Der ehemalige DIA-Chef drängt auf eine Koordination des Kampfes gegen den IS mit Rußland

General Michael Flynn war bekanntlich auf Grund seiner unabhängigen und

wohlbegründeten Analysen zum Krieg gegen den Terror  - diese hatten Generalstabschef Martin Dempsey dazu veranlaßt, den geplanten US-Militärschlag gegen Syrien im September 2013 im letzten Moment abzublasen -  von Obama Mitte 2014 als Chef des US-Militärgeheimdienstes DIA [Defense Intelligence Agency] entlassen worden. Mitte Dezember hat Flynn nun eine alarmierende Einschätzung der Gefahr durch die vom Wahhabismus beeinflußten Dschihadisten vorgelegt und nachdrücklich für eine umfassende amerikanisch-russische Zusammenarbeit geworben. Er gehörte zu den Hauptrednern einer internationalen Konferenz von RT, die anläßlich des 10. Jahrestags der Gründung des internationalen russischen Nachrichtensenders am 10. 12. in Moskau stattfand. Seine Teilnahme war ein deutliches Signal, daß wichtige institutionelle Kreise in der USA entschlossen sind, den radikalen Dschihadismus, der seiner Schätzung nach in Syrien und im Irak etwa 30.000 Kämpfer aus 80 Ländern zählt, zu besiegen. In dem Interview mit Sophie  Schewardnadse von RT betonte Flynn: »Wir dürfen nicht zulassen, daß die Salafisten und die wahhabitischen Gruppen den Rest von dem, was wir die moderate muslimische Welt nennen, und das ist ein großes Kontingent, strangulieren und erwürgen.« Er widersprach ausdrücklich Präsident Obamas Behauptung, der IS sei eingedämmt und wiederholte, daß das Weiße Haus 2012 die Warnungen der DIA vor dem Aufstieg des IS in den Wind geschlagen hatte, weil das nicht in Obamas Erfolgsbilanz für den Wahlkampf um die Wiederwahl paßte. Ein Jahr später sei in Washington intensiv darauf gedrängt worden, »daß die Regierung mehr tue, nicht nur militärisch, sondern in dem Sinne, das ganze existierende Wirtschaftssystem im Nahen Osten zu ändern«. Wie Flynn des weiteren erklärte, seien von den etwa 450 Millionen Menschen in der arabischen Welt 50 Millionen arbeitslos, was den Radikalismus unter jungen Menschen fördere. 

Flynn verwarf die Vorstellung, die USA und Rußland könnten aus irgendwelchen Gründen nicht zusammenarbeiten: »Ich denke, wir müssen Abstand gewinnen, und wir müssen sagen: Okay, was sind die gemeinsamen Interessen und was sind die gemeinsamen Ziele, die wir erreichen wollen? Das erste Ziel ist, diese krebsartige Vorstellung, die innerhalb der islamischen Religion existiert, auszumerzen.« Dies sei eine enorme Verantwortung für die Führung der Schiiten und Sunniten. Das zweite Ziel sei dann, »ein gewisses Maß an Stabilität im Nahen Osten zu erreichen, das ein neues Umfeld ökonomischer Bedingungen schafft, damit  - offen gesagt -  eine Lösung für diese 15-30 Jahre alten Männer gefunden wird.« Fakt ist, daß sich hochrangige Militärs und Diplomaten der USA sich für eine Partnerschaft mit Rußland gegen den IS einsetzen.  [1]  

Bei seinem Besuch in Moskau am 16. Dezember lautete die Aussage von US-Außenminister Kerry nach dem Treffen mit Präsident Putin und Außenminister Lawrow: »Die USA und unsere Partner sind nicht auf einen sogenannten Regimewechsel aus.« Kerry wiederholte zwar die Formel, der syrische Präsident Assad könne Syrien keinen Frieden bringen, betonte jedoch, der Schwerpunkt läge jetzt »nicht auf unseren Unterschieden bezüglich dessen, was sofort mit Assad geschehen sollte oder auch nicht«, sondern darauf, ein Friedensabkommen zu erreichen, in dem die »Syrer Entscheidungen über die Zukunft Syriens treffen werden.« Auf diese Politik Rußlands hatte man sich bereits bei den Wiener Syrien-Verhandlungen geeignet, aber Obama hatte bei jeder Gelegenheit weiterhin provokativ verkündigt, Assad muß gehen. Kerry hat die Forderung syrischer Oppositionsgruppen, Assad müsse sofort bei Beginn von Friedensverhandlungen abtreten, explizit als ungeeignet für den Start der Verhandlungen bezeichnet. Mit seinen Äußerungen hob sich Kerry deutlich von Obamas aggressiver Politik gegen Rußland ab. Kerry schlug auch in der Ukraine-Frage eine deutliche andere Tonart an als Obama und betonte, es sei nicht die Politik der USA, Rußland zu isolieren. Wenn der Friedensprozeß weitere Fortschritte mache, sei ein Ende der Sanktionen möglich. Es ist offensichtlich, daß Obamas aggressive Position gegen Rußland absolut inakzeptabel ist, wenn eine wirkliche Lösung herbeigeführt werden soll. Je früher er seinen Einfluß durch ein verfassungsmäßiges Amtsenthebungsverfahren, das in der USA jetzt immer offener diskutiert wird, verliert, desto besser für den Weltfrieden.  [2]  

Was steckt hinter der saudischen Anti-Terror-Allianz
Saudi-Arabien gab am 14. Dezember bekannt, es habe ein Bündnis von 35 islamischen Staaten gegen den Terrorismus gebildet; das militärische Hauptquartier dieser Koalition werde in Riad sein und vom stellv. Kronprinzen und Verteidigungsminister Mohammed bin Salman geleitet werden; letzterer hatte erklärt, die Koalition werde »gegen alle terroristischen Organisationen in der islamischen Welt kämpfen«.

Angesichts der saudischen Rolle beim Aufbau extremistischer Islamistengruppen in den letzten Jahrzehnten und der Rückendeckung durch die US- und die britische Regierung muß man die Frage stellen, was die Saudis mit dieser Koalition, der weder der Iran, noch der Irak noch Syrien angehören, tatsächlich bewirken wollen. So schrieb Konstantin Kossatschew, der Vorsitzende des Ausschusses für internationale Beziehungen des Russischen Föderationsrates, auf seiner Facebook-Seite: »Nicht nur sunnitische, sondern auch schiitische Nationen wie der Jemen, Libanon und Bahrain wurden zu dieser Koalition eingeladen, aber es fehlen noch immer der Irak und der Iran, und ohne sie können wir jedenfalls nicht sagen, daß diese Koalition effektiv sein wird.«  Kossatschew zufolge könnte eine solche Koalition funktionieren, wenn ihre Mitglieder ihre politischen Differenzen beilegen. »Viel hängt von der Bereitschaft und Fähigkeit dieser Nationen ab, gemeinsam für einen öffentlich erklärten Zweck zu handeln, anstatt verschiedene feindlicheRegimes zu stürzen.«

Tatsächlich scheint die Islamische Front gegen den Terror, die Saudi-Arabien jetzt aufbaut, eher eine Fortsetzung der Sunnitischen Front zu sein, die bislang die syrische Opposition und den Islamischen Staat unterstützt hat. Murat Yetkin schreibt auf der Internetseite Hurriyet Daily News bezüglich der Sunnitischen Front, sie sei im vergangenen März auf die Initiative des saudischen Königs Salman hin als Front gegen den angeblichen vom Iran unterstützten schiitischen Expansionismus vorgeschlagen und von internationalen Führern - darunter auch dem türkischen Präsidenten Erdogan - angepriesen worden. Sie bestand aus den 10 Staaten, die derzeit im Jemen intervenieren. Yetkin warnt, daß die Front ohne die Beteiligung des Iraks in diesem Land gar nicht rechtmäßig tätig werden dürfe. Es scheine sich daher mehr um einen weiteren Versuch der öffentlichen Diplomatie, sprich: Propaganda, zu handeln, als um eine konstruktive Organisation. [Im übrigen haben angebliche Mitgliedstaaten der neuen Koalition, wie Pakistan, Malaysia und der Libanon, offenbar erst aus den Medienberichten von ihrer Mitgliedschaft erfahren; sie behaupten, sie gehörten gar nicht dazu.]  

»Aber abgesehen davon«, so Yetkin ferner, »daß es eine schlechte Idee ist, eine neue Front für den Kampf gegen den Terrorismus zu schaffen, ist das, was der Nahe Osten nicht braucht, eine neue Betonung der religiösen Dimension der bestehenden Unruhen. Warum zum Teufel fühlen sich die Vereinigten Staaten genötigt, sich in der religiösen Spaltung des Islams auf eine Seite zu stellen? Und warum rühmen sie die Rolle Saudi-Arabiens, das derzeit den wichtigsten Pool an Human Ressources für den IS darstellt, das Land, aus dem viele radikale Bewegungen  - von den Wahhabiten bis Al-Kaida -  gekommen sind? Und warum in aller Welt wird Ankara Teil dieser sinnlosen, aber gefährlichen Idee einer Sunnitischen Front, während es gleichzeitig die Rhetorik wiederkäut, die Türkei stehe über religiösen Differenzen?« Yetkin schließt mit den Worten, daß ein solches Bündnis »entlang der Linien der bereits bestehenden, explosiven religiösen Spaltung innerhalb des Islams wahrscheinlich nicht dazu verhelfen wird, die wachsenden Spannungen in der Region zu beruhigen.« 

Auch der spanische Experte Ignacio Alvarez Ossorio bezeichnete den saudischen Vorschlag einer Anti-Terror-Koalition als Erweiterung der bisherigen von Saudi-Arabien gebildeten Koalitionen   in einem Interview mit RT vom 16. 12. als eine schreckliche Idee. Erstens, so Alvarez, spielten die Saudis selbst eine bedeutende Rolle beim Aufbau der islamistischen Gruppen, deren Expansion erst durch die saudische Unterstützung ermöglicht wurde. Aber nun hätten die Saudis offenbar selbst Angst vor den Konsequenzen dieser Expansion. Wie es heißt, wird die saudische Koalition ihr Vorgehen nicht mit anderen Koalitionen koordinieren. Was immer die Saudis sagen, betont Alvarez, sie werden dabei ihre eigenen Ziele verfolgen. Zweitens, so Ossorio des weiteren, werde der Kampf gegen den Terrorismus oft als Vorwand genutzt, um die Zustimmung der internationalen Gemeinschaft zu Bombenangriffen in verschiedenen Ländern zu erlangen - wie im Jemen, in Syrien und im Irak geschehen. Das Ziel der Saudis sei es aber gar nicht, den Terrorismus zu stoppen, sondern den Iran und die Schiiten einzudämmen und die Regierungen im Irak und in Syrien zu stürzen  -  eine Fortsetzung der saudischen Schritte in Bahrain, im Jemen und in Syrien. 

Yetkins Befürchtungen wurden im britischen Daily Telegraph bestätigt; dieser berichtete, die britische Regierung bereite sich darauf vor, der neu zu bildenden Landarmee der Sunnitischen Front volle Unterstützung zu geben. Man erwarte, daß diese neue Front Sondereinsatztruppen nach Syrien entsenden wird, um den Islamischen Staat zu bekämpfen. Der Telegraph zitiert eine namentlich nicht genannte Quelle, laut der »Großbritannien, die Vereinigten Staaten und andere NATO-Staaten diesen Kräften Leitung und Aufsicht, Geheimdienstinformationen und Luftunterstützung geben müßten. Das Büro des Premierministers habe sich jedoch geweigert, die militärischen Unterstützung zu kommentieren.«

Um dem ganzen Spuk ein Ende zu machen, wäre vor allem ein Mittel effektiv: Die Veröffentlichung der von Präsident Obama immer noch unter Verschluß gehaltenen 28 Seiten des 9/11-Kongreß-Berichtes, in dem es allen Ausführungen zufolge um die saudische Verwicklung in den 9/11 auf höchster Regierungsebene geht. Darauf haben alle Nationen der Welt ein Anrecht, bevor irgendwelche neuen Allianzen zustande kommen, bei denen man wieder den Bock zum Gärtner macht.

 

Quellen:

[1]  http://www.bueso.de/node/8376   16. 12. 15

[2]  http://www.bueso.de/node/8375   16. 12. 15

[3]  http://www.bueso.de/node/8381   18. 12. 15