auf Antrag
ihres ›Big Brothers‹ stimmten sie Embargos zu, so dass kein Geschäftsmann vor Ort
sehen konnte, was dort passiert.
Das Chaos ist kein Zufall, es
ist das Ziel
Im Gegensatz zu einer Erklärung von François
Hollande ist die Auswanderung der Libyer nicht das Ergebnis mangelnder
Konsequenz der Operation ›Vereinigte Beschützer‹, sondern das durch diesen Vorgang angestrebte Ergebnis, bei dem
sein Land eine führende Rolle spielte. Das Chaos hat sich nicht gebildet, weil
es den ›libyschen Revolutionären‹ nicht gelungen ist, nach dem ›Sturz‹ von Muammar el-Gaddafi untereinander eine Vereinbarung zu treffen;
nein, es war das strategische Ziel der Vereinigten Staaten - und sie waren
erfolgreich. Es hat niemals eine ›demokratische Revolution‹ in Libyen gegeben, sondern eine Abspaltung der Kyrenaika. Es hat
niemals eine Durchführung eines Mandats der Vereinten Nationen zum ›Schutz die
Bevölkerung‹ gegeben, sondern das Massaker von 160 000 Libyern, drei Viertel
davon Zivilbevölkerung, durch die Bomben der NATO.
Als die amerikanische Presse im Jahr
2003 begann, die Chaostheorie zu evozieren, reagierte das Weisse Haus mit einem
›konstruktivem Chaos‹, was bedeuten
sollte, dass man unterdrückende Strukturen zerstören würde, damit ein Leben
ohne Einschränkung entstehen könne. Aber diesen Begriff hatten weder Leo
Strauss, noch das Pentagon jemals zuvor verwendet. Im Gegenteil: Ihrer Meinung
nach sollte das Chaos so sein, dass sich abgesehen vom Willen des Schöpfers der
neuen Ordnung, der Vereinigten Staaten, nichts strukturieren könnte. Das Prinzip
dieser strategischen Doktrin lässt sich folgendermassen zusammenfassen: Das Einfachste,
um die natürlichen Ressourcen eines Landes über einen langen Zeitraum hinweg zu
plündern, besteht nicht in seiner Besetzung, sondern darin, den Staat zu
zerstören. Ohne Staat, keine Armee. Ohne feindliche Armee, kein Risiko für eine
Niederlage. Deshalb ist es das strategische Ziel der US-Armee und der von ihr
geleiteten Allianz, der NATO, die Staaten zu zerstören. Was aus der betroffenen
Bevölkerung wird, ist nicht Washingtons Problem.
Ein Projekt dieser Art ist für Europäer, die seit dem englischen Bürgerkrieg
durch Thomas Hobbes Gesellschaftsvertrag ›Leviathan‹ davon überzeugt wurden, dass es, anstatt ins Chaos gestürzt zu
werden, notwendig sein kann, gewisse Freiheiten aufzugeben, oder sogar einen
tyrannischen Staat zu akzeptieren, unvorstellbar.
Die EU verweigert ihre
Mitschuld an den Verbrechen der USA Die Kriege in Afghanistan und im Irak
haben bereits 4 Millionen Menschen das Leben gekostet. Zwar wurden sie im UNO-Sicherheitsrat
als notwendige Gegenschläge aus Notwehr dargestellt, es wird jedoch heute
zugegeben, dass sie lange vor dem 11. September in dem viel breiteren Kontext der
Umgestaltung des Nahen und Mittleren Osten geplant worden waren, und dass die
für ihre Implementierung angegebenen Gründe lediglich fabrizierte Propaganda waren.
Dennoch wird unserem ›Big Brother‹ weiterhin vertraut; die Verbrechen, in die er uns verwickelt, will
man nicht sehen.
Die Fehler der Europäischen
Union bei der Auslegung Kein westeuropäischer Staatsmann,
absolut keiner, würde öffentlich zu sagen wagen, dass die Flüchtlinge aus
dem Irak, aus Syrien, Libyen, vom Horn von Afrika, aus Nigeria und Mali nicht
den Diktaturen entfliehen, sondern dem Chaos, in das wir ihr Land absichtlich gestürzt haben. Kein westeuropäischer Staatsmann,
absolut keiner, würde öffentlich zu sagen wagen, dass die ›islamistischen‹ Attentate, die auf
Europa hereinbrechen, keine Erweiterung der Kriege im ›erweiterten Nahost‹ sind, sondern von
denjenigen gesponsert werden, die auch, wie in Europa
- Das Chaos ist gewollt in aller Ausführlichkeit aufgezeigt, die
Herrschaftslosigkeit in dieser Region gesponsert haben. Und dies, obwohl das
Konzept im nationalen Sicherheitsrat der Vereinigten Staaten geschmiedet wurde.
Kein westeuropäischer Staatsmann,
absolut keiner, würde öffentlich zu sagen wagen, dass der nächste Schritt die ›Islamisierung‹ der
Drogen-Vertriebsnetze sein wird, nach dem Modell der Contras in Nicaragua,
welche die Drogen mit Hilfe und unter dem Kommando von der CIA in der schwarzen
Gemeinschaft von Kalifornien verkauften. Man hat ferner beschlossen zu
ignorieren, dass die Karsai-Familie den Vertrieb des afghanischen Heroins der
Kosovo-Mafia entzogen und dem Daesh übergeben hat.
Die Militärakademien der Europäischen
Union haben die Chaostheorie nicht studiert, weil es ihnen verboten wurde. Die
wenigen Lehrer und Forscher, die sich auf dieses Gebiet gewagt hatten, sind
schwer bestraft worden, während die Presse zivile Autoren, die sich dafür
interessiert hatten, als Verschwörer bezeichnete.
Wenn man der Forschung in den EU-Ländern
freien Lauf gelassen hätte, wäre begriffen worden, dass die USA durch ihre Intervention
und den von ihr organisierten Regimewechsel in der Ukraine dafür
gesorgt haben, dass die EU in ihrem Dienst bleiben
würde. Die grosse Angst Washingtons seit der Rede von Wladimir Putin 2007 auf
der Münchner Sicherheitskonferenz war, dass Deutschland begriffe, wo seine
Interessen liegen: Nicht bei Washington, sondern bei Moskau. Der Hauptkanal der
Verständigung zwischen der EU und der Russischen Föderation wurde von den
Vereinigten Staaten durch die schrittweise Zerstörung des ukrainischen Staates
abgeschnitten. Wie man auch die Folgen der Ereignisse drehen und wenden möge, man
wird keinen anderen Sinn dafür finden. Washington will nicht, dass die Ukraine
Mitglied der Union wird, wie die Worte von Frau Nuland bezeugen. Ihr einziges
Ziel ist, dieses Gebiet in eine gefährliche Zone zu verwandeln. Indessen hatten
die Politiker der EU geglaubt, dass die Ereignisse auf dem Maidanplatz spontan
gewesen wären, dass die Demonstranten die russische autoritäre Welt verlassen
und ins Paradies der Union eintreten wollten. Sie waren verblüfft, als die stellvertretende
Aussenministerin, Victoria Nuland, ihre geheime Kontrolle der Ereignisse offenlegte.
Die US-militärische Planung Wir sind hier also mit zwei Problemen
konfrontiert, die sehr schnell wachsen werden: Die ›islamistischen‹ Attentate stehen erst am Anfang und die Auswanderungen nach
Europa über das Mittelmeer haben sich in einem einzigen Jahr verdreifacht.
Wenn meine Analyse richtig ist, werden
wir im nächsten Jahrzehnt ›islamistische‹ Attentate sehen, die mit dem erweiterten Nahen Osten und Afrika
verbunden sind sowie ähnliche ›Nazi‹-Attentate, die mit der Ukraine verbunden sind. Dann werden wir
entdecken, dass al-Qaida und die ukrainischen ›Nazis‹ seit ihrer gemeinsamen Konferenz in Ternopil in der Ukraine im
Jahr 2007 verbunden sind. In Wirklichkeit kannten sich die Grosseltern der
einen und anderen seit dem Zweiten Weltkrieg: Die Nazis hatten damals
sowjetische Moslems gegen Moskau - es
war das Programm von Gerhard von Mende im Ostministerium - eingestellt. Am Ende des Krieges wurden die
einen wie die anderen von der CIA über das Programm ›AmComLib‹, ›The American Committee for the Liberation of the Peoples of Russia‹, von Frank Wisner zur
Durchführung von Sabotage-Operationen in der Sowjetunion zurückgewonnen.
Die Migration im Mittelmeer, die im
Moment nur ein humanitäres Problem ist, wird sich steigern, um in der Folge ein
ernstes ökonomisches Problem zu werden. Der Vorschlag der Union, Schiffe von
Menschenhändlern in Libyen zu versenken, kann der Eindämmung der Migration
nicht dienen, sondern nur dazu, neue militärische Operationen zu starten, um
das Chaos in Libyen aufrechtzuerhalten und zu rechtfertigen - und
nicht, um es zu beheben.
All das verursacht in der Europäischen
Union, die heute eine Oase der Ruhe zu sein scheint, erhebliche Probleme. Es
kommt für Washington nicht in Frage, diesen für die USA wesentlichen Markt zu
zerstören; es geht darum, sicherzustellen, dass er sich nie im Wettbewerb mit den
Vereinigten Staaten befinden kann, und darum, seine Entwicklung einzugrenzen.
So hatte Präsident Herbert Walker Bush den Schüler von Leo Strauss, Paul
Wolfowitz, 1991 beauftragt, eine Strategie für die post-sowjetische Ära zu
entwickeln. Diese, als Wolfowitz-Doktrin bezeichnete Taktik, erklärt, dass die
Vorherrschaft der Vereinigten Staaten über den Rest der Welt erforderlich ist,
um zu gewährleisten, dass die Europäische Union gebändigt bleibt. Letztlich
schlägt Washington heute vor, die EU mit der NAFTA, und den Dollar mit dem Euro
zu fusionieren, was die Mitgliedstaaten der EU auf das Niveau von Mexiko absenken
würde.
Anmerkung d.a.: Obwohl Meyssan seine Analyse bereits im
April 2015 veröffentlicht hat, ist sie unverändert zutreffend. Die Frage
allerdings, die sich beim Lesen seiner Ausführungen stellt, ob die Europäer effektiv
so blind sind, oder ob sie Absicht und Handlungsweise Washingtons nicht
doch durchschauen, dies aber unter dem Druck der Wirtschaft - selbst wenn letztere durch die demnächst in
Kraft tretenden Sanktionen gegen den Iran aufs schwerste geschädigt wird - nicht zu erkennen geben, bleibt
unbeantwortet.
Quelle:
http://www.voltairenet.org/article187423.html - gekürzte Fassung -
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