Gratisanwälte für alle Asylbewerber - Eine kritische Betrachtung aus der Praxis - Von Heinz Brand 29.11.2015 20:56
Die vom Parlament verabschiedete Asylgesetzrevision sieht eine unentgeltliche,
bedingungslose Rechtsvertretung resp. einen Gratisanwalt für alle Asylsuchenden vor; die Vergütung soll zum Pauschaltarif erfolgen. Schon heute ist absehbar, dass sich hauptsächlich Hilfswerke um diesen Auftrag reissen werden. Begründet wird diese angebliche Notwendigkeit mit der Verkürzung der Entscheid- und Rechtsmittelfristen. Das Recht auf unentgeltliche Rechtspflege ist gemäss Europäischer Menschenrechtskonvention (EMRK) und Schweizerischer Bundesverfassung (Art. 29 Abs. 3 BV) garantiert. Im Vordergrund steht dabei jedoch das Recht auf Zugang zu Gerichten und Behörden für Bedürftige.
Hingegen
war auf allen Rechtsgebieten die Beigabe eines unentgeltlichen Rechtsvertreters
bisher immer an konkrete Bedingungen geknüpft und Gegenstand einer behördlichen
oder gerichtlichen Einzelfallprüfung. So war neben der finanziellen
Bedürftigkeit der rechtssuchenden Person auch immer notwendig, dass die
Angelegenheit eine gewisse Komplexität aufweist und das Verfahren nicht
aussichtslos ist. Die Bedingungen der Komplexität und Nichtaussichtslosigkeit dürften bei
einem grossen Teil der Asylverfahren wohl nicht gegeben sein. Im
Asylbereich waren unentgeltliche Rechtsvertreter bisher lediglich in
Beschwerdeverfahren - Anfechtung eines
negativen Asylentscheids - nicht aber bezüglich
des eigentlichen Asylverfahrens oder des Vorverfahrens ein Thema.
Bisher war bei den Anhörungen gewöhnlich eine Beobachtungsperson eines
Schweizer Hilfswerks anwesend, welche die Einhaltung sämtlicher
Verfahrensrechte garantierte. Denn selbst wenn dem Asylsuchenden im
Asylverfahren gewisse elementare Mitwirkungspflichten obliegen, so hat die
Behörde den Sachverhalt immer von Amtes wegen zu ergründen. Erst im
Beschwerdeverfahren hat der Betroffene allfällige Einwände zu formulieren und
zu begründen, was den Beizug eines unentgeltlichen Rechtsvertreters inhaltlich
zu rechtfertigen vermag. Damit wäre sämtlichen rechtsstaatlichen Prinzipien
Genüge getan. Diese neu vorgesehene Bedingungslosigkeit der unentgeltlichen
Rechtsvertretung für die Gesamtheit des Asylverfahrens wird Asylsuchende
gegenüber anderen, also einheimischen Rechtssuchenden, in Verwaltungsverfahren
ungerechterweise bevorzugen, was klarerweise nicht im Sinne der EMRK und der
Schweizerischen Bundesverfassung sein kann.
Zunahme
von aussichtslosen Verfahren Zudem
gibt auch die praktische Umsetzung der Vorlage Anlass zu Kritik: So ist unter
Praktikern in der Justiz bekannt, dass bei einer flächendeckenden
Rechtsverbeiständung mit einer Vielzahl von aussichtslosen Beschwerden zu
rechnen ist, was wiederum zu Mehraufwand und längeren Verfahren führt. Damit
dürfte das eigentliche Ziel der Effizienzsteigerung in den Asylverfahren wohl
mehr als verfehlt werden. Sodann sind als unentgeltliche Rechtsvertreter
einerseits Rechtsanwälte vorgesehen, andererseits aber auch Personen mit
universitärem juristischem Hochschulabschluss, die sich beruflich mit der
Beratung und Vertretung von Asylsuchenden befassen. Dass es sich dabei um eine
schweizerische Juristen- oder Anwaltsausbildung handeln soll, ist nicht
explizit vorgesehen. Bereits heute fallen einige im Asylbereich tätige
ausländische - insbesondere afrikanische
- Juristen und Anwälte im
Asylbeschwerdeverfahren durch unnötiges und aussichtsloses
Prozessieren auf, oftmals auch auf Kosten des Staates.
Problematische
Pauschalentschädigung Auch
gilt im schweizerischen Rechtssystem bezüglich der unentgeltlichen
Rechtsverbeiständung heute das Prinzip der Entschädigung nach Aufwand, wobei
Kürzungen von Anwaltshonoraren seitens der Behörde nachvollziehbar zu begründen
sind. Auch werden zum Beispiel von Rechtsschutzversicherungen mandatierte
Rechtsanwälte stets nach Aufwand entschädigt. Dieser elementare Grundsatz soll
die Unabhängigkeit der Rechtsvertreter und damit die Qualität der
Rechtsverbeiständung garantieren. Die im neuen Asylgesetz vorgesehenen, den
unentgeltlichen Rechtsvertretern vom Aufwand unabhängig auszurichtenden
Pauschalentschädigungen dürften in diesem Zusammenhang verfassungs- und
standesrechtlich äusserst problematisch sein. Das vorgesehene System der
Pauschalvergütung wird als sinnvolle und kostengünstige Lösung angepriesen.
Dies ist sehr erstaunlich, enthält die Vorlage doch keinerlei Angaben
über die Höhe der Pauschalvergütungen. Der Bund dürfte hier nach
eigenem Ermessen traditionellerweise aus dem Vollen schöpfen und sich eher am
mutmasslichen Maximal- statt Minimalaufwand des Rechtsvertreters orientieren.
Daher ist mit erheblichen Mehrkosten, wenn nicht gar einer Kostenexplosion zu
Lasten der steuerzahlenden Bevölkerung zu rechnen.
Hohe
Untertauchquote und fehlende Haftmöglichkeiten Schliesslich
ist aus den Ergebnissen der Testbetriebe bereits heute offiziell bekannt, dass
die dort rechtlich verbeiständeten Asylsuchenden mit schlechten Chancen auf
Asyl noch während des Asylverfahrens überdurchschnittlich oft untertauchen.
Dies erweist sich insofern als problematisch, als seit dem 1. Juli 2015 mit der
Umsetzung der Dublin-III-Verordnung die Anforderungen an die Anordnung von
Ausschaffungshaft für abgewiesene bzw. chancenlose Dublin-Asylsuchende - über einen Schengenstaat in die Schweiz
eingereiste Asylsuchende - enorm
gestiegen sind. Haft soll nur noch im Ausnahmefall angeordnet werden dürfen.
Zudem wurden die Maximalhaftfristen radikal auf 6 Wochen bzw. im Renitenzfall
auf 3 Monate verkürzt, was für die Ausschaffung oft nicht ausreicht und zur
Haftentlassung führt. Schon jetzt beklagen viele kantonale Migrationsämter ein
vermehrtes Untertauchen von abgewiesenen Asylsuchenden. Diese können sodann
nicht mehr ausser Landes geschafft werden und enden früher oder später in der
Kriminalität. Diese Tendenz zu vermehrtem Untertauchen dürfte sich im
Falle einer flächendeckenden unentgeltlichen Rechtsverbeiständung noch massiv
verschärfen. Wichtig sind daher rasche Asylerfahren, kurze Rechtsmittelfristen
und umgehende Ausschaffungen nach negativen Asylentscheiden.
Fazit Die
bedingungslose unentgeltliche Rechtsvertretung für alle Asylsuchende bereits im
Vor- und Asylverfahren mit Pauschalvergütung stellt ein absolutes Novum im
Schweizerischen Rechtssystem dar. Sie ist nicht nur unnötig und ungerecht,
sondern auch verfassungsmässig und standesrechtlich problematisch. Ausserdem
verursacht sie erheblichen Mehraufwand, längere Verfahren und hohe Zusatzkosten
zu
Lasten der steuerzahlenden Bevölkerung. Die Schweiz würde für
Asylsuchende noch attraktiver, profitieren würde lediglich die Asylindustrie.
Dies sind Gründe genug, das von der SVP ergriffene Referendum gegen die
Asylgesetzrevision zu unterstützen.
Der
Autor, Heinz Brand, ist Nationalrat vom Klosters (GR)
REFERENDUM «Gegen Gratisanwälte
für alle Asylbewerber»
Bitte den Bogen herunterladen und unterschreiben:
www.gratisanwaelte-nein.ch
Siehe
hierzu auch Medienmitteilung
der SVP Schweiz vom 25. September 2015 Die
SVP ergreift Referendum gegen Gratisanwälte für alle Asylbewerber
Verfehlte
Revision des Asylgesetzes - Von Nationalrat Gregor Rutz Medienmitteilung
18. 11. 15
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