GAZA - Ein Schrei aus dem »Stacheldrahtbehälter«

Der nachfolgende Bericht zur Lage in Gaza von Prof. Dr. Abed Shokry,

der 2007 mit seiner Familie von Deutschland nach Gaza zurückgekehrt war, stellt eine einzige Anklage gegen westliche Politiker und Medien dar. Beklagt wird hauptsächlich die ekelhafte Doppelmoral der Politikerkaste und der Mainstream-Medien. Gaza wehrt sich gegen die unmenschlichen Lebensbedingungen, gegen die völkerrechtliche Abriegelung, die den Gazastreifen zu einem Gefängnis für 2 Millionen Menschen macht. 

Initiiert wurden die Proteste von verzweifelten Menschen; an den beiden Wochenenden nahmen jeweils 20 000 - 30 000 teil. Einer der Initiatoren ist der 43 Jahre alte Lehrer Al-Kurd, der anläßlich der alljährlichen Erinnerung an Flucht und Vertreibung der Palästinenser durch die Israelis bzw. wegen der Staatsgründung Israels auf die desaströse Situation der eingesperrten Menschen im Gazastreifen aufmerksam machen will. Das Aufbegehren der Bewohner in diesem abgeriegelten Küstenstreifen kam aus der Mitte der Gesellschaft.

In einem friedlichen Protest zogen die Menschen in Richtung Grenze, um die Welt wachzurütteln. Fahnen der Hamas oder anderer politischer Gruppen waren weit und breit nicht zu sehen, wenn sich auch Mitglieder der Hamas und Fatah dem Protest angeschlossen hatten. Die Weltpresse, ganz besonders auch die der BRD, verdreht diese Tatsache und beschuldigt die Hamas, die Proteste initiiert und gesteuert zu haben. Die Medien behaupten, die Hamas habe die Jugendlichen mit Steinen und brennenden Autoreifen an den Zaun geschickt, um in dieser geradezu lächerlichen Unterlegenheit gegen eine der am höchsten gerüsteten Armee der Welt vorzugehen. Die Hamas, deren Politik auch von Menschen in Gaza kritisiert wird, wird in den deutschen Medien dämonisiert, indem ihr immer das Etikett radikal islamisch oder islamistisch angehängt wird. Ich habe in Deutschland gelebt und weiß, daß mit dem Wort radikal nichts Gutes verbunden wird. Und viele Menschen wittern beim Wort islamisch oder Islam schon so etwas wie Gefahr. Mit dieser Etikettierung werden wir alle in Gaza zu latent gefährlichen Menschen. So funktioniert die Sprache, denke ich.  

Ich bin erstaunt, daß die Menschen in Deutschland und anderswo glauben, daß wir die Existenz Israels bedrohen könnten. Opfer und Täter werden absichtlich verwechselt. Heute sind WIR die Opfer. Ich glaube, daß man dies in der Welt nicht sehen will, weil die historische Schuld, die die Welt und ganz besonders Deutschland zu tragen hat, nicht zu sehen erlaubt, daß uns Palästinensern heute großes Unrecht zugefügt wird. UNS wurde das Land geraubt, WIR wurden vertrieben, WIR leben unter menschenunwürdigen Bedingungen, eingezäunt wie wilde Tiere.

Ich bin realistisch: Was uns genommen wurde, werden wir wahrscheinlich nicht zurückbekommen. Aber warum betrachtet die Welt unseren Wunsch nach 70 Jahren in unser Land zurückzukehren als unerhört und unverschämt, den Anspruch der Israelis nach 2000 Jahren dahin zurückzukehren, wo sie einst gelebt haben aber als völlig legitim? Wie kann es sein, da übersehen wird, daß sich innerhalb von 2000 Jahren die territorialen Verhältnisse geändert haben? Wie kann es sein, daß die Vertreibung und Flucht der Palästinenser aus ihren Häusern, von ihren Grundstücken, aus ihrer Heimat, in der sie Jahrhunderte lang gelebt haben, nicht einmal thematisiert wird. Und wie kann es sein, daß die Welt der Landenteignung durch die Siedler meist stumm zuschaut oder sie sogar akzeptiert? Mit welchem Recht geschieht mir und uns das alles?

Wenn wir heute auch nur ein menschenwürdiges Leben fordern, wird auf uns in Gaza geschossen, werden wir in der Welt als Terroristen bezeichnet, können die israelischen Soldaten auf uns schießen, ohne daß es einen Aufschrei in der Welt gibt. Das Vorgehen der israelischen Soldaten wird gebilligt, einmal von kaum hörbaren Ermahnungen abgesehen, die die Israelische  Regierung sowieso nicht interessieren, ganz egal, ob laut oder leise vorgetragen. Um diesen völkerrechtswidrigen und unmenschlichen Zustand zu erhalten, schießen die Scharfschützen nach Angaben der israelischen Armee gezielt auf Palästinenser, die angeblich versuchen, den Grenzzaun zu beschädigen.

Man muß sich das einmal vorstellen: Die Beschädigung eines Zaunes berechtigt zu  Schußwaffengebrauch. Es besteht keine nationale Grenze zwischen dem Gazastreifen und Israel, denn Grenzen in diesem Sinn bestehen nur zwischen souveränen Staaten. Israel hat eine lückenlose Sperranlage mit einem Zaun, Pfosten, Sensoren und Pufferzonen um den Gazastreifen gelegt. Eine von Israel angelegte sogenannte Sicherheitszone ist 300 m breit. Hier herrscht Schießbefehl wie früher an der Berliner Mauer. Dieser Bereich ist nicht deutlich markiert. Auf bzw. hinter einem aufgeschütteten Sandwall liegend haben die Soldaten an den vergangenen Freitagen in die Menge der Protestierenden geschossen, die sich mindesten 300 m von dem Zaun auf dem Gebiet des Gazastreifens entfernt befanden. Offenbar konnten sie aus dieser Entfernung genau erkennen, wer ein Terrorist war, der möglicherweise einen Stein 300 m weit werfen und sie in Gefahr bringen könnte  -  entschuldigen Sie meine Ironie! Eine unterirdische Mauer befindet sich übrigens im Bau. Gut beschrieben finden Sie die Situation bei Wikipedia unter dem Stichwort Sperranlage um den Gazastreifen.

Am Karfreitag, den 30. März, und am Freitag, den 6. April, wurden mindestens 31 Palästinenser getötet und mehr als 2800 verletzt, sehr viele von ihnen erlitten Schußverletzungen. Allein am 6. 4. wurden 491 Menschen durch gezielte Schüsse verletzt, darunter auch Frauen und Kinder. Einige schweben in Lebensgefahr, viele der Überlebenden mußten an ihren Extremitäten amputiert werden. Die Verletzten können kaum angemessen versorgt werden, weil es an medizinischem Material fehlt. Verletzungen erlitten sehr viele Menschen durch Tränengasbomben, die von Drohnen abgeworfen wurden.

Was war das Verbrechen, auf das Israel mit ihrer militärischen Übermacht reagierte?

-   Ist es ein Verbrechen, wenn 30 000 und mehr Menschen gegen die unerträglichen Lebensverhältnisse protestieren? 

-   Sollen wir schweigen, wenn wir seit mehr als 10 Jahren in einem Gefängnis leben müssen?

 -   Wenn wir nur 4 Stunden Strom am Tag haben?

-   Wenn es kein sauberes Wasser gibt?

-   Wenn die medizinische Versorgung fast zusammenbricht, weil weder Medikamente noch medizinische Geräte ausreichend vorhanden sind, da sie nicht nach Gaza hereingelassen werden?

-   Wenn über 60 % der Jugendlichen arbeitslos sind? 

-   Wenn weit über die Hälfte der Bevölkerung auf internationale Lebensmittelhilfe angewiesen ist? 

-   Wenn diejenigen, die noch Arbeit haben, nur 40 – 50 % ihres eigentlichen Gehalts bekommen? 

-   Und vor allem, wenn wir aus diesem kleinen Gebiet, das etwa so groß ist wie Bremen, nicht raus dürfen? 

-   Machen WIR etwa den Israelis das Leben zur Hölle? Oder ist es nicht doch anders herum?

 

Auch wenn ich mich nicht an den Protesten beteilige, weil ich Angst vor den Schüssen der Israelis habe  - sollten sie in die Menge schießen -  so kann ich die hilflose Wut der jungen Leute verstehen, die keine Aussicht auf ein Leben in Würde haben, die so behandelt werden, als seien sie alle Terroristen, die nichts anderes im Sinn haben als andere Menschen zu verletzen, zu erniedrigen oder gar zu töten. Unsere jungen Leute sind nicht als Terroristen geboren worden. Sie wollen wie alle jungen und alten Menschen überall auf der Welt leben, nämlich in  Frieden und in menschenwürdigen Verhältnissen. Und sie sehen, daß nur wenige Kilometer entfernt im Nachbarland, häufig auf dem Boden ihrer Großeltern, Menschen leben, die all das haben, was ihnen selbst verwehrt wird. Genau das läßt sie verzweifeln und macht sie wütend. Sie wissen, daß sie verlieren werden, daß sie wahrscheinlich schon verloren haben und sie deshalb nichts mehr zu verlieren haben. Sie wissen, daß ihnen keine Achtung und kein Respekt entgegengebracht wird, weil sie Palästinenser sind. Daß sie unrechtmäßig von der Welt als die Bösen angesehen werden und die Nachbarn, nicht weit entfernt, immer als die Guten gesehen werden, gleichgültig wie brutal sie sich verhalten. 

Niemand mag gern vom Leid, vom Elend der anderen hören, besonders dann nicht, wenn man nicht weiß, wie man etwas ändern kann. Aber vielleicht können Sie doch etwas tun. Vergessen Sie uns nicht! Lesen, hören und sehen Sie die Berichte über uns, über die Palästinenser und vielleicht sogar über die radikal islamische Hamas kritisch. Lassen Sie vielleicht auch die Frage zu, welches Motiv dahinter stecken mag, daß sehr viele, wenn nicht die meisten Menschen, geneigt sind, Israel immer in Schutz zu nehmen, die Palästinenser hingegen für die Bösen zu halten, die angeblich selbst schuld sind, daß sie in Gaza wie Gefangene unter unwürdigen Bedingungen leben müssen. 

Zum Schluß möchte ich noch wiedergeben, was Gideon Levy in der israelischen Tageszeitung Haaretz geschrieben hat: »Es ist nicht schwer sich vorzustellen, was passiert wäre, wenn ein Siedler niedergestochen worden wäre  -  Rundfunk vor Ort, Studios würden geöffnet. Aber in Gaza haben die israelischen Verteidigungskräfte erbarmungslos weiter massakriert, in einem grauenvollen Rhythmus, während Israel Pessach feiert«.

Es gibt Israelis, bei denen ich mich für ihren Mut und ihre Humanität bedanken möchte. Neben einigen anderen möchte ich ganz besonders Amira Haß und Gideon Levy hervorheben. Beide schreiben als Journalisten für die
Haaretz. Im Zusammenhang mit den Protesten in Gaza möchte ich mich bei der Organisation B’tselem bedanken, in der sich ehemalige Soldaten zusammengefunden haben, die ihr eigenes Vorgehen während ihrer Militärzeit selbstkritisch dokumentieren. Jetzt haben sie eine Kampagne mit Anzeigen in israelischen Zeitungen gestartet, die lautet: Sorry Commander, I cannot shoot. Sie fordern die Soldaten am Sperrzaun zu Gaza auf, nicht auf unbewaffnete Protestierende zu schießen, weil dies illegal ist.   

Wenn ich sehr verzweifelt bin, machen mir diese Menschen Mut und Hoffnung, daß ich und vor allem meine Kinder es eines Tages erleben werden, daß Israelis und Palästinenser jeweils im eigenen Staat oder vielleicht auch in einem Staat friedlich nebeneinander leben können. Ich hoffe, daß in den nächsten Wochen nicht noch mehr Menschen verletzt oder erschossen werden. In Deutschland gibt es den Satz: »Was du nicht willst, daß man dir tut, das füg’ auch keinem anderen zu« Ich wünsche mir, daß sich alle daran halten werden …… 

Abed Schokry  
Gaza, den 8. April 2018

Der Autor, der an der TH Darmstadt studierte und in Berlin zum Dr. Ing. promovierte, kehrte 2007 mit seiner Familie nach Gaza zurück.

 

Israel hat gerade die Unterstützung der Juden in den USA verloren  schreibt Philip Weiss, ein US-Journalist jüdischen Glaubens, zu den oben dargelegten Vorgängen. Wie er aufzeigt, ist die am 30. März erfolgte Erschießung von 17 unbewaffneten palästinensischen Demonstranten durch israelische Soldaten von wichtigen Stimmen in den US-Mainstream-Medien verurteilt worden.  [1]

Chris Hayes sprach im TV-Sender MSNBC von »skrupelloser Gewaltanwendung«; in der Folge kritisierte er, daß 750 Palästinenser Schußverletzungen erlitten haben sollen, »wenn diese Zahl stimme.«  [2]  Nach den üblichen Bemerkungen über den palästinensischen Extremismus erklärte er ferner, das rechtfertige aber keineswegs, »daß vermutlich israelische Scharfschützen von einem Hügel aus Protestierende wie Hasen abknallen.« Sie hätten immer wieder einen »dichten Kugelhagel auf unbewaffnete Menschen niederregnen lassen.« Außerdem warf Hayes »der übergroßen Mehrheit der Kongreßmitglieder« vor, nichts gegen das Massaker gesagt zu haben.  [3]   Ayman Mohyeldin, ebenfalls von MSNBC, warf anderen Medien Rassismus vor, da sie nicht über das Töten berichteten.

David Rothkopf von der Stiftung Carnegie Endowment for International Peace‹   sprach Israel sogar das Recht ab, sich als jüdischen Staat zu bezeichnen. Auch die New York Times, die Washington Post und J Street haben, wenn auch mit Einschränkungen, die Morde in einer Brian-Lehrer-Talkrunde auf WNYC kritisiert; Cornel West merkte an, daß auch Martin Luther King jr. Kritik an dem israelischen Massaker in Gaza geübt hätte, wobei Brian Lehrer, der Israel normalerweise unterstützt und bevorzugt Neokonservative einlädt, nicht versuchT hat, West zu widersprechen. 
 
Warum ist der Damm gebrochen, und was bedeutet das?
Es ist geschehen, weil die Linke in den sozialen Medien fast geschlossen gegen die Morde protestierte und prominente Rechte geschwiegen haben. Bill Kristol, Jeffrey Goldberg und Jennifer Rubin haben es nach nur einem Blick auf die schrecklichen Videos von den Vorkommnissen in Gaza wohl vorgezogen, nicht nach Rechtfertigungen für die nicht zu entschuldigenden
Übergriffe der israelischen Armee zu suchen und sich lieber mit Trump beschäftigt. Das ist ungeheuer wichtig: Die Liebesbeziehung zwischen den USA und Israel geht wohl zu Ende. In den kommenden Jahren dürften wir in der US-Politik immer deutlichere Anzeichen für einen Bruch mit Israel entdecken.

Schauen wir uns die Entwicklung der letzten Tage genauer an. Die Kommentatoren der Mainstream-Medien sind erst aufgewacht, nachdem in den sozialen Medien, auf alternativen Websites und von Menschenrechtsgruppen heftige Kritik an den unbestreitbaren israelischen Kriegsverbrechen geübt worden war. Wichtiger ist aber noch, da
ß sich einflußreiche Mainstream-Medien dieser Kritik vor allem deshalb angeschlossen haben, weil kein Gegenwind aus den Zentren des Zionismus gekommen war.

Die israelische Menschenrechtsgruppe B'Tselem hatte die Erschießungen bereits am gleichen Tag verurteilt. Und vier Tage später bezeichnete auch Human Rights Watch die Tötungen als illegal und vorsätzlich und vermutete, daß die israelischen Soldaten auch deshalb so viele Palästinenser umgebracht hätten, weil sie  - wie immer -  nicht mit Strafverfolgung zu rechnen hatten.  Omar Shakir von HRW hat inzwischen mit Anzeigen gegen die israelischen Offiziere, die für die Kriegsverbrechen verantwortlich sind, gedroht: »Israel, wir haben beobachtet und dokumentiert, was du am Freitag in Gaza getan hast. Straffreiheit in Israel wird die Täter nicht vor Anklagen im Ausland schützen.«  [4]  

IfNotNow, eine nicht-zionistische jüdische Gruppierung hat die Getöteten als Mordopfer bezeichnet und vor dem israelischen Konsulat in Boston demonstriert; dabei wurden acht junge Juden festgenommen, nach deren Meinung die Morde gegen den Geist des Passah-Festes verstoßen haben. Eine weitere Demonstration fand vor den Büros einer jüdischen Vereinigung in New York statt. IfNotNow forderte die Union for Reform of Judaism/URJ, die sich u.a. auch schon gegen die laxen Waffengesetze der USA ausgesprochen hat, dazu auf, die schockierenden Morde der israelischen Armee an den Palästinensern zu verurteilen.  [5]  

Auch andere wichtige Stimmen wie Mohyeldin von NBC haben das Schweigen vieler Mainstream-Medien zu den rassistischen Morden in Gaza kritisiert. Es geht nicht nur um die doppelten Standards der Liberalen und Progressiven ….. Stellen Sie sich vor, wie groß die Empörung in den Mainstream-Medien wäre, wenn 15 Israelis erschossen worden wären? Dieser Konflikt wird niemals enden, wenn die Bevölkerung und die Politiker auch in Zukunft so einseitig und falsch wie bisher informiert werden. Auf Rula Jebreals Einlassung, »mit der Ein-Staat-Lösung würden nur die Menschenrechte und am Ende die israelische Demokratie liquidiert«, reagierte David Rothkopf mit der Anmerkung: Solange nicht alle Bewohner aller Gebiete, die Israel kontrolliert, die gleiche Behandlung erfahren und gleiche Rechte haben, ist Israel keine Demokratie. Rothkopf ist eine Institution für die Juden in den USA; der ehemalige Chef des außenpolitischen US-Magazins Foreign Policy war offensichtlich sehr wütend: »Das brutale Vorgehen Israels gegen die Demonstranten in Gaza .... und im gesamten Gazastreifen ….. steht im Widerspruch zu allem, was wir am Pessach-Fest feiern. Es ist der Gipfel der Heuchelei, wenn ein angeblich jüdischer Staat elementarste Prinzipien unserer Religion verletzt, um sein Existenzrecht durchzusetzen.« Beachten Sie auch seinen sarkastischen Seitenhieb auf das Mantra, mit dem uns Israel-Lobbyisten sonst immer den Mund zu stopfen versuchen, das Existenzrecht Israels. 

Das wichtigste Element der Reaktion auf das Massaker in Gaza ist aber die Tatsache, daß die Neokonservativen und rechtslastigen Schreihälse diesmal    stumm geblieben sind. Weil sie genau wissen, daß Israels Verhalten nicht zu rechtfertigen ist, haben sie keinen Beifall geklatscht. Bill Kristol, Jeffrey Goldberg, Bret Stephens, Bari Weiss und und Tamara Cofman Wittes haben einfach den Mund gehalten. Dem lautstarken Chor sehr gut vernetzter Israel-Fans in der Presse und im Fernsehen hat es offensichtlich die Sprache verschlagen. Auch sie haben nicht verstanden, warum die israelische Armee das getan hat, und wünschen sich nur, daß die große Empörung bald vorbei ist. [Sie hoffen von dem Massaker ablenken zu können, wenn sie mit Trump einen größeren Fisch grillen. Dabei stört sie aber, daß Trump von Netanjahu sehr geschätzt wird.] 

Mit ihrem Schweigen haben sie Bernie Sanders das Feld für eine sehr gute Stellungnahme zu dem Massaker in einem TV-Interview mit Jake Tapper überlassen. Senator Patrick Leahy aus Vermont und die Abgeordnete Betty McCollum aus Minnesota haben Israel ebenfalls kritisiert: Ich bin entsetzt darüber, daß am Freitag in Gaza so viele Palästinenser getötet und verletzt wurden. »Die Angriffe auf friedlich protestierende Palästinenser müssen aufhören, und die USA und die internationale Gemeinschaft müssen in einer Resolution die Beendigung dieses Konfliktes fordern.« Auch liberale Medien sind jetzt empfänglicher für Kritik an Israel, so daß sich auf den wichtigsten Plattformen sogar Palästinenser äußern können. Diana Buttu in einem Kommentar in der Washington Post: »Es wird Zeit, Israel das Handwerk zu legen.« Rawan Yaghi in der New York Times: »Ich habe die Proteste mit Gedanken über das Leiden in Gaza verlassen: Seit Jahren fallen immer wieder Bomben, seine Grenzen sind geschlossen, und die von den Vereinten Nationen bezahlte  Infrastruktur droht zu zerfallen. Ich dachte an die Kinder, die auf der Betonplatte des Erdgeschosses, dem einzigen Überbleibsel eines hohen Wohnhauses, Fußball gespielt haben, mit Betonstümpfen und Eisenstangen als einzigen Zuschauern. Und mir ging durch den Kopf: Wieder haben die Bewohner Gazas die Kraft zum Protest gefunden, zu einem verzweifelten Schrei um Hilfe zum Überleben.«  [6]  Die New York Times beendete ihr dreitägiges Schweigen mit einem Leitartikel, in dem Israel ungewöhnlich scharf angegangen wurde.  [7]  Der israelische Botschafter bei den Vereinten Nationen war sehr verärgert.

Vor zehn Jahren hat sich Max Blumenthal um Antizionisten gewandelt, auf Kundgebungen damalige israelische Massaker angeprangert und viele erschüttert. Jetzt ist David Rothkopf zum Antizionisten geworden und hat uns alle damit in Erstaunen versetzt. Soviel ist seit der israelischen Militäraktion Cast Lead zum Jahreswechsel 2008/2009 geschehen. Seither hat es noch weitere Massaker gegeben, die alle von einer Mehrheit beutegieriger Juden in Israel gebilligt wurden. Die Juden in den USA werden Israel bald nicht mehr helfen, den Sack mit der Beute in Sicherheit zu bringen. 

Die Überschrift meines Artikel lautet: »Israel hat gerade die Unterstützung der Juden in den USA verloren«. Die Sintflut wird kommen.

Ich danke Ofer Neiman, Allison Deger, Scott Roth, Bob Herbst  [8]  und James North für ihre Mitarbeit.
  


[1]  Quelle:  
http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_16/LP04718_160418.pdf   Friedenspolitische  Mitteilungen  aus  der US-Militärregion Kaiserslautern/ Ramstein LP 047/18 – 16.04.18 
Original auf http://mondoweiss.net/2018/04/israel-just-american/

Israel just lost American Jews – By Philip Weiss – April 5, 201

[2]  http://www.msnbc.com/all-in/watch/israeli-troops-shoot-750-palestinians-at-gaza-border-1203036739733

[3]  http://mondoweiss.net/2018/04/excellent-netanyahu-snipers/     

[4]  https://twitter.com/OmarSShakir/status/981583262823993344

[5]  https://en.wikipedia.org/wiki/Union_for_Reform_Judaism

https://urj.org/blog/2017/06/26/reform-movement-cancels-meeting-prime- minister-netanyahu

[6]  https://www.nytimes.com/2018/04/03/opinion/gaza-palestine-israel-protests.html

[7]  https://www.nytimes.com/2018/04/02/opinion/gaza-protests-israel-hamas.html

[8]  http://mondoweiss.net/2018/04/jewish-state-values/