Englands Brexit - Kommentare

d.a. »Kein Szenarium«, hatte Markus Gärtner am 9. Mai geschrieben, »ist schwarz

genug, um es nicht an die Wand zu malen, damit die Briten vor einem möglichen EU-Ausstieg zurückschrecken. Premier David Cameron hatte sogar vor einem möglichen Dritten Weltkrieg gewarnt, sollte Großbritannien der EU den Rücken kehren. Neben allen düsteren Szenarien hatte dann Kulturminister John Whittingdale, einer von sechs Brexit-Befürwortern in Camerons Kabinett, die Brexit-Verteufler gewarnt, sie sollten die Kirche im Dorf lassen. Der Wohlstand des Landes sei größeren Bedrohungen ausgesetzt als einem EU-Ausstieg, zum Beispiel einer Implosion der chinesischen Wirtschaft, dem Konflikt im Nahen Osten, oder der Achterbahnfahrt der Ölpreise: Den Leuten vorzumachen, daß einem Abschied von der EU das Armageddon folgt, ist falsch und gefährlich.«  [1]  Geht man zurück ins Jahr 2009, so hatte Cameron, nachdem ein Referendum zum Lissabon-Vertrag ausgeschlossen worden war, im November desselben Jahres erklärt, dass in der Folge keine britischen Rechte mehr ohne ein Referendum nach Brüssel transferiert würden, und dass alle künftigen Verträge der Bevölkerung zur Abstimmung vorgelegt würden. 

Am 29. Januar hatte der britische Premier mit Jean-Claude Juncker und Martin Schulz verhandelt; es ging um eine Verständigung hinsichtlich von EU-Reformen, die Cameron dem britischen Wahlvolk als Erfolg verkaufen können hätte. Zu den Ergebnissen des darauf folgenden EU-Gipfels vom 19. bis 20. Februar hielt Strategic Alert in seiner Ausgabe Nr. 8 vom 24. 2. folgendes fest: »Wer den lang erwarteten EU-Gipfel beobachtete, konnte nur feststellen, daß sich der Zerfall der EU und der Eurozone als entropischer Prozeß ständig weiter beschleunigt. Da ist es kein Wunder, wenn sich die Londoner City finanziell und politisch gegen den Euro positioniert. Finanziell setzte Premierminister Cameron durch, daß die City von neuen Regulierungen ausgenommen wird. Sie wird kein Teil der Bankenunion. Außerdem wurde auf britisches Ersuchen hin die Formulierung immer engere Union abgeschafft; London erhält ferner ein Vetorecht bei allen weiteren Integrationsschritten.« Wie die FAZ online vom 21. Januar berichtet hatte, wollten die grossen US-Banken England in der EU halten; Insidern zufolge hatten sich Goldman Sachs und JPMorgan mit beträchtlichen Summen an einer Kampagne beteiligt, die den Austritt verhindern sollte.

Klagen von Seiten Martin Schulz’ konnten natürlich nicht ausbleiben. Wegen der Euro- und Asylkrise, so der Präsident des EP Ende Mai, sei für viele Bürger ein Scheitern der Staatengemeinschaft denkbar. Ferner  - man stelle sich vor! -  »gebe es heute eine Menge Politiker, die dies propagieren und damit Wahlen gewinnen. Das ist furchtbar.« Offensichtlich schwingt in Brüssel die Furcht vor national ausgerichteten Parteien resp. Strömungen beständig mit, denn, so Schulz: »Die ungelöste Flüchtlingskrise ist ein willkommenes Instrument für die Konjunkturritter der Angst.« Am 23. Februar hielt dann Markus Gärtner fest, dass die  Transatlantiker, nachdem Cameron das Datum für das Referendum bekanntgegeben hatte, »ihre Sturmgeschütze ausfuhren, um die Briten so richtig einzuschüchtern«. Ein Brexit wurde als Armageddon-Szenario für das Land beschrieben, der schlimmste Fall, den sich die völlig verunsicherten Briten ausmalen könnten. »Für den aufmerksamen Beobachter«, so Gärtner, »wird einmal mehr deutlich, mit welcher Wucht, Präzision und Skrupellosigkeit, aber auch mit welchem Tempo die transatlantischen Propaganda-Brigaden ihr Arsenal mobilisieren, wenn von irgendwoher eine Gefahr für den Einigungsprozeß lauert, oder wenn es gilt, den unseligen, immer stärker gegen Brüssel aufbegehrenden Volkswillen plattzumachen.«  [2]

Das leidige Demokratiedefizit der EU
Sicherlich ist der ausgeprägte Mangel an Demokratie, der der EU anhaftet, in zahlreichen Artikeln dokumentiert, ohne dass dies bislang zu irgendwelchen Änderungen geführt hätte. Der frühere BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel hatte schon im April 2014 vor einem europäischen Zentralstaat gewarnt und eine Verschlankung der Union gefordert: »Die EU muß zurück zu den Wurzeln. Sie darf nur das entscheiden, was sie besser machen kann als die Nationalstaaten.« Nichts hiervon ist je eingetreten. Daneben hatte man sich an die Brüsseler Parolen Ohne EU kein Frieden, ohne EU keine Demokratie, keinen Wohlstand und keine Reisefreiheit etc., zu gewöhnen, aber auch daran, dass man, kritisierte man das Erfolgsmodell EU, damit rechnen musste, als Abweichler, Populist, nationaler Egoist, Demagoge, reaktionärer Europagegner, Europaskeptiker, Souveränist, ja gar als Rassist diffamiert zu werden, obwohl es durchaus berechtigt ist, die EU als ein selbstgerechtes Imperium zu betrachten, verfügt sie doch nur über ein Pseudo-Parlament ohne Vorschlagsrecht. Das EP kann auch nicht, wie dies in einer wirklichen Demokratie üblich ist, Gesetze einbringen; dieses Recht steht ausschliesslich der EU-Kommission zu, jener Kommission, die kein Mandat der Bürger besitzt und die sich gegebenenfalls auch nicht an die Verträge hält. Bereits im Februar 2012 hatte ein Infratest des auf  politische Meinungs- und Wahlforschung ausgerichteten Berliner Umfrageinstituts ergeben, dass lediglich 2 % der EU-Bürger glauben, in der EU eine Möglichkeit der politischen Beteiligung zu haben. So hatte auch Gregor Gysi trotz der im Anschluss an den Lissabon-Vertrag eingebrachten EU-Begleitgesetzen im August 2008 vor einem Europa der Eliten gewarnt. Er beanstandete, dass auch die überarbeiteten Regelungen Parlamente und Bürger zu wenig an der EU-Politik beteiligten: »Ein Europa der Eliten wird kaum Basis für die Zukunft sein.«

Nach Ansicht des ehemaligen EU-Juristen Hubert Dessloch wird die Politik der EU von grauen Eminenzen diktatorisch gesteuert. Der Österreicher hatte jahrzehntelang aktiv am Werden der EU mitgearbeitet. Dessloch zufolge sind die nationalen Parlamente praktisch entmachtet. Ihre Tätigkeit, erklärt er, besteht mehr und mehr nur noch darin, EU-Richtlinien in nationales Recht umzusetzen. Die EU-Entscheidungen kommen in Brüssel wie folgt zustande: »Auf den Gipfeltreffen der Regierungschefs werden den Staatschefs Papiere vorgelegt, deren Entwürfe sie frühestens auf dem Flug zum Gipfeltreffen studieren können. Wer diese Dokumente mit oft weitreichenden politischen Entscheidungen erarbeite, bleibt im Dunkeln«. Die Regierungschefs bekämen dann in Reden, für die jeweils 5 Minuten vorgesehen sind, kurz Gelegenheit, zu den Dokumenten Stellung zu nehmen. Danach würden über Nacht von nur wenigen EU-Chefbeamten Endfassungen erarbeitet, an denen am nächsten Tag höchstens noch ein Satz verändert werden dürfe. Diese Vorgehensweise, so Dessloch, zeige eine totalitäre Struktur, in der jedem Anschein von Demokratie eine Absage erteilt wird.  [3]

So hielt der von Paul Craig Roberts als Washingtons Handlanger bezeichnete  Herman Van Rompuy, vormals Vorsitzender des Europarats, der Washingtoner Frontorganisation, die EU-Wahl für überflüssig. Denn: ›Entschieden wird woanders‹. Nicht, dass er hinzugefügt hätte, wo, aber man geht nicht fehl, wenn man hier an die Trilaterale Kommission, das European Council on Foreign Relations, die Atlantikbrücke und die zahlreichen Stiftungen und NGOs denkt, die samt und sonders hinter den Kulissen aktiv sind. Wie Ex-Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine jetzt Ende Juni dargelegt hat, »besteht einer Meldung der   Nachrichtenagentur dpa zufolge seit längerem die Sorge in Brüssel, daß die Parlamente einzelner Staaten die Weiterentwicklung der europäischen Handelspolitik blockieren könnten.« Diese Meldung hat Lafontaine wie folgt kommentiert: »Aus Sorge, die demokratischen Parlamente könnten die Zerschlagung grundlegender Arbeitnehmerrechte und sozialer Standards ablehnen, wird die Demokratie mit Tricks ausgehebelt. In der EU geht eben nicht alle Macht vom Volke aus, sondern von Banken und Konzernen.« Die grössten Feinde eines Europas, in dem Demokratie und Sozialstaat das Zusammenleben der Menschen bestimmen sollten, sind Lafontaine zufolge die Tölpel in der EU-Kommission: »An der Spitze ein Präsident, der sich schon als Pate der Steuervermeider und Steuerhinterzieher einen Namen gemacht hat. So kann es nicht weitergehen, mahnte er.  [4]  Noch am 1. Juni hatte Ratspräsident Donald Tusk bei einer Versammlung europäischer Konservativer in Luxemburg gegenüber den Politikern den Vorwurf erhoben, in einem Narrenparadies zu leben und mit ihren utopischen Illusionen Europa durch überzogene und blinde Einigungsbemühungen in Wahrheit auseinander zu reissen. 

Nun dürfte dieser Tatbestand der Mehrheit der Abgeordneten bekannt sein. Selbst wenn man bedenkt, dass sie nicht im Rufe stehen, sich generell und speziell vor Abstimmungen gründlich zu informieren, ist die Bestürzung, die hinsichtlich des Abstimmungsergebnisses in nicht wenigen Stellungnahmen zum Ausdruck kommt, dennoch als abstrus einzustufen. Die mancherorts herrschende Konsternierung hat Ramin Peyman, der Autor des Buches Spukschloss Deutschland - Der Zeitgeist als Gespenst einer Generation, geradezu vortrefflich eingefangen: »Nie zuvor«, schreibt er, »hat man die sogenannte politische Elite derart konsterniert erlebt. Die Riege der Sonnenkönige hat sich nicht vorstellen können, daß sich die Erde plötzlich wieder um die Sonne dreht und die älteste Demokratie Europas ihr die Tür weist. Kalt erwischt wurde sie am frühen  Freitagmorgen, der eine Zeitenwende eingeläutet hat. Das Votum der Briten für den Austritt aus der Europäischen Union sendet eine klare Botschaft in alle Welt: Die Herrschaften des Brüsseler Politbüros haben abgewirtschaftet. Die Kanzlerin versucht sich derweil in Gelassenheit, aber auch sie kann nicht verbergen, daß ihr der plötzliche Demokratie-Anfall schwer zu schaffen macht. Da hilft die Flucht nach vorne: Wie einst Merkel beim Euro, versuchen die Brüsseler Granden die Rettung ihrer EU mit der Bewahrung des Friedens in Europa gleichzusetzen. Dies ist natürlich ebenso grober Unfug wie das Euro-Mantra der Kanzlerin. Die Gemeinschaftswährung hat zu nachhaltigen Verwerfungen auf dem Kontinent geführt, die Bürger Europas gegeneinander aufgebracht und viele Millionen Menschen ärmer gemacht. Niemand wird ernsthaft behaupten können, der Euro sei ein friedenstiftendes Projekt.«  [5] 

Von daher gesehen sind auch die Worte von Boris Johnson, die dieser kurz vor der Wahl ausgesprochen hat, völlig berechtigt: »Wir können für die Demokratie aufstehen. Wenn wir die Demokratie wählen und die EU abwählen, dann geben wir damit auch all den Hunderten von Millionen Europäern eine Stimme, die von ihrer Regierung nicht gefragt werden, ob sie im antidemokratischen EU-Korsett verbleiben wollen oder eine Freiheit in Demokratie vorziehen«. Am 28. Juni richtete dann Nigel Farage, einer der Streiter für den Austritt Grossbritanniens aus der EU, im EP das Wort an Herrn Schulz: »Sie, als politisches Projekt, verschließen die Augen vor der Wahrheit. Sie wollen nicht wahrhaben, daß Ihre Währung scheitert. Nein, schauen Sie nur die Mittelmeerländer an: In Form einer Politik, Griechenland und dem Rest des Mittelmeerraums Armut aufzuerlegen, haben Sie gute Arbeit geleistet. Und Sie wollen nicht wahrhaben, daß Frau Merkels Aufruf vom vergangenen Jahr, so viele Menschen wie möglich das Mittelmeer hinein in die Europäische Union überqueren zu lassen, zu massiven Zerwürfnissen zwischen den Ländern und auch innerhalb dieser Länder geführt hat. Ihr größtes Problem jedoch  - und der Hauptgrund, warum sich das Vereinigte Königreich so entschieden hat -  ist, daß  Sie durch List, durch Täuschung, und ohne dem britischen Volk oder dem Rest der Völker Europas jemals die Wahrheit zu sagen, diesen eine politische Union aufgedrängt haben. Und als sich die Menschen in den Niederlanden und in Frankreich 2005 gegen diese politische Union entschieden und die Verfassung zurückwiesen, da haben Sie sie einfach ignoriert und haben den Vertrag von Lissabon durch die Hintertür eingebracht.« Im weiteren legte er Schulz gegenüber dar, »daß hier – also bei  der Abstimmung -  genau die Menschen entscheidend waren, die in den vergangenen paar Jahren unterdrückt wurden und die beobachten mußten, wie ihr Lebensstandard gefallen ist: Diese haben sich gegen die Multinationalen, gegen die Geschäftsbanken ausgesprochen. Sie haben sich gegen die große Politik ausgesprochen und gesagt: Wir wollen unser Land zurück. Wir wollen unsere Fischereigewässer zurück. Wir wollen unsere Grenzen zurück. Wir wollen eine unabhängige, selbstregierte, noble Nation sein. Und auf diesem Weg bieten wir jetzt ein Zeichen der Hoffnung für die Demokraten im Rest des europäischen Kontinents. Heute früh sage ich eine Sache voraus: Das Vereinigte Königreich wird nicht der letzte Mitgliedsstaat sein, der die Europäische Union verläßt.«  Hierzu gehört auch der Brüssel gegenüber gemachte Vorwurf von Cameron, wie ihn der Daily Expressvon London am 29. 6. veröffentlichte: »Der Ausgang der Brexit-Abstimmung ist insgesamt Ihr Fehler, nachdem Sie sich geweigert haben, uns zu erlauben, die Massenimmigration zu kontrollieren.« Cameron erklärte, er habe das Referendum verloren, weil es die EU verabsäumt habe, die Sorgen der Bürger in Migrationsfragen ernst zu nehmen. Die zunehmenden Spannungen in der Flüchtlingskrise unmittelbar vor dem Referendum hätten letzten Endes den Ausschlag gegeben, sagte er der Financial Timeszufolge. Sie seien die treibende Kraft für das Votum gewesen, weil sich die Bürger vor einer Massen-Einwanderung gefürchtet hätten.    

Man kann sich ungefähr den Horizont der EP-Abgeordneten vorstellen, bedenkt man, dass eine mögliche Folge des Brexits, wie sie Farage vortrug: »Falls Sie sich dazu entschließen würden, jeden Gedanken an einem vernünftiges Handelsabkommen abzulehnen, dann wären die Konsequenzen für Sie weitaus schlimmer, als sie es für uns wären«, Gelächter erzeugte. Dass England durchaus auf festem Grund stehen wird, dürfte absehbar sein, während die längst als US-Kolonie bezeichnete EU, ändert sie die ihr von der USA aufgezwungene Handlungsweise in essentiellen Bereichen nicht, nur noch tiefer sinken kann.  

Was den Lissabon-Vertrag angeht, so stand für Martin Schulz, der betonte, dass man nicht anfangen dürfe, die EU zu zerpflücken, Anfang Juni fest, dass die von Cameron angeregten Änderungen der europäischen Verträge nicht auf der Tagesordnung stehen. So galt auch im Januar  - wie bereits vermerkt -  eine Änderung der Europäischen Verträge als derzeit ausgeschlossen. Interessant ist hier aber, dass, sobald Themen wie Enteignung und Zugriff auf unsere Vermögenswerte ins Spiel treten, effektiv Änderungen ins Auge gefasst werden; so hiess es im November 2013: »Die neueste Idee schafft die Möglichkeit, daß EU-Gläubiger Zugriff auf nationale Vermögen erhalten können. Brüssel versucht, eine massive Enteignung als partnerschaftliche Rettung zu tarnen.« Und: »Man mußte nur genau hinhören, wie positiv Angela Merkel diesem Rettungsplan gegenübersteht: Die Kanzlerin hat bereits angekündigt, für die neue Form der Gemeinschaftshaftung auch bereit zu sein, die EU-Verträge zu ändern.«  [6] 

In ihrer Regierungserklärung vom 28. Juni kündigte die Bundeskanzlerin einen harten Kurs gegen Briten an. »Die Verhandlungen werden nicht nach dem Prinzip der Rosinenpickerei geführt«, mahnte sie. Zunächst liege es an den  Briten, deutlich zu machen, wie sie den Brexit gestalten wollen. »Ich kann unseren britischen Freunden nur raten, sich nichts vorzumachen.« Um es klipp und klar zu sagen, betonte Merkel, »daß es keine formellen oder informellen Gespräche mit den Briten geben werde, solange ihr Land nicht nach Artikel 50 des EU-Vertrags einen Antrag auf Austritt gestellt hat. Die Bundeskanzlerin warnte vor einer Spaltung der EU; trotzdem könne der Staatenverbund den Austritt Großbritanniens verkraften. Dafür benötige er aber gemeinsame Entscheidungen aller 27 EU-Staaten.  [7] 

Nach siebenstündigen Verhandlungen am EU-Gipfel vom 29. Juni sprach sich die Kanzlerin bekanntlich gegen eine Reform der Union, die Vertragsänderungen erfordern würde, aus. Es werde keine Änderung der Verträge geben. »Wir können mit den Verträgen arbeiten«, sagte Merkel mit Blick auf den Lissabon-Vertrag. Offensichtlich jedoch nicht, wie oben angemerkt, wenn es darum geht, sich unsere Steuergelder einzuverleiben; dann werden Änderungen sehr wohl erwogen. Wie sie sagte, erwarte sie, dass die Briten den Scheidungsantrag stellen: »Das Referendum steht da als Realität.« Der Brexit sei unumkehrbar. Alle täten gut daran, die Realitäten zur Kenntnis zu nehmen. Sie erklärte ferner: »Ich will ganz offen sagen, daß ich an diesem Abend keinen Weg sehe, das wieder umzukehren.«  [8] 

Natürlich gibt es zu jeder Zeit Stimmen, die, man könnte sagen, genauer als die Briten wissen, wie das weitere Vorgehen auszusehen hat: So der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Axel Schäfer: »In einer solch historischen Situation kann das Parlament nicht warten. Wir können das Haus nicht heute brennen lassen und erst am Montag mit dem Löschen beginnen. 27 Staaten müssen jetzt zusammenhalten. Aus dem Brexit darf keine Katastrophe für Europa werden.« Dietmar Bartsch von den Linken sieht in dem Votum der Briten den »Ausdruck der schweren Krise der EU. Es sei erschreckend, daß die schrillen Parolen der Brexit-Befürworter mehrheitsfähig wurden.« Er fügte jedoch hinzu, »daß es sich um einen Bruch handle, der aber auch einen Auftrag an die Politik mit sich bringe, weg von einem Europa der Eliten, Banken und Konzerne, hin zu einem Europa der Menschen. Um das große europäische Projekt des Friedens, das große kulturelle Projekt, das Projekt für soziale Gerechtigkeit wird die Linke entschlossen kämpfen.« Geradezu absonderlich ist die Feststellung der Grünen-Politikerin Franziska Brantner: Jahrzehntelanges EU-bashing und Lügen über die EU habe man nicht in wenigen Monaten aufwiegen können. Erstens stellen die Vorbehalte gegenüber der EU, die von absolut kompetenten Autoren über die Jahre hinweg formuliert worden sind, alles andere als ein EU-bashing dar, und zweitens kann von Lügen schon gar nicht die Rede sein. Brantner des weiteren: »Wer mit dem Feuer zündelt, brennt am Ende das Haus ab. Das sollte für alle Demokraten eine Warnung sein.« Wieso für die Demokraten? Es hat nicht den Anschein, als wäre sie dem Begriff Demokratie jemals auf den Grund gegangen. Ihre Forderung lautet daher: »Jetzt darf es keinen langen Scheidungsprozeß geben, der der EU die Kraft raubt, die sie gerade braucht.« Die britische Regierung sollte nun schnell das Artikel 50 Verfahren einleiten. Es dürfe keinen Extrastatus geben, Pflichten und Rechte müßten immer im Gleichgewicht sein, also kein Cherrypicking der Wirtschaftsbereiche, zu denen Großbritannien gerne Zugang hätte. Letzteres klingt in meinen Ohren reichlich makaber: Sieht ihr Demokratieverständnis etwa vor, die Briten vom EU-Handel auszuschliessen? Für die EU sei das Votum »ein Aufruf, in Ruhe und nicht in Panik zu prüfen, wo Verbesserungen notwendig sind.« Nun ja, Worte dieser Art haben wir genügend oft vernommen, ohne dass sie in Brüssel je beherzigt geworden wären. [9] SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann lastete dem britischen Regierungschef an, »einen riesigen politischen Scherbenhaufen hinterlassen« zu haben. Der Premierminister habe aus einer gespaltenen Partei ein gespaltenes Land gemacht. Was noch zu beweisen wäre ….. Auch er findet, dass es für England keine Sonderbehandlung geben dürfe, »keine Prämie für Europafeindlichkeit.«  [10] 

Wie die vielfach als totalitär bezeichnete EU ihnen doch am Herzen liegt! Womöglich haben sie sie noch nie durchschaut….

Den Science Files war ein in der Süddeutschen Zeitung erschienener Kommentar von Stefan Kornelius zu entnehmen. Vorausgeschickt wird dort: »Nun haben bestimmte Typen von Persönlichkeiten ein Problem mit der Akzeptanz von Meinungen, Aussagen und Verhaltensweisen, die dem widersprechen, was sie für richtig halten. Wilhelm Heitmeyer hat diese  Unfähigkeit, andere Meinungen und andere Überzeugungen und Verhalten zu akzeptieren, als mangelnde Ambiguitätstoleranz bezeichnet. Menschen, die mit diesem Mangel geschlagen sind, reagieren wütend und in Teilen extrem, aggressiv oder gar gewalttätig und in keinem Fall überlegt, besonnen und mit Abstand auf die abweichenden Meinungen, die sie nicht zu tolerieren bereit sind.« »Der Brexit«, so Kornelius, »schrumpfe die Briten in die Bedeutungslosigkeit. Den Briten fehle der Instinkt der eigenen Größe, stattdessen frönten sie populistischen Ressentiments und Ängsten und ließen sich von Lügen anfeuern. Voller ureigener Ängste seien die Briten, Rückzug ins Häusliche werde der offensiven Veränderung vorgezogen. Die Gefahren der globalisierten Welt würden sie in ihrer Provinzialität ignorieren und selbst in Syrien sei man entsetzt ob dieser Weltabgewandtheit, ob diesem freiwilligen Verzicht auf das gemeinsame Heil in der EU, das sich die Syrer so sehr wünschen. Die historische Katastrophe Brexit, sie habe der EU das Schwächesiegel auf die Stirn gestempelt. Sie wecke die historischen (vermutlich nationalen) Geister und die Angst vor der deutschen Dominanz, deren Ziel doch nur darin besteht, zu geben, anders als die Briten, die für sich behalten wollen, was sie erwirtschaften …..Was für eine geschichtsfremde britische Entscheidung  Man fragt sich, wie die Redaktion der SZdazu kommt, einen derartigen Verriss überhaupt abzudrucken!  [11] 

Angesichts einer starken Anti-EU-Bewegung im eigenen Land sagte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte: »Es sind nicht nur die britischen Wähler, die Zweifel an der europäischen Zusammenarbeit haben. Es gibt in vielen anderen EU-Ländern Skepsis.« Am 29. Juni erklärte Baden-Württembergs AfD-Chef, Prof. Jörg Meuthen, er sei dankbar, dass das britische Volk der EU ein No entgegengeschmettert habe. Auch er würde so abgestimmt haben. Gleichzeitig mahnte er zu Gelassenheit im Umgang mit dem Votum der Briten. Nachdem Ministerpräsident Kretschmann nach dem Brexit-Votum in seiner Regierungserklärung für einen neuen europäischen Geist geworben hatte und sich bemühte, die Vorteile der EU gebührend in den Vordergrund zu stellen, reagierte Meuthen wie folgt: »Dieser EU hätte auch ich, hätte ich mit abstimmen dürfen, den Stecker gezogen. Nicht um sie zur Strecke zu bringen. Sondern um sie zu zwingen, endlich erwachsen zu werden und das zu tun, weshalben es sie überhaupt gibt.«

»Im Gegensatz zum allgemeinen Tenor«, schreiben die beiden Ökonomen Matthias Weik und Marc Friedrich u.a. auf mmnews, »der von einem traurigen und schwarzen Tag für Europa spricht, sehen wir es positiv. Es ist ein guter Tag für die Menschen, für die direkte Demokratie und  - wir sind davon überzeugt -  auch für Europa. Gerade wenn man die Bürger Europas wieder in die demokratischen Entscheidungsprozesse mit aufnimmt, entzieht man extremen Kräften ihren Nährboden, entgegnet der gefährlichen Politikverdrossenheit und schafft ein Europa der Menschen, welche sich damit besser identifizieren können. Nicht Europa ist gescheitert, sondern die EU mit ihrer Fassadendemokratie. Das ist ein meilenweiter und wichtiger Unterschied. Eine EU der Institutionen, Elfenbeintürme und Bürokratien, eine EU der feudalen Kommissare, von denen sich viele Bürger Europas schon lange nicht mehr abgeholt fühlen. Ein aufgeblähter bürokratischer Wasserkopf, der die Bürger Milliarden kostet. Werden heute aus dieser Entscheidung des britischen Volkes nicht die richtigen  Konsequenzen gezogen, wird von den Politikern nicht erkannt, daß der Euro unseren Wohlstand peu à peu auffrißt und Europa trennt, anstatt es zu einen, und daß die irrsinnige Politik der Europäischen Zentralbank sich gegen die Menschen richtet, dann wird die EU, aber auch die europäische Idee, gnadenlos scheitern. Das gilt es zu verhindern und das ist unsere bürgerliche Pflicht. Es ist mehr denn je Zeit für Realismus und nicht für Pessimismus. Wir hoffen, daß der heilsame Schock nun die wichtigen und überfälligen Veränderungen initiiert.«  [12]  Wie sich die Dinge für die Briten entwickeln werden, bleibt abzuwarten. Zunächst sind sie sowohl den Vertrag von Lissabon als auch die TTIP los, wodurch es ihnen freisteht, sich anderen Bündnissen zuzuwenden, so etwa dem Projekt der Neuen Seidenstraße

Die Schuldigen
Wie könnte es auch anders sein: Soeben hat der französische Ökonom Thomas Piketty der BRD die Hauptschuld am Brexit angelastet. Wie er darlegt, hätten vor allem Deutschland und Angela Merkel versagt: Durch Egoismus, Besserwisserei und Nationalismus. Auf die von der Tageszeitung
Die Weltgestellte Frage, was jetzt anstehe, meint er: »Wir müssen die Regierungschefs zur Verantwortung ziehen. Sie müssen sich klarmachen, welche Gefahr droht: Wenn es jetzt Referenden regnet, dann hat die Krise andere Dimensionen als das, was sie bislang kannten. Doch solange man durch Finanzdumping prosperieren kann, wird keiner etwas ändern wollen. Wir brauchen Sanktionen gegen die Verdunklungsstrategien in der Finanzwirtschaft, gegen Steuerparadiese, gegen das Bankgeheimnis mitten in Europa.« Worin man ihm allerdings nicht folgen kann, ist sein Vorschlag: »Wir brauchen ein Parlament der Euro-Zone, das über die Höhe der Defizite, die Umstrukturierung der Schulden entscheiden müßte.« Nun finanzieren wir in Brüssel bereits ein aufgeblähtes Bürokratiemonster, das mitunter nicht einmal in der Lage war, einwandfreie Rechnungslegungen auszufertigen, und eine weitere Institution, wie sie Piketty in den Raum stellt, dürfte allein schon angesichts der Vielzahl und Verschiedenheit der Mitgliedsstaaten nicht in der Lage sein, Abhilfe zu schaffen. Ganz im Gegenteil ist es längst unabdingbar, die Forderung des britischen EU-Parlamentariers Daniel Hannan, die dieser bereits im Jahr 2007 vorbrachte, umzusetzen und mit der Repatriierung der finanziellen Hoheit an die Nationalstaaten zu beginnen. Der der EU skeptisch gegenüber stehende Hannan sagte ferner: »Es heißt immer, die EU sei undemokratisch, ich würde mittlerweile sagen: Nein, sie ist antidemokratisch.« Darüber hinaus ist der Gedanke einer Erweiterung der EU-Organe konträr zu der von Sigmar Gabriel soeben ausgesprochenen Forderung, den ganzen EU-Apparat zu verschlanken. Bereits damals sprach Hannan in einem Interview mit der Jungen Freiheit vom 29. 7. 2007 den mit hoher Wahrscheinlichkeit unverändert gebliebenen Fakt aus, dass »wir zu unfaßbaren, fast 90 Prozent keine Kontrolle über die EU-Ausgaben haben - weil enorme Geldbeträge in der EU verschwendet, abgezweigt oder veruntreut werden. Wäre die EU eine Firma, säßen alle Kommissare längst im Gefängnis!«  

Zur Frage des Souveränitätsverlusts 
Nun wäre ja anzunehmen gewesen, dass nach dieser Wende, die Markus Gärtner als ein Schlag ins Gesicht ausufernder EU-Bürokratie, galoppierender Verschuldung, wirtschaftlichem Vandalismus in Südeuropa und extremer Wählerferne war bezeichnet hat, in Brüssel ein erstes Umdenken erfolgen würde, wofür bislang allerdings keine Anzeichen vorliegen. Im Gegenteil: Juncker hatte offensichtlich nichts Eiligeres zu tun, als am Gipfeltreffen vom 28. 6. zu erklären, dass das CETA-Abkommen in die alleinige Kompetenz der Kommission fiele, im Klartext: Juncker will CETA als ein reines EU-Abkommen behandeln, so dass die Parlamente der EU-Mitgliedsländern an der Entscheidung über das bereits auf dem Tisch liegende Freihandelsabkommen mit Kanada nicht beteiligt werden sollen, dies trotz starker Vorbehalte. »Damit«, so Gärtner, »hat die Kommission in Brüssel schon zweimal bewiesen, daß sie von den Bürgern der EU gar nichts anderes als eine Rote Karte verdient.« Junckers Absicht hat Gabriel am 29. Juni dann doch zu einer geharnischten Replik veranlasst: Er nannte das Vorgehen unglaublich töricht. Ohne Parlamentsvotum werde er auf keinen Fall im EU-Handelsministerrat über den Freihandelsdeal abstimmen. Das dumme Durchdrücken von CETA werde alle Verschwörungstheorien zu den geplanten weiteren Freihandelsabkommen explodieren lassen. Kein Mensch werde dann glauben, dass es bei dem umstrittenen Freihandelsabkommen TTIP mit der USA nicht genauso laufen werde. Wenn die EU-Kommission das bei CETA macht, ist TTIP tot, warnte der Vizekanzler. Soweit Sigmar Gabriel.  

Norbert Häring, dessen Ausführungen zum Bargeld in unserer Gastkolumne vorgestellt sind: http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=2545 »Der Weg in die totale Kontrolle« vom 12. 6. 16 legte indessen am 29. Juni unter dem Titel: Wie Merkel und Gabriel mit Juncker gemeinsame Sache machen, um CETA durchzuschummeln  -  folgendes dar:
http://norberthaering.de/de/27-german/news/649-merkel-gabriel-ceta
29. 6. 16  http://norberthaering.de/de 

»Wir erleben gerade ein Schmierentheater erster Güte, mit dem Sigmar Gabriel und seine SPD zusammen mit Angela Merkel und ihrer CDU verbergen wollen, daß sie einen perfiden Plan der EU-Kommission unter dem Wenn-es-ernst-wird-mußt-du-lügen-Jean-Claude Juncker stützen. Dieser will das von der Bevölkerung weithin abgelehnte Handels- und Investorenprivilegien-Abkommen CETA EU-rechtswidrig an den Parlamenten vorbeischleusen.« Im weiteren verweist Häring auf folgenden Artikel in der ZEIT online: »Bereits am 10. Juni war bekannt geworden, daß die Kommission dieses Vorgehen erwägt. CETA soll als reines EU-Abkommen eingestuft werden, berichtete damals die Frankfurter Allgemeine Zeitung. In Brüssel fürchtet die EU-Kommission schon länger, daß die nationalen Parlamente die Weiterentwicklung der europäischen Handelspolitik lahmlegen könnten, indem sie ihre Zustimmung verweigern [worauf, wie bereits vermerkt, auch Lafontaine hingewiesen hat]. Um der kritischen Öffentlichkeit in Deutschland das Gefühl zu geben, gehört zu werden, hält die deutsche Regierung eine Einbeziehung von Bundestag und Bundesrat aber für unverzichtbar.« In einem weiteren Bericht von ZEIT online vom 28. 6. heisst es dann effektiv, dass die EU CETA ohne nationale Parlamente ratifizieren will: »Die EU-Kommission befürchtet, daß das Freihandelsabkommen am Widerstand der nationalen Parlamente scheitern könnte, oder zumindest stark verzögert werden würde. Zudem sei es falsch, davon auszugehen, daß nur nationale Parlamente demokratische Kontrolle gewähren könnten, sagte Juncker bei dem Gipfel. Eine solche Vorstellung schwäche die Grundidee der EU. Bei CETA handle es sich nach seiner Aussage um das beste Handelsabkommen, das Europa jemals vereinbart habe. Die Zukunft des bereits ausgehandelten Abkommens mit Kanada ist damit offen. Die EU-Staaten könnten nun einstimmig festlegen, daß sie der Meinung der Kommission nicht folgen wollen. Es ist denkbar, daß die Verabschiedung des Abkommens auf unbestimmte Zeit blockiert wird.«

Zumindest legt das Verhalten Junckers nahe, dass er dem EU-Ziel der Aushebelung der Nationalstaaten verhaftet bleibt. Schon Ex-Kanzler Schröder hatte es mit Blick auf den Euro im April 2012 für notwendig gehalten, dass alle Länder auf nationale Souveränität verzichten müssen. Schliesslich hat auch Heiko Schrang auf mmnews im Februar 2013 festgehalten, dass sich Mario Draghi in einem Gastbeitrag für DIE ZEIT vom 29. 8. 2012 für ein Ende der Souveränität der Parlamente in Europa ausgesprochen hat. »Das«, so Schrang, »wäre dann mit dem Ende der alten demokratischen Ordnung verbunden und käme einer Diktatur in Europa nah«.  [13]  Einem Bericht der Welt vom 28. Juni zufolge hat Juncker seiner Behörde nach eigenen Angaben sogar Gespräche mit den Briten verboten; bei letzteren sieht er klammheimliche Bestrebungen zu Vorverhandlungen mit EU-Partnern, die noch vor der offiziellen Austrittserklärung in abgedunkelten Räumen [!] zu beginnen wären, um sich so etwa den künftigen Zugang zum EU-Binnenmarkt zu sichern.  

»Fast könnte man meinen«, so Michael Paulwitz, »Jean-Claude Juncker freue sich über den Ausstieg der Briten aus dem EU-Zirkus: Endlich sind sie weg, die Querulanten, die ständig mit so überholtem Zeug wie der Souveränität der Nationalstaaten als Fundament der Demokratie daherkommen und statt eines zentralistischen Regulierungsmonsters Europa lieber als prosperierende Freihandelszone sehen wollten. Ohne die Bremser von der Insel glaubt Juncker ganz offensichtlich, endlich freie Fahrt zum europäischen Superstaat zu haben, den er und seine Nomenklatura anstreben. Junckers erster Gedanke nach der Brexit-Nachricht: Jetzt muß die Währungsunion „vollendet“ und auch die noch zögernden EU-Mitglieder in den Euro gezwungen werden.«  [14]  Angesichts der gegenwärtigen Kontroverse legte Christian Lindner von der FDP Juncker am 30. 6. den Rücktritt nahe. Er sei gegenwärtig eine Belastung für die Zukunft Europas und alles andere als ein Garant europäischer Einheit. In der aufgeladenen Situation nach dem Brexit-Votum der Briten empfehle Juncker nicht nur mehr Zentralismus in der EU, sondern erkläre CETA zu einer reinen Angelegenheit für Brüssel, so Lindner. Das sei angesichts der gefühlten Entfremdung zwischen europäischen Institutionen und Bürgern genau das falsche Signal. Was nun den von Linder angesprochenen Zentralismus angeht, so konnte sich Brüssel in den zurückliegenden Jahren auf zahlreiche Befürworter stützen, die der Verlagerung von nationalen Befugnissen an die Kommission das Wort redeten. So wollten die Grünen in Deutschland die Abgabe deutscher Souveränität an Brüssel 2013 zum Wahlkampf-Thema machen und der von dem Autor Bruno Bandulet als antideutsch bezeichnete Jürgen Trittin verlangte im August desselben Jahres offen die Abgabe von Souveränität an Brüssel. Da kommt man an der Frage nicht vorbei, ob seine Forderung nicht etwa ein Nachwehen seiner Teilnahme an der Bilderberger-Konferenz im Mai 2012 in Chantilly, USA, war. Was sich Politiker seines Schlags von der Abtretung nationaler Rechte an Brüssel versprechen, steht dahin..... »Wenn Sie meinen«, hielt Dr. Helmut Böttiger einmal auf seiner Spatzseite fest, »es käme noch auf die viel zu vielen Abgeordneten an, die Sie wählen dürfen, dann täuschen Sie sich. Die dürfen abnicken, was die fürstlich bezahlten Herren in Brüssel fordern. Die Klimapolitik ist eines der Mittel, mit denen diese Figuren die Souveränität der Nationalstaaten ausgehebelt und deren politische Führung zu willigen Befehlsempfängern gemacht haben. Und diese Leute sind es auch, die, in wessen Auftrag auch immer  - infrage kämen die Zentralen der Hochfinanz wie IWF, Weltbank, WTO etc., die Hinterzimmer der vereinigten supranationalen Konzerne, die Denkfabriken, NGOs und Umweltverbände, sowie die großen US-Stiftungen -  die Wirtschaft und die Versorgung der Menschen in der EU gezielt ruinieren.«

Der Autor Wolfgang Effenberger hat bereits festgehalten, dass Paul Craig Roberts am 24. Juni, keine 24 Stunden nach der Abstimmung, auf der Website des von ihm gegründeten Institute for Political Economydie Frage stellt: »The Brexit Vote – What does it mean?« In seinem sprengstoffgeladenen Artikel gibt er eine eindeutige Antwort: »Hoffentlich ein Auseinanderbrechen der EU und der NATO und damit die Vermeidung des Dritten Weltkriegs.«  [15]  Zu letzterem sei an das 2007 erschienene Buch von Jürgen Elsässer Angriff der Heuschrecken: Zerstörung der Nationen und globaler Krieg erinnert, in dem es heisst: »Die US-amerikanischen Neokonservativen, die tonangebende Fraktion im Pentagon, arbeiten seit 9/11 gezielt auf einen Weltkrieg hin«.  

Nun hatte ja Herman Van Rompuy Anfang Januar 2013 erklärt, dass die Briten ohne Wenn und Aber in der EU bleiben müssen. Zu diesem Zeitpunkt ging es um Bemühungen Grossbritanniens, eine Vertiefung der europäischen Integration zu blockieren. Auch weigerte sich die Regierung Cameron, Vertragsänderungen zu unterschreiben, die eine Vergemeinschaftung der Schulden in Europa in Form einer Fiskalunion vorantreiben würden. Jedenfalls ist diese Zwangsverordnung nun fehlgeschlagen. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass es der ehemalige Ministerpräsident Bayerns und Mitglied der sogenannten High Level Group der EU-Kommission,  Edmund Stoiber, war, der uns, zusammen mit dem Unternehmensberater Roland Berger wissen liess, was seit Jahrzehnten anzunehmen ist: ›Regiert werden wir von Leuten, die wir gar nicht wählen können.‹ Nun ist die Öffentlichkeit in der Regel von dem, was hinter den Kulissen ausgebrütet wird, bis zum Eintreten sichtbarer Folgen ausgeschlossen. Insofern hat jetzt auch das EP-Mitglied Cornelia Ernst erklärt, es könne nach der Volksabstimmung in Grossbritannien kein Weiter so in der EU geben, man müsse jetzt weniger Politik in den Hinterzimmern machen. Im Hinblick auf Berichte, die der USA die Absicht anlasten, Europas Niedergang zu bewirken, wäre es daher durchaus nicht abwegig zu folgern, dass es die Hintergrundmächte zum jetzigen Zeitpunkt in der Tat begrüssen, dass England für den Austritt aus der EU gestimmt hat, um den engsten Verbündeten Washingtons nicht in den drohenden wirtschaftlichen Abstieg der EU mit hineinzuziehen.

d.auerbach@gmx.ch


Siehe hierzu:

http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1570   10. 7. 2010 
Barrosos Ziel: Souveränität der europäischen Staaten brechen

http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=1954   21. 5. 2012 
Die diesjährige Karlspreisverleihung – Eine  Absurdität?    Von Doris Auerbach 


[1]  http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/europa/markus-gaertner/brexit-cameron-warnt-vor-einem-dritten-weltkrieg.html   9. 5. 16

[2]  http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/europa/markus-gaertner/transatlantische-propaganda-brigaden-nehmen-britische-waehler-unter-beschuss.html   23. 2. 16

Brexit – Cameron warnt vor einem Dritten Weltkrieg  -  Markus Gärtner
[3]  Zeit-Fragen Nr. 51 vom 16. 12. 2002

[4]  http://de.sputniknews.com/politik/20160630/311039151/lafontaine-eu-kommission-juncker-feinde-europa.html   30. 6. 16

[5]  http://www.mmnews.de/index.php/politik/77321-eu-panik-im-politburo 
30. 6. 16  EU: Panik im Politbüro  -  von Ramin Peyman

[6]  http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2013/11/25/eu-will-zugriff-auf-nationale-staats-vermoegen-erhalten/  25. 11. 13

Schuldenkrise: EU will Zugriff auf nationale Vermögens-Werte
[7]  https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2016/merkel-kuendigt-harten-kurs-gegen-briten-an/  28. 6. 16

[8]  http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2016/06/29/merkel-lehnt-grosse-reform-der-eu-ab/   29. 6. 16

[9]  https://www.contra-magazin.com/2016/06/spd-verlangt-sofortige-regierungserklaerung-merkels/   24. 6. 16

[10]  https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2016/merkel-kuendigt-harten-kurs-gegen-briten-an/  28. 6. 16 

[11]  https://sciencefiles.org/2016/06/24/die-sueddeutsche-deutsche-kleingeistigkeit-gepaart-mit-rechtem-extremismus/  24. 6. 16

[12]  http://www.mmnews.de/index.php/wirtschaft/77130-der-anfang-vom-ende-der-eu-und-des-euros   28. 6. 16   Von Matthias Weik und Marc Friedrich

[13]  http://www.mmnews.de/index.php/politik/11994-eu-und-euro-die-jahrhundertluege    7. 2. 13  EU und Euro: Die Jahrhundertlüge   -  von Heiko Schrang

[14]  https://jungefreiheit.de/debatte/kommentar/2016/der-kapitaen-auf-dem-narrenschiff/   29. 6. 16   Michael Paulwitz

[15]  http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/europa/wolfgang-effenberger/die-eu-ein-transatlantischer-spaltpilz.html;jsessionid=C283F77F1B9616AD33FDCE75C9CB4F81  2. 7. 16
Die EU – ein transatlantischer Spaltpilz - Wolfgang Effenberger