Der Jemen in Flammen

d.a. Vom August 2009 an führte die Regierung Jemens im Nordwesten

des Landes Krieg gegen die Huthis. Die Offensive der jemenitischen Armee, welche die bezeichnenden Namen »Eiserne Faust« und »Verbrannte Erde« trug, hatte am 11. 8. 2009 begonnen und richtete sich gegen die Huthis, deren Namen auf ihren Herkunftsort Houthi in der Provinz Saada hinweist. Ali Abdullah Saleh, damals Präsident des Landes, hatte bei einer Feier Ende August erklärt: »Die Streitkräfte werden ihren heldenhaften Kampf fortsetzen. Wir sind entschlossen, diese Gruppe zu vernichten, und wir meinen, was wir sagen. Das Krebsgeschwür in der Provinz Saada werden wir ausmerzen.« Nun sind die Huthis kein bestimmter Stamm, sondern setzen sich Mitgliedern aller Stämme des Landes zusammen, repräsentieren aber einen grossen Teil des jemenitischen Volkes.

Sie haben eine besondere islamische Geschichte, die von allen muslimischen Glaubensrichtungen wegen ihrer Gerechtigkeit und Ehrlichkeit anerkannt wird. Sie respektieren religiöse Unterschiede, lehnen aber die Spaltung zwischen den muslimischen Gemeinschaften ab. Ihrer Ansicht nach
sollten sich die Muslime wiedervereinen und damit dem Koran als Buch Gottes folgen. Religiös gehören die Huthis, wie Karin Leukefeld darlegt, zu den Zaiditen. Im Nordwesten Jemens bestand seit Ende des 9. Jahrhunderts bis 1962 ein autonomer Religionsstaat der Zaiditen. Die Gruppe wird dem schiitischen Islam zugerechnet, ist allerdings eine Minderheit, die nur im Jemen lebt. Die Zaiditen folgen Zaid, einem Sohn des 4. schiitischen Imam Ali Zain al-Abidin. Zaid wurde Mitte des 8. Jahrhunderts im Kampf um die Nachfolge Mohammeds getötet. Im Jemen gilt fast die Hälfte der Bevölkerung als Zaiditen, die anderen sind sunnitische Muslime. Bis heute rühmen sich die Jemeniten, jeden Fremden, gleich welcher Hautfarbe oder Religion, nicht nur als Gast, sondern sogleich auch als Bruder willkommen zu heissen. Auch Sanaa war bislang stolz auf sein harmonisches Zusammenleben von Sunniten und Schiiten, von Arabern und Somalis, von alteingesessenen Juden, emigrierten Palästinensern und Geschäfte treibenden Europäern. Nach der Wiedervereinigung des Jemens im Jahr 1990 gründeten die Huthis die Al-Haq-Partei; diese wurde jedoch vom Regime, das auch ihre Mitglieder ermorden liess, ausgegrenzt; da der Partei die einfachsten Rechte vorenthalten wurde, wurde sie in der Folge aufgelöst. 

Die Auseinandersetzungen zwischen der Regierung Saleh und den Huthis begannen bereits 2004, als der Anführer des Stammes die Wiedereinführung der religiösen Autonomie forderte und bei Kämpfen mit der Armee getötet wurde. Heute werden die Huthis von Abdulmelik Al-Houthi geführt.    

Rückblickend gesehen ist vor allem festzuhalten, dass mit der Huthi-Bewegung stark antiwestlich orientierte Kräfte an die Macht drängen, dies unter der Begründung, für die Gleichberechtigung ihres spezifischen Glaubens, des zaiditischen Islams, einzutreten, während die Regierung erklärte, die Huthis machten sich für die Wiedererrichtung eines theokratischen Regimes stark. Daneben ist den Huthis zum Vorwurf gemacht worden, dass ihr Kampf insbesondere gegen die Zusammenarbeit der Regierung in Sanaa mit Washington gerichtet ist.

2007 hatte der Emir von Katar einen Waffenstillstand vermittelt, der jedoch nicht eingehaltenen werden konnte, da das Regime die Vereinbarungen brach; hinzu kam, dass Saudi-Arabien eine Rolle Katars im Jemen grundsätzlich ablehnt. Im gleichen Jahr griffen die Saudis offen in den Krieg gegen die Huthis ein, nachdem das Regime erklärt hatte, dass diese ein Ableger internationaler Akteure, insbesondere des Irans und der libanesischen Hisbollah seien. Und mit beiden haben die Saudis Probleme. »Unglücklicherweise«, hat Mohammed Abdulsalam, der Sprecher der Huthi-Bewegung, erklärt, »ist das saudische Regime auf diese falschen Anschuldigungen gegen uns hereingefallen. Doch niemand legte einen Beweis für diese Anschuldigungen vor. Jetzt, in diesem aktuellen sechsten Krieg gegen uns, hat sich die Lage verschlechtert; und das saudische Regime hat sich aus politischen Gründen direkt in die Kämpfe eingemischt. Es hat jemenitische Dörfer mit Kampfjets angegriffen und versucht, auf dieses Gebiet vorzurücken. Alles mit der falschen Anschuldigung, wir hätten saudisches Territorium infiltriert.« Das Abkommen hatte u.a. auch vorgesehen, dass gefangene Huthis freigelassen werden sollten; indessen wurden in Sanaa Dutzende gefangener Huthis zum Tode verurteilt.

Die USA intensivierte ihren sogenannten Anti-Terror-Krieg im Jemen von Ende 2009 an, wofür   Washington jedoch weniger die CIA und ihre Drohnen als vielmehr das Militär nutzte. Noch Mitte September 2002 war in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa erklärt worden, dass der Jemen keinen Einsatz von US-Truppen auf seinem Gebiet wünsche. Für Aktionen gegen Terroristen seien nur die eigenen Streitkräfte zuständig. Zu diesem Zeitpunkt hatte Washington allerdings bereits 800 Soldaten einer Spezialeinheit in die Region geschickt und Bombenangriffe der jemenitischen Streitkräfte dirigiert. Dies ist auf politonline in  Zur Zusammenarbeit mit den Repressionsapparaten des Jemens  detailliert aufgezeigt. Die BRD hat das jemenitische Militär unter anderem mit Hilfen zum Ausbau der Küstenwache unterstützt und darüber hinaus eng mit der Polizei des Landes kooperiert; vor allem aber haben Bewegungsbilder über den Schiffsverkehr vor dem Horn von Afrika, an deren Erstellung die deutsche Kriegsmarine beteiligt ist, zu Erkenntnissen über mutmassliche Insurgenten und damit auch zur Vorbereitung der US-Gewaltoperationen beigetragen.

Ergänzend hierzu erklärte ein Strategiepapier der EU für den Zeitraum von 2007 bis 2013 die ›Ausbildung von Polizeikräften und Küstenwache‹ zu den Prioritäten der europäischen Jemen-Politik, dies ungeachtet der Tatsache, dass die im Jemen praktizierten willkürlichen Verhaftungen, auch von Jugendlichen und Kindern, sowie die in geheimen Haftzentren bzw. im Haftzentrum des Politischen Sicherheitsdienstes in Sanaa vorgenommenen Folterungen und Fälle staatlicher Morde sowohl Berlin als auch Brüssel bekannt sind. Gerade letzterer Fakt tritt erneut den Beweis dafür an, dass die sogenannten EU-Werte nicht mehr als eine bedeutungslose Floskel sind, die je nach Bedarf negiert resp. ihres Inhalts restlos entleert werden. »Folter und andere Misshandlungen sind im Jemen weit verbreitet«, hat Amnesty International zum wiederholten Male bestätigt. Jedenfalls sollte man sich endgültig darüber im klaren sein, dass der Anti-Terror-Kampf in Wahrheit die versuchte Ausrottung jeglichen Widerstands gegen Washington bedeutet, was natürlich niemand in Brüssel über die Lippen kommt. Fakt ist, dass die USA ihre tödlichen Drohnenkriege, wo immer sie diese als berechtigt betrachtet, ungehindert und allein entscheidend durchführen kann, wie dies aus  Drohnenkriege - Von Doris Auerbach hervorgeht.

Von strategischer Bedeutung
Die Kontrolle über den Jemen nimmt in den strategischen Konzeptionen des Westens bekanntlich einen hohen Stellenwert ein. Das Land liegt auf dem Weg aus dem Indischen Ozean in Richtung Suezkanal, und wer  - aus Ostasien oder auch aus dem Mittleren Osten kommend -  die EU per Schiff erreichen will, muss die jemenitische Küste streifen, was sowohl auf die Handelsschifffahrt der EU als auch auf die NATO-Marine zutrifft, deren Kriegsschiffe regelmässig in die Einsatzgebiete am Horn von Afrika oder in den Persischen Golf fahren.
In Anbetracht dieser strategischen Bedeutung des Jemens, hielt German Foreign Policy schon im Juni 2011 fest, »legt der Westen seit jeher erheblichen Wert darauf, in Sanaa nichts aus dem Ruder laufen zu lassen.« »Seit einigen Monaten«, schrieb F. William Engdahl im Januar 2010, »ist die Welt Zeuge einer immer offener zutage tretenden militärischen Einmischung im Jemen, einem trostlosen Land, das im Norden an Saudi-Arabien, im Westen an den Golf von Aden und im Süden an das Arabische Meer grenzt. An der gegenüberliegenden Küste liegt ebenfalls ein trostloses Land, das in jüngster Zeit Schlagzeilen macht, nämlich Somalia. Alles deutet darauf hin, daß das Pentagon und der US-Geheimdienst dabei sind, die Meerenge Bab el-Mandeb, einen strategischen Engpaß für die Ölversorgung der Welt, zu militarisieren. Den Vorwand dafür bieten die Übergriffe somalischer Piraten und die angebliche neue Bedrohung durch Al-Qaida aus dem Jemen. Außerdem finden sich im Grenzgebiet zwischen dem Jemen und Saudi-Arabien unerschlossene Ölvorkommen, die zu den größten der Welt zählen sollen. Das Masila-Becken und das Shabwa-Becken enthalten nach Angaben der internationalen Ölgesellschaften Weltklasse-Funde. Die französische Total sowie einige kleinere internationale Ölgesellschaften sind an der Entwicklung der Ölproduktion im Jemen beteiligt und etwa 70 % der Einkünfte des Landes stammen aus dem Verkauf von Öl. Die Zentralregierung von Präsident Saleh hat ihren Sitz in Sanaa im ehemaligen Nordjemen, während die Ölquellen im Südjemen liegen; trotzdem hat Saleh die Kontrolle über die Einkünfte aus dem Ölexport.   

Mit Bab el-Mandeb überblickt der Jemen eine der strategisch wichtigsten Meerengen der Welt. Diese wird von der US-Regierung zu den sieben wichtigen Engpässen für den Öltransport gezählt. Zwischen dem Jemen, Dschibuti und Eritrea gelegen, verbindet Bab el-Mandeb den Golf von Aden mit dem Arabischen Meer. Öl und sonstige Exporte aus dem Persischen Golf müssen Bab el-Mandeb passieren, bevor sie in den Suezkanal einfahren. 2006 gab das Energieministerium in Washington bekannt, daß täglich schätzungsweise 3,3 Millionen Barrel Öl durch diesen engen Seeweg nach Europa, in die USA und nach Asien gelangen. Das meiste Öl, etwa 2,1 Millionen Barrel, geht nach Norden: Durch Bab el-Mandeb zum Suez-Sumed-Komplex und weiter ins Mittelmeer. Nach Aussage der staatlichen amerikanischen Energy Information Agency könnten Tanker nach einer Schließung von Bab el-Mandeb den Komplex Suezkanal-Sumed-Pipeline nicht mehr erreichen und müßten den Umweg um die südliche Spitze von Afrika nehmen. Ein Vorwand für eine Militarisierung der Gewässer in der Umgebung von Bab el-Mandeb durch die USA oder die NATO brächte Washington seinem Ziel der Kontrolle über alle 7 grossen Engpässe für den Öltransport auf der Welt ein gutes Stück näher. Dadurch könnte die USA in Zukunft China, die EU und jede andere Region oder jedes Land, das sich der amerikanischen Politik in den Weg stellt, von der Ölversorgung abschneiden. Da erhebliche Mengen saudi-arabischen Öls Bab el-Mandeb passieren, diente eine US-Militärpräsenz an dieser Stelle auch als Warnung an Riad, falls das saudische Königreich mit der Ankündigung ernst machen sollte, Öllieferungen an China und andere Länder nicht mehr in Dollar abzurechnen, wie der britische Journalist Robert Fisk kürzlich in der britischen Zeitung ›Independent‹ geschrieben hatte. Washington könnte damit die Öllieferungen von dem gerade nördlich von Bab el-Mandeb gelegenen Port Sudan am Roten Meer nach China bedrohen: Diese Verbindung ist für die Deckung des chinesischen Energiebedarfs lebenswichtig.«  [1] 

Die Vorläufer des jetzigen Bürgerkriegs 
Zu diesen gehört der erste Schlag gegen mutmassliche jemenitische Aufständische, die die US-Streitkräfte am 17. Dezember 2009 durchführten; an diesem Tag feuerten sie eine Cruise Missile auf ein angebliches Al-Qaida-Camp in der Provinz Abyan. Eine zweite Cruise Missile schlug am 24. Dezember 2009 im Südosten des Landes ein, rund 600 km von der Hauptstadt entfernt; einem dritten Schlag am 14. März 2010 folgte ein vierter am 25. Mai, dem versehentlich der stellvertretende Gouverneur der Provinz Marib zum Opfer fiel. Offiziell befand sich die USA nicht im Krieg mit dem Jemen, sie wurde aber von der Regierung in Sanaa gedeckt. Bereits 2010 verzeichnete das Land pro Woche zwei bis drei Drohnenangriffe. Im selben Jahr stockten die Special Operation Forcesund die CIA Berichten zufolge Personal und Kampfgerät im Jemen, in Dschibuti, in Äthiopien und in Kenia auf, während sie sich auf eine Vervielfachung der Bombardements vorbereiteten. Parallel zu den US-Schlägen gegen Aufständische unterschiedlicher Provenienz kämpfte die Armee des Landes. 

Wie auch German Foreign Policy sehr richtig schreibt, »hat der Westen die islamistisch geprägten Strukturen, die er im Jemen bekämpft, einst selbst stark gemacht: In Afghanistan. Als insbesondere die USA, aber auch die Bundesrepublik in den 1980er Jahren den anti-sowjetischen Untergrund in Afghanistan stärkten, um Moskau eine Niederlage zu bereiten, stützten sie sich stark auf islamistische Kräfte. Unter diesen befanden sich auch zahlreiche Jemeniten. Ab 1988 kehrten Experten zufolge mehr als tausend vom Westen trainierte Afghanistan-Kämpfer, deren religiöser Fanatismus am Hindukusch stark gefördert worden war, in den Jemen zurück, wo sie weiter agierten und dabei großzügige Unterstützung aus Saudi-Arabien und Kuwait genossen. Ende der 1990er Jahre entstanden aus dem Milieu zurückgekehrter Afghanistan-Kämpfer islamistische Gruppierungen, aus denen sich die heute vom Westen bekämpften Strukturen speisen. Zur Vernichtung seiner einstigen Helfershelfer, die Afghanistan in ein blutiges Chaos stürzten, stürzt der Westen jetzt auch den Jemen in den Krieg.«  [2]  Was Obama, kaum im Amt, jedoch nicht davon abhielt, im Jemen gegen die ewig und immer als mutmasslich gekennzeichneten Terroristen vorzugehen, so dass allein im Dezember 2009 30 sogenannte Terroristen festgenommen worden waren, während bei Angriffen mit Luftunterstützung, die insgesamt mehr als 50 Menschenleben forderten, mindestens 28 Al-Qaida-Kämpfer getötet wurden.    

In seiner Afghanistan-Rede vom 1. Dezember 2009 hatte Obama u.a. erklärt: »Der Kampf gegen den gewalttätigen Extremismus wird nicht schnell zu Ende gehen, und er reicht weit über Afghanistan und Pakistan hinaus. Er wird eine dauerhafte Prüfung für unsere freie Gesellschaft und für unsere Führerschaft in der Welt sein. Wir müssen geschickt und exakt beim Gebrauch unserer Militärmacht sein. Wo Al-Qaida und ihre Verbündeten Fuss zu fassen versuchen – sei es in Somalia oder im Jemen oder anderswo – müssen sie mit wachsendem Druck und starken Partnerschaften konfrontiert werden.« Eine von dem republikanischen Senator John McCain geführte US-Delegation hatte Mitte August 2009 zugesichert, dass der Jemen im Kampf gegen den internationalen Terrorismus ein wichtiger Partner (!) bleibe und weiter unterstützt werde. Bedenkt man, dass der Djihad durch den Westen immer wieder eine gewollte Erneuerung erfährt, so zuletzt durch den Aufbau des IS durch die USA, kann der von Obama zitierte Kampf gegen gewalttätige Elemente auch gar nicht zu Ende geführt werden, was auch nicht beabsichtigt ist.                         

Karin Leukefeld von der ›jungen Welt‹ hatte im Januar 2010 ein längeres Interview mit  Mohammed Abdulsalam geführt, das wir auf politonline eingestellt haben:
Jemen: »Sie wollen auf unser Gebiet«

Wie dort dargelegt wird, war zunächst eine Gruppe von Schiiten gegen das Unrecht, die Unterdrückung und gegen die Dominanz korrupter Herrscher aufgestanden; Anfang August 2009 setzte dann, wie bereits vorangestellt, der Krieg der jemenitischen Regierung gegen die Huthis im Nordwesten des Landes ein. Die Huthis, so Abdulsalam, bezeichnen sich in erster Linie als eine kulturelle Bewegung. Tatsache ist, dass sie den Krieg nicht begonnen haben. Es war die Regierung, die sie mit Gewalt zwingen wollte, ihre Kultur und ihre Überzeugungen aufzugeben. Inzwischen sind sechs brutale Kriege gegen uns geführt worden. »Aus unserer Nation«, so der Huthi-Sprecher des weiteren, »gingen viele Gelehrte und Denker hervor. Wir respektieren religiöse Unterschiede, lehnen aber die Spaltung zwischen den muslimischen Gemeinschaften ab. Wie es in diesem Interview weiter heisst, »ist der Jemen nicht nur ein gescheiterter Staat, sondern man kann ihn gar nicht als Staat bezeichnen. Das Regime hat dem Land nie eine wirkliche Entwicklung ermöglicht. Die hohe Arbeitslosigkeit, die Armut, der geringe Bildungsstand und der Rassismus sind für jeden Besucher sichtbar. Es gibt eine kleine Gruppe von Superreichen, der Rest lebt von dem, was er auf der Straße findet. Die Mitglieder des Regimes haben gut gefüllte Bankkonten in Europa und in anderen Teilen der Welt, während die einfachen Leute sich glücklich schätzen können, wenn sie ein Stück Brot finden. Die internationale Hilfe, die Jemen erhält, wäre mehr als genug, um das Land und seiner Bevölkerung Unabhängigkeit und Sicherheit zu geben. Doch die Vorraussetzung dafür wäre die Existenz eines funktionierender Staates, der verantwortlich handelt.« 

Schon Mitte Januar 2010 hiess es, der Iran unterstütze die Bürgerkriegsmilizen im Nordjemen und bereits zu diesem Zeitpunkt kreuzten saudische Schiffe vor der Küste Jemens, um mögliche iranische Waffenlieferungen an die Huthi zu verhindern, während saudische Kampfflugzeuge schon damals mehrfach Stellungen der Huthi bombardierten. Soweit bekannt befanden sich einem Bericht zufolge im März 2011 50 Offiziere US-amerikanischer Spezialkommandos im Jemen, die dort stationiert waren, um »Anti-Terroreinheiten« auszubilden, wobei sie von britischen Kollegen unterstützt wurden. Im selben Jahr erhielt das Regime von der USA 150 Millionen $ als Militärhilfe. Gleichzeitig wurde der verstärkte Einsatz von bewaffneten Drohnen für gezielte Tötungen diskutiert; als zentraler Vorteil wurde dabei die Möglichkeit gesehen, Operationen auch ohne ausdrückliche Zustimmung der jemenitischen Regierung durchzuführen. Da im Land eine starke Stimmung gegen den US-Imperialismus herrschte, wodurch das Regime auf die Unterstützung konservativer Stämme angewiesen war, musste Präsident Saleh darauf bedacht sein, seine Kooperation mit der USA nicht allzu offensichtlich werden zu lassen. Eine Unterstellung aller militärischen Aktivitäten der USA im Jemen unter das Kommando der CIA hätte es dem Regime natürlich erleichtert, Nichtwissen vorzutäuschen. 

Im April 2011 war der Rücktritt von Präsident Saleh von Hunderttausenden von Demonstranten in Sanaa erneut gefordert worden. Von Mitte Februar 2011 an war es auch immer wieder zu Demonstrationen gegen die extreme Armut im Land und für mehr Freiheit gekommen. Infolge der  Eskalation der regierungskritischen Proteste brach der jemenitische Stammesführer Al Ahmar, der das Oberhaupt der mächtigsten Stammeskonföderation im Jemen stellt, mit dem Staatschef; seine Anhänger gingen auch mit Gewalt gegen das Regime vor.  Al Ahmar war laut dem politischen Beobachter Faris Sadkaf »zu einem Anführer geworden, um den herum sich alle sammeln. Wenige Gegner Salehs verfügen über mehr Mittel als er. Der 55-Jährige hat das Kommando über 1000 Haschid-Kämpfer. Deren Arsenal umfasst auch Mörsergranaten und Panzerabwehrraketen - und könnte bei Bedarf vermutlich noch ausgebaut werden.«  

Wie die junge Welt im Juni 2011 schrieb, errichtete die USA im Jemen einen Stützpunkt für die CIA. Wie es damals hiess, wurde der Bau des Luftwaffenstützpunkts wegen der politischen Entwicklung im Jemen beschleunigt vorangetrieben und sollte nach 8 Monaten fertiggestellt sein. Von dort aus sollten dann Einsätze gegen angebliche Terroristen im Jemen geflogen werden.  [3]  Saleh hatte mit seinem Vabanquespiel und der jahrelange Misswirtschaft nicht nur die Huthi- Bewegung gegen sich aufgebracht; die hohe Korruption staatlicher Stellen im Jemen ist ein offenes Geheimnis. Schon Mitte Januar 2010 hatte es geheissen, dass auch im Süden eine starke Opposition fast täglich demonstrierte. Einer der Vorwürfe lautete auf Unterdrückung der Meinungsfreiheit. Man stelle nun diesen Fakten die Aussage von US-Senator Carl Levin gegenüber, wie sie Al-Arabiya festgehalten hat: »Alles, was mit Drohnen, Luftangriffen und verdeckten Aktionen« gemacht werden könne, müsse man im Jemen gegen Al-Qaida einsetzen.« Bei »wirklich hochwertigen Zielen« sei es das Recht Washingtons, »einseitig gegen solche Ziele vorzugehen«. Indessen hatten islamische Gruppen bei ausländischer Einmischung im Jemen mit dem »Heiligen Krieg« gegen die USA und dem Sturz der Regierung gedroht.  [4]  

Am 18. März 2011 war der Ausnahmezustand über den Jemen verhängt worden; den Bürgern wurde das Tragen von Waffen verboten, nachdem es zuvor in Sanaa zu blutigen Zusammenstössen gekommen war, bei denen Sicherheitskräfte mehr als 40 Demonstranten erschossen haben sollen. Die Schiesserei hatte begonnen, als sich am 18. 3. 2011 nach dem Freitagsgebet in der Nähe der Universität der Hauptstadt eine Demonstration formieren wollte. Die Zahl der Verletzten wurde mit über 200 angegeben. Nach dem Freitagsgebet am 15. April gingen dann auch in den Städten Tais, Aden und Hadramaut grosse Mengen von Menschen gegen den langjährigen Machthaber auf die Strasse, während sich gleichzeitig Zehntausende von Anhängern des Präsidenten vor dessen Amtssitz versammelten. Wie Saleh erklärte, müsse um der Sicherheit und der Stabilität willen eine Einigung gefunden werden. Indessen schlugen sich Geistliche und Stammesfürsten, die vor kurzem noch zu Saleh gehalten hatten, auf die Seite der Demonstranten. Aktivisten hatten die Bevölkerung zum zivilen Ungehorsam aufgefordert; sie sollten keine Steuern und keine Stromrechnungen mehr bezahlen. Im September 2011 hatte dann Saudi-Arabien der Regierung eine Kolonne neuer Panzer, darunter Schützenpanzerwagen, zur Verfügung gestellt. Dies war bereits die zweite saudi-arabische Lieferung von Militärtechnik an den Jemen, die kurz nach Beginn der Massenproteste der jemenitischen Opposition  - die die Forderung nach einem Rücktritt von Saleh zum Gegenstand hatte -  zwischen den Regierungen der beiden Länder vereinbart worden war. Im gleichen Monat erreichten die Auseinandersetzungen zwischen Saleh und dem Ahmar-Clan einen neuen Höhepunkt. Die republikanischen Garden hatten Zentren der Opposition mit Artillerie und Kampfjets angegriffen. Dennoch konnte sich Saleh an der Macht halten, da er sowohl von Saudi-Arabien als auch von der USA gestützt wurde, was ihm Geld, Waffen und militärische Ausbildung sicherte.

Mitte des Jahres 2012 gab es im Jemen keine funktionierende Zentralmacht mehr, sondern lediglich andauernde bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen instabilen Allianzen tribalistischer, regionaler und religiöser Gruppen. Auch nach der Entmachtung Salehs, dessen Rücktritt am 27. Februar 2012 erfolgte, kam der Jemen nicht zur Ruhe.  

Im September 2014 hatten die Huthis und ihre Ansarullah-Miliz die Macht in Sanaa übernommen. Zwar sind die Huthis, wie erwähnt, zaiditische Schiiten, sie werden aber von vielen nicht-schiitischen Kräften unterstützt. Sie wirken als eine nationale Kraft, die das Volk gegen die Regierung und eine von den Saudis durchgesetzte, die Spaltung des Landes und die Korruption aufrechterhaltende politische Vereinbarung eint. Innerhalb weniger Monate gelang es den Huthi und ihren Verbündeten, grosse Teile des Landes von Al-Qaida-Terroristen zu säubern, was der USA und ihren Verbündeten in zehn Jahren nicht gelungen war. Zuletzt standen sie kurz davor, Al-Qaida und den IS ganz aus dem Südjemen zu vertreiben. In der Folge hatten sie einen nationalen Dialog über die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit und eine Verfassungsreform eingeleitet, das Parlament aufgelöst und Abed Rabbo Mansur Hadi, zuvor Stellvertreter von Saleh und vom 27. 2. 12 an amtierender Präsident des Jemens, entmachtet. Hadi floh am 21. Februar 2015 aus Sanaa nach Aden; Wochen zuvor war er unter Hausarrest gestellt worden. Am 25. 3. 15 gelang ihm die Flucht aus Aden, um sich nach Saudi-Arabien abzusetzen. Einer Meldung von bbc online vom 21. März zufolge hatte die USA am 21. 3. damit begonnen, ihr Militärpersonal von ihrer Basis im Jemen aus Gründen wachsender Unsicherheit zu evakuieren.

Als am 25. März 2015 Aden besetzt war, begannen die Saudis ihre Bombenangriffe, um jede Hoffnung auf einen nationalen Dialog zunichte zu machen. Die Vorstellung eines republikanischen Jemen mit einer toleranten religiösen Kultur ist für die wahhabitischen Herrscher des Hauses Saud ein Alptraum, weil die beiden Länder eine lange gemeinsame Grenze und viele historische Verbindungen haben. Die Angriffe der saudische Luftwaffe auf den Jemen setzten in der Nacht zum 26. März ein, wobei vor allem Sanaa bombardiert wurde. Wie die jungen Welt u.a. schrieb, unterstützte die USA den Militäreinsatz der Nachrichtenagentur AFP zufolge lediglich logistisch: »Wie groß ihr Einfluß auf den Konflikt tatsächlich ist, darauf deutet allerdings bereits der Ort der Kriegserklärung hin: Der Botschafter Saudi-Arabiens in der USA, Adel Al-Dschubeir, kündete den Beginn der Intervention am 25. 3. in Washington an. Diese diene dazu, die legitime Regierung des Jemens zu verteidigen. Es müsse verhindert werden, daß die Huthi-Miliz das Land einnehme. Saudi-Arabien kann sich der Unterstützung weiterer sunnitischer und der USA loyal gesinnter Regimes in der Region sicher sein. Dschubeir sprach von einer Koalition von mehr als 10 Ländern, ohne diese jedoch im einzelnen zu benennen. Nach Angaben des saudischen Senders Al-Arabija haben die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, Kuwait und Katar Kampfflugzeuge bereitgestellt. Der ägyptische Außenminister Samih Schukri hatte am 26. März bei dem Treffen mit seinen Kollegen der Arabischen Liga in Scharm el Scheich erklärt, sein Land plane den Einsatz von Luftwaffe, Marine und sogar Bodentruppen, wenn dies nötig sein sollte. Saudi-Arabien hat bereits 150.000 Soldaten mobilisiert und schweres Militärgerät an der Grenze zum Jemen aufgefahren. Hadi, der als Statthalter des sunnitischen Königshauses von Saudi-Arabien gilt, hatte die Angriffe auf sein Land am 25. März selbst gefordert.  [5] 

Am 27. März hatte das Auswärtige Amt in Berlin die Angriffe der saudischen Kriegskoalition auf Jemen und die Huthi-Rebellen als gerechtfertigt erklärt, was nicht überraschen sollte, hatte doch auch Merkel Saudi-Arabien als Stabilitätsanker in der Region bezeichnet. »Wir haben keine Zweifel an der Legitimität«, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Der Jemen befinde sich in einer »außerordentlich bedrohlichen Situation« und habe die Weltgemeinschaft um Hilfe ersucht. Wovon selbstverständlich keine Rede sein kann!  »Die saudische Intervention«, vermerkte die junge Welt, »muß vor dem Hintergrund der Instabilität des eigenen Systems gesehen werden. Die Repressionen gegen die schiitischen Minderheiten, die seit 2011 an der jemenitischen Grenze und in der saudischen Ölregion, der Ostprovinz Asch-Scharqiyya, verstärkt aufbegehren, nehmen zu. Ihre Führer, wie der Geistliche Al-Nimr, sitzen  - unbeachtet vom Westen -  in den Gefängnissen Riads. Im Jemen zeigt sich, daß eine derartige Unterdrückung nicht ewig währen kann. Auch hier hatten von den Saudis unterstützte Kräfte Schiiten drangsaliert. Die Region Saada im Norden des Jemen, aus der die schiitischen Rebellen stammen, war jahrelang vernachlässigt worden.« Saudi-Arabiens König Salman hat die arabischen Staaten jetzt Ende März auf einen langen Krieg im Jemen eingeschworen. Die Luftschläge der von seinem Land angeführten Allianz gegen Huthi-Rebellen würden so lange fortgesetzt, bis der Jemen wieder stabilisiert sei, so Salman auf dem Gipfeltreffen der Arabischen Liga.

Natürlich muss auch wieder der Iran dafür herhalten, damit sich der Krieg intensivieren kann, denn es ist der entmachtete Abed Rabbo Mansur Hadi, der den Iran beschuldigt hat, für das Chaos in seinem Land verantwortlich zu sein; gleichzeitig bezeichnete er die Hutis als Handlanger des Irans. Die Luftschläge müssten weitergehen, bis sich die Huthi-Bande ergibt. »Riads neuer Krieg, schreibt German Foreign Policy, »richtet sich gegen einen angeblichen Machtzuwachs des Irans, dem gute Verbindungen zu den schiitischen Huthi-Rebellen nachgesagt werden. Er entspricht den Interessen der NATO-Staaten: Man wolle verhindern, daß Teheran mit Hilfe der Huthis neben der Meerenge von Hormuz auch noch die Meerenge zwischen dem Jemen und Afrika kontrollieren könnte, durch die jeden Tag Millionen Barrel Erdöl transportiert werden. Beobachter halten eine vollständige Entgrenzung des jemenitischen Bürgerkriegs für durchaus wahrscheinlich. Die arabische Welt steht nach zahlreichen offenen oder verdeckten militärischen Interventionen des Westens unkontrollierbar in Flammen - vom Süden der Arabischen Halbinsel bis Nordsyrien, von Libyen bis Irak. Bereits vor Beginn der aktuellen Luftangriffe auf Stellungen der Huthi-Rebellen hatten die westlichen Großmächte und ihr regionaler Hauptverbündeter Saudi-Arabien zur Eskalation des innerjemenitischen Konflikts beigetragen. Dies geht aus Analysen von Experten hervor. So weist die International Crisis Group, ein internationaler westlicher Think-Tank, darauf hin, daß Washington und andere westliche Regierungen den jemenitischen Staatspräsidenten Hadi um jeden Preis an der Macht zu halten suchten, da er im Anti-Terror-Krieg stets bereitwillig mit ihnen kooperierte. Hadi hatte den Vereinigten Staaten den Stützpunkt Al Anad unweit der Hafenstadt Aden zur Verfügung gestellt, dies für Drohnenoperationen aller Art, aber auch für die Ausbildung jemenitischer Spezialkräfte. Daß der kooperationswillige Präsident weithin dringend gewünschte Reformen verschleppte und in der Bevölkerung kaum noch Rückhalt hatte, sei im Westen ignoriert worden, heißt es bei der Crisis Group.« Im Herbst letzten Jahres hatte es von Seiten der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung im Jemen geheissen, Hadis politisches Überleben werde derzeit nur noch durch die internationale Gemeinschaft garantiert. Laut der Crisis Group hat Saudi-Arabien zuletzt sogar mehrfach denkbare Verhandlungslösungen in dem eskalierenden Konflikt sabotiert. Noch diesen Monat habe Riad erneut eine Einigung unmöglich gemacht, indem es Gespräche an Vorbedingungen geknüpft habe, die für die Huthis unerfüllbar gewesen seien.  [6] 

»Die Wahrscheinlichkeit einer größeren Eskalation im Zusammenhang mit dem jüngsten Stellvertreterbürgerkrieg in der Nahmittelostregion«, schreibt Tyler Durden u.a., »ist jetzt weiter substantiell angestiegen. Der amerikanische stellvertretende Außenminister Antony Blinken erklärte am 7. 5. in Riad, die USA sei fest entschlossen, Saudi-Arabien zu verteidigen. Wir haben die Waffenlieferungen beschleunigt, den Austausch nachrichtendienstlicher Informationen ausgeweitet und einen gemeinsamen Koordinierungs- und Planungsstab im saudischen Operationszentrum eingerichtet, sagte er gegenüber Journalisten nach einem Treffen mit Vertretern der saudischen Königsfamilie und Abed Rabbo Mansur Hadi.«  

 

[1]  http://info.kopp-verlag.de/news/jemen-tummelplatz-fuer-al-qaida-oder-geopolitischer-engpass-fuer-eurasien.html   12. 1. 10  Jemen: Tummelplatz für »al Qaida« oder geopolitischer Engpass für Eurasien - F. William Engdahl

[2]  http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57881  27. 8. 2010  Die neue Front (II)

[3]  http://www.jungewelt.de/2011/06-16/060.php  16. 6. 11

[4]  http://www.jungewelt.de/2010/01-16/040.php  16. 1. 10

[5]  https://www.jungewelt.de/2015/03-27/059.php   26. 3. 15

[6]  http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59081   31. 3. 15   In Flammen