Herbsttagung der NATO-Verteidigungsminister
auf. »Die Bundeswehr ist ja außerstande, eine
sicherheitsmäßige oder militärische Beurteilung der Situation zu erstellen,
ohne die Dinge aus der NATO übernehmen zu müssen. Ein eigenständiges Denken ist
mir bei der Bundeswehr in den letzten Jahrzehnten eigentlich überhaupt nicht
untergekommen; mich wundert das in hohem Maße.«
Die düsteren Prognosen der ›Strategischen
Vorausschau 2040‹ zielen nach
Meinung des Politprofis darauf ab, das eigene Tun zu verschleiern.
»Die Situation, in der wir uns heute befinden, ist
ja von der NATO im Wesentlichen selbst hergestellt worden. Ich muß ja nur daran
erinnern, daß die verhängnisvolle Entwicklung in Europa erstens mit dem
völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien begonnen hat
und zweitens damit, daß sich der Westen außerstande gesehen hat, der Russischen
Föderation gegenüber das einzuhalten, was bei der deutschen Wiedervereinigung
Grundlage des 2+4-Vertrags und aller internationalen Übereinkommen gewesen ist.
Vor diesem Hintergrund ist es ganz merkwürdig: Man beklagt Umstände, für die
man selbst die Ursache gewesen ist. Das ist inzwischen offensichtlich Methode
in der NATO.«
Für
das im Strategiepapier skizzierte ›Worst-Case-Szenario‹ eines Auseinanderbrechens der EU sieht Wimmer
bereits Anzeichen. Das europäische Projekt sei bisher nur deswegen erfolgreich
gewesen, weil Deutschland seine Nachbarn pfleglich behandelt und nicht vor
vollendete Tatsachen gestellt habe. Dies habe sich seit Beginn der
Flüchtlingskrise geändert: »Bei der
Migrationsentwicklung im Herbst 2015 hat die Bundeskanzlerin deutlich gemacht,
daß sie weder auf die europäischen Nachbarn gehört hat, noch auf den eigenen
Bundestag oder gar auf das, was die deutsche Bevölkerung in diesem Zusammenhang
gesagt hat. Da muß man sich natürlich nicht wundern, wenn die anderen
europäischen Staaten nach dem Brexit sagen: So geht das nicht weiter. Wir sehen
doch in Warschau, in Prag, in Budapest und in Bratislava, daß die
Staatsführungen sich deshalb Gedanken machen, weil das nicht der europäische
Weg sein kann, den die Bundeskanzlerin vorgegeben hat.«
Wie
eine zerbröckelnde EU mit der Idee einer europäischen Armee, wie im
Strategiepapier vorgeschlagen, zusammenpassen soll, kann Wimmer nicht
nachvollziehen. »Das ist gelebter politischer Schwachsinn, wenn man
auf der einen Seite den Zerfall Europas prognostiziert, und dann durch eine
gemeinsame europäische Aggressionsarme gegensteuern will. Das kriegt man
politisch gar nicht auf die Reihe und es macht deutlich, daß das alles
verzweifelte Bemühungen sind, im Zusammenhang mit der Politik der eigenen
Regierung für die Streitkräfte noch etwas übrig zu lassen. Wenn wir uns die
heutigen Entscheidungsmöglichkeiten der Bundeswehr und der deutschen
Verteidigungspolitik in der NATO ansehen, sind wir unter dem Zustand, den die
rumänischen Streitkräfte bei der Wehrmacht hatten.«
Sorge
machen dem Experten die Militarisierung des Schengen-Raums, die mit dem derzeit
diskutierten ›PESCO‹-Projekt Form anzunehmen scheint.
Dieses soll am 13. 11. vom Außen- und Verteidigungsministerrat der EU
beschlossen werden; es beinhaltet gegenwärtig 47 einzelne Projektvorschläge zur
Kooperation der europäischen Streitkräfte. »Wir
müssen heute feststellen: Die europäischen Verteidigungsüberlegungen, wie sie
derzeit auch durch die Europäische Kommission
angestellt werden, haben dasselbe Aggressionsmodell gegenüber allen unseren Nachbarn zum Inhalt, wie
wir es bei der NATO haben. Die NATO ist schon seit
Jahrzehnten nicht mehr in Übereinstimmung mit dem eigentlichen NATO-Vertrag
unter einer reinen Verteidigungsüberlegung tätig, und das gleiche
Aggressionsverhalten will auch die Europäische Union mit ihren
Verteidigungsüberlegungen, die zweifellos in amerikanischem Interesse sein
werden. Die Europäische Kommission legt etwas auf den Tisch, was die Welt
erschaudern lassen muß.«
Auch
für die Bürger der EU-Staaten bedeute eine solche Entwicklung nichts Gutes. »Wir
sehen in diesen Tagen Überlegungen, den NATO-Raum zu einem militärischen
Schengen-Raum zu machen. Das geht nur, wenn die Reste
europäischer Souveränität, die ja mit den staatlichen Grenzen
verbunden sind, so zugrunde gefahren werden, wie die Bundeskanzlerin das in der
Migrationskrise gemacht hat. Das ist für unsere Nachbarn nichts Gutes und das
verheißt auch für die Bürger in Europa selbst überhaupt nichts Gutes.
Wenn
man das ganz nüchtern sieht, was in der NATO läuft, müsse man befürchten, daß
man demnächst einen amerikanischen Befehlshaber für Europa bekomme. Und der
werde dann eines seiner künftigen Hauptquartiere in Deutschland haben,
resümiert Wimmer. Wimmer wünscht sich, daß deutsche Streitkräfte künftig nur
unter deutschem Befehl und keinesfalls unter dem Oberbefehl fremder
Streitkräfte stehen. »Und daß wir dann eine
friedensgeneigte deutsche Politik in Europa betreiben, eine Politik der guten
Nachbarschaft und nicht der von den Vereinigten Staaten hochgezogenen
Aggressionsbereitschaft gegenüber der Russischen Föderation oder anderen
Völkern auf diesem Globus.« [1]
Beständig
gegen Russland – eine konstante Obsession
Wie
der ›Basler Zeitung‹ vom 9. 11. zu entnehmen war, hat sich
die Situation für den NATO-Generalsekretär Jens Stolzenberg klar verändert. So
verstärkt die NATO rund drei Jahrzehnte nach Ende des Kalten Krieges erstmals
wieder ihre Kommandostrukturen. Die Verteidigungsminister der Bündnisstaaten
bewilligten am 8. 11. in Brüssel den Aufbau von zwei neuen Hauptquartieren. »Die
Kommandostruktur muss sich verändern, wenn sich das Sicherheitsumfeld verändert«,
erklärte Stoltenberg. Die erweiterte Kommandostruktur sieht den Aufbau von zwei
Planungs- und Führungszentren vor. Ein Hauptquartier soll Truppenverlegungen
innerhalb Europas führen; das zweite soll Marineeinsätze im Atlantik steuern
können, um im Kriegsfall den Seeweg zwischen den USA und Europa frei zu halten.
Detailplanungen
sollen nun bis zum Treffen der Verteidigungsminister im Februar erfolgen. Der
Ausbau der Kommandostruktur stellt eine weitere Kehrtwende der NATO im
Vergleich zur Politik nach dem Ende des Ost-West-Konflikts dar. Die Pläne sind
eine Reaktion auf die als aggressiv wahrgenommene Politik Russlands. Um Moskau
abzuschrecken, wurden zuletzt bereits mehrere Tausend NATO -Soldaten im
Baltikum und in Polen stationiert, die im Ernstfall von einer schnellen
Eingreiftruppe Verstärkung bekommen sollen. Stoltenberg machte zudem klar, dass
sich auch die EU und die Privatwirtschaft an den Anstrengungen beteiligen müssten.
Die zivile Infrastruktur – Strassen, Schienennetze und Flughäfen – müsse
militärischen Anforderungen entsprechen, sagte der Norweger. »Die nationalen
Regierungen, der private Sektor und die Europäische Union haben Schlüsselrollen.« [2]
Als
seien wir schon im Krieg……. Und nirgendwo ein Protest …..
»Was die Seemacht angeht,
so heben«, wie ›German
Foreign Policy‹
schreibt, »deutsche
Militärs mit Blick auf den Machtkampf gegen Russland die hohe Bedeutung des
Kieler NATO-Exzellenzzentrums zur Randmeerkriegsführung für die Aktivitäten der
NATO-Marinen hervor. Das vor zehn Jahren in Dienst gestellte ›Operations in Confined and
Shallow Waters Centre of Excellence‹
entwickle sich Experten zufolge zu einem ›Magnet‹ unter den Anrainerstaaten der
Ostsee, von denen sich immer mehr wegen der Gefahr kriegerischer
Auseinandersetzungen mit Russland dem Zentrum anschlössen. Wie die 23 anderen
NATO-Exzellenzzentren entwickelt die Kieler Institution Strategien, analysiert
militärische Entwicklungen und führt Weiterbildungen für Führungspersonal aus
NATO-Mitgliedstaaten durch. Bis auf eines sind sämtliche NATO-Exzellenzzentren
in Europa angesiedelt und werden von einem französisch geführten NATO-Kommando
koordiniert - ein Ausdruck der Tatsache, dass der ›europäische
Pfeiler‹ des
Kriegsbündnisses eine tragende Rolle in dessen Weiterentwicklung anstrebt.«
Ein Abflauen der gegen Russland
gerichteten Strategien ist nicht in Sicht…..
[1] https://de.sputniknews.com/politik/20171110318244282-wimmer-interview-pesco/ 10. 11. 17 Ilona
Pfeffer - »Gelebter politischer Schwachsinn!
[2] https://bazonline.ch/ausland/europa/nato-ruestet-sich-gegen-russland/story/11695750 9. 11. 17
[3] https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7437/ 6. 11. 17
Die Ideenschmieden der NATO